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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,1.1905-1906

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1905)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7963#0346

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ich's höre, wie er in der ersten Zeit gelacht hat, wenn ich von Michel er-
zählte . . . Der muß lachen . . ., es gehört zu unserem Abkommen."

„Jch lach'Iich lach'! . . . o wie lach' ich!"

Lachend und weinend hing Friech an seinem Halse.

Jn der zweitcn Hälfte wollte es nicht mehr vom Flcck, und als Ohm
zu dem großen Gottestraum kam, verklang seine Stimme ganz. Man hörte
nnr noch kurze Atemzüge.

„Still! St!" — gebot der Doktor und verließ seinen Sitz. — „Hans
Ohm schläft; aber sein Wille soll uns heilig sein: Friech soll die Geschichte
zu Ende hören. Jch übernehme die Fortsetzung."

G

Sie warcn nicht mchr allein, es war jemand unbemerkt durch die
nur angelchnte Tür gekommcn und hatte sich in der Dämmereckc dcs Sterbe-
zimmcrs still niedergesctzt. Und dieser jemand war ich.

Ja, ich war dabei, abcr ich hattc cin Gesicht.

Ueber der Hcidelandschaft slogcn zwei Engel im Strahlenkleid himmelan.

„Sieh hin," sagte der vcrklärte Jasper und schwang seine verklärte
Wollmütze. „Sieh, Hans: der Dunst der Erde liegt nnter uns. Und um
deine Setzbettstelle hat der Doktor die Hcringsgeschichte eben zu Ende gebracht.
Klaus rüttelt dich und ruft: Hans Ohm! Und Anna will dir einen Löffel
Medizin geben, aber der Doktor prüft dein Totengesicht und winkt Rnhe.
»Still, Kinder!« sagt cr, »ich glaube, unser Hans Ohm ist nicht mehr hier.«
Und in der Tat: wir haben schon einige Meilen."

Hans Ohm schwang ein paar prächtige Flügel. „Jch fliege!"

Jn aufschaucrndem Entzücken jubelte er es.

„Ja," cntgegnete Jasper. „Das kann ich bestätigen. Das ist kein
hilfloses Flattern mehr. Das macht: du hast jetzt keine Erdcnschwerc zu
tragen, H>ans Schneider!"

„Jch fühle es," jauchzte Hans. „Jeder Flügelschlag wird zum Atem-
zug der Freiheit."

Er mußte es wohl fühlen, mein auferstandener Ohm. Fühlte ich
doch selbst auf meinem Brettstuhl so was wie freien Seclenflug. Und war
doch nur ein Träumer und saß in dämmernder Stubenecke einer einsamen
Heidkathe.

W Umschau

Wir haben znnächst von neuen
Versuchen dcr Grcnzregelung zu be-
richtcn. Eine solche zwischcn „Kunst,
Religion und Philosophie" ver-
sucht Ferdinand Jakob Schmidt
(„Preußische Jahrbücher, Bd. 72, h),
indem er von Dresdners Buche über
den „Weg der Kunst" ausgeht. Nach-
dem er festgestcllt hat, daß erst mit
dem Hervortretcn der Kunst, der Re-
ligion und der Philosophie sich die

konkrete Selbstbestimmung der sich im
menschlichen Geiste verwirklichenden
Lebenstotalität vollziehe, glaubt er
zu erkennen, daß weder die Kunst noch
die Religion die höchste Form der
Verwirklichung der Jdee dcs Lcbens
seien. Sondern: „Die höchste Be-
stimmung des Lebens ist die Freiheit
im Geist." Und die Gestaltung des
Lebens in der Freiheit des Geistes
könne also nur in der Totalitäts-
form des Denkens ihre wahre

h Dezembcrheft syOö

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2Ug.-

rn.in.r.»

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