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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,1.1905-1906

DOI Heft:
Heft 7 (1. Januarheft 1906)
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Schultze-Naumburg, Paul: Maler-Erziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7963#0479

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Maler-Ei'riekuiig

Seit geraumer Zeit suche ich für die Saalecker Werkstätten
eiuen Zeichner, der imstande sein muß, ein Gebäude, ein Möbel,
eine Gartenanlage, einen entworfenen Gebrauchsgegenstand ein- oder
mehrfarbig so darzustellen, daß man darnach die Wirkung des aus-
geführten Gegenstandes in Formengebung und Materialbehandlung,
kurz seine volle reale Erscheinung klar und znverlässig beurteilen
kann. Derartige Aufgaben gibt es auf dem Gebiet der Technik,
der Jndustrie, des Handwerks, der Wissenschaft und der Jllustration
sehr viele und wird es immer geben trotz des Vordringcns der Pho-
tographie; denn was noch nicht als Körper vorhanden ist, kann man
nicht photographieren, und auch gegenüber der Wirklichkeit versagt die
Photographie oft, teils aus photographisch-technischen Gründen, haupt-
sächlich aber, weil sie die Erscheinung ohne jede begriffliche Erklärung
wiedergibt. Es ist nun allgemcin bekannt, daß es in Deutschland
eine Unzahl Maler gibt, die nicht oder doch nur kümmerlich in der
Lage sind, ihr Brot zu verdienen, und die auch nicht genügend begabt
sind, um ein Anrecht an die Allgemeinheit auf Unterhalt und Be-
schäftigung zu haben. Man sollte daher meinen, es müßte leicht
sein, Jemand für einen Posten zu finden, wo auch der auf künst-
lerischem Gebiet etwas Achtbares und Nützliches leisten kann, dem
ein Talent für freie und selbständige Kunstschöpfung versagt ge-
blieben ist. Das bestätigt sich nicht. Jch habe bei dem Suchen nach
solchen Kräften allmählich die Ueberzeugung gewonnen, daß sie in
Deutschland rapid im Schwinden begriffen sind. Der Grund aber,
weshalb ich diese Tatsache im Kunstwart anführe, ist der, daß sie
mir ein gewichtiges und schlimmes Symptom für die Erziehung
unserer künstlerischen Talente überhaupt zu sein scheint.

Jch habe gefunden, daß der auf der Kunstgewerbeschule Aus-
gebildete wenigstens positive Kenntnisse mitbringt, die für die Er-
füllung der bezeichneten Aufgaben notwendig sind. Nur fehlt bei
den meisten die Schulung einer feineren malerischen Darstellung,
sodaß für dort Ausgebildete meist ein jahrelanges Studium not-
wendig wird, wenn nicht eine angeborene starke Begabung sie rasch
über die Hindernisse hinwegführt. Wer den Lehrgang der alten
Akademien gründlich und mit Fleiß durchgemacht hat, kann sich, wie
mir scheint, wenigstens bald in das Wesen der Aufgabe hincinfinden,
wenn er auch noch beinahe alles dafür zu lernen hat. Wer aber
eine nach durchaus modernen Prinzipien geleitete Malerschule hinter
sich hat, der ist endgültig dafür verdorben und ist gegenüber allen
Erfordernissen dieser Aufgabe hilfloser und ungeschickter als der völlige
Anfänger. Das ist kein schlechter Scherz, um das herabzusetzen, was
vortreffliche und ^ernsthafte Künstler auf Grund der von ihnen für
richtig gehaltenen Prinzipien gewissenhaft und konsequent gelehrt
haben und lernen, sondern eine ernsthafte und zu erklärende Tatsache.

Weder die impressionistische Kunst noch die Schule, die sie im Ge-
folge gehabt hat, nimmt sich als Ziel vor, die Dinge der Welt greifbar
Plastisch und klar so darzustellen, wie unser Auge sie bci klarer Be-

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