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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,1.1905-1906

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Heft 7 (1. Januarheft 1906)
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Bode, W.: Das Bedeutende im Kunstwerke
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Batka, Richard: Richard Straussens "Salome"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7963#0471

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der vor keinem derben Worte zurückschreckte, und der im innersten
Kern wahrhaftig war. Sie zeigen uns Goethes sehr hohe Auffassung
der Kunst: nicht nur Bedeutung forderte er von ihr, sondern „Würde
der Bedeutung". Die Kunstwerkc sollen unter den Menschenwerken
Adelsrang haben; an gemeiner Wirklichkeit ist genug vorhanden.
Die Künstler können uns eine erhöhte Welt schaffen, und wer so etwas
kann, von dem verlangen wir es auch. w Bode

ikickarä 8krau88er>8 „Zalome"

i

Unter beispielloser Teilnahme und nngeheurem Aufsehen der
gesamten Musikwelt hat Richard Strauß seine Oper „Salome" im
Dresdner Hoftheater herausgebracht. Zu Dresden — nicht in Ber-
lin. Dieser Umstand schon gibt uns zu denken. Denn so crfreulich es
ist, daß neben der Hauptstadt des Reichs die andern großen deutschen
Städte ihre küustlerische Tatkraft und Selbständigkeit so arbeitssroh
zu behaupten wisseu, so beschämend scheint es mir für Berlin zu
sein, dah es nicht imstande war, dem interessantesten Komponisten
der Gegenwart die Uraufführung seines neuen Werkes darzubieten.
Sollte sich's wieder einmal zeigen, daß Berlin in vieler Hinsicht
doch nur der riesige Markt und Stapelplatz der Kunst, des Handels
mit anderwärts erprobten Werten sei, während die kühnen Ent-
deckungen, tapferen Versuche und neuen Antriebe noch immer zumeist
von den kleineren geistigen Mittelpunkten her ihren Ausgang uehmen?

Wochenlaug angesagt, von der Zensur als uufreiwilliger Hel-
ferin der Reklame mächtig gefördert, hat sich das Ereignis mit allen
Förmlichkeiten des äußeren Erfolges vollzogen. Nichard Strauß ist
eben der Mann der Sensation. Auch wenn er sie uicht selber sucht,
heftct sie sich von selbst an seine Fersen. Das Geheimnis dieses
Aufsehens aber liegt in dem Spruughaften und Unberecheubaren
seines Wesens. Es kommt immer anders, als man glaubt. Meiueu
wir einmal, nun habe er seine wahre Bahn gefunden, sein künst-
lerisches Lebensziel bestimmt, so biegt er schon im rechten Winkel
ab, indessen sein Gefolge nach dem Gesetze der Schwerkraft in der
alten Richtung weiterschießt. Auf eines seiner Werke nach dem andern
hat man ästhetische Systeme aufgebaut; bei jedem hat man dann
das frühere abbrecheu oder wiederaufführen müssen, bis schließlich
selbst deu Geduldigsten der Faden riß. Nach der Domestica gab es
noch naive Leute, welche weissagten, Strauß werde sich wiederum
der Brahmsschen Richtung zuwenden. Nun haben sie die Besche-
rung. Brahms und Salome! Das Dementi ist zu köstlich. Straußens
außerordentliche Wandelbarkeit und Waudlungsfähigkeit muß uuu
einmal als Phänomen hiugenommen werden. Mit größerem Nechte
als einst Robert Schumann darf er von sich sagen, daß alles Be-
deutende der Zeit ihn ergreift und in seiner Musik sich ausdrücken
will. Eine solche Natur auf ein paar ästhetische Schlagworte festlegen,
heißt ihr Gewalt antun. Ein Programm-Mensch ist Strauß nun
einmal nicht. Sondern ein Jmpressionist, um nicht zu sagen, cin
musikalischer Journalist des größten Stiles, der auf die mannig-

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