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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,1.1905-1906

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarheft 1906)
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Batka, Richard: Mozart
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https://doi.org/10.11588/diglit.7963#0528

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Den „Licht- und Liebesgenius der deutschen Musik" hat ihn
Richard Wagner genannt, dessen hundertsünfzigsten Geburtstag man
nun seierb Der Licht- und Liebesgenius — wer wüßte eine treffeudere
Bezcichnung für Mozarts Wesen und seiu Schicksal? Jn deu Mhthen
aller Völker sterben die Licht- und Liebesgenieu eiues frühen Todes.
Mozart! Man denkt au Frühlingsluft nud Veilchenduft bei seinem
Namen. Und seinc Musik, die das Leben verklärt wie Morgensvnnen-
schein, die selbst die duukelsten Wiukel der Welt übergoldet, ist sie
uns in den Tagen der zunehmenden Verelenduug der Kunst nicht
ein doppelt teurer, kostbarer Besitz gewordeu, ein „Vorschmack des
Paradieses", wenn man will, eine wouuige Zufluchtstütte mitten im
verquälten, überreizten Tougewirre der Gegenwart, wo allen, die
da Leid trageu, ein süß lächelnder Trost, eine unsägliche Zärtlich-
keit, eine göttlichc Heiterkeit winkt?

Darüber sind wir heute wohl alle eiuig. Nichtsdestoweniger
werden an Mozarts Jubeltage die tansend bei diesem Anlaß ge-
äußerten Meiuungen vermntlich keine reine Harmouie ergeben. Am
ehesten wohl wird die Uebereinstimmung darüber, was Mozart war,
zustande kommen, also über alles, was seine geschichtliche Stellung
anlaugt. Am schwersten aber wird es seiu, sich darübcr zu ver-
ständigen, was Mozart nns ist oder was cr uns einmal noch sein
könnte. Denn da haben wir's mit eincr zähen und wenig duld-
samen Partei zu tun, die Mozart nicht iu entwickluugsgcschichtlichen
Zusammenhang nebcn dic anderen Heroen der Musik gesetzt wissen
will, sondern womöglich über sie: mit einer Partei, die seit der
Schöpfung der „Eroica" uicht müdc wird, der Zeit das „Zurück
zu Mvzart" laut ins Ohr zu rufen. Wie scharf ihre Stimme nun erst
am huudertuudfünfzigstcn Geburtstag Mozarts aus dem allgemcinen
Chor hervorstcchen werde, man kann sich's jetzt schvn nach früheren
Erfahrungcn vorstellcu. Und die ganze Frage läßt sich nicht erörtern,
ohne an die wichtigsten Grundlagen der mnsikalisckien Aesthetik
zu riihrcn.

Wagner, dem >vir die tiefsten Aussprüche nber Mozart zu ver-
dankeu haben, sagt: „Der deutsche Genius scheint bestimmt zu sein,
das, was seinem Mutterlande nicht eingeboren ist, bei seinen Nach-
barn aufzusuchen, dies abcr aus seiuen engeu Grenzeu zu erheben
und somit etwas allgemeincs für die ganze Welt zu schaffen, indem
er dabei das Erbteil seiner deutschen Geburt rcin und unverfälscht
erhält, und dieses Erbteil ist: Reinheit der Empfindnng und Keusch-

2. Ianuarheft lgvb -zri
 
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