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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,1.1905-1906

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1905)
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Batka, Richard: Wolf-Ferrari
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https://doi.org/10.11588/diglit.7963#0242

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Molf-ferrari

Die meisten deutschen Opernhäuser eröffnen heuer ihre Spiel-
zeit mit Wolf-Ferraris musikalischer Komödie „Neugierige
Frauen". Diese Karriere ist ihr bei der Münchner Uraufführung
freilich uicht geweissagt wordeu. Die Oper hatte schon mehrere Sta-
tioneu mit gutem Anstande zurückgelegt, bevor sie im vorigen Jahr
am Berliuer Theater des West-ms landete und die dortige Kritik
den Komponisten als einen Kolumbus der Opernmusik, als einen
nicht etwa kommenden, nein, geradezu schon als den gekommenen
Mann begrüßte. Der hymnische Ton, womit ein so besonnener und
urteilsfähiger Kritiker wie Leopold Schmidt über ihn schrieb, mußte
die Neugier auf die „Neugierigen Frauen" höher spannen, als dem
Werke dienlich werden konnte.

Wolf-Ferrari ist der Sohn eines Deutschen (des den Besuchern
der Schack-Galerie wohlbekannten deutschen Kunstmalers August Wolf)
und einer Jtalienerin, aber er ist seinem innersten Wesen nach Jta-
liener. Tas ist scin Glück —in Deutschland. Denn die Jtaliener wollen
nicht viel von ihm wissen. Jhnen ist er zu „deutsch", den Deutschen
aber ist er welsch genug, um ihn oon kuoeo zu bewundern. Kein
Zweifel: die „Neugierigen Frauen" sind in vielen Szenen allerliebst
und verdienen den Beifall aller feiner empfindenden Kunstfreunde.
Nur svllte mau nicht vergessen, daß die Gattung der Ensembleoper
(im Mozartschen Sinne) unser Anton Urspruch mit eutschieden stär-
kerem Formgefühl und mit kaum schwächerer Judividualität vor-
weggeuommen hat. Auf sein „Unmöglichstes" hätte mehr als die
Hälfte all des Lobes gepaßt, das jetzt der fremde Maestro erntet. Von
Hugo Wolfs „Corregidor" enthält ein halber Akt mehr festen musika-
lischen Stoff und Erfindsamkeit als die ganze Oper Wolf-Fer-
raris. Was hat's geholsen? Man sage auch nicht, daß uns Deutschen
die Fähigkeit zum musikalischen Filigran fehle. Beweis fürs Ge-
genteil: Eugen d'Albert. An diese Namen — anderer zu geschweigeu —
sei hier wenigstens erinnert, um zu der Leistung Wolf-Ferraris das
rechte Verhältnis zu gewinnen. Denn in den Jubel Berlins stimmen
wir zwar nicht ein. Aber dem ncuen Manne Jtaliens können wir
deshalb immerhin ein freundliches Willkommen entbieten.

Die Wahl des Goldonischen Lustspiels „Us äonns ourioss" als
Operustoff scheint mir nicht übel. Freilich durfte sich der Bearbeiter
im 20. Jahrhundert (Graf Sugana) nicht gar so ängstlich an das
Original halten. Daß eine Anzahl neugieriger Frauen Venedigs
herausbringen will, was ihre Männer und Herzliebsten in ihrem
neugegründeten Kasino treiben, dessen Tür sich streng gegen alles
Weiblichc verschließt — diese simple Geschichte gibt entschieden nicht
genug Handlung her für ein abendfüllendes Werk. Außerdem kom-
men wir mit der losen Technik und der lockeren Szenenfolge des
Goldonischen Lustspiels heute nicht mehr aus, verlaugen vielmehr
eine straffere Führung der Szene, besser geschlossenen Aufbau, packend
komische Situationen, unausgesetzte innere sowie äußere Spannung
und Steigerung. Das ist hier verabsäumt, und da sich gleich in der
ersten Szene die ganze Harmlosigkeit des Kasinos enthüllt, kann

tdo Aunstwart XIX, H
 
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