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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,1.1905-1906

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Heft 10 (2. Februarheft 1906)
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Pflaum, Christoph D.: Psychologie
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Obrist, Aloys: Klavierspielapparate und musikalische Seelenwerte
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https://doi.org/10.11588/diglit.7963#0670

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Annehmen solcher Einrichtungen, welche die Zusammenfassung einer
Vielheit von Bewußtseinsinhalten unter dem Gesichtspunkte ihrer Ver-
wandtschast durch ein allgemein gültiges und andauerndes Symbol er-
lauben. Solche Einrichtungen sind die Gebärden, Signale, namentlich
aber die Worte der Sprache und Schrift, die geläufigen Weisen der an-
schaulichen Darstellung (im engeren Sinne) sowie das öffentliche Ver-
kehrswesen und die Sitte. Als wesentliche Unterstützung geistigen Fort-
schritts kommt schließlich in Betracht, daß die häufig wiederholten
Haudlungen und Erlebnisse nicht mehr besonders bewußt werden, und
daß so die psychische Energie für neue Eindrücke und Aufgaben frei
bleibt. Zwischen der seelischen Entwicklung des Einzelnen und derjenigen
der Gattung und des Stammes sowie der sozialen Gemeinschaft, der
dieser Einzelne zugehört, bestehen weitreichende Analogien.-

Das sind Behauptungen, über deren Richtigkeit die heutigen
Psychologen so ziemlich einig sind, soweit sie, um nochmals Fechners
Ausdruck zu brauchen, „von unten nach oben" bauen. Wieweit die
Folgerungen aus solcher Denkarbeit auf die allgemeine Weltanschau-
ung auseinandergehen können, das beweist gerade Fechners Beispiel,
der fest an ein Weiterlcben der Seele nach dem Tode nicht nur bei
Menschen und Tieren, sondern auch bei den Pflanzen glaubte, während
andere Bekenner derselben psychologischen Grundsätze im Parlamente
der Geister bekanntlich auf der „äußersten Linken" stehen. Aber Be-
trachtungen darüber würden in Gebiete führen, die fern von dcn
Grenzen liegen, auf'die sich das Arbeitsgebiet des Kunstwarts aus
guten Gründen zu beschränken hat.

Gewiß ist, was an dieser Stelle immer wieder betont worden ist:
es wäre für unsere ernstere Kunstkritik auf das dringendste zu wün-
schen, daß sich ihre Vertreter mehr, als geschieht, mit der Psychologie
als Wissenschaft vertraut machten, denn sie würden dadurch nicht nur
einsichtiger und scharfblickender, sondern sie würden auch davor bewahrt
werden, Tatbestände und Werte zu verkennen sowie Forderungen zu
erhebcn, deren Verwirklichung wo nicht unmöglich, so doch naturwidrig
wäre und darum gerade nicht zu wünschen ist. Lbr D Pflaum

RlavierspielÄpparate uncl rnusikaliscke 8eelenxver1e*

Jm ersten Hefte des laufenden Kunstwart-Jahrgangs hat Engcl-
bert Humperdinck seine Stimme zugunsten der „M echanischen
Musik" erhoben. Die Frage der mechanischen, oder richtiger repro -
duzierenden Jnstrumente oder Apparate hat in der Tat all-
gemeineres Jnteresse und Aufsehen erregt, als irgend eine Jnstru-
mcntalfrage seit langer Zeit. Es sei darum erlaubt, auf diese Frage,
die mir nicht nur eine musikalische, sondern geradezu eine psychologische
oder ethische zu sein scheint, etwas gründlicher einzugehen.

* Zu den ungeklärten Streitfragen über die Musik unsrcr Tage gehört
die über den Wert der Klavierspielapparate. Nach Humperdinck geben wir
einem andcrn angesehcncn Künstler das Wort, dcr trotz aller Ancrkennung
für diese erstaunlichen Leistnngen neuzeitlicher Erfinderschaft die den Appa-
raten gezogenen Grenzcn feststellt und den Unterschied zwischen Haudspiel
und Spielvorrichtung eingehend erörtert.

2. Februarheft j^Oö LZS
 
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