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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 191 - Nr. 200 (19. August - 30. August)
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Bezugspreis einichliehl. Trägerlohn
Dom IS.-St. Aug. Mk. tövvov. An>
«elgentarife: Die einspalt.PeUizeN«
rd.dcr.Raum l88inm br.) Mk. ME,
«.AurwärligeMk.lLvlXlv. Rcllame-
»n zeIgen s71inin br.)Mk. A00M, für
AuswärtigeMk.SovlM. VeiWieber»
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Volkszeitung

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stunden der Redaktion: ll—ISUHr.
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Druck u. Verlag der Unterbadischen
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lWs-Zeltung für üie vettWgeBesSllerMg Ser Ainlsbezirke SelSelSerg. Wiesloch. biosheiU. kvvwges. Kervach, Mosöach. Buches. Atzelstzelm. VorSera. ranSerbischoMlnl u. WeMel«
M ..IM,,.....
5. Jahrgang Heidelberg, Montag, den 20. August 1923 Nr. 191

M MW ews MOS.

Die „LeiPziger Volkszeitung" schreibt:
Der mit soviel Theaterdonner von -den Kommu-
nisten in Szene gesetzte Kampf ist ab geb las en.
Eine Woche sinnloser Teilaktionen, eine Woche
grösster Erregung, eine Woche völliger Verwirrung,
das ist das Ergebnis der Aktion. „Die Schlacht ist
abgebrochen", so schreibt die „Rote Fahne" resig-
niert. Aber wie oft sind nunmehr derartige „Schlach-
ten" abgebrochen worden, und schon immer kam die
Ernüchterung wie ein kalter Wasserstrahl über die
Massen, wenn sich von neuem ergab, daß durch wilde
Teilaktionen der Arbeiterklasse nicht nur nicht ge-
holfen werden kann, sondern daß sie lediglich einen
Kräfteverlust bedeuten, der sich unter den gegenwär-
tigen Verhältnissen am Lcchnzahlnngstag besonders
empfindlich bemerkbar machen wird.
Der Kampf ist abgebrochen, nach dem weder
Berlin noch das mitteldeutsche Industriegebiet
den Streikparolen der Kommunisten folgten. In
Suddeutschland vermochten die Kommunisten über-
haupt nichts anzufangen, und die größte Enttäu-
schung war wohl, das; sich die Eisenbahner trotz
des von den Kommunisten so lebhaft unterstützten
Streiks im vorigen Jahre vollständig passiv verhiel-
ten.
Wir haben es schon oft gesagt. Auch die Komnm-
nisten sind gezwungen, mit Wasser zu kochen. Das
hat die letzte Bewegung mit aller Klarheit gelehrt.
Zuletzt aber mutz auch dem ungeschultesten Arbeiter
klar werden, daß man unmöglich eine Mion mit so
gewaltigem Donner einleilen kann, um sie dann nach
Wenigen Stunden völlig ergebnislos wieder abzu-
blasen. Am Montag nachmittag noch schwellte den
Kommunisten der Kamm. Der Generalstreik wurde
beschlossen. Aber was ist eine Generalstretksaktivn,
bet der die Arbeiter mit dem Knüppel aus den Be-
trieben geholt werden müssen und bei der Betriebe
Krdigltch geschlossen werden, um die Fensterscheiben
ketlzulassen. Es war ein geradezu beschämendes
Beispiel, wie sich Arbeiter, die seit Jahrzehnten
im Kampfe gegen den Kapitalismus standen, die an
borderster Stelle, allen Gefahren trotzend, kärnpften
und sich jetzt durch einige bartlose Jünglinge, denen
Noch nicht einmal das Abc des Sozialismus einge-
üangen ist, tyrannisieren ließen. Tausende
bon Arbeitern wichen der Gewalt, aber das Völk-
chen, das gestern von Betrieb zu Betrieb zog und die
kühler denkenden Arbeiter zur Betriebseinstellung
^wang, ist so unendlich feige, daß ihnen wahr-
bastig ein stärkerer Widerstand entgegengesetzt wer-
den müßte.

Was soll aus der deutschen Arbeiterbewegung
werden, wenn mit dem Rüstzeug dieser Barbaren,
Wit Knüppel und Zaunlatten der Kampf
geführt werden soll, wenn durch Mittel des Terrors
weiten Schichten der Arbeiter eine sich völlig verfehlt
erwiesene Taktik aufgezwungen werden soll? Bis
weit in die kommunistischen Kreise hinein wird sich
'n>.nmehr bei kühler Ueberlegung und nach einem
Rückblick über die Ereignisse der letzten Tage zeigen,
wie u nzw eckm ätz i g auch diese Aktion wieder ge-
wesen. Das Elend der Arbeiter ist grenzenlos. Aber
glich durch einen Generalstreik, selbst durch eine noch
so radikal orientierte Arbeiter- und Vauernregierung
wären die Ursachen dieses Elendes, nämlich die In-
flation, die ungeheure Notenflut, mit allen ihren
Auswirkungen zuerst nicht aus der Welt zu schaffen.
Es mangelt an Zahlungsmittel«. Kein Betrieb war
imstande, die erforderlichen Papiernoten zu beschaffen
"nd ausgesprochen in diesem Augenblick treten jene
Betriebe in den Streik, denen es obliegt, diese
Schwierigkeiten aus der Welt zu schaffen.
Die Sozialdemokratische Parr eß die
Führer der Gewerkschaften haben von Anfang an ge-
warnt. Leider aber kann nicht gesagt werden, daß alle
wzialistisch orientierten Arbeiter ihren Parolen ge-
wgt wären. Kleinmütig, das ist leider das
wlgemetne Kennzeichen auch langjährig geschulter
.„"Retguossen, die immer Geich in Wallung kommen,
, die Instanzen der Partei nicht ohne Wei-
res durch die Parolenschusterei der Kommunisten
mfangeu lassen. Wie oft hat sich nun seit dem 9.
sovemher gezeigt, datz durch solche wilde Aktionen
>ichls erreicht, vielmehr die Arbeiterklasse nur ge-
^wlidjgt werden kann. Aber immer wieder fallen
" "usende auf die Parolen der Kommunisten hinein.
Gegen wen war nunmehr die verflossene Ak-
der Kommunisten gerichtet? Gegen die tapita-
miche Gesellschaft? Gegen den Faszismus? Man
Wim cch in den Spalten der kommunistischen Zei-
"Eß man vergegenwärtige sich die Versamm-
Wui-r/^"' die in den letzten Tagen geschwungen
ülld E" "E überall waren es die Sozialdemokraten
„Gewerkschaftsbonzen", die im
Mich Grunde der Angriffe standen. Wie soll man
Feind Kampf führen gegen die gefährlichsten
Übera/s, Arbeiterklasse, wenn man anderseits dazu
Tvaanir . w Brücken zu den rechtsbolschewistischen
den Faszisten, den Deutschvölkischen,
"Äow» zu schlagen. In den Spalten der
8t e b ! „ , ist der alldeutsche Judenfresser Graf
iübetenex Tast' i"r jeden Sozialisten höchst un-
Versammlung zu Stuttgart bezeichnete
?wMuntMch..^5'^°r Faszist Max Weber den
Ms einen Ewn NetchStagsabgeordneten R e m m e st
r Einigen. In Jena sratenisierten Kom-

munisten gemeinsam mit einem der wüstesten Juden-
hetzer, dem Verfasser der „Sünde wider das Blut",
ArturDinter. In einer besonderen Anweisung
werden Direktiven gegeben, wie unter den höheren
Offizieren vom Schlage Lettow-Vorbecks Propa-
ganda getrieben werden soll, um sie für die Dienste
der Kommunistischen Partei zu gewinnen.
Gegen die Sozialdemokratie» gegen die Republik,
das waren auch die Ziele der nunmehr abgeblasenen
Bewegung- Dabei Kommunisten und Faszisten Arm
kn Arm.
Wann endlich werden sich den Arbeitern die
Augen »Men?

Internationale Lage.
Eine Rede Poinearss.
Paris, 19. Aug. Gelegentlich einer Denkmals-
einweihung in Charleville führte Potncarö
in einer Rede, in der er merkwürdigerweise den dem»,
sehen Kabinettswechsel nicht berührte, u. a. hinsichtlich
der Entente aus: Wenn der BundderAlliier-
t e n uns das Leben gerettet hat, wenn er das Leben
nicht nur Frankreichs allein, sondern das Leben
aller Alliierter insgesamt und jedes einzel-
nen insbesondere gerettet hat, so ist es nicht Möglich,
datz, wenn das Leben gerettet ist, der Bund ver-
nichtet wird. Was uns anbetrifft, so würden wir
jedes Wort und jede Tat, die daraus ausgingen,
diesen Bund zu zerstören, verurreilen. Ich WM
an Hand der statistischen Ergebnisse durchaus nicht
schließen, daß England aus der Ruhrbesetzung
Nutzen gezogen hat. Ich hätte gewollt, datz England
aus dieser Besetzung einen gro tz en Nutzen gezogen
hätte, und zwar anunserer Seite. Aber ich habe
das Recht, es auszusprechen, datz, wenn es in Eng-
land Arbeitslose gibt, dies durchaus ntcht die
Schuld des Generals Degoutteist. Ebensowenig
stt es möglich, an Hand irgendwelcher Dokumente
die Gesetzmäßigkeit unserer Psandergreifung
zu bestreiten.
Es ist einfach, darauf mit verschiedenen Artikeln
des Friedensvertrags von Versailles und
mit früheren gemeinschaftlichen Abmachungen unter
den Alliierten zu antworten und die Gesetzmäßigkeit
unseres Vorgehens zu beweisen. Anstatt viel mehr
Streitigkeiten dieser Art zu entfesseln, wisse« wir,
datz der eine wie der andere Vesser daran tun
würde, eine praktische Lösung für ein Pro-
blem zu suchen, das für jeden der Alliierten von gro-
ßem Interesse ist. Europa wird sein Wirtschaftliches
und sein moralisches Gleichgewicht erst an dem Tage
wiederfinden, an dem der Friede in Europa auf
solider Grundlage aufgsbaut ist und an dem die Ge-
rechtigkeit, die unsere Armeen zur Führung des
Krieges bewaffnet hak, endlich in Sicherheit
darin herrschen können wird.
Die unterzeichneten Verträge und die Gerechtig-
keit fordern, datz die angerichteten Schäden in
vollerHöhebezahlt werden. Frankreich ver-
langt nichts anderes und kann Nichts anderes
wollen. Wir werden uns also — habe ich nicht recht?
— schließlich verständigen müssen.
Indem wir auf unserem Wege fortschreiten, hof-
fen und wünschen Wir durchaus nicht, uns Von un-
seren Verbündeten zu trennen, und wir sind sicher,
daß wir nicht nur für das Wohlergehen Frankreichs,
sondern auch für den Wiederaufbau ganz Europas
handeln. Wenn sich übrigens die Dinge an Hand
der zahllosen Zeugnisse beurteilen lassen, so begreift
die öffentliche Meinung der ganzen Welt
jeden Tag Lesser die Aufrichtigkeit unserer Absichten
und Wird in steigendem Matze für uns günstig.
Sind w i r es, von denen die Herausforde-
rungen kommen? Wer hat denn bet der Unter-
zeichnung des Versailler Friedensvertrags sich ge-
weigert, die hauptsächlichsten Klauseln dieses Ver-
trags zur Ausführung zu bringen? Wer hat sich der
Auslieferung der Kriegsschuldigen
entzogen? Wer hat bewußt die Kontrolle der Ent-
waffn ungskom misston verhindert? Wer
bat sich den Kopf zerbrochen, um sichzah lungs -
unfähig zu machen? Ich will, um ein Wort
Ncnans aufzugreifen, zugeben, daß die Haltung Na-
poleons den germanischen Völkern gegenüber
nicht immer frei von Ungeschicklichkeit gewesen ist;
indessen waren es jedesmal, welrn der Kaiser Mit
den Besiegten Verträge abgeschlossen hat, die euro-
päischen Koalitionen, die ihn dazu geführt haben,
dcn Krieg wieder von neuem anzufangen. In Wirk-
lichkeit war es der Geist der Revolution, den
Preußen in uns zu bekämpfen suchte. Von
dem Tage an, an dem sich der nationale Geist
in Deutschland mit dem preußischen Impe-
rialismus verband, konnte Deutschland in Frank-
reich nicht mehr Verständnis finden. Der organi-
sierte Feudalismus in Preußen und Pommern
wandte sich gegen die Modernen Ideen in
Frankreich. Eine Macht, die nach ihren Instinkten
ein Feind der französisches Grundsätze war, erhob
sich dort an den Ufern der Ostsee und haßte i« Napo-
leon vor allem den Sohn der Revolution.
Als Deutschland, verwirrt durch eine Art von
Größ enw ah nsinn, der die Völker, der die
Menschen verwirrt, im Iahre 1914 zu dem tollen
Angriff aus Belgien und uns schritt, hat sich da ein
einziger unserer Verbündeten gefunden, der unser
Recht auf die Wiedereinverleibung von Elsaß und
Lothringen bestritten hätte?

Rühren wir nicht an dem Friedensvertrag und
fassen wir den Einschluß, der klug, vernünftig und
friedfertig ist, nämlich den Friedensverträgen die er-
forderliche Achtung zu verschaffen.
Die französische Antwort an
- England.
Pariö, 13. Aug. Die gestern abend durch einen
Sonderkurier nach Brüssel gebrachte Abschrift der
franzö fisch enAntw ortan England wird
im Laufe des heutigen Tages durch den Brüsseler
französischen Botschafter dem belgischen Außenmini-
ster übergeben.
Dem „Malin" zufolge behandelt PoincarL Leson-
dcrs ausführlich die Frage des v as s i v en W t d er-
standes. Sobald dieser Widerstand Nachlasse,
schreibt der „Matin", werde die französische Besatzung
unverzüglich verändert. Zunächst könnte die Zahl
derTruppenerheblichvermindertwer-
den, sobald nicht länger die Notwendigkeit bestehe,
die KohleNläger zu schützen, die Bahnhöfe und Schie-
nenstränge zu überwachen Außerdem werde die
technische Jngenieurkommifsion in Essen sich mit der
allgemeinen Ueberwachung begnügen und nicht län-
ger die Leitung der Fabriken und Bergwerke in der
Hand behalten. Man hätte auch nichts dagegen, daß
die ausgewiesenen deutschen Eisenbahner ihre Stel-
lungen wieder einnehmen.
Ein gewerkschaftlicher Reparations-
plan.
Berlitt, 18. Aug. In einer Konferenz der Ver-
einigten Soz. Partei des besetzten westlichen West-
falens hielt Tom Shaw-England eine An-
sprache, in der er darauf hinwies, datz dis französi-
schen, belgischen, italienischen Genossen in Berlin
eine Lösung desReParationsproblems
ausgearbettet hätten, wonach Deutschland 30 Milliar-
den Goldmark zahlen, aber vorher drei Jahre Zeit
haben solle, um seine Finanzen und seine Wirtschaft
in Ordnung zu bringen.

Unsere Aufgaben.
Der „Vorwärts" hat die sozialdemokratischen
Reichsmtnister ausgefordert, sich über die nächsten
Aufgaben zu äußern, während Gen. Dr. Hilfer-
ding auf seine früheren Aussätze verweist, schrei-
ben die anderen Genossen u. a. wie folgt:
Vizekanzler Gen. Robert Schmidt, Minister
des Wiederaufbaus schreibt: Jetzt wird es sich da-
rum handeln, die Stockungen auf dem Lebens-
mittelmarkt zu beseitigen oder doch wenigstens
erheblich zu mildern. Das kann geschehen durch
eine Erleichterung der Einfuhr, insbesondere durch
Bereitstellung von Zahlungsmitteln
für die Hereinnahme von Fetten, Kartoffeln und
Brotgetreide aus dein Ausland. Eine wirkliche Ge-
sundung wird es freilich erst geben, wenn der
Ruhrkonflikt und das Reparations-
problem in einer Weise gelöst werden; die es
dem deutschen Wolke wieder erlaubt, politisch und
wirtschaftlich frei seine Glieder zu rühren. Hier
harrt der neuen Regierung die schwerste Aufgabe.
Reichsminister des Innern Genosse Wilhelm
Sollmann erklärt: Das Reich ist in Gefahr I
Im Westen sind Gebiete bedroht, ohne die Deutsch-
lands Wirtschaft nicht leben kann. Im Süden und
im roten Herzen Deutschlands sitzt mancher Groll
gegen Berlin. Die Gegensätze sind groß. Sie
müssen überwunden werden. Schonung jeder Eigen-
art des Landes, die aus' Geschichte und Wirtschaft
erwachsen ist, aber über allem die Einheit des
Reichest Es ist .alles verloren, wenn das Reich
zerfällt Allein vermögen die vier sozialistischen
Mitglieder im Reichskabinett nicht viel, aber sie wer-
den stark sein, wenn die Massen im Lande
treu stehen zu der großen Führerin des deutschen
Proletariats, die uns Kraft und Macht verleiht —,
wenn sie trotz allem Treue bewahren der So-
zialdemokratie.
ReichsjusftzMinister Prof. Dr. Gustav Rad-
bruch betont: Wie der S tra f p ro z e ß, so ist auch
der gesamte Zivilprozetz in der Neugestaltung.
Sie soll vor allem anderen eidlich das Gütever-
sah r e n bringen. Die vom Reichsjustizministerium
eingesetzte Kommission leistet so schnelle Wie gründ-
liche Arbeit, aber die Forderungen des Tages sind
so dringlich, daß der Gesamtstrafreform des Zivil-
prozesses ein Notgesetz zur Beschleunigung
des Verfahrens in bürgerlichen Nechtsstrei-
tigketten vorausgeschickt werden mußte, das jetzt dem
Reichsrat vorliegt. Für die Arbeiterschaft von
größerem Interesse aber ist das Arbettsge-
rtchtsgesetz, das gleichzeitig mit der Schlich-
tungsordnung noch diesen Reichstag beschäftigen
soll. Nach dem Vorbilde der Gewerbe- und Kauf-
mannsgertchte baut er für alle Arbeitnehmer neben
den ordentlichen Gerichten auf.

Die Lage im Reich.
Wie lange bleibt Havenstein noch?
Herr Havenstein sitzt immer noch im Reichs-
bankdirekiorium. Das Ultimatum der Sozialdemo-
kratie hat er, gestützt und aufgemuntert durch den
dcutschnationalen Herrn Helfferich, nicht zum Anlatz
seines Rücktritts genommen. Es werden deshalb
jetzt die notwendigenSchritte unternommen
werden, um den Förderer deutschnatio-naler Inter-
essen in der Reichsbank mit Schimpf und Schande
davonzujagen. Zunächst wird die sozialdemo-
kratische Fraktion am Montag mit dem
Reichskanzler über die Angelegenheit Rücksprache
nehmen. Von dem Ausgang dieser Besprechung
hängt es ab, ob der beabsichtigte Antrag auf sofortige
Einberufung des Reichstags notwendig ist.
Bayern und das Reich.
Esw trd uns geschrieben:
In einem Augenblick, in dem die Reichsregierung
sich alle Mühe gibt, den von Cuno in den Dreck ^ge-
fahrenen Staatskarren aus bessere Wege zu leiten,
kommen aus dem „OrdnungsstaatBahern",
dessen Regierung und regierende Parteien sich auf
ihre Vaterlandsliebe besonders viel zugute zu tun,
neue Dr o h u n ge n a n d a s Reich. Die Mün-
chener Herrschaften haben es für notwendig erach-
tet, sich mit dem Regierungswechsel im Reich und
der politischen Lage zu beschästigen. Sie befürchten
vielesf ür die Zukufnt, da jetzt jener Mann ver-
schwunden ist, den sie als Hampelmann behandeln
konnten und der für sie lediglich ausführendes Or-
gan für bayerische Interessen war. Dieser Zustand
hat jetzt aufgehört und die Furcht der bayerischen
Partetgetster gilt jetzt insbesonders dem sozial-
demokratischen Einfluß, der sich inbezug
auf die Innen- und Außenpolitik bald bemerkbar
machen könnte. Deshalb die Drohung: „Es darf in
der Reichsregierung kein Zweifel darüber bestehen,
daß das bayerische Staats-Ministerium in völliger
Uebercinstimmung mit dem Willen des bayerischen
Volkes nicht in der Lage ist, Kompromisse zu schlie-
ßen und Zugeständnisse zu machen. Sollten nach
früherem Muster Eingriffe in politischer Richtung
versucht werden, so würden sie in Bayern auf un-
beugsamen Wiederstand stoben."
Gott sei Dank ist Bayern nicht der Na-
bel der Welt, wie sich Ludendorsf und Knil-
ling einzubilden scheinen und ferner ist die bayerische
Regierung nicht maßgebend für die Außen- und In-
nenpolitik des Reiches. In außenpolitischer Be-
ziehung muß das neue Reichskabinett eine Politik
treiben, die uns einer schnellen Lösung des
Ruhrkonsltktes näher brirrgt, ganz Geich,
was man in Bayern darüber denkt, und in innen-
politischer Beziehung hat sie bei allen Zugeständ-
nissen politischer und finanzieller Art an die Län-
der eine Linie einzmhaltem die dem Gedanken
der Retchsetnheit entspricht. Die Reichsre-
gierung muß sich Lessen bewußt sein, datz bei Be-
folgung dieser Politik nicht nur das Volk GZ sol-
ches, sondern auch mit Ausnahme Bayerns alle
Länderregierungen hinter ihr stehen. Das
heißt allgemein ausgedrückt: Die Volksmehrheit
und die deutschen Landesregierungen wünschen keine
deutschnationale, sondern eine echt nationale Politik
--diese Politik aber bekämpft Bayern!
München, 18. Aug. Die Bayrische Staats-
bank hat trotz fehlender Ermächtigung der Reichs-
regierung die Ausgabe von Notgeld unverzüglich in
die Wege geleitet.
Allerhand vom „Blücherbund".
München, 18. Aug. Auch dem „Blücherbund",
der in dem Hochverratsprozetz Fuchs eine große
N-olle spielte, berichtet die „Münchener Post", daß
in Füssen der Zollasststent Kühn, ein Ortsgruppen-
führer des Bundes, erschossen aufgofundeN
wurde. Der Geschäftsführer des Bundes, eilt „Ober-
leutnant" Meyer-Schleiffer, sitzt wegen gro-
ßer Unterschlagungentn Untersuchungshaft,
da er Gelder, die für den Bund und andere soge-
nannte vaterländische Organisationen bestimmt
waren, für sich verbraucht hat. General Echter
bat die militärische Führung des Bundes nre-
de r g e l e g t. Eine Reihe interessanter Prozesse
soll in Aussicht stehen.
Zur Unruhewelle.
Entspannung der Lage in Weimar.
Weimar, 18. Aug. Die „T.U." schreibt: Nach-
dem gestern die Organe der staatlichen und städtischen
Gewalt den sogen. Kleinen Ausnahmezu-
stand herbeigcführt hatten, sand gestern abend
eine Versammlung im Volkshause statt, in der mit
großer Mehrheit beschlossen wurde, den Streik
sofort abzu brechen. Heute sind die meisten
Arbeiter wieder an ihre Arbeitsstätte zurückgekehrt
und nur eine Anzahl Unentwegter, d. h. Kommu-
nisten sind Len Betrieben ferngeblieben. Die Stra-
ßen boten bereits gestern nach Verhängung des Klei-
nen Ausnahmezustandes das Bild größerer Beun-
ruhigung. Heute haben die Straßen ihr gewohntes
Aussehen.
Gegen Flurplünderung.
Leipzig, 18. Aug. Vom Polizeipräsi-
dium wird mitgeteilt: Da die Plünderungen
a u s L e m L an d e in der Umgebung von Leipzig
immer mehr überhand nahmen, wurde am Mittwoch
 
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