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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,1.1905-1906

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Heft 10 (2. Februarheft 1906)
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Scheffers, Otto: Sprechsaal: zum Zeichenunterricht in den Schulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7963#0677

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willkommenen Anlaß zu der Frage, wic es denn bci den entsprechen-
den Punkten an den „allgemein bildenden" Schulen steht.

Daß sich aus dem Gebiete des Zeichenunterrichtes an Volks- und
höheren Schulen in deu letzten Jahren eine Umwälzung vollzogen hat,
dürfte auch dem Laien bekannt sein, weniger aber die Tatsache, daß
die Folge dieser Umwälzung im wesentlichen dahin zu führen droht,
den Zeichenunterricht dem Jmpressionismus auszuliefern. Möge die
Klarstellung dieser Tatsache beün Kampf um den Zeichenunterricht
etwas vorsichtiger machen.

Jch brauche nur die markautesten Züge der Reform aufzuzählen,
um ihren impressionistischen Charakter zu erhärten: das Hinausweisen
aller auf das Konstruktive gerichteten Ueberlegungen (wobei gar nicht
von wirklich auszuführenden Konstruktionen die Rede zu sein braucht),
das Verdrängen der bescheidenen Zcichnung zugunsten der Malerei,
die Forderung des unmittelbaren Malens ohne Vorzeichnung schon
in deu untersten Klassen, der Widerwille gegen die „korrekte" Zeich-
nung, die Vorliebe für schnelles, verschwommenes Skizzieren, die For-
derirng nach Flächenauffassung beim Arbeiten, das beliebte Darstellen
von Silhouetten und gerade solchen Dingen, die sich für Maltechnik
besonders gut eignen, und von recht unregelmäßigen Gebilden, an
denen sich Zeichenfehler schlecht kontrollieren lassen, der immer wieder-
holte Hinweis aus die japanische Kunst, der völlige Bruch mit der
Überlieferung und neuerdings die Vorliebe für das Malen mit pastösen
Farben. Für alle diese Charakteristika ließen sich mit Leichtigkeit Be-
lege aus der neueren Zeichenliteratur erbringen, aber das würde hier
zu weit führen. Ein Blick auf die Jllustrationen der Reformschriften,
auf die Beilagen der letzten Jahrgänge in den Zeichenlehrer-Zeitschristen
und auf neueren Schulzeichenausstelluugen, die sich in dem Hervor-
kehren des malerischen Elementes gegenseitig zu überbieten suchen,
wird den Zweifler von der Vorherrschaft des Jmpressionismns im
heutigen Zeichenunterrichte überzeugen.

Wenn aber schon starke Bedenken gegen die einseitige Pflege des
Jmpressionismus an Kunstschulen geäußert werdcn, mit wieviel nrehr
Berechtigung darf man dann vor ihrem Einzuge in den Zeichen-
uuterricht der „allgemein bildenden" Schulen warncn! Der Zeichen-
unterricht soll den Schüler mit ciner besondern Art von Ausdrucks-
mittel, nämlich dem bildlichen, vertraut machen, soll ihn lehren, sich
mit den einfachsten Mitteln klar auszudrücken nnd das von andern
Personen zum Ausdruck Gebrachte richtig zu deuten. Jndem dcr Schüler
sich ehrlich müht, dieses Ziel zu erreichen, wird sicher auch Herz und
Verstand erzogen, da liegt die ideale Aufgabe des Zeichenunterrichtes.
Die Schule hat zuerst für die Wochentage, dann erst für die Feiertagc
des Lebens zu sorgen, wohl ihr, wenn sie es versteht, beides zu er-
reichen, aber wehe ihr, wenn sie nur Leute vom Schlage des Hans guck
in die Luft erzieht! Aus der Schule gehen Handwerker aller Art,
Naturforscher, Archüologen, Architekten, Jngenieure, Fabrikanten, See-
leute, Förster, Offiziere, Kaufleute und Vertreter von manchen an-
deren Bcrufen hervor: man nenne mir nur einen Beruf außer dem
des Malers, für den die Fähigkeit, etwas flächenhaft breit oder sagen
wir überhaupt nur in Farben hinzusetzen, wichtiger ist, als die, eine

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