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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,1.1905-1906

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1905)
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Scheffler-Friedenau, Karl: Der Deutsche und seine Kunst, [1]
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Steinhausen, Heinrich: Vom Kulturwert der deutschen Schule: Randbemerkungen zu dem Buche von Bonus
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https://doi.org/10.11588/diglit.7963#0234

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mit moralischer Ueberlegenheit, sodaß man immer im Namen des
Höchsten und Heiligsten glaubt sprechen zu dürfen. Selbst ehrlichen,
einsichtsvollen Menschen wird es nicht klar, daß dieses Jdeal nur
ein Klischee ist, das umso flacher und gestaltloser wird, je mehr daran
herumretouchiert wird. Auch die Jdeale unserer Klassiker sind durch
die große Mühle der Zeit gegangen und im übelsten Sinn literarisch
geworden. Vor allem aber auf dem Gebiete der Malerei.

Wer das Wesen jenes Teils unserer Malerei betrachtet, der
heute das höchste Ansehen genießt, muß betroffen sein über die Ber-
wilderung der Begriffe. Dagegen zu polemisieren ist aber sehr schwer,
weil man mit der Gutgläubigkcit zu rechnen hat, die im Gefühl
ihrer sittlichen Ueberlegenheit von vorherein unnahbar scheint. Wenn
man sich über allgemeine Grundsätze einigt, und das hält nicht
schwer, ist die Verständigung im besonderen doch unmöglich. Dieses
Besondere ist in der Kunst aber das Wesentliche. Hanslik konnte
im Kampf gegen Wagner allgemeine Anmerkungen über das Wesen
der Musik machen, die ein Verteidiger des Meisters ebenso hätte
aussprechen und für sich in Anspruch nehmen können. Die künst-
lerische Tat hat eben ihre eigene Logik. Der ästhetische Grundsatz
wird erst Kunst durch seine Anwendung; und der heiligste Wille
zum „Guten, Schönen und Wahren" ist der Kunst gegenüber macht-
los, wenn die Sinne schlecht entwickelt sind. Ueber Begriffe kann
man sich schließlich verständigen; aber wo es sich um Anschauungs-
werte handelt, versagt die Logik begrifflicher Spekulation und es
tritt jene Kraft der Seele allein in ihre Rechte, die, mehr als
jeder Begriff, eine „Weltanschanung" bildet. Darüber zn sprechen
ist schwierig, und mit einer gewissen Hoffnungslosigkeit unterzieht
man sich der Aufgabe, etwas Undefinierbares gegen eine ethisch-
spekulative Definition der Kunst zu verteidigen. Man hört schon im
Geiste, wie es zurückfliegt; der deutsche Mann ruft mit dern Brustton
der Ueberlegenheit: Tempelschänder! Aarl Schefflor-Friedenan

(Fortsctzung folgt)

Vom Rolturwert cler äeutscken 8ckule

Randbemerkungen zu dem Buche von Bonus*

Literatur- und Kulturhistoriker mögen darüber Anskunft geben,
ob die Dcntschen schon von alters so eine besondere Vorliebe für
Superlative an den Tag gelegt haben. Unleugbar ist, daß gegen-
wärtig wir im gesteigerten Ausdruck dessen, was wir zn sagen haben,
kaum mehr noch weiter können, wenn nicht der Atem ausgehn soll.
Zwar, erfahrene Hygieniker versichern, daß Bemühungen der Stimme
um möglichst lauten Ton der Lunge immer nützlich sind; indessen

* Der Verfasser dieses Aufsatzes ist, ivir möchteu ausdrücklich darauf
hinweisen, kein junger Stürmer und Dränger, sondern der greise Theolog
und Dichter Heinrich Steinhausen. Eben das gibt ihm zu der Bedeutung
der dariu ausgesprochencn Gedanken noch die weitere Bedeuümg eines sehr
merkwürdigen Zeicheus der Zcit. Was dcn Jnhalt betrifft, so berührt
sich seine Tendenz auf das Nächste mit der aller unserer Bestrebuugen,

t82 Aunstwart XIX, ^
 
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