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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 101 - Nr. 110 (2. Mai - 14. Mai)
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Heidelberg, Montag, den 7. Mai 1923

Nr. 10S

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Holungen Nachlaß nach Tarif. IM V
:°°»8k«W M w Mk»Wk BENM Ott AmlidkM retdmm. M-W, kwhkw. WU«. NerW. MzM. Sch«, MWI». s«Äe«. iMttWMew II. «eMel»
5. Jahrgang

Die französische Ablehnungsnote.

Der AMestenrat Des Reichstages regelte den
Arbeitsplan für Die Zeit bis zur Pfingstpause.
In der nächsten Woche soll zunächst mit der Verab-
schiedung des Etats des ReichsarbeitsMnisteriums,
des Fr ieDensver träges, des Finanzministeriums n.
der MgM.einen Finainzverwaltnng die Meile Le-
sum des Etats abgeschlossen werden. In Verbin-
dung Mit diesem Etat werden die Gesetze Wer die
Verteilung des Gewinnes der Reichsbank nnd über
di« Beseitigung kleiner Schuldbuchforderungen er-
ledigt werden, ebenso die Interpellation der Ar-
beiisgsmeinschast Wer Den Marksturz und der An-
trag der Sozialdemokraten auf Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses in der gleichen Frage.
Nach dem Himmslfahrtstag wird die dritte Lesung
des Etats begonnen werden. Hierbei soll die
deiKschnatiionale Interpellation Wer das Verbot
der Deutschvölkischen FreHeitspartet tu Verbin-
dung mit dem Etat des ReichAministerinms des
Innern erledigt werden. Arlch das Entschädigungs-
gesetz soll noch verabschiedet werden. Die Pfingst-
pause soll Pom 17. Mas Ws 5. Juni dauern

schien, zwei Mann verhaftete nnd abfiihrte. Später
wurden sie laut .Mannheimer Tageblatt" wieder
freigelassen..
Karlsruhe.
Maxau, 5. Mai. Nach einer Mitteilung des
französischen Bezirksdelegierten von Germersheim
ist der Verkehr über die Schiffbrücken von Germers-
heim und Maximiliansau während der Nachtstunden
sür Fußgänger und Fuhrwerke sreigegeben, jedoch
für Radfahrer und Automobile von abends 8 U'.ir
bis morgens 5 Uhr gesperrt.

Reichstag.
Berlin, 5. Mai
Der Reichstag behandelte den
Etat des Reichsarbeitsministeriums.
Abg. Giebel (Soz.) tritt sür die Vereinheit-
lichung des ganzen Ncichsverstcherungswesens ein
und gegen die berufsständige Regelung. Das gölte
in erster Linie für de Krankenversicherung.
Abg. Bohm-Schuch (Soz.) tritt für den In-
gendschutz ein und polemisierte gegen die gestrigen
Ausführungen des Abg. Andre.
Abg. Frau Tesch (Soz.) Mit für die reichsgesetz-
liche Regelung der Verhältnisse der Haus ange-
stellten ein.
Eine Entschließung des Ausschusses zum Lehr-
lingswesen wird dann in der Richtung des Zen-
trumsantrages in der Weise erledigt, daß die erst:
Forderung nach gesetzlicher Regelung der Berufs-
ausbildung angenommen wird, während die For-
derungen eine Einbeziehung der Lehrlinge in die
Tarifverträge und dn Bezahlung der Fortbildungs-
schuizeit durch die Arbeitgeber an den sozialpoliit-
schen Ausschuß verwiesen werden. Bei dem T-.'ei
„Anteile des Den: chen Reiches au den Unterhal-
K-n -.-r nall » u. a l LnArbeirs-
amts in Genf" hat der Ausschuß die Position
von 74ZL Millionen Mart auf 50 Millionen Mark
gekürzt. Ein sozialdemokratischer Antrag verlangt
die Wiederherstellung der Regierungsvorlage, wäh-
rend ein deutschnationaler Antrag die Streichung der
Positionen fordert.
Abg. Schlicke (Soz.) befürwortet den Antrag
seiner Fraktion, da wir uns endlich in Gens durch-
setzen müßten. ES wäre das Verkehrteste, die Mit-
tel sür das Institut zu verweigern. Als Mitglied
der Organisation könnten wir das unmöglich tun,
aber auch ein Abstrich sei untunlich, da das Institut
nach einem genau vorher festgestellten Budget ar-
beite. Zudem werde auch in den Verwaltungsbe-
rtchten das Internationale Arbeitsamt die deutsche
Sprache berücksichtigen und Deutsch« seien ja auch
bet dem Amte angestellt. Alle Beschlüsse des Inter-
nationalen Arbeitsamts müßten mit Zweidrittel-
mehrheit gefaßt werden. Eine Unberrumpelung finde
nirgends statt. Alle Regierungen seien über die Ta-
gesordnung vorher- verständigt und außerdem siebe
ja den Regierungen die Entscheidung über Annahme
oder Ablehnung etwaiger Konferenzbeschlüsse frei.
Abg. Lambach (Dn.) beantragt Streichung
der Beiträge.
Der deutschnationale Antrag wird dann abge-
lehnt und der sozialdemokratische Antrag mit Unter-
stützung des Zentrums angenommen.
Abg. Brey (Soz.) befürwortet dann eine Ent-
schießung seiner Fraktion, wonach Arbeiter, Vie in-
folge von Betriebsgefahren erkranken (Berufskrank-
heiten), nach den Bestimmungen der Reichsversiche-
rungsordnung Wer die Unfallversicherung entschä-
digt werden sollen.
Nach zustimmenden Erklärungen wird die Ent-
schließung angenommen.
Fortsetzung der Beratung Montag 2 Uhr nach-
mittags. Außerdem Beratung des deutschvöl -
rischen Antrages wegen Verletzung der Im-
munität der deutschvölkischen Abgeordneten durch die
Berliner Polizei.

* Heidelberg, 7. Mai 1923.
Irr schroffer Brüskierung Englands, dem Italien
Wit unverhohlener Sympathie zur Seite steht, hat
Frankreich jetzt Deutschland seins glatte Abley-
nungsnote gesandt. Gewalt ist das Mittel,
DUtatur das Ziel Poincarös.— ein Ausweg aus
der -internationalen Sackgasse Liegt außerhalb des
Deutschland wird die französische
etmnng nirgends Ueberraschung hervoryusen.
'es wird jedoch nicht hindern, nach wie vor auf
en Sieg der Vernunft zu bauen. Wenn auch
angsam, so müssen Di« Ding« Doch reifen. Die bc-
ovnnene Aktivität der Reichsregierung, die Eng-
Trankrsich zusehends entfremdet, muß fortge-
»ur V^siver Widerstand und Bereitschaft
de Bändigung müssen nach wie vor di« Parolen
r outschen Politik sein.. Notwendig ist daher
s« Daß sich das Kabinett Cuno-Becker-Ro-
Gr wmiger «ls bisher a ls Vertreter der
»r "N'nkustrie denn Es Regierung des ganzen
Volkes führ«.

würden nach der deutschen Regierung ein Muxi-
, lnum bildert und es werde Deutschland leicht fein,
, sie wieder zur Diskussion zu stellen, bevor sie Wirk-
lichkeit geworden seien.
- Di« deutsche Regierung erklärt, eine internario-
, nale Kommission solle darüber entscheiden, ob diese
! beiden Abschnitte amsgsgeben werden sollen und
> desgleichen, ob die Zinsen am 1. Juli 1923 bezahlt
werden sollen oder nicht. Derartige Unsicher-
heiten machten jede ernste Schätzung des Wer'es
> des Angebotes unmöglich. Die Deutsche Regierung
f erklärt sich bereit, die Sicherheiten sür dtc
, Barleistungen und Sachlieferungsn zu bieten; diese
stellen nichts weiter als eine enorme Verminderung
ihrer früheren Versprechungen dar. Was aber
' diese Sicherheiten anlangt, so beschränke sie sich
- daraus, die unbestimmtesten und unklarsten Ideen zu
i äußern, obwohl die ReparationSkommis-
ston im Einvernehmen mit den alliierten Regie-
rungen bereits seit langem alle Maßnahmen studiert
hat, mit Hilfe deren Deutschland seine Währung zu
° stabilisiersn, seine Finanzen wieder herzustellen und
" Sur Aufnahme auswärtiger Anleihen zu schreiten
i sich verpflichtete. Obwohl die alliierten Regierun-
gen Deutschlands manches Mal zu den aufrichtig-
sten Bemühungen anzuleiten versucht hätten^ die
erforderlich seien, um diese Resultate zu erzielen,
sage Die deutsche Regierung auch heute noch nicht,
- in welcher Weise sie ihre Währung zu stabilisieren
. suchen werde, oder welche gesetzgeberischen Matz-
. nahmen sie ergreifen werde, noch auch welche Ein-
i nahmequellen sie zur Garantierung der verschiede-
nen Anleiheabfchnitte zu verwenden gedenke. Ge-
> nau so unbestimmt und genau so illusorisch seien
die Angaben der Dsutschen Regierung Wer Di« Si-
cher-eitsgarantien, die sie, wie sie erkläre,
Frankreich zu bieten bereit sei. Sie spreche nicht
von Belgien und dieses Versehen erscheine zum
' allemÄndesten merkwürdig, wenn man sich erinnere,
wie Deutschland sich im Jahre 1914, als es Garant
der belgischen NcutraLiät war. dieser Nation gegen-
über benommen habe, deren UnWyLngi-gtek zu
schützen es versprochen hatte. Die belgische und die
französisch« Rosievnng hätten beschlossen, Di« neu-
besetztem Gebiel- nur nach Maßgabe und im Ver-
hältnis der geleisteten Zahlungen zu räumen.. An
diesem Beschluß hätten sie nichts zu ändern. Sie
könntsn im übrigen Nicht Die Bemerkung unterlas-
sen, daß di« Deutsche Not« von Anfang Dis Ende
nur Der kaum verhehlte Ausdruck einer systemati-
schen Auflehnung gegen Den Versaill«r Vertrag sei.
Dies Würde schließlich notgsdrungen Mr vollkomme-
nen und endgültigen Zerstörung dieses Vertrags
Düren. Dies würde sogar zu einer nwralischm,
wirtschaftlichen, politischen und militärischen Re-
vanche Deutschlands führen. Die dckntsche Regie-
rung werd«, wenn sie Wer Diese Dinge einmall nach-
denken wolle, sich nicht wundern, daß Frankreich
und Belgien «ine derartige Haltung ablehnten.
Ruhr.
Krupp-Prozeß.
Die heutige Verhandlung des französischen
Kriegsgerichts gegen die Krupp-Direktoren begann
mit einiger Verspätung. Als erster Zeug« wird
Herr v. B. Bülow vorgerufen. Der Zeuge ist Ao-
teilungschef und untersteht dem Direktor Baur. Es
war ihm bekannt, daß das Detachement, das Volt
einem Offizier gesühr wurde, nur nach der Halle ge-
kommen war zum Schutze einer Kommission, yie Nach-
folgen würde. Die Ankunft dieser Kommission hat er
erwartet, um sie dann auftragsgemäß zu empfang m.
Er hat gehört, daß Direktor Schräpler gesagt bat, die
Arbeiter wünschen, die Sirenen ziehen zu lassen.
In der Voruntersuchung soll er etwas anderes aus-
gesagt haben. Er bekräftigt Wer heute, daß die Ar-
beiter d«n Wunsch geäußert Haven, daß die Sirenen
gezogen werden. Er bestätigte auch, ferner, daß es
die Direktoren Schräpler und Kunz gewesen
sind, die den Befehl zum Ziehen der Sirenen gege-
ben Haven, nachdem sic mit den Mitgliedern des Ar-
beiterrats verhandelten.
Der nächste Z:uge ist einer der französischen Sol-
daten, die dem Kommando angehörten, das nach
der Auto Halle geschickt wurde. Er sagt, daß die große
Menge, die sich ange sammelt hatte, ihnen das Ge-
fühl der Furcht eingeslößt habe. Sie fühlten sich
bedroht und zogen sich in das Innere der Halle zu-
rück. Als die Menge in das Innere zu drängen
schien, sei der Befehl zum Schießen gegeben worven
auS.der Besorgnis heraus, daß sie sich in Lebensge-
fahr befunden haben.
Der Angeklagte Betriebsrat Müller wird einem
Kreuzverhör unterworfen.
Mannheim.
MannhetNß 5. Mai. Ein neuer französischer
Uebergriff hat sich nach der „T.U." in der Nacht zum
Samstag zugetragen. Ein französischer Gendarm
belästigte die Leui« mit seinem Revolver, worauf er
von zwei Schutzleuten zur Polizeiwache gebracht
wurde. Sofort traten Spitzel in Tätigkeit und setz-
ten die Franzosen von dem Vorgang in Kenntnis,
Worauf eine Truppenabteilung auf der Wache cr-

Part», L Mat 1923.
kramaa^k'A^'Uur veröffentlicht den Text der
m , Antwortnote, die um 7 Uhr abends
Die j.. ""''wen Botschaft überreicht wurde.
Höiw Geschäftsträger, Botschaftsrar von
' ^"chtet und lautet:
Brie e? "'E Ehre, Ihnen den Empfang Ihres
der Mvi zu bestätigen und im Namen
erleUnn"^ Regierrnrg folgende Antwort zu
^Mische und Die französische Regierung
em« große Anzahl der von der deutschen
lasstn^o^L^ ErffäMLM nicht durchgehen
. ' ^one ihnen zu widersprechen. Der Vertrag
den»» bat die Bedingungen bestimmt, unter
men die Schulden Deutschlands zuerst festgc-
nvt und Dann gezahlt werden sollen. Die Fsstset-
»ung ist Ende April 1921 erfolgt. Die
Mit 6 s - Bedingungen sind am 5.
form » 1 sestgelegt worden. Deutschland hat
dam»^ Diesem Tage die Festsetzung und di« Mo-
angenommen. Inzwischen hat es die
halt ' "wungen, Die es übernommen bat, nicht ge-
billigt Zeitweiliges Moratorium ist ihm be-
beraknnn t^eN' hat Wer nicht einmal sein«
fer Verpflichtungen erfüllt. Infolge die-
havcn --S^ung und in Ausführung des Vertrages
Men <?>,?^wich und Belgien Pfänder genom-
gierunl, -..^aen der Behauptung Der deutschen Re-
Gewil. xPsanDnahtme ohne die geringste
Die un.,- " "'s Belgiens mrd Frankreichs erfolgt.
HW AM«, die von Berlin gekommen sind.
Es in Eein diese Zusammenarbeit verhindert.
Realer "E Bevölkerung, sondern die deutsche
fiert t^?^' dm Widerstand gewollt nnd organi-
Streiks e» Die deutsche Regierung hat nicht nur
gemein?» c" Beamten Provoziert, sondern einen all-
nnd Ver '^"Eschen Konflikt, Angriffe, Sabotage
sch? " gegen Das gemeine Recht. Die bclgi-
° r»'- tranzöstsche Regierung können
"neu deutsche» Vorschlag in Berücksichtigung
Dic^frainöm^ Widerstand fortgesetzt wird.
l'mzuMgen L und belMche Regierung müßten
«ands in me^er HtuLt" Deuisch-
vollkommen unannehmbar
fer."»,,^" "m" btnie stellten die tatsächlichen Zif-
wttl>«s/ em Vrertel der Summe Dar, die die Rcpa-
festgesetzt HW« und di« von
^er Betrag seiner Schuld gegen-
wich Alliierten anerkannt worden sei. Frank-
seien hätten wiederholt erklärt, und sie
sie tz>. 'pflichtet, dies hier nochmals zu sagen, daß
Ken ui<n/rahsetz""6 ihrer eigenen Forderun-
zunr annehmeu könnten. Frankreich HWe bis
Konto »kenvltck igy Milliarden Francs für das
Uardcn b-^schlands Vovgeschosson, Belgien 15 M'.l-
wüßten sie Francs. Außer den PenstonSlasten
Das wlrttct,"^ ^ie Hälfte ihrer Schäden reparieren
schastltche Interesse Frankreichs, das Wirt-
ligkeiit selbst der gesamten Welt, die Gerech-
digten Länder Es erforderlich, daß die geschä-
Zu ririnieren » '"-ehr Dazu verurteilt seien, sich
Schuldner rn WiederaufrichttMg ihrer
Zutsch-», Während die von den
biete ws Wahrend vier Jähren besetzten Ge-
Dcn.ts^d.I''- Unendliche verwüstet blieben, würde
Wrtfahren, beltehjg im Ruhrgebiet und
v«n, Fabriken, Hochöfen, Häusergrup-
^rechtwe?i/-- MeWahnen zu bauen. Diese Un-
vicht Belgien und Frankreich entschlossen,
die Das Angebot von 30 Milliarden,
^Agens Regierung gemacht habe, enthalte
svSbft von der Deutschen Regierung
dessen Willtü?» Ausdruck, eine gewisse Elastizität,
SüfZuzef^n ««F ^i^Whr man Echt nötig habe,
e Hghwn, di« umn angegobein HWe,

Die Lage im Reich.
Der Währungszerfall.
Berlin, 5. Mai. Im Haushvltsausfchuß des
Reichstages gab heute Reichsfinanzniiuister De.
Hermes eine längere Uebersicht Wer die F i -
nanzlage. Durch Die Ruhiiaktio» sei insbeson-
dere di« schwevende Schuld erheblich angestiegen.
Im Januar betrug sie 586 Milliarbeit, im Februar
1572 Milliarden, im März 3666 Milliarden, in,
Slpril 1800 Milliarden. Locher müsse befürchtet
werden, daß das Ab nehmen in, April, Das durch
di« stabile Mark der letzten Monate herbeigeführt
wurde, wieder durch den iwu einsetzcnden Wäh-
rungszerfa« zerstört werde. Welche ungeheure
Sumnren notwendig sind, geht daraus hervor, daß
allein atm 1. April an die Länder und Gemeinden
sür Gehälter 3500 Milliarden Mark überwiesen
werden mußten. Die Enffchlossenheit, die Mark
zu stützen, betonte der Minister, er HW Wer auch
die Schwierigkeiten hervor und begründete
sie näher.
Vom Ordnungsstaat.
Aus München wird gemeldet:
Im bayerischen Land t agsa us > chutz
wurde angefragt, ob es richtig sei, daß die vater -
ländischen Verbände ein vollständiges Ver-
bot der Maifeier gefordert hätten, ferner, wie es sich
mit dem Aufmarsch der vaterländischen Kampf-
verbände auf Oberwiesenfeld Verhalten habe. Wet-
ter fragt« er, ob die Regierung eine Entwaff-
nung versucht habe, und ob es richtig sei, daß diese
Waffen zum Teil von der Reichs iv ehr zur Ver-
fügung gestellt worden seien, ob schon deshalb bei
den Reichsstellen schärfster Protest erhoben worden
sei, und schließlich, ob an dem Aufmarsch Mittel-
schüler beteiligt gewesen seien.
Innenminister Sch iveyer mußte zugeben, daß
einzelne Schüler um Schulbcfreiung vergeblich nach-
gesucht hätten. Jur Falle der Fra» Dr. Rosa Kempf
sei Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung er-
stattet. Es sei aus den Kreisen der vaterlündischc»
Verbände der Regierung angesonnen worden, die
ganze Maifeier zu verbieten. Dazu sei keine genü-
gende Veranlassung gegeben. Ein Aufgebot der
Kampsverbände, wie diese behaupten, sei nicht erfolgt,
im Gegenteil, es sei ausdrücklich abgelehn: wor-
den. Richtig sei, daß Vertreter anderer Verbände,
nicht der Kampsverbände, sich dem Polizeipräsiden-
ten zur Verfügung gestellt hätten. Der Polizeipräsi-
dent habe dies Anerbieten tu der Weise akzep-
tiert, daß er erklärt habe, für den Fall der Not
werde er darauf zurückkommen und er habe nichts
dagegen, daß sie sich einstweilen bereit hielten. Di«
Versammlung auf Oberwiesemfeld falle unter 8 127
des Reichsstrafgesetzbuches, da ein Aufgebot bewaff-
neter Haufen vorliege. Hier werde die Staatsan-
waltschaft «inzugrcifen haben. Der obektive Beo-
bacher werde zugeben nrüssen, daß die Regierung
korrekt Verfahren sei.
Aus Nürnberg wird uns geschrieben:
In Nürnberg, der größten bayerischen Industrie-
stadt, sind die Nationalsozialisten noch in hoffnungs-
loser Minderheit. Sie machen sich zwar bei den Ver-
anstaltungen der Arbeiterschaft bemerkbar, aber zu
größeren Aktionen haben sie es noch nicht gebracht.
Offenbar batten sie aber sür den 1. Mai eine solche
Aktion vorbereitet, die rechtzeitig vereitelt werden
konnte. In der Nacht zum 1. Mai wurde der Nürn-
berger Oberbürgermeister davon unterrichtet, daß sich
im Hauptquartier der Nationalsozialisten, im „Bek-
kengarten", en größerer, starkbewasfneter Trupp der
Hitlergarde zusammengesunden hatte.
Eine sofort vom Oberbürgermeister veranlaßte
Durchsuchung des Lokals ergab die Richtigkeit dieser
Angaben. 28 H akenkreuzler, darunter 4 Frau-
en, wurden festgestellt. Sie führten drei schwere und
zwei leichte schußsertige Maschinengewehre,
zwei Maschinenpistolen, 25 I n f a n t e r i e g e w e y -
re, 6 Seitengewehre und 8000 Patronen inik sich.
Die Waffen wurden sämtlich beschlagnahmt, ein
Wachtmeister, der städtischen Polizei, der sich uittcr
den Nationalsozialisten befand, sofort entlassen.
In der Sitzung des Stadtrats vom 2. Mai inter-
pellierte Genosse Eichenmüller den Oberbürgermei-
ster über diese Vorgänge. Nach feiner Darstellung
ergab die Vernehmung der Nationalsozialisten daß
sie die Absicht hatten, die Maidemonstration d;r so-
zialistischen Arbeiterschaft zu stören und die Teilneh-
mer zu provozieren. Es konnte noch nicht sestgestellt
werden, woher die Waffen stammen. In geheimer
Sitzung beschäftigte sich der Stadtrat, wie der Ober-
bürgermeister berichtete, mit den Wühlereien dey
Nationalsozialisten und beschloß, gegen den natio-
nalsozialistischen Hauptagitator, den Volksschulleh-
rer Streicher, Wegen seiner fortgesetzten Beschimpfun-
gen gegen den Oberbürgermeister und andere Mit-
glieder des Stadtrats Straftanlrag zu stellen und bet
der Kreisregiernilg Die Einleitung des Disziplinar-
verfahrens zu beantragen. Der Oberbürgermeister
richlcie ferner an die bayenstlic Regierung den öffent-
liche» Appell, die Gesetze gleichmäßig nach allen Set-
 
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