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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 101 - Nr. 110 (2. Mai - 14. Mai)
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3. Jahrgang

Heidelberg, Donnerstag, den 3. Mai 1923

Nr. IVA

sari?c: D» elnsyalt. Petitzeils öde»
deren Raum <8S mm breit) Mk. UV,

„«Preis: Monatlich einschlietzl.
—' ">n Mk. «M.—. Anzeigen»
- ititzeM oder
für Auswärtige Mk. WO. Reklame»
anzetgen (74 mm breit) Mk. «oo, sür
Auswärtige Mk. 80». Bet Wieder-
holungen Nachlaß nach Tarif.

SeichititsstundenS-ßUhr. Spse«
stunden der Redaktion: 1l—Ig uh
Moftscheckkonto Karlsruhe Nr.L»71
Tel.-Adr.: Volkszeitung tzetdrlber,
Druck u. Verlag der Unterbadtsqe
Werlagranstalt iS. m. b. 8-, Heide
berg. Geschäftsstelle: SchröocrstrA
Tel.: Erp«dttiongS7S u.Redak.LS7>

Volkszeitung
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* Heidelberg, 3. Mai.
Endlich hat sich die Regierung Cuno entschlossen,
dem Rate Lord Curzons folgend chre Vorschläge
zur Einrenkung des Ruhrkonfliktes abzusendem Es
bat heule keinen groben Sinn, das deutsche Angebot
im einzelnen zu zerpflücken, da sich la sehr rasch
zeigen wird, welcher Effekt — und darauf al-
le i n k o m m t e s a n — dabei herauskommt. Eines
mutz allerdings gleich bon vornherein gesagt werden:
In formeller Hinsicht hätte man der be-
deutungsvollen deutschen Note einen anderen und
besseren Ausbau gewünscht. Fast scheint es, das;
bei der Abfassung der Not« starke Rücksicht auf die
Deutschnationale» genommen worden ist. Auch in
bezug aus den sachlichen Teil liegen Beanstandungen
vor. Erfreulich ist die Nennung einer festen Summe,
wenn auch der genannte Betrag von 30 Goldmtl-
<tarden für die Alliierten vermutlich ein Zankapfel
ist. Vollkommen mangelhaft aber ist die Behand-
lung der Garantiefrage. Nach den vielen
partriotischen Erklärungen maßgebender deutscher
Wirtschaftskreise hätte man annehmen sollen, datz
es der Regierung eigenMch nicht schwer fallen
konnte, wenigstens tN kurzen Zügen, Art und Form
der von deutscher Seite geplanten Sicherheitsleistun-
gen zu benennen. Bald scheint es, datz für Indu-
strie nnd Landwirtschaft das Vaterland nur ans
der Börse existiert. Noch größer ist der Mangel an
Klarheit hinsichtlich der Behandlung der Sicher-
heitsfrage, Wobei ein konkreter Pakt hätte vorge-
schlagen werden müssen. Im Interesse Deutschlands
and der Sicherung eines endgültigen Friedens be-
dauern wir diese Mängel des deutschen Angebots.
Sie zu beheben mutz Aufgabe weiterer Verhand-
lungen sein, die zu einem Ziele führen werden, wenn
auf der Gegenseite der Geist der Verständi-
gung waltet, der, wie wir sicher sind, zumindest
bet der Mehrheit des Deutschen Reichstags vor-
handen ist.
Die deutsche Presse betont vor allen; den Vcr-
handlungswille», der aus der Note hervorgeht. In
diesem Sinne schreibt der »Vorwärts", indem
er gleichzeitig eine Reihe kritischer Vorbehalte zum
Regierungsangebot bezüglich der Garantie- nnd
Dicherheftsstage macht: „Das Wesentliche ist der
Wille Mer, dem Unheil Einhalt zu tun." — Das
„Berl. Tagebl." erklärt: Die deutsche Note gibt
den Franzosen die Möglichkeit, sicy mit uns an den
Tisch zu setzen und zu verhandeln. Bezüglich der
Garantien hätten wir eine speziellere Fassung ge-
wünscht. — Die volksparteiliche „Zeit" meinl:
„Man kann der Note grundsätzlich zusttmmcn." —
Die „Germania", das führende Zentrumsorgan,
betont: „Es ist die Frage berechtigt, ob Ton und
Klangfarbe des deutschen Angebotes genügend auf
die Mentalität der Ententestaaten lind des neutralen
Auslandes abgestimmt sind." — Die „Deutsche
A l lg. Z t g." des Herrn Stiunes nennt den Vor-
schlag: „Das höchste Angebot." — Ker deutschnatio-
nale „L ok.-Anz." spricht vom „Starken Einfluß
der Sozialdemokratie auf die Note"'. — Die deutsch-
völkische „Deutsch « Zt g." sammert über die Note
als eine „Enttäuschung für das nationale Deutsch-
land".
Wird in der poltiisch ernst zu nehmend«» Press«
Deutschlands neben kritischen Vorbehalten vor allem
der Verständigungswille Deutschlands anerkannt, so
scheint nach den bis jetzt bruchstückweise vorliegenden
Pressestimmen deS Auslandes das deutsche Angebot
nicht den von der Regierung Cuno erwarteten Ein-
druck gemacht zu haben. Wenn auch noch kein volles
Bild vorliegt, so vernimmt mm; doch einen ziemr-
ltch klar erkennbaren Pessimismus als Echo
des Auslandes, und aus Frankreich ertönen bereits
die Stimmen der Ablehnung.
So ist man in Rom skeptisch gegenüber den
deutschen Vorschlägen, wenn auch halbamtliche Kreise
die Bereitschaft Italiens erklären, auf Grund dieses
Angebotes am Zustandekommen eines positiven Er-
gebnisses mitzikwirkcn.
Bei den Pariser Stimmen — auf diese
kommt es vor allen an — mutz es vor allem be-
denklich stimmen, datz selbst die Kreise der Ver-
ständigungspolitiker über die deutsche Note ent-
täuscht sind. Die Pariser Abendblätter kommen-
tieren die deutsche Note bereits vorweg ableh-
nend. Der „Tcmps" erklärt: „Ein Abzug der
Truppen aus dem Ruhrgebiet wäre sür die deutsche
Bevölkerung gleichbedeutend nrit einem Siege und
würde die deutsche Revanchelust stärke». Die von
Deutschland vorgeschlagene Summe von 3V Gold-
milliarden ist nichtssagend, solange in Deutschland
die Klassen, die im Besitz der wirklichen Reichtümer
sind, den Zahlungsverpflichtungen nicht zustimmen.
Belgien und Frankreich können über derartige hin-
terlistige Vorschläge nicht diskutieren, ohne ihre
Vorschläge zu schädigen, und haben keine andere
Aufgabe, als das Ruhrgebiet wirtschaftlich auszu-
beuten." — Das „Journal des Debats" be-
zeichnet die Vorschläge als ei» Blendwerk. „Jn-
trausigeant" und „Liberi e" neiuren das
deutsche Angebot einen Hinterhalt, in den Frankreich
nicht gebe. Im „Journal" erklärt Saint Price,
daß nur« sich nicht mit einer bloßen Ablehnung be-

gnügen dürfe; rnan müsse auf den Londoner Zah-
lungsplan vom 5. Mai 1921 und di« dann genannte
Summe von 132 Milliarden Goldmark zurückgretfen.
Ohne die Einzelheiten der deutschen Vorschläge
auch nur zu kennen, kommt „Petit Parisien"
bereits zu einer ablehnenden Haltung, in dem er
erklärt, daß ein Vorschlag dieser Art von Frank-
reich nicht einmal als Ausgangspunkt
für eine Diskussion angesehen werden könne, da di;
Summe, die zur Befriedigung der Gesamtheit der
Gläubiger angeboten werde, kaum die Hälfte'der
KriegSfchiidcn Frankreichs decke. Die militäri-
schen Garantien endlich seien nichts anderes
als eine Neuauflage jenes im Dezoinber durch
amerikanische Vermittlung gcnrachtcn Vorschlages,
den Herr Poincarö bereits damals als ein plum-
pes Manöver zurückgewiefen habe. Wenn
Deutschland weiterhin verlange, datz gogon solche

Berlin, 2. Mai. Das deutsche Angebot betont
zunächst, datz die Frage des Wiederaufbaues nur
auf dem Wege der gegenseitigen Verständi-
gung gelöst werde» kann. Dir deutsche Negierung
macht daher nochmals einen Versuch, In dieser Rich-
tung zu wirken. Jede Lösung mutz einen elastischen
Faktor enthalten, da Deutschlands Leistungsfähigkeit
nicht abzuschätzen ist. Von diesen Erwägungen aus-
gehend und im Einklang mit dem Grundgedanken
des für die Partser Ianuarkonserenz von
ihr berottgestellten Planes faßt die deutsche Regie-
rung ihre Vorschläge zum Reparationsproblem und
den damit verbundenen politischen Fragen wie folgt
zusammen:
Die Gesamtvcrpflichtung Dcutsthlauds
zu finanziellen und Sachleistungen aus dem Vertrag
von Versailles ivird auf 30 Milliarden
Gold mark festgesetzt, die mit W Milliarden
bis zum 1. Juli 1927, mit 5 Milliarden bis zum
1. Juli 1929 und mit 5 Milliarden bis zum 1. Juli
1931 durch Ausgabe von Anleihen zu normalen Be-
dingungen auf den internationalen Geldmärkten
aufzubringen sind:
1. Die ersten 20 Milliarde« Goldmark
werden sofort zur Zeichnung aufgelegt. Die
Anleihezinsen bis zum 1. Juli 1927 werden aus dem
Anleiheerlös entnommen und in einer« von der Re-
pamtionskommission zu beaufsichtigenden Fonds
sichergestellt. Soweit die 20 Milliarden Goldmark
bis zum 1. Juli 1927 nicht durch Anleihen aufge-
bracht werden können, sind st« von diesem Zeitpunkt
an nrit 5 Prozent zu verzinsen und mit 1 Prozent
zu tilgen.
2. Falls di« beiden Beträge von jeöMtlliar-
den Goldmark bis zu den dafür vorgesehenen Ter-
minen im Airleihewege zu normalen Bedingungen
nicht voll aufzubringen sind, soll eine unpartei-
isch« internationale Kommission darüber entschei-
den, ob, wann und ivie der ungedeckte Rest auszu-
bringen ist. Die gleiche Kommission soll im Juli
1931 auch darüber entscheiden, ob, wann und wie für
di« Zeit vom 1. Juli 1923 ab die zunächst nicht vor-
gesehenen Zinsen nachträglich aufzubringen
sind.
Als unparteiische tnternai-ionale Kommission soll
gelten entweder das Anleihekonsortinm, das die
ersten 20 Milliarden Goldmark begeben hat, oder
ein dem Vorschlag des Staatssekretärs Hughes ent-
sprechendes Komitee von internationalen Ge-
schäftsleuten, in dem Deutschland gleichberech-
tigt vertreten ist, oder ein Schiedsgericht, be-
stehend aus je einem Vertreter der Reparations-
kommission und der deutschen Regierung, sowie
einem Obmann, um dessen Ernennung, falls sich die
beiden anderen der Mitglieder über seine Person
nicht einigen, der Präsident der Vereinig-
ten Staaten von Amerika gebeten werden soll.
3. Deutschland wird in Anrechnung auf seine
Schuld nach den Bestimmungen der bestehenden
Verträge Sachleistungen ausführen, über deren
Ausmatz nähere Vereinbarungen Vorbehalten
bleiben.
Die deutsche Regierung ist überzeugt, daß sie mit
diesem Vorschlag bis an die äußerst« Grenze
dessen gegangen ist, was Deutschland bet Anspan-
nung aller Kräfte zu leisten vermag.
Sie hat nach der durch die Ruhrbesetzung ver-
ursachten weiteren schweren Störung und Schädi-
gung der deutschen Wirtschaft ernste Zweifel, ob
nicht der Vorschlag die Leistungsfähigkeit Deutsch-
lands übersteigt.
Sollte diese Auffassung von der anderen Seite
nicht geteilt werden, so schlägt die deutsche Regie-
rung vor, entsprechend der Anregung von Staats-
sekretär Hughes das gesamte Reparationsproblem
einer von jeder politischen Einwirkung unabhängi-
gen internationalen Kommission zu un-
terbreiten. Die deutsche Regierung ist bereit, sür die
von ihr angebotenen Leistungen spezielle G a -

vag« und unzureichende Versprechungen das Ruhr-
gebtet geräumt werde, so sei es überflüs-
sig, daß die Regiermrgen von Frankreich und Bel-
gien auf eine solche Note eine detailliert« Ant-
wort gäben. Sie könnten sich darauf beschränken,
auf ihre früheren Beschlüsse zu verweisen.
Eine erfreulichere Haltung als die übrige fran-
zösische Presse nimmt das Herrn Loucheur nahe-
stehende „Petit Jour nal" ein. Das Blatt er-
kennt am, daß in Deutschland di« große Masse der
Bevölknmg wie die Mehrheit der Politischen Krerse
für einen vernünftigen Ausgleich mir
Frankreich seien. Diese, repräsentiert durch die So-
zialdemokraten, die Demokraten, einem Teil oes
Zentrums unter Hermes und der Volkspartei unter
Streshmann, seien offensichtlich bereit, für die Re-
gelung der Reparationssrage und des Problems
der militärischen Sicherheit Lösungen zu akzeptieren.

rantlen zu bestellen. Der gesamt« Besitz und
alle Eimmhmequellen des Deutschen Reiches urid
der deutschen Länder sind bereits nach dem Vertrag
von Versailles verhaftet. Außerdem ist die deutsche
Regierung bereit, nach Maßgabe der noch zu tref-
fenden Vereinbarungen durch geeignete Maßnahmen
auch auf gesetzlichem Wege dafür zu sorgen,
daß die gesamte deutsche Wirtschaft zur
Sicherung des Anleihedienstes herangezogen ivird.
Die Sachlteserungen sollen durch lang-
fristige Privatverträge unter Ausbedingung von
Vertragsstrafen gesichert werdet». Die Durchführung
der Deutschland obliegenden Verpflichtungen ist ab-
hängig von der S t a b t l i s i erung der demichen
Währung. Nach der Stabilisierung wird es auch
möglich sein, im Reichshaushalt die Ordnung
zu schaffen, deren Deutschland und seine Gläubiger
bedürfen. Zur Verwirklichung dieses Progranrms
ist es auch im Interesse der Anleihegläubiger not-
wendig, datz die gewaltsame Ergreifung von Pfän-
der« und die Anwendung von
Sanktionen künftig unterbleibt
und datz Deutschland von den jetzt noch auf ihm
lastenden unproduktiven Ausgaben und von den
politischen und wirtschaftlichen Fesseln befreit
wird. Dazu gehört, datz dieEtnheitder Ver-
walt u u g für das Gesamtgebiet Deutschlands bal-
digst wieder hergestellt, von der im Vertrage von
Versailles vorgesehen!» Möglichkeit, Deutschland
die wirtschaftliche Gleichberechtigung
zu versagen, kein Gebrauch mehr gemacht und nach
Stabilisierung der Mark die Einführung der deut-
schen Waren nicht mehr den Beschränkungen
unterworfen wird, die durch den Niedergang der
deutschen Währung veranlaßt waren.
Um dein Frieden Europas iu gemeinsamer wirt-
schaftlicher Arbeit zu dienen, sollen in privatwirt-
schaftlichen Verträgen die Grundlagen sür den ge-
sicherten Austausch voll lebenswichtigen Waren
zwischen den beteiligten Ländern geschaffen werde».
Dazu gehört insbesondere der Abschluß langfristiger
privatwirtschaftlicher Verträge über die Lieferung
von Kohle und Koks.
Im gleichen Interesse friedlicher Zusammen-
arbeit Deutschlands und Frankreichs ist die deutsche
Regierung, wie sie auch mit ihrer Anregung zum
Abschluß eines Rbeinpaktes bekunden wollte, zu
jeder friedenssicherndenVereinbarung
bereit, die auf Gegenseitigkeit beruht. Insbesondere
ist sie zu einer Vereinbarung bereit, die Deutschland
und Frankreich verpflichtet, alle zwischen ihnen ent-
stehenden Streitstagen, die nicht auf diploinalischem
Wege geschlichtet werden können, in einem
friedlichen internationalen Verfahren
zu behandeln, nnd zwar Streitigkeiten rechtlicher
Art in einem schiedsgerichtlichen Verfahren, alle
übrigen Streitigkeiten in einem Vergleichsverfahren
nach dem Muster der Bryanschen Verträge. Die
deutsche Regierung schlägt vor, auf der Grundlage
der vorstehenden Ausführungen in Verhandlungen
einzutreterr. Ausgangspunkt der Verhandlungen
mutz sein, datz innerhalb kürzester Frist
das „statuS guo ante" wiederherzustelsin ist. Dazu
gehört, daß die über den Vertrag von Versailles
hinaus besetzten
Gebiete geräumt,
in den Rheinlanden vertragsmäßige Zustände wie-
derhergestellt, die verhafteten Deutschen in Freiheit
gesetzt und den Ausgewiesenen ihre Wohnstätten
und Neuster zurückgegeben werden.
Die deutsche Regierung richtet die gleiche Note
an die Regierung der Vereinigten Staaten von
Amerika, die königlich belgische Regierung,
die französische Negierung, die königlich groß-
britanui sch e Regierung, die königlich italie-
nische Regierung nnd die kaiserlich iapknisch.e
Regierung.

die, wenn sie auch in den Augen der Alliierten viel-,
leicht nicht ausreichend seien, doch immerhin aisl
BastS für Verhandlungen dienen könnten. Aus der:
alliierten Seit« beständen ähnlich«
Meinungsverschiedenheiten und psychologische
Schwierigkeiten wie in Deutschland selbst. In den
Ententeländern außer Fransteich sei die öffentliche
Meinung in ihrer Mehrheit für ein« schleunige
Liguidation des Konflikts, für einen Friede»
um jeden Preis, dessen Kosten Frankreich zu tragen
habe,» würde. Der Zynismus und die Naivität,
nrit der diese egoistische Auffassung vertreten werde,
habe viel dazu beigetragen, die Stiinimung in Frank-
reich zi; verbittern und selbst die vcruünftrgcn und
gemüßigten Elemente in das extreme Lager zu trei-
be». Dazu komme das außerordentliche
Mißtraue n, das di« Reparationspolltik Frank-
reichs insbesondere seit Besetzung des Ruhrgebiets
in weiten Kreisen erzeugt habe. Daueben gebe eS
eine Handvoll Leute, die umso lauter schrien,
je mehr sich die anderen in Schweigen hüllten, und
die MlS doktrinärer Ueberzeugung oder aus tak'i-
scher Berecbmrng ft» Gegensatz zu den wiederholten
Erklärungen der Regierung di« Politik des Alles
oder Nichts mW die Vereinigung der Rrchrbe-
setzmvg forderten. Das Unglück sei, datz nmn im
Auslände das Geschrei dieser Leute für die Slim--
ine Frankreichs halte. Und so schließe sich der Kreis,
aus dsm Frankreich und Europa nicht rnehr heraus-
kommen zu können schienen. Abcr eS müsse doch
endlich ein Ende gömvcht werden. Frankreich
habe sicher kein« Eile, eine Position aufz»geben,
die solide und sicher sei, um einen schlechtcm Frieden
zu schließen und. sich diktieren zu lassen. Aber man
dürfe sagen, was man wolle, es habe allen
Grund, den Abschluß eines guten Friedens
zu beschleunigen.
Frankreich lehnt ab.
'Paris, 3. Mat. (Letztes Telegr.j Im Quak
d'Orsay wnrde bereits gestern abend gegen 6 Uhr
den französischen Pressevertretern mttgetetlt, daß di«
deutschen Borschläge vollkommen unamrchmbar
seien. Poincare werde von seinem Programm der
Londoner und Brüsseler Konferenzen nicht abweichen.
Entsprechend den Brüsseler Beschlüssen werde Frank-
reich niemals darin einwilligen, die Ruhr zu räu-
men, es fei denn Zug um Zug gegen die deutschen
Zahlungen. Da die deutsche Note in diesem ent
scheidende» Punkt Frankreich widerspreche, so sei
sie auf jeden Fall als Grurrdlage weiterer Verhand-
lungen unbrauchbar. Auf die anderen Mächte
wurde bet den Mitteilungen nicht Bezug genom-
men. Die Entscheidung der französischen Regierung
scheint danach frstzustehen.
Die Beratungen mit dem
Ministerpräsidenten.
Berlin, 2. Mai. Heute vormittag wurde» di«
Besprechungen mit den Ministerpräsidenten fortge-
setzt. Reichskanzler Dr. Cuno nahm hierbei das
Wort zu einer eingehenden Schilderung unserer po-
litischen und wirtschaftlichen Lage.
Eine Rede des Kanzlers.
Berlin, 2. Mai. Bet der Konferenz der
Ministerpräsidenten der Länder hielt Reichskanzler
Cuno eine Rode zum dentschon Angebot, worin cv
u. a. erklärte:
Ein Mitzlingen dieser Aktion müsse eme
fortdauernde Verschärfung des Llbwcbr-
kampfes und damit die Vernichtung der letzten für
die Reparation vorhandene» Mittel und Reserven
bedeuten, und könne bei beiden Teilen innere Ent-
ladungen und Erschütterungen auslösen, die für
Europa und die Welt eine Quelle größter Gefahren
bilden würde». In dieser Bedeutung des heuigen
Schrittes liege zugleich seine Begründung. „Wir
wollen den Frieden, aber der Preis dafür nutz
tragbar sein". Der Vorwurf, daß Deutschland nicht
zahlen wolle, dürfe um keinen Preis wiederkehren.
Daraus folgt zugleich, datz die Reichsrsgicrung kein
Angebot der Unterwerfung oder der Ausgabe des
passiven Widerstandes machen kann, wie es von
Frankreich gefordert und vom deutschen Volke ab-
gölshnt ivird.
Die Wahl der Summe von 30 Milliarden
Goldmark als Ausgangspunkt, glaubt Dr. Eunoj
vor seiueim Gewissen vertreten zu können. Die Not,
wendVeit eines Moratoriums von vier Iah-,
ren sei automatisch eingefügr, weil die Zinszahlung
gen der ersten vier Jahre dem erzielten Anleihebc-
trage entnommen werden sollen. Dem mögliche»
Einwurf, datz der Betrag von 30 Milliarden de^
Welt zu gering erscheine, begegnete Dr. Cunes
mit dem Hinweis darauf, daß Deutschland bisher
bereits ungeheure Leistungen aufgebracht nabe
iu einer Zeit schwerster wirtschaftlicher Not, in dcx
Zeit der Umstellung deS politischem Systems, nach
einem verlorsncn Kriege, wo Ernährung und Lebe«
des Volkes nur mit größter Mühe sichergestellt wer-

Die deutsche Note.
30 Goldmilliarden angeboten.
 
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