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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,1.1905-1906

DOI Heft:
Heft 12 (2. Märzheft 1906)
DOI Artikel:
Schmidkunz, Hans: Zur "Interieur-Konfektion"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7963#0797

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2ur „Inlerieur-Ronfeklicm"

Denken wir uns auf einer Wanderung in verschiedentliche Dekora-
tionsgeschäfte und kunstgewerbliche Ausstellungen; oder auf der Suche
nach wertvollen Jnhalten unserer Kunstzeitschriften! Es läßt sich
wetten, daß wir derzeit an fast allen solchen Stellen in erster Linie
gesamte Zimmerausstattungen zu sehen bekommen. Sind es nicht
gerade Gesamtausstattungen, so sind es doch wenigstens größere Teile
von solchen, beispielsweise Ecken oder Erker oder dekorative Gesamt-
gebilde an Fenstern und dergleichen mehr. All das scheint uns zu-
zurufen: „So sollt ihr wohnen!" Und wir kommen uns nun vielleicht
recht töricht, geschmacklos und reaktionär vor, daß wir nicht schon
längst unsere Stube einem Dekoratenr oder Jnnenkünstler anver-
traut haben, auf daß er sie in solcher Weise aus einem einzigen
Guß über unsere Köpfe gieße. Wir glaubten bisher, unsere Ein-
richtung am besten gleichsam aus unserem persönlichen Leben her-
auswachsen zu lassen. Das darf nun nicht mehr sein?

Jnzwischen hat uns irgend eine Wanderung in ein altes Ge-
bäude von privatem oder fürstlichem Besitz oder auch in ein Museum
geführt; wir sehen dort eine alte Stube, vielleicht in Renaissance,
vielleicht in „Biedermeier", und fühlen uns darin von einem Hauch
jener Wohligkeit umweht, die sich dort einstellt, wo Künstlerisches
mit intim Persönlichem sich vereinigt. Man könnte vielleicht sagen,
daß es damals bessere Künstler gab als jetzt. Jndessen ist dies
recht unwahrscheinlich. Wir haben heute architektonische und kunst-
gewerbliche Meister genug, und anderseits ist kaum anzunehmen, daß
jede von jenen alten Stuben auf einen besonders begnadeten Künstler
zurückgeht. Die Berschiedenheit zwischen einst und jetzt scheint darauf
zu beruhen, daß in jener älteren Zeit die Jnnenwerke geworden
sind, daß sie hingegen in unserer Zeit gemacht werden. Dort ein
Herauswachsen aus Bedarf und Persönlichkeit des Eigners, hier ein
Kommando gleichsam eines Dekorationsbeamten über den Unter-
gebeneu.

Die Bedarfsgegenstände unserer Stuben hat man nicht umsonst
„Möbel" genannt, d. h. „Bewegliches". Jn doppeltem Sinne scheint
dies gemeint zu sein. Erstens in dem rein Physischen Sinne, daß
sie von Stelle zu Stelle getragen werden können. Zweitens aber
auch in dem Sinn einer Beweglichkeit, insbesondere Schmiegsamkeit
ihrer Formen, oder sagen wir gleich: ihres Geistes, in Rücksicht
auf den Geist derer, die sie benützen. Heutzutage werden auch feste
Möbel beliebt. Das ist natürlich kein sachlicher Widerspruch, son-
dern nur einer nach den hier angewendeten Begriffen; es fehlt aber
nicht viel, daß er auch sachlich einer wird. Gegen die Praxis der
eingebauten Möbel, wenigstcns sofern es sich um mehr handelt als
um Wandbänke und dergleichen, ist schon mancher Protest gefallen,
nicht zuletzt von reinmachenden Hausfrauen. Einen besonderen Pro-
test aber scheinen jene samosen „Umbauten" und Kombinations-
möbel zu verdienen, welche (von Verwandlungsmöbeln wohl zu unter-
scheiden) in das Mobiliar mindestens etwas Versteifendes hinein-

2. rNärzheft OOö
 
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