Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,1.1905-1906

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarheft 1906)
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7963#0566

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Neue Bücher
Fesseln und Schranken. Dich-
tung und Wahrheit aus dem Offi-
zierslcben. Bon Friedrich von OP -
Peln-Bronikowski (Hüpeden L
Merzyn, Berlin, Leipzig, Paris). Wie-
der einmal ein Militärroman. Dies-
mal geht es gegcn die Kavallerie.
Soviel ich sehe, bleiben nur noch
Romane gegen die Pioniere und die
„Eisenbahner" übrig, alle andern
Truppcnteile habeu ihreu Roman-
rüffel nun schon bekommen. Auch
unser Autor weiß mit cincm großen
Sündcnregister aufzuwarten. Jedoch,
man fühlt wenigstens, seine Trieb-
feder ist weder Haß gegcn das Heer
als solches, noch Lust am Skandal,
sondern „Jdcalismus". Nur schütze
uns der Himmel vor diesein Jdealis-
mus, der sich nicht andcrs zu be-
tätigen wciß als durch Berallgcmei-
neruug vou Schwächcu uud Schäden.
Es liegt etwas betrübcnd Kindisches
in dieser ganzen Art. Daß Kaval-
lerieofsiziere so wenig Engel sind wie
andere Menschen, am wenigsten die
ganz jungeu unter ihnen in dcn
Jahren, wo sie hauptsächlich mit dem
Körperteil arbeiten müssen, aus dem
sich unsereins ausruht, daß es in
jeder größercn Gemeinschaft nament-
lich junger Menschen nicht ohne Bru-
talitäten und Ungehörigkeiten ab-
geht, das brauchte wirklich uicht im-
mer wieder von neuem „bewieseu" zu
werden. Daß aber heutzutage ein
junger, fähiger Reiteroffizier, der sich
nicht ganz der Schablone fügt, schlim-
mer dran sei als früher, hat der
Autor schon deshalb nicht bewieseu,
weil der Held seines Romans, Leut-
nant von Bricg, übcrhaupt keiue sol-
datische Natur, sondern ein verträum-
ter, etwas neurasthcnischer Schwär-
nier ist. So redet Oppeln-Broni-
kowski im Grunde gar nicht von den

„Fesseln und Schranken" im Offi-
zicrsleben, sonderu von den Fesseln
und Schranken, dic jedeu drücken,
der in eineu seiner Begabuug nicht
entsprechendcn Beruf hineingeraten
ist. Jm einzelneu findet sich viel
gute Beobachtung, aber das Ganze
ist merkwürdig unreif und zerfahrcn.
Gegen Schluß gibt es sogar so
üble Romankatastrophen, daß man
sich wundert, wie grade diesem
Schriststeller, dem Uebersetzer manch
wertvollen ausländischen Buchs, die
literarische Bildung nicht auch den
ästhetischen Geschmack verfeinert hat.

Feuerwerk. Erzähluugen von
Frank Wedekind (Albert Langcn,
München). Wer Wedekind kannte, be-
vor er Mode wurde, der kenut auch
dicse Erzählungen. Sie entstammen
seiner „Fürstin Russalka", jencni ku-
rioseu Band, der Erzählungen, Ge-
dichte und Theatersachen enthiclt. Tie
Erzählungen sind nun hier in eincm
besonderen Buch erschieuen. Fast bei
jeder geht es um die Liebe, wie
Wedekind sie vcrsteht. Erquicklich ist
es nicht, aber es entspricht nun ein-
mal der besonderen Art dieses wun-
derlichen Heiligen, der scin eines
Thema immer neu illustriert und
variiert wie ein kasuistischer Mönch
seinen tractatur cle rcbus turpibui.
Bor niir liegt ein solcher tractatu»
aä usum Fr. Martini Rottenburgis,
Capuc. Die schändlichstenDinge stehn
in gar zierlicher Schrift darin, zwi-
schenhinein aber ist er immcr wieder
mit dem Kruzifixus und lieblichen
Englein geschmückt:

kver unter Lhristi Fahnen streit,

der kriegt die allerbeste Beuth.

Dieser selbe Brodem von Abscheulich-
keit und naiver Frömmigkeit — bei
Wedekind tritt ein naives Pathos
an ihre Stelle — schlägt dem Leser

2. Ianuarheft ILOö

4»7
 
Annotationen