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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 131 - Nr. 140 (9. Juni - 20. Juni)
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Jahrgang

Heidelberg, Donnerstag, den 14. Juni 1923

deren iv„, einspalt. Petitzeile oder
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^8-3kilMg sör die lvkMigeVevMekmg der Amtsbezirke Seidklbers, WiesloS, ekssbeim. kvoinge«, SSerdaA, Mosbach, Buchea, Melsbelm. Norberg. rallberbWosrbeitll ll. Wertheim
Nr. 136

DikWMl-WWkNtlM
iS RSSSktt».
* Heidelberg, 14. Juni.
. Während das deutjche Volk einen Verzweif-
..^kanips um seine Existenz führt, machen sich
^wissenlose deutschvölkische Elemente nichts
n ^us, durch erneute Verbrechen unser Volk noch
-v inz Elend zu stürzen. AM Freitag, den 8.
etn ' abends nach 8 Uhr wurden in Magdeburg
a zg Deutschvölkische, darunter Ange-
"tige verschiedener Bünde und Reichswehr-
Tj.I Gallone n, verhaftet und zwar in einer
Küng, deren äußere Form keinen Zweifel darüber
- datz es sich unl eine nationalsozialisti-
l i^ Organisation handelt, die sehr vedenk-
e Pläne hatte.
. Unser Magdeburger Parteiblatt Weib
herüber folgendes mitzuteilen: Dem beriichtigten
^rleutnant Roßbach ist es gelungen, innerhalb
Reichswehr eine Organisation zu schaffen,
,, Aufgabe eS ist, einmal für die deutschvöllisch-
, sozialistische Bewegung einen Kern zu fam-
." »nd zum andern, den VSlkisch-putschistischen
Wurden, die zum großen Teil aus ganz jungen
b!-"en bestehen, Ausbildungspersonal zu
^üen. Diese Organisation nennt sich
..ReichSwehr-Block Roßbach (RWBR.)"
Zentrale des RWBR. ist Magdeburg und
«, "r für das gesamte Reich mit Ausnahme von
Mnt w" die Verbindung zwischen Reichswehr
Putschisten so eng ist, daß es einer beionderen
l'Sanssation zu ihrer Pflege nicht bedarf.
Die Organisation wird von Rotzbach, der als
U vef" bezeichne! wird, persönlich geleitet, auch noch,
k chdenr er in Haft genommen wurde. Aus dem
, Ursuchuugsgesängnls des Reichsgerichts in Leip-
ergehen nach wie vor die Befehle Roßbachs. Von
tchen, Geiste sie und damit die ganze Organisation
2ü geht aus dem Befehl Nr. 51 vom
April 1Z23 hervor, in dem es u. a. heisst: „Der
ortnd steht d:M am Rhein und unweit Münster.
Neht „uw m Berlin!"
Der RWBR. hat Verbindung mit fast allen
n^rntsonen der Reichswehr, sein Wirken kann
Aus ^en Kommandostellen entgangen sein — mit
den l>we des R e ich s W e h r m i ni st e r s, von
Ren Bestimmtheit — wie immer! — anzuneh-
lst, daß er davon nichts erfahren hat.
A.Aotzdem man in Hamburg den Zipfel der
Reten "ö*"ng erwischt hatte, reichten die Kräfte des
tztzl-, lvehrministers und des Kabinetts Cuno zur
die Aufdeckung nicht aus. Es hätten das ja
-mutschnationalen übel nehmen können!
der Eiterbeule wurde reif zum Aufstechen, als
Zugelan "eulich vom SiaatSgerichtshof (I!) wieder
debura r ° „Jnngdeutsche Orden" in Mag-
a,z 'eine große Parade hielt, die nichts anderes
e Vrobemobilmachung war.
Rtt n nun Sache der Behörden, gründlich
erwa,^ ^eutschvölkischen Pest aufzuräumen. Wir
tto,daß sie ungesäumt gegen alle Organtsa-
Rein>Li»"^hen, die durch ihre Verbindung mit dem
Putt^dhrblo« Rotzbach ihre Mitglieder für einen
über "^"itärtsch ausbtlden taffen. Wir erwarten
^in?„ ' 'n» Reichstag der Reichsweh r-
etn», .'ter gefragt wird, wie es möglich ist, daß
^Ntivn ldwehrblock Rotzbach entstehen und dem ver-
Wte "rilichen Minister geheim bleiben konnte und
rig^ möglich ist, daß R e ich s w e h ra n a eh ö -
die Ausbildungsvorschriften selbständig auf
Bildung von Mördern^ erweitern.

(Reichswehr ?) Ausbildung und Unterricht" erhal-
ten sollen. In den Statuten des RWBR. heißt es,
daß er den Zweck habe, „vaterländische Verbände
zu unterstützen und dm völkischen Geist im Heere
zu pflegen". Nach 8 2 können „Reichswehr-
angehörige, die auf dem Boden dieser Satzun-
gen stehen", Mitglieder werden. Als „Chef des
RWBR." Wird im 8 3 Oberleutnant Roßbach
bezeichnet. Die Garnisonsgruppen und die Grup-
pen innerhalb der Neichswehrformationen erhielten
besondere Erkennungszeichen. Führer der Kraft-
fahrkompagnie, die die Ehre hat, auch das Haupt
des RWBR., dm Kraftfahrer Riehl, zu dm Ihren
zu zählen, ist Hauptmann Naumann.

Internationale Lage.
Bedeutsame Stunden.
OBerlin, IS. Juni.
Wie bisher seit Versailles, so scheint auch dies-
mal wieder England sich dem Gebote Frankreichs
zu beugen. Das Dementi der Vorgänge bet der
englischen Kabinettssitzung verrät den Stand der
Dinge deutlich, wenn auch Frankreich bet seinen
Handlungen die englische Stimmung sicher in Rech-
nung setzt. Umsomehr ist es deshalb Aufgabe der
deutschen Nc i ch sregterung, noch recht-
zeitigdie Initiative zu ergreifen, nachdem bereits
viel versäumt worden ist. Es fragt sich immer wie-
der, ob es nicht angebracht ist, in diesem Stadium
selbst die Hand zu einer Vermittlung zu bie-
ten, die selbstverständlich beide Seiten, sowohl
Frankreich wie Deutschland, zu Geständnissen ver-
pflichtet. Ein derartiger Schritt kann natürlich
nicht gegen den Willen der englischen Regierung er-
folgen — er mutz sorgfältig vorbereitet werden.
Deutschland hat den Krieg verloren, wir sind macht-
los und Prestigefragen können u. U. erst dann wie-
der Berücksichtigung finden, wenn unsere Gesamtlage
entsprechend ist. Es ist besser, die Hand zum Frie-
den zu bieten, so lange es nochZeit ist,
als sich den Frieden infolge einer kurzsichtigen Po-
litik diktieren zu lassen. Die Lage im Ruhrgebiet
verträgt sich nicht mit einer Politik der starken Worte,
sondern erfordert eine schnelle Beendigung
des Konfliktes!
Ein englisches Dementi.
Paris, 13. Juni Das englische Auswärtige
Amt hat die französische Botschaft in London davon
in Kenntnis gesetzt, daß die von der französischen
und englischen Presse gestern verbreiteten Meldun-
gen über die Beschlüsse des englischen Kabinettsrates
nichtden Tatsachen entsprächen. Die englische
Regierung habe noch keinerlei definitive
Entscheidungen getroffen".
Diese Mitteilung wird in Frankreich, Wo die von
der offiziösen Havas-Agentur verbreitete Meldung
über die Ablehnung der französischen Forderungen
durch England eine starke Depression erzeugt hatte,
natürlich mit großer Genugtuung verzeich-
net. Paris schwelgt wieder in Hoffnungen. Tat-
sächlich erklärt bereits der „Petit Parisien", daß
Frankreich mir der Aufgabe des passiven
Wider st an des nicht nur die Zurückziehung der
von der deutschen Regierung seit der Besetzung des
Ruhrgebtetes erlassenen Verordnungen verlangen,
sondern darauf bestehen müsse, datz Deutschland alle
von den Alliierten getroffenen Maßnahmen als
zu Recht bestehend anerkennen und sich mit der Aus-
beutung der in dem französischen ReparationSpro-

schr^hx,,^ agdedurg wird uns weiter hierzu ge-
Ariinch„i^wng des RWBR. hat nach berühmtem
Muster eine Fehme organisiert, deren
Rist, b die Ermordung politisch unbequemer
deu u die Ausbildung der jungen Leute
verschiedenen „nationalen" Bünden sind ge-
l.^^ne ausgestellt worden. Als Lehrer
Pgldt Alehl, Kirmse, Siebert, Schneider, Kub-
^t der M' wwve. Im Pionierbataillon
u. ^»erfahnrich Teiler für den RWBR. tätig,
Leisi bn,/ 'cü§wehrregiment12der Leutnant
^ihe m Kowpagnte. Außerdem stehen eine
duts v a t p e r s o n e n, die zum Teil der
^böriui " ö l s kh e n Freiheitspartei an-
- rbtndu»"" dem „Reichswehr-Block Rotzbach" in
U're Von den „nationalen" Bünden, die
'"en der diesen RWBR. ausbilden ließen,
»r <x » ngdeutscheOrden", der „Bis -
der „Helmut von Mücke-
Fübv»?^. d" -Roland-Bund" genannt,
ga * des RWBR. in Magdeburg bzw. für
s»Neu ' ?biet waren die schon genannten Per-
m"- datz"n^ 8. Juni teilte die Leitung
berhautz,/^ l<H entstD!offen habe, „angesichts des
d' bilden- der '' " f^tzeltun« eine sogen. Fehme
ersche „nd-„der Leitung ver-
doliiiseh ' de Leute beobachten, Verräter
k" dieses ^M'siliebtgc. Leute zu beseitigen".
^'Uhafi genVacb/"'s zum 9. Juni Leute
cht werden, die „durch Leute der RW. >

gramm vom 2. Januar genannten wirtschaft-
lichen Pfänder durch die Alliierten abfinde.
Italien will mitreden.
Rom, 13. Juni. Wie eine Erweiterung von
Mussolinis Senats-Rede klingt ein Leitartikel
der „Tribunal", in dem der häufig von amtlichen
Stellen inspirierte Polemiker „Rastignac" erklärt,
Frankreich dürfe nicht länger ein Monopol für
Ruhrverhandlungen beanspruchen, sondern müsse
England und Italien endlich mtirr den
lassen. Die'ganze französische Ruhr-Taktik wider-
spreche PoincarSs beruhigenden Versicherungen;
auch klaffe ein Widerspruch zwischen PoincaröS Be-
hauptung vor der Kammer, daß der deutsche Wider-
stand gebrochen sei und der jetzigen französischen
Forderung, datz dieser Widerstand bedingungslos
aufgegeben werden müsse. Die Neutralitätsperiode
Englands und Italiens sei nunmehr vorbei.
Eine belgische Erklärung.
Brüssel, 13. Juni. In der Kammer erklärte
der Minister des Aeußeren- Jaspar: Wir sind in
das Ruhrgebiet einmarschiert, um Reparatio-
nen zu erhalten, und werden aus ihm erst hinaus-
gehen, wenn wir sie bekommen Hatzen. Wir wollen
die Ausführung des Versailler Vertrags, der unsere
Schutzwehr ist. Wir haben bereits ein Ergebnis
ezielt, nämlich, datz Deutschland versucht, einen
Meinungsaustausch anzuspinnen. Wir wollen mit
den Alliierten sprechen, mit Deutschland aber nicht
vor Einstellung Kes passiven Widerstandes,

Französische Bedingungen.
PariS, 14. Juni. (Letztes Telegr.) Der „TemPS"
diskutiert den Gedanken eines „Waffenstill-
standes" im Ruhrgebiet. Das Blatt erklärt, datz
die Militärische Besetzung der Ruhr gar nicht im
ursprünglichen Programm vorgesehen war, da es
sich nur um eine Besetzung durch Verwaltungsbehör-
den handeln sollte und fährt fort: An dem Tage, wo
die Reichsregierung und die preußische
Regierung alles getan haben werden, um dem
Widerstand ein Ende zu machen und die
Bevölkerung zur ehrlichen Zusammenarbeit mit den
Verbündeten zu bewegen, an dem Tage, wo ein
normaler Fortgang der Leistungen, der Steuer-
erhebungen, des Verkehrs usw. eintretcn würde,
würde man die französische und die belgische Regie-
rung in die am 11. Januar ins Auge gefaßte Lage
zurückversetzt sind en. Allerdings zwinge die Ver-
schärfung der Lage zu gewissen weiteren Erschwer-
nissen gegen früher.

Vom besetzten Gebiet.
Verschärfung.
Paris, 13. Juni. Nach einer Havas-Meldung
aus Düsseldorf sind in der Nacht zum 12. Juni zwei
Deutsche, die entgegen dem nach der Erschietzung
eines französischen Posten verhängten Verkehrsver-
bot in den Straßen von Recklinghausen
angetrosfen wurden, von französischen Posten durch
Gewehrschüsse getötet worden. Ob weitere Per-
sonen getötet worden seien, sei noch nicht bekannt.
Dortmund, 13. Juni. Hier ist außer den
gemeldeten Opfern der Arzt Dr .Gttlke von den
Franzosen erschossen worden. Einzelheiten fehlen
noch.
Koblenz, 13. Juni. Nach einer Mitteilung
des Bezirksdelegterten wurde für einen Mo-
nat die Einreise vom unbesetzten in
das besetzte Gebiet gesperrt; nur in drin-
genden Ausnahmefällen, z. B. bei einem Todesfall,
soll die Einreiseerlaubnis erteilt iverden. Im all-
gemeinen macht sich eine zunehmende Verschär-
fung in der Handhabung der von den Be-
satzungsorganen erlassenen Verordnungen bemerk-
bar.
Wiederaufrichtung der Zollgrenze.
Paris, 13. Juni. Das „Echo de Paris" teilt
Mit, daß in Ausführung eines auf der Brüsseler
Konferenz gefaßten Beschlusses die Rheinlandkom-
mission heute die Wicderaufrichtung einer
Zollbarriere zwischen besetztem und unbesetz-
tem Gebiet angeordnet habe. Die deutscheEin -
fuhr, die bisher zollfrei ins besetzte Gebiet herein-
gelassen wurde, wird künftig dem alliierten Zoll-
tarif unterworfen werden.
Ein weiteres Todesurteil.
Köln, 13. Juwi. „Havas" teilt mit, daß der
Ingenieur der Badischen Anilin- und Sodafabrük
in Mannheim-LudwigShafen, Goergcs, heute
vom französischen Kriegsgericht in Mainz wegen an-
geblicher Sabotage zum Tode verurteilt
worden ist.
Ludwigshafen, 13. Juni. Bei Goerges
handelt es sich um den angeblichen Urheber des Sa-
botageaktes gegen pfälzische Eisenbahn-
strecken. Am 1. Juni wurde geineldet, daß wegen
dieses Sabotageaktes ein aus H undisburg
stammender angeblicher Ingenieur der Oppauer
Werke durch die Franzosen verhaftet wor-
den sei- Er soll die Tat etngestanden und dabei er-
klärt haben, er habe sie ausgeführt aus Vaterlands-
liebe, weil erdeutscherOssizter sei. Er sollte
sich öffentlich selbst als Täter bezeichnet und dadurch
verdächtig gemacht haben.
Diese Behauptung stammt lediglich von fran-
zösischer Seite und ist einwandfrei wider-
legt worden. Niemand Hai jemals bezeugen kön-
nen, daß Goerges derartige Aeutzerungen privat
oder gar in der Oeffentlichkeit getan hat. Das „Ge-
ständnis" aber, Mit dem die Franzosen arbeiten, ist,
wie sehr bald bekannt wurde, lediglich erpreßt
worden.
Späterhin wurde von deutscher Seite mit-
geteilt, daß der angebliche Ingenieur des Oppauer
Werkes tatsächlich L a ndw irt schafts l eh r er
in der Landwirtschaftlichen Versuchsanstalt der Op-
pauer Werke gewesen sei. Ob er wirklich im Zusam-
menhang mit dem Pfälzer Eisenbahnattentat ver-
haftet wurde, ist nie bekannt geworden, da nur
französische Gendarmerie die Untersuchung
führte und keinerlei Mitteilungen über die Ergeb-
nisse machte.
Bei dem fraglichen Eisenbahnattentat
wär ans dem freien Gelände eine Bombe explo-
diert, die erheblichen Schaden anrichtete. Die
Landauer Polizei hatte damals sofort Ermittelun-
gen angcstellt und soll auch Dynamit beschlagnahmt i

haben. Ueber den Täter konnte sie aber selbst
nichts ermitteln.
Eine französische Darstellung.
Paris, 14. Juli. (Letztes Telegr.) In Mainz
fand gestern vormittag die kriegsgerichtliche Ver-
handlung gegen den wegen Sabotage angeklagten
Ingenieur der badischen Antlinfabrik, Görges,
statt. Dor Angeklagte wurde in dem Augenblick ver-
haftet, als er an der Eisenbahnstrecke nahe bei Lud-
wigshafen Explosivstoffe anzubringen versuchte, um
eine Entgleisung hecheizustthren. In der heutigen
Verhandlung gestand der Angeklagte die ihm zur
Last gelegte Tat ein. «v,in Auftreten wird von den
französischen Blättern als ausfallend ruhig bezeich-
net. Er Protestierte gegen den Vorwurf der Feig-
heit und versicherte, datz er nur aus patriotischen
Gründen gehandelt habe. Er wurde nach kurzer
Beratung des Gerichtshofes zum Tode verurteilt.
Betriebsrat Müller vor dem
Kriegsgericht.
Berlin, 13. Juni. Heute Morgen begann vor
dem Kriegsgericht des Düsseldorfer Brückenkopfes
die zweite Verhandlung gegen das Be-
trtebsratsmitglted Müller von den Kruppwerken.
Müllev war bekanntlich in Werden zu 6 Monaten
sich dadurch strafbar gemacht. Er sei nur deshalb in
der Essener Tragödie vom 31. März die Sirenen
in Bewegung gesetzt haben sollte.
Müller gab eine eingehende Darstellung dev kri-
tischen Vorgänge. Er versichert ausdrücklich, datz er
niemals selbst den Befehl gegeben habe, die Sirenen
in Bewegung zu setzen. Er habe nur den Vor-
schlag gemacht. Er Versicherte, daß der Befehl,
die Sirenen in Bewegung zu setzen, nicht vom Be-
triebsrat ausgegangen sei. Auch die Direktoren hät-
ten keinen Auftrag gegeben, die Sirenen ertönen zu
lassen.
Hierauf erhob sich der Vertreter der An-
klage und führte aus: Das Urteil von Werde«
bestehe zu recht. Müller habe den Vorschlag ge-
macht, die Sirenen in Bewegung zu setzen und habe
sich daurch strafbar gemacht. Er sei nur deshalb in
Werden so glimpflich davongekommen, weil er dort
mit wichtigeren Persönlichkeiten auf der Anklage-
bank zusammen gesessen habe.
Der Gerichtshof zog sich nach der Verteidigungs-
rede MoviaudS zur Beratung zurück. Nach 10 Mi-
nuten erschien der Vorsitzende wieder und verkün-
dete das Urteil. Müller wird zu siebenMona -
ten Gefängnis verurteilt! Der Schiedsspruch
wurde einstimmig gefaßt.
Ein Notschrei.
Dortmund, 13. Juni. Eine am 10. Juni in
Schwerte tagende Konferenz der sozialdemo-
kratischen Gemeindevertreter des Ruhrgebietes
befaßte sich eingehend mit den Schäden, die den Ge-
meinden durch die Besetzung entstanden sind.
Sie erhebt schärf st enProte st gegen die er-
folgten und fortgesetzt erfolgenden Eingriffe der Be-
satzungsstellen in die Verwaltungsapparate de»
Kommunen, gegen die Ausweisung und Verurtei-
lung von Beamten, Angestellten und Arbeitern, ge-
gen die Beschlagnahme öffentlicher Gelder, durch
welche nicht nur die Verwaltungsarbeit an sich, son-
dern vor allem die Durchführung sozialer Aufgaben
ungeheuer erschwert wird.
Furchtbar sind die Schäden, die die Ge-
meinden durch die Besetzung erleiden. In den Krei-
sen Dortmund, Hörde, Bochum, Gelsenkirchen, Hat-
tingen, Witten und Recklinghausen sind übel
50 000 Kinder aus ihren Schullokalen vertrie-
ben worden. Die Lebensmittelversor-
gung, die Versorgung der Säuglinge mit Milch
leidet unter der Lahmlegung des Verkehrs, unter
willkürlich durchgeführten Beschlagnahmungen. Viele
städtische Kinderhorte mußten geschlossen
werden. Mißhandlungen, Beraubungen, Dieb-
stähle sind an ter Tagesordnung. Ins Ungemcssene
gestiegen ist überhaupt die öffentliche Unsicherheit
infolge der Ausweisung von Poltzetorganen. Ein
starker Zustrom lichtscheuen Gesindels war
die weitere Folge.
Vor aller Welt weisen die sozialdemokratischen
Gemeindevertrcter hin aus die Nöte der Be-
völkerung in den Städten und Gemeinden des
Ruhrgebiets, hcrvorgerufen durch die Besatzung.
Von Reich u. Staat wird erwartet, datz sie weiterhin
alles tun, um die Lage der Kommunen und damit
der Bewohnerschaft des Ruhrbeckens zu erleichtern
und zu verbessern.

Die französische Besatzungsbehörde
hat die Veröffentlichung der Rede des preußischen
Ministerpräsidenten über die Rheinfrage untersagt.

Die Lage im Reich.
Der Marksturz.
Der gestrige iBalutenmarkt hat, so schreibt di«
„Franks. Ztg.", wiederum eine gewaltige Aufwärts-
bewegung der fveurden Devisen gebracht. Der
Dollar, der vorgestern zur amtlichen Notiz noch
auf 84 000 stand, bat zeitweise das Niveau Von
100 000 Mark überschritten. Eine Mark bat also nur
noch kaum 1/22 000 .ihres Friedenswertes, Das
 
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