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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,1.1905-1906

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Heft 12 (2. Märzheft 1906)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7963#0808

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„2o muß ich Iahr für I)ahr denn mehr verarmcn!

Aein Gruß, kein Brieflein heute zunr erwarmcn!

Ich brauch' ein Tröpflein Lieb', ein Lönnchcn bfnld.
Dst mein der Zehlcr? ist's dcr andcrn Schuld?
bfab' fede Güte doch nnt Dank crfaßt
Und auf die Daner niemand jc gchaßt.

Noch ist kcin Trauriger zu »nr gckommcn,

Dcr nicht cin freundlich Mort von mir vcrnommcn.
wer weiß es besscr, wic man Gift vergibt?

Mer hat in Ärömen so wis ich gcliebt?

Doch diescs ebcn schmeckt so grausam schnöde:

Da, wo ich licbtc, grinst die lccrste Gedc."

An scincm Schreibtisch waltcte der bserr,

Schautc nicht auf und sprach von ungefähr:

„Lin jedcr wandlc einfach seine Bahn.

Gb äd', ob schnöde, ei, was geht's dich an?

Was tut das Feuer in der Not? Ls sxrüht.

Mas tut der Baum, den man vergißt? <Lr blüht.
Drum übe jeder, wie er immcr tut.

Masch deine Augcn, schweig und bleibe gut."

^ 2 chreibt der Kunstwart
„z u hoch"?

Neulich erhielten wir dieseu Brief:
„Jch bin ein junges Mädchen uud
habe mir zu Wcihnachten sehnsüchtig-
lich den »Kunstwart« gewiinscht. Mit
großer Freude und viel Wissensdurst
arbeite ich täglich anderthalb Stnn-
den daran." Dann kommt Lob für
uns, das mit der Frage nichts zn
tun hat, auf die es uus aukommt,
nnd dann die Klage: „Aber vicllcicht
bin ich doch zu jung, zu uuwissend
dazu? Denn es schcint bei seinen
Lesern ein Riesen-Wissen vorausgcsetzt,
und oft stehe ich vor einem Dunkel
und habe niemand, der mir Licht
machen könnte.

Da z. B. Knut Hamsun im Mozart-
heft. Jst das cin nordischer Dichter?
Wenn nur wenigstens Geburtsort oder
Land dabei stünde! Man tappt im
Dunkeln und guält sich alles zu
durchsuchen und alle zu fragen und

niemand weiß es. Denn ich bin allein
auf mich angewiesen in allem was
ich lernen will.

Bitte, lieber Kunstwart, berücksich-
tige Deine jungen, noch so dummen
Leserinnen, denen Du doch den Weg
zu allem Schöncn und Großcn zeigen
sollst. Herzlichen Dank erntest Du
dauu sicher in tausend jungen Her-
zen!"

Ueber diesen Brief haben wir
nicht gelacht. Und nicht nur des-
halb nicht, weil er viel zu liebens-
würdig dazu ist. Nein, er rührt auch
an eine der ernstesten Fragen für
uns Schriftmenschen, an die: „wie
mach' ich's recht, wenn mein Leser-
krcis ganz verschiedcnaltrige und
iiberhaupt vcrschiedcuartige Meuschen
umfaßt?" Hätteu wir in diesem
Falle dazu gesetzt, daß Knut Hamsun
ein zeitgenössischer uorwegischerProsa-
dichter ist, als wie „schleppend", wie
„schulmeisterlich" hätten das andere

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Uunstwart XIX,
 
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