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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 111 - Nr. 120 (15. Mai - 26. Mai)
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Heidelberg, Samstag, den 26. Mai 1923

Nr. 120


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Schluß des internationalen Sozialistenkongreffes

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6. Jahrgang

Verurteilung des Imperialismus und des Versailler Vertrags.

O Hamburg, 26. Mai. (Priv.-Tel.)

Der Schlußtag dos Kongresses der Internatio-
nale, über den wir ausführlichen Bericht folgen
"ssen, brachte in großen einheitlichen Willenskund-
gebungen die Richtlinien der neuen Internationale
gemeinsamen Kampf gegen den internationalen
Imperialismus und die internationale Reaktion,
^lt fleißiger Arbeit, die jeden Tag bis tief in die
Nacht hnein gewahrt hatte, waren die Enischlietzun-
ücn von den Kommissionen bestens vorbereitet. Das
blickte sich darin aus, daß zwei große Entfchlicßnn-
6en einstimmig angenommen wurden. Nur dis be-
sondere Entschließung gegen die Sowjetdiktatur in
Rußland und ihre Methode sand zwei Stimmen des
Widerspruchs: Tschechische U.S.P. und Litauer sowie
"ngösichts des beabsichtigten Schlages des britischen
^N-Perialismus gegen Rußland die Enthaltung der
^Mischen Delegation.

Rednerische Ereignisse des Tages waren die
Erträge des Deutschen Wels und des Belgiers
Zander Velde. Sie vollendeten den Eindruck
''"er weitgehenden geistigen Gemeinschaft vor allem
Zischen -en Sozialisten Deutschlands, Frankreichs
und Belgiens, und die Rede des Engländers Brails-
svrd bewies, daß auch die englischen Genossen von
demselben Geist erfüllt sind. Hatte Leon Blum
"'n das Verständnis der Seele des französischen
Volkes geworben, so legte nun Wels die Verhält-
nisse und die Schwierigkeiten in Deutschland dar.
^ie wir deutschen Sozialisten Verständnis für die
Politik unserer französischen Genossen haben, so sind
ivir überzeugt, daß sie sich auch in unsere Lage ein-
teben werden. Wels Rus ging an die irtternationa-
>«n Arbeiter, der deutschen Republik zu helfen in
ihrem Kampf Ml ihr Dasein. Auch die deutsche
Republik könne verlangen, daß sie mit Würde be-
' andelt werde und ihre Grenzen geschützt wttrden.
Randcrvelde entwickelt« wieder einmal seine von
hoher geistiger Kultur getragene romanische Bcred-
ichrkeit. Er und einige feiger Freunde sind in Ham-
i,^ öffentlichen Lokal insultiert worden. Viel
Sebilvet, um dafür Deutschland verantwortlich zu
"'ochen, prägte er dafür das gute Wort, daß cs eben
""H eine Internationale des Stumpfsinns gebe.

An Stelle des Plötzlich erkrankten Henderson ver-
"hichiedcw Wels den Kongreß. Er feierte ihn als
Geburtsstätte der sozialistischen Fraktion des
""ttigen Wottparlaments. Ein vielstimmiger Schluß-
hord beendete die Tagung. Der Kongreß sang in
'eien Sprachen die Internationale. Hochrufe auf
internationale ertönten. Die Skandiriavier, die
^osterreicher und andere Delegationen stinrintcu
"'"pfliedcr ihres Lands an und die Datschen
gossen diese brausenden Sturmgesänge mit ihrem
'osiaustsnmarsch und seiner stolzen Verheißung:
»Atit uns das Volk, mit uns der Siegt"

*
Hamburg, 25. Mai.
im weiteren Verlauf erklärte Hilferding-
^erttsrchland in seiner gestrigen Rede: Es ist der
ttcrhörtaste Paradoxon des Krieges, daß nach dem
' "ogx stehenden Armeen noch mindestens um
me Mllion Soldaten vormehrt worden sind. (Hört,
^A!) Fünf Millionen Leute sind durch diesen
- "'tarismus der Wirtschaft entzogen. Das- zu-
'"",on mit der Arbeitslosigkeit bedeutet schätzungs-
-nw cinen Ausfall von 26 Viilliardeir So hat
v^, Rorlängcrung des Krieges durch die Friedens-
di„ do» Siegcrläudcrn viel mehr gekostet, als
h/ .^^iüllung der Reparationen in einem großen
aßstnh hätte einbnngen können. Vom so-
s ""'Een „Kricgssozialismus" ist als reale Tat-
nur geblieben die Ungeheuerlichkeit der
'r.tegsgewinn e.
'ne neue gigantische Anhäufung von Eigentum
Ms die Herrschaft über das Eigentum der Natio-
s ' den Händen der Kapitalisten ist erfolgt. Dic-
neue Kapitalismus gliedert sich nicht nach
Ludern nach Rohölen, nach Erzen,
Iw , Kohlen. Dieser Internationale des Kapita-
tann nur enlgegenwirken die Internationale
Proletariats. Die neue herrschens Klasse hat
°>r Geist der Gewalttätigkeit aus dem
^neg hinübcrgerettet. Die Arbeiterklasse muß den
. wt der Gewalttätigkei ausrotten und den Aber-
bekämpfen, als könnte man mit Gewalt,
>t Putschen, mit Ueberrumpelung eine neue Welt
wauen. (Lebh. Zustimmung.) Die demokratisch
uanisierte Selbstverwaltung, sowie die Beseiti-
ng des Privateigentums an Produktionsmitteln
nein vermögen die Menschheit von ihren Leiden

zu befreien. Die Sozialisierung läßt sich nicht in
kurzer Zeit auf dem Wege der Gewalt erreichen.
Der Sozialismus mutz das innere Erlebnis der
Arbeiterschaft worden. Es gilt, in der neuen Inter-
nationale dem geschlossenen Kapitalismus gegen-
üverznstellen ein ebenso geschlossenes aber geistig
überlegenes sozialistisches Proletariat im Kampfe
um die Eroberung der Macht. (Lebh. Beifall.)
Leon Blum-Frankreich betont, daß der Ver-
trag von Versailles seine Vorgänger hat in den
Verträgen von Wien vor 100 Jahren und von Ut-
recht vor 200 Jahren. Der Vertrag von Versailles
leidet unter einem unlösbaren Widerspruch. Wir
finden einerseits in ihm die Spuren des Idealis-
mus eines Wilson, eines Fretheitsgefühls, das die
Se'kbstbestinmnung der Völker fördert, aber ander-
seits auch die Spuren der alten Diplonratie, des
Prinzips der reinen Gewalt, die die Hegemonie der
früheren Zentralmächte zu ersetzen sucht durch eine
neue' Hegemonie anderer Staaten. Das zweite
Grundüvel des Vertrags ist, daß seine Urheber
wirtschaftliche Tatsachen auf dem Wege der Gewalt
umgestalten wollen in völliger Unkenntnis aller
ökonomischen Gesetze. (Sehr wahr.) Dazu kommt,
das; der Vertrag Deutschland
gewaltsam aufgezwungen ist.
Besonders verletzend ist die Aufzwinguug des Be-
kenntnisses der Alleinschuld am Kriege, während
doch dies Bekenntnis nur dann einen moralischen
Wert hätte, wenn es freiwillig wäre. (Lebh. Zu-
stimmung.) Bei der Schaffung neuer Staaten wurde
das Selbstbestimmungsrecht oft wenig gewahrt. Wir
danken Hilferding und der deutschen Arbeiterklasse
von ganzem Herzen für die grundsätzliche Anerken-
nung der Pflicht zu Reparationen. Wir können
uns über das Reparationsprinzip als Ausfluß der
Gerechtigkeit leicht verständigen. Unsere Aufgabe
als Sozialisten mutz sein, die Widersprüche im Ver-
sailler Friodensvertrag anszuschaltrn, die wirtschaft-
liche Ordnung wiederherznstellen, und die Frage
der Leistungsfähigkeit gerecht zu behandeln. Deutsch-
land muß das wirtschaftliche Wicderaufblühen er-
möglicht werden. (Bravo!) Dazu mutz es frei ar-
beiten, muß Nussnhrfreiheit haben. (Sehr richtig!)
Das wEverstaiMue nationale Interesse kann nie
im Widerspruch stehen zum wohlverstandenen inter-
nationalen Interesse. Wir bitten den Kongreß, den
Plan der Füufländerkouferenz gutzuheißen. Wir
französischen Sozialisten werden den Kampf gegen
die militärische Aktion der Nubrbesetzung mit aller
Energie weiterführem (Lebh. Beifall.) Diese Be-
setzung bringt Frankreich und Belgien keim Repa-
rationen. Sie Peitscht weiter die nationalen Leiden-
schaften auf und dient so nicht der Lösung des Frie-
ders. Die stärkste Sicherung des Friedens ist die
Stärkung der demokratischen Republik. (Lebh. Bei-
fall.) Wir werden nicht aufhörcn, gegen jede Zer-
stückelung Deutschlands anzukämpscn. Ms Siche-
rungen für die Zahlungen dürfen niemals Millionen
lebendiger Menschen genommen werden. (Stürmische
Zustimmung.) Aber ebenso freimütig, wie Wir dies
von der Tribüne unseres Parlaments und hier er-
klärt haben, müssen wir auch erklären: Man spricht
viel vom französischen Imperialismus. Gewiß, es
gibt einen Militarismus in Frankreich, der zurück-
zuführen ist auf die ruhmreichen Erinnerungen. Es
ist auch richtig, daß dieser nationale Stolz sich oft
bis zum Chauvinismus steigert. Aber ein eigent-
licher Annexionismus besteht nicht bei der großen
Mehrheit des französischen Volkes. (Bravo!) Nur
einige Gruppen spielen vielleicht mit solchen Gedan-
ken. Selbst unser stockreaktionäres Parlament ver-
mag solche Pläne nur ganz verschleiert zu verfolgen.
Diejenigen, die solche Pläne offen aussprechen, bil-
den eine ganz verschwindende Minderheit. (Bravo!)
Die Finanzlage Frankreichs ist sehr schlecht. Es be-
stehen ungeheure Schuldenlasten. Infolge der Wei-
gerung des deutschen Kapitalismus, Opfer zu tra-
gen, entsteht bei uns das Gefühl, daß man nicht er-
hält, was man zu beanspruchen hat. Dazu kommen
die Meldungen über geheime Waffenloser in
Deutschland, die das Gefühl der Unsicherheit er-
zeugen. Aus diesen Motiven heraus Missen die
deutschen Genossen die Stimmung in Frankreich be-
greifen. Die sozialistische Aufgabe ist es, alle Staa-
ten zur Blüte zu bringen. Es gilt eine Gesellschaft
zu schaffen, in der es keine Konflikte gibt, eine Ge-
sellschaft sozialistisch organisierter Staaten, eine Ge-
sellschaft der wahren Freiheit und des wahren Frie-
dens. (Stürmischer, langanhaltender Beifall.)
Vorsitzender Erispien-Deutschland: Genosse
Blum hat als Vertreter jenes Frankreich gesprochen,
mit dem sich auch die deutsche Arbeiterschaft solida-
risch fühlt — trotz alledem! Wir begrüßen seine an
den Geist von Jaures erinnernde Rede, dir erfüllt
war von internationalem sozialistischem Geist.
Band er Velde: Im Auftrag der belgischen
Delegation stimme ich den Ausführungen Blums
vollinhaltlich zu. Auch für uns ist bei seinen Aus-
führungen der große Schatten von Jaures aufge-
stiegen, der für den Frieden gestorben ist. Zugleich
gedenke ich bei dieser Gelegenheit auch anderer, dis
für den Frieden und den Sozialismus fielem Ich

denke an Haase, an Eisner, an Rosa Luxemburg.
(Bravo!) In dem Augenblick, in dem ich hier den
feierlichen Protest
der belgischen sozialistischen Partei gegen die Be-
setzung des Ruhrgebiets wiederhole, der leider eben-
so ohnmächtig blieb, wie der Protest Bebels und
Liebknechts nach dem Kriege von 1870 gegen die
Annexion vonn Elsatz-Lolhringen. Von diesem mr-
vergänglichen Beispiel wollen wir uns beseelen las-
sen. In diesem Sinne bitte ich in ein dreifaches
Hoch auf die Internationale eiuzustimmen.
Der Kongreß stimmt begeistert bei.
Hierauf vertagt sich der Kongreß auf Freitag vor-
mittag. Am Freitag vormittag erfolgt die Weiter-
besprechung des Tagesordnungspunktes: Der Kampf
gegen die internationale Reaktion. Hierzu sprechen:
Kunfi-Wien, Wels-Deutschland, Brails-
sord - Englarrd und Vandervelde - Belgien.
Hiernach wurde mit einem Hoch auf die Internatio-
nale der Kongreß — ausführlicher Bericht der letz-
ten Sitzung folgt in der Montagsnummer — ge-
schlossen.

Poincare bleibt.
Parts, 25. Mat.
Wie jeder Kenner der französischen Verhältnisse
und insbesondere der Persönlichkeit des Herrn Po-
incare von vornherein nnnahm, entpuppt sich der
Rücktritt Poincares als ein parlamentarisches Ku-
lisfenmanöver, mit dem dieser seine Unentbehrlich-
keit zu beweisen sucht. Sehr schnell hat die Minister-
krise ilxre Erledigung gefunden. Sie hat genau eine
Stunde gedauert. Herr Millerand hat die
ihm angebotene Demission des Ministeriums nicht
angenommen »nw cs hat anscheinend nicht sehr
großer UcbarredungSkunst von feiten des Präsioen-
ten der Republik bedurft, um Herrn Poincaie zum
Bleiben zu bestimmen. Ob es diesem überhaupt
ernst gewesen ist mit der Demission? Ein großer
Teil der Pariser Blätter bezweifelt es. Die „Oeuvre"
nennt das ganze Manöver unumwunden eine
schlechte Komödie.
Millerand als Sekundant Poineares.
Paris, 24. Mai. Havas verbreitet über die
durch die Entscheidung des Senats geschaffene Lage
folgende offenbar inspirierte Mitteilung:
Wenn Präsident Millerand die Demission, dir
ihm der Ministerpräsident anbot, abgeleynt hat,
so geschieht dies, wie man in politischen Kreisen
fndet, mit Recht, weil man der Ansicht ist, daß
die allgemeine Politik der Regierung keineswegs in
Mißkredit geraten sei. Der Senat hat sich in seiner
Eigenschaft als Staatsgerichtshof bei seinem Be-
schluß von gestern nachmittag ausschließlich auf den
Rechtsstandpunkt gestellt, und seine A b st i m m ung
kann und soll keinerlei politische Rück-
wirkung haben. Es habe sich lediglich darum
gehandelt, festzustellen, daß das Verfahren gegen
die Kommunisten vor einem Geschworenengericht
stattfinden solle.
Paris, 25. Mai. Nach -en Darstellungen der
Blätter hat die Kabinettskrise folgenden Verlaus
genommen:
Herr Poincare hatte die Mitteilung von der
Abstimmung des Senats auf dem Wege von der
Kammer, wo er über die Ruhr gesprochen hatte,
nach dem Quai d'Orsay erhalten. Er ließ sofort
die Minister zu einem außerordentlichen Kabinetts-
rat zusammenberufen. Diese kamen gegen 8 Uhr,
zumeist im Frack — Herr Millerand gab am
Abend ein großes Galadinor anläßlich der Pasteur-
Feier — und kannten zum großen Teil noch nicht
einmal den Grund der überraschenden Berufung.
Poincarö gab ihnen Kenntnis von dem Vorgefalle-
nen und teilte Mit, daß sein Entschluß gefaßt sei
und daß er Herrn Millerand dieDemission des
Kabinetts anbieten werde. Der Justizminister Col-
rat wandte ein, daß er allein die Verantwortung
für die Ueberweisung des Kommunistenprozesses an
den Staatsgerichtshof trage, daß infolgedessen nicht
eigentlich die Politik der Regierung durch das
Votum getroffen sei. Herr PoincarS wies diese
Auffassung jedoch zurück. Er blieb bet diesem Ent-
schluß — so heißt es in den Blättern — trotz des
Widerspruchs mehrerer seiner Kollegen. Er hat
dann aber, Wie das „Echo National" feststem, Herrn
Millerand den Rücktritt des Kabinetts doch nicht

Votum des Senats sei unter diesen Umständest
schlimmer als ein Mißtrauensvotum.
IM Elysee, wo man sich bereits zum Empfang
der Gäste anschickte, dauerte die Beratung nicht
länger als im Ministerrat. Herr Millerand
entwickelte die These, daß eine Krise in diesem
Augenblick auf die öffentliche Meinung sowohl des
Inlandes wie auch des Auslandes einen ver-
hängnisvollen Eindruck machen müsse.
Der Ministerpräsident — so heißt es im „Malins
— war angesichts des Gewichts dieser Argumente
sichtlich bewegt. Er hatte gedacht, korrekt zu han-
deln, wenn er zurücktrete. Es gelang schließlich
Herrn Millerand, durch ein neues Motiv PoinearS
in seinem Entschluß wankend zu machen: Er er-
klärte klipp und klar, daß er angesichts der Lage es
für seine Pflicht halte, die Demission nicht an-
zunehmen, und datz er, wenn PoinearS trotz-
dem darauf bestehe, die Nation selber zum Richter
ausrufen, d. h. selbst sein Ami niederlegen werde.
Herr Poincare, der diesem Drängen nicht länger
zu widerstehen vermochte, Willigte schließlich ein,
seine Demission zurückzuneh men

M WzSMk MWeMk.
Paris, 25. Mai. Die französische Kammer
setzte heute die Ruhrdebatte fort. Herri ot, der
Führer der Radikal-Sozialisten, hält eine in der
Form sehr gemäßigte Rede, ohne datz er dabei un-
terläßt, die Methoden der Politik Poincarös zu
kritisieren. Er legt Poincare vor allem auf den
fundamentalen Widerspruch zwischen seiner in» Ple-
num der Kammer und im Finanzausschuß abgege-
benen Erklärung fest. Während Herr Poincare
gestern wieder davon gesprochen habe, datz Frank-
reich die Ruhr nach Maßgabe und im Verhältnis
der deutschen Zahlungen räumen werde, habe er in
der Kommission wörtlich gesagt, daß die Zurück-
ziehung der Truppen erfolgen soll nach Maßgabe
und in» Verhältnis, als die deutsche Regierung
greifbare Pfänder für ihren guten Willen, sich durch
internationale Anleihen von ihrer Schuld zu be-
freien, geben werde. Dieser Unterschied sei von
grundsätzlicher Bedeutung. Denn während die er-
stere der beiden Formelle die Räumung des Ruhr-
gebiets auf Jahrzehnte hinausschiebe, könire die
zweite als eine Grundlage für eine Verständigung
angesehen werden.
In die Enge getrieben, gab Herr PoincarS
zu, daß Herriot seine Aeutzerung in der Kommission
richtig wiedergegeben habe und daß diese im übri-
gen mit dem Entschluß der französischen Regierung,
sich streng an den Geist und den Buchstaben des
Friedensvertrages zu halten, übereinstimme. (Diese
Erklärung, so schreibt dazu die „Franks. Ztg.", die
ganz genau mit der übereinstimmt, die der Kriegs-
Minister Marginot am Sonntag in einer Rede in
Clermont ab gab, 24 Stunden später aber hat de-
mentieren lassen, stellt zweifellos ein Abrücken von
dem bisher nach außen vertretenen Standpunkt in
der wichtigen Frage der Räumung des Nuhrgebie-
tes dar.)
Herriot schloß seine Rede mit dem Ausruf:
Wir müssen uns hüten, die Elemente zu fördern,
dis Deutschland und Preußen entdemvkratisieren
wollen. Die Regierung mutz sich mit England ver-
ständigen, um die Neparationsfragc gemeinsam zu
regeln.
Zu Beginn der Rede Herriots betritt der kom-
munistische Abg. Cachin den Sitzungssaal. Die
kommunistischen Abgeordneten schreien: „Amnestie!"
und begrüßen ihren Führer. Der royalistische Abg.
Daudet und seine Freunde rufen: „Nieder mit
dem Senat!"
Der elsässische Abg. Oberkirch erklärt, man
müsse solange im Ruhrgebiet bleiben, vis der große
Konflikt zwischen Deutschlmrd und Frankreich ge-
löst sei. Wenn Frankreich nicht handle, werde cs
der Besiegte sein und Deutschland werde den Nutzen
des Siegers davoniragen.
Rechtsstehender Abg. Cassaignac-Gohost
glaubt nicht daran, daß es zwei verschiedene Deutsch-
land gebe. Es gebe nur ein Deutschland, dem man
kein Vertrauen schenken könne. Die pazifistischS
Minderheit in Deutschland ist sehr schwach.
Der elsässische Abg. Broglie erklärt, mit dem
deutschen Außenminister v. Rosenberg käme man
nie zu einer friedlichen Lösung.
Der rcaktioiräre Mg. Lacotte ruft mit seinen
Ausführungen den Widerspruch der KammcrMchr-
hoit hervor.

Das Kabinett Baldwin vollständig.
London, 25. Mai. Reuter meldet: Premier-
minister Baldwin hat sein Kabinett vervoll-
tändigt, das mit dem Bonar Laws fast identisch
ist. Baldwin bleibt vorläufig Schatzkan.r-
l e r. Lord Robert Cecil wird Gohelmsicgelbc-
wahrer, Johnson Hicks Finanzsekretär des Schatz-
amtes und der frühere Sekretär Bonar LawS, Da-

„unterbreitet", sondern nur „an gebot en". Den
im VorMnmer versammelten Vertretern der Presse
erklärte Poincare, die Entscheidung des Senats
mache es ihm unmöglich, seine bisherige Politik
sortzllsetzen, da die Regierung in den kommunisti-
schen Umtrieben eine schwere Gefährdung des
Kampfes erblicke, den sie zur Erzwingung der Er-
füllung -des Friedensvertrags eingoleitet habe, das

vidson, Kannzler des Herzogtums Lancaster.
 
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