Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben (19,1.1905-1906)

wer für das heutige, klüger, wer für das morgige Brot sorgt
(Matthäus 6, (f). Schon macht sich an mancheu Stellen in der
Kunstliteratur das Gefühl geltend, daß wir über die Jnterienrhetze
hinauskommen und wiederum den einzelnen Künsten als solchen das
zurückgeben müssen, was ihnen durch die Unterwerfung unter die
Gesamtdekoration weggenommen wordcn ist. Außerdem befinden wir
uns gerade jetzt mit unserer Kunst der Verkleidung von Flächen,
insbesondere von Wänden, in deu Wellen cines Ueberganges. Die
besten Sachwalter unserer Forderung dürften abcr doch die Bedürf-
nisse des praktischen Lebens und die des Wohnenden sein, gegen die
ein Zwang von außen sich dauerud kaum übeu läßt.

Uans Schmidkunz

stieue 6eciick1e von Rarl 8pi11eler

V o r b e m er k u n g. Es steht wicdcr ein nener Gedichtband von Karl
Spitteler zu erwarten, „Glockenlicder" wird er heißcn nnd bei Eugen
Dicderichs in Jena wird er binnen knrzein erscheincn. Was wir mit dcm
folgenden dem Leser bringen, ist cin Tragtäflcin voll Kostproben vor dem
Mahl. Zn sagen haben wir weiter nichts dazu, haben wir doch von Spit-
teler schon oft genug gcsprochen. Ticsmal ist es vor allem die Anmut
seiner Kunst, was man gcnießen wird.

G

Thema

Glockc mit dem Silbermund
Tu mir das Geheinmis kund:
tvohnst mit Rau; und Llcdermaus
Linsam in dcm Modcrhaus;

Sag', wohcr dein Feicrklang?

Und wcr lehrte dich Gcsang?

„Als ich lag im finstern Schacht,
Blickt' ich in dic bsöllennacht.
lsier, im hohcn, lichtcn Turm
Schau ich durch dcr Lüfte Sturm
Ulenschenwch, von Geist verschönt,
Und dich wnndert's, daß es tönt?"

Lin Bildchen

Den Nain hinauf, mit trotzigem Alarm
Fuchtelt ein Uinderschwarm.

„vorwärts! bsurra!"

tsut ab! Du schaust kcin Spiel.

Dcn bsimmcl zu erstürmcn gilt das ernstc Ziel.
Lr ist so nah!

Siehst, wie er aus dcm Grase guckt dort oben?

2. rNärzhcft lstvö