Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

DOI Kapitel:
Nr. 191 - Nr. 200 (19. August - 30. August)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48727#0463
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5. Jahrgang

Heidelberg, Freitag, de« 24. August 1923

Nr. 195

Bezugspreis ein schließ!.Trägerlohn
»om lS.—81.Aug. Mk.MMo. An.
-eigentartfe: Die einspalt.Petitzctle
vd.der.Raum (Mmm br.) Mk. tMvvo,
s. AuswärtigeMk.lLVVOa. Reklame-
Anzeigen (74mm br.) Mk. LIO MV, für
Auswärtige Mk.Mwo. BciWieder-
Holungen Nachlaß nach Tarif.

Scschästsstunden 8-S Uhr. Sprich.
DW fWW MM stunden derRedaktton:lI—l»Nhr.
MMÄd. MiÄ M» MM MD MW MU PoftscheckkontoKarlsruheNr.WS77.
DW8 WM WW WD sMW «ZM MDU Tel.-Adr.: VolkszeitungAeidelberg.
^UWU WiÄ LW» UWM.WsR Druck u. Verlag der Nnterbadische«
WtM DM WZZMM verlagranstalt T.m.b.H., Heidel.
U NW HUM MM' IMS WSV MMWM bera.Defchaft-ftelle-Schröderitr.M.
k HW Tel.: Trpeditton rS7S u.Rcdak.LS7».
lages-ZsiM llt M MMst MNlnmg Sn AmirdkMe SkiSklbkkg, WIksIO. MW». HM», NerSO, Writich, Mei, MMew. SokSng, rmSeriWMkN». MNW»


GeSkü llMMMWW M.
o Berlin, 23. August.
Kaum hatte die Regierung Stresemann ihr Amt
Ml getreten!, als sie auch schon von her äußersten Rech-
ten und den Kommunisten aller üblen Charakter-
eigenschaften geziehen wurde. Es ist nicht unbegreif-
lich, wenn Vie Rechte aus Kummer um Herrn Cuno
und tu Ermangelung geistiger Waffen das jetzige
Kabinett nach allen Regeln der Kunst beschimpft.
Vom ersten Tage an mutzte sie sich klar darüber fein,
daß jetzt kein Kabinett der Hampelmänner regiert
und der dentfchnattonale wie deuischvölkische E'nfluß
in einer Regierung, der Sozialdemokraten angehören,
ausgeschaltet sein wird. Vordem war es anders!
Vordem regierte Herr Helfferich heimlich in der
Reichskanzlei und der wirkliche Reichskanzler Cuno
führte aus, was sein einstiger Vorgesetzter empfahl
und wünschte! Dieser Zustand hat jetzt aufgshört
und deshalb jenes Wutgeheul der Rechten gegen die
Regierung Stresemann, das in einzelnen deutsch-
uatioualen Blättern sogar den Charakter bewußter
Mordhetze annimmt!
idwserie Kriegsverlierer und U-Boot-Politiker
befinden sich aber auch diesmal, wie so ost, wieder in
trauter Gesellschaft. Mit ihnen begeifern die Kommu-
nisten die neue Negierung — natürlich aus Prinzip.
Es hat in der deutschen Republik noch keine Regie-
rung gegeben, die von den Kommunisten nicht in
der schmählichsten Weise beschimpft worden wäre.
Aber trotzdem sind unsere Moskowiten heulend und
zähneklappernd fast zu jeder Regierung der Republik
gelaufen, wenn gegen kommunistische Verleumdungen
i" Wort und Schrift polizeilich vorgegangen wurde.
Verantwortungslosigkeit hat die kommunistische
Varlei seit ihrer Existenz genau so ausgezeichnet,
wie die Deutschnationale Partei unter Führung des
-Verrn Hevgt.
Es ist schließlich verständlich, daß Regierungen
unht lauter Freunde haben können! Aber in Zeiten,
wie sie Deutschland gegenwärtig durchlebt, verlangt
bas patriotische Pflichtgefühl, daß sich die Oppo-
sit.on gegen eine Regierung nach deren Taten und
aicht nach ihrem Aussehen einftellt Anders die
Deutschnationaleni Die wissen Mit Wor-
wn alles bester zu machen vergessen aber, dieser
Varole hinzuzuKgen^ daß sie jahrzehntelang Ge-
legenheit hatten, alles bester zu machen, in Wirk-
lichkeit aber Deutschland in jenes Chaos führten,
das wir heute vor uns sehen. Sie stellen sich bereits
wtz; hi«, die UnttrlassungSgründen des Kabinetts
stresemann auszuzählen, das kaum acht Tage im
Amte ist und dessen Minister noch nicht einmal Ge-
legenheit gehabt haben, sich einzuarbeiten. Gibt es
eine größere Demagogie? Noch nie ha, eine Re-
steuung Deutschlands vor so schwierigen Verhält-
wislen gestanden wie das Kabinett Stresemann. Es
oat eine Erbschaft übernommen, die fast bankerott
w"r und die mir heruntergewirtschaftet werden
konnte infolge des deutschnationalen Einflusses,
tuch die beste Regierung ist heute nicht im Stande,
llnerhwlb acht Tagen in Deutschland positive Ar-
Vt zu leisten, die sich sofort zu einer Besserung der
l-uge für die darbende Bevölkerung auswtrst.

M MMlskltk MM
Reichsstnanzminister Dr. Hilferding über die stnanz
politische Lage des Reiches.
» Heidelberg, 24. August.

Die gestrige Sitzung des HaushaltsausschusseS
des Reichstags brachte Mitteilungen bedeutsamster

Art. Retchsstnanzmtuister Dr. Hilfferding gut
eine Ueberficht der Erbschaft Cunos, die uns in vol-
lem Matze den Bankerott enthüllte. Mit Recht be-
zeichnete Hilfferding die Verhältnisse als anarchisch,
indem er dabei als Warnung gegenüber der Indu-
strie erklärte, daß die jetzige Regierung di« letzte
verfassungsmäßige Regierung sei, wenn es nicht
gelinge, Ordnung zu schaffen.
Wir wünschen, daß dem Retchsftuanzminister bei
seinen neuenMatznahmenzur Sanierung der
Reichsfinanzen ein volle» Erfolg beschiedcn sei.
Gleichzeitig müssen wir jedoch unsere Zweifel hierzu
äußern; denn solange das New ! .-o in den hohlen
Satt -es Ruhrkonfliktes hinein,,,.,,, werden unseres
Erachtens jegliche Maßnahmen zur Sanierung der
Reichs-stuanzen zum Scheitern vevurteM sein.
Die Sitzung des Hauptarrrschrrsfes.
Berlin, 23. August.
Die heutige Sitzung des HauShaltaus-
schusses des Reichstags hatte die finan-
zielle und wirtschaftliche Lage Deutschlands zum
Gegenstand der Tagesordnung. Reichsfi nanzmini-
ster Dr. Hilfferding führte aus: Ich habe zu-
nächst den Herrn Reichskanzler zu entschul-
digen, der durch dringende Geschäfte unabkömmlich
ist und deshalb nicht selbst in der Sitzung feine
Ausführungen machen kann, wie es ursprünglich
seine Absicht gewesen ist. Die neue Regierung hat
die Geschäfte iibernommen in einer Situation, die
nicht nur politisch und sozial außerordentlich ernst
gewesen ist, sondern die auch vom finanzpolitischen
Standpunkt aus als
säst verzweifelt
angesehen werden mutz. (Sehr richtig!) Die Er-
regung hat sich sozial in außerordentlich starken
Lohnbewegungen auSgewttkt, die aber trotz
ihrer Höhe im wesentlichen nur eine gewisse
Anpassung an die Preise gebracht haben. Als
die Lohnerhöhungen festgestellt wurden^ konnte die
Unternehmerschaft mit einem Dollarstand kalkulieren,
der sich damals etwa zwischen 5 und 6 Millionen
bewegte und von dem man annehmen konnte, daß
er in den nächsten Tagen noch weitaus höher gehen
würde. Als dann in den nächsten Tagen eine ge-
wisse Beruhigung einsetzte und der Dollar aus S
Millionen zurückging, hatten in vielen wichtigen
Gewerbezweigen die Löhne bereits den Friedens-
staub erreicht oder waren über demi Friedens-

I Reichsvant ausgegeben worden. Mer zahlreiche
Privatbetriebe, namentlich auch zahlreiche
Kreise gingen dazu über, vollkommen ungesetzliches
und unsuudiertes Notgeld hevauszugeben. Wie
groß die Ausgabe dieses Notgeldes ist, läßt sich im
Augenblick sehr schwer sagen. Sie geht aber in viele
Billionen. Sie ist ein Zustand, der di« In-
flation außerordentlich steigert und überhaupt grotze
Unsicherheit erzeugt, ein Zustand, der, solange
er andauert, jede Währungspolitik auch
schon reim technisch unmöglich macht. Wir sind
hier in gewisse, geradezu
anarchistische Zustände
hineingekommen. Auch hier wird es die Aufgabe
der Regierung fein, für Abhilfe zu sorgen. Die
Reichsbank ist in der Lage, den Notenbedarf zu
decken. Das ist die eine Seite der finanziellen Si-
tuation. Die andere Seite ist die Hoffnung, die im
Reichstag vorhanden war, daß durch die starke An-
spannung der Steuerschraube es gelingen
würde, im Augenblick bereits ein gewisses Gleich-
gewicht des Budgets herzustellen, läßt sich augen-
blicklich nicht ganz erfüllen, lieber das Resultat der
Zeichnungen auf dke Goldanleihe
lätzt sich augenblicklich noch nichts sagen. Bis jetzt
sind die Zeichnungen befriedigend eingegan-
gen. Nach den Nachrichten, die mir zngegangen sind
und die noch ganz unvollständig sind, ist
jedenfalls Sin besseres Resultat zu erwarten als bei
den Dollarschatzanweisungen. Aber trotz allem ist
unsere finanzielle Situation außerordentlich
ernst, sind die Ausgaben, die das Reich zu leisten
hat, geradezu in das Gigantische gewachsen und es
ist die Frage, welche Mittel man noch ergreifen
kann, um möglichst rasch zu einem Zustand zu ge-
langen, zu Dem wir unbedingt kommen müssen, zu
einer außerordentlich starken Abstellung, womöglich
vollkommenen Beseitigung der Inflation. Darüber
dürfen wir uns gar keiner Illusion Hinsehen, die
Inflation geht so nicht weiter. Sie geht nicht Weiler
aus sozialen Gründen urrd aus finanziellen
Gründen; aus finanziellen Gründen des-
halb nicht, weil die Kreise, die bisher im wesent-
lichen die Jnslationssteuer getragen haben, heute
schon vollständig expropriiert
sind. Der Mittelstand kann nicht noch mehr
expropriiert werden. Bei der
Arbeiterschaft
ist die Sache so, daß, wenn der Dollar rasch hinaus-
geht, die Löhne ohnehin an der Grenze des
Existenzminimums sind. Hier ist eine wet-
tere Jirslattousbesteueruug nicht mehr möglich. Die
Umstellung der ganzen Wirtschaft auf die Gold-
rechnung, die rapide vor sich gegangen ist, hat

daher keine Steuern abbauen und auch keine Steu-
ern mildern. Als Maßnahme zur Besserung ist es
vor allem nötig, die Herrschaft über den
Devisenmarkt wieder zu gewinnen. Dies
muh das Ziel unserer nächsten Aktion sein. Die
wirtschaftspolitischen Forderungen müssen zurück-
gestellt werden hinter die währungspoliti-
schen Notwendigkeiten. Die Wirtschafts-
kreise haben erklärt, daß sie die Regierung unter-
stützen werden, weil sie einsehen, daß eine
verfassungsmäßige Regierung überhaupt unmöglich
lein würde, wenn diese Regierung Bankerott
machen würde. Aus Wirtschaftskveisen ist der Re-
gierung gefügt worden, daß es nicht geht, den not-
wendigen Devisenfonds auf dem Wege der
Freiwilligkeit zu beschaffen. Wir brauchen
gegen diejenigen, die immer noch nicht begreifen,
daß zwischen den Interessen des Reichs und der
Wirtschaft kein Unterschied fein kann, auch Zwangs-
maßnahmen. Wir sind vorläufig zu einer Lösung
im Einvernehmen mit den WirtschaftAkreisen ge-
kommen, von der ich
für die nächste Leit ausreichende Mittel
erhoffe. Unser Vorschlag geht davon aus, daß für
je 10000 Mk., die auf die erste Rate der bereits ver-
vielfachten Brotversorgungsabgabe ge-
zahlt worden sind, ein Betrag von einer Gold-
mark in Devisen bis zum 15. September 1923
zu liefern ist. Wird der entsprechende Bettag nicht
abgeliefert, so ist unter Eid zu versichern, daß ein
ausreichender Besitz von Devisen am Stichtag nicht
vorhanden ist. Wenn sich bei der Nachprüfung
«ine falsche Angabe herausstellt, ist
Zuchthausstrafe
und wegen Meineid Konfiskation des Ver-
mögens angedroht. Ws Gegenleistung soll der
Ablieferer von Devisen entweder Goldanleiho
oder Verschreibung aus neue Goldkonten erhalten.
Wenn nachgewiesen Wird, daß Devisenzahlung nicht
möglich ist. wird Zahlung an Papier mark ent-
sprechend dem Kurs am Stichtage angenommen.
Erwogen wird noch, ob man einen Teil von De-
visenzahlurvgen auf Steuergoldkonten über-
nehmen will. Sollte ein ausreichender Devisenfonds
ads diese Weise nicht zur Verfügung gestellt werden,
so wird die Regierung in Erwägungen cintreten,
welche Maßnahmen dann ergriffen werden müs-
sen. Die Regiermlg ist entschlossen, mit allen
zweckmäßigen Mitteln sich diesen Fonds zu ver-
schaffen. Wir brauchen eine grundsätzliche und
schleunige
Aenderung der Reichsbankpolittk
in dem Sinn des Uebergangs der Reichsbank zu
wertbeständigen Kredit gab en auf der
einen Seite und zur Eröffnung von Goldtouten
auf der anderen Seite. Wir müssen zunächst dittch
eine Sanierung der Finanzen, durch eine
Besserung mrserer Währungsverhältntss«
dazu gelangen, daß Wir die Grundlage unter den
Boden bekommen, von der aus überhaupteine
Politik möglich ist. Aufgabe dieser Politik
wird es sein, das Werk, das wir mit diesen Vor-
bereitungen beginnen, schlietzkich zu einem gedeih-
lichen Ende zu sichren.

Seit ivann können denn deutschnationale Bau-
- erster in acht Tagen ganze Häuser bauen, und seit
ann sind sie in der Lage, überhaupt Bauten auf
eurem Untergrund zu errichten, der mit dem schlech-
tsten Sandboden auch nicht im geringsten in Ver-
nich zu stellen ist? Mehr als morsch war aber der
.rund, auf den das Kabinett Stresemann trat,
triVorgängerin hat eine Firmnzwirischaft ge-
eben, die ihr Werturteil eigentlich vor dem
^staatsgerichtshof der Republik finden müßte. Das
uen auch die Deutschnationalen! Trotzdem machen
die Regierung Sttesemann für den neuesten
w i*. rr verantwortlich, der lediglich als Aus-
" ung auf den noch von Cuno veröffentlichten
sweis Mer den Stand der Reichsfinanzen zu
U. rasten ist, und beweifen damit am besten das
sam r Hr" Vevantwortnngslosigkeit. Schon mehr-
l hat dieses verantwortungslose Treiben in frü-
Rau' Nagelt seine Opfer gefordert! Erzberger und
bar i^uau wurden meuchlings hingemordet, und es
ctws " Anschein, als ob wir eine neue Mordperiode
8ie>> "? sollten. Verantwortungslos wäre die Re-
vH»- derartige Zustände herannahen sieht,
BZ- .den Versuch zu machen, ihnen vorzubeugen.
.^langen nicht, daß eine sachliche oppositionelle
Sim-, "'""drückt wird, aber im Interesse der
iönüm»^ Staates und der regierenden Per-
iede wüsten wir ein scharfes Vorgehen gegen
Verr«. Aufforderung zum Morde und jede
sich fordern. Ehe cs zu spät ist, sollte
suiig Regierung zu einer entsprechenden Vcrfchär-
^age kommenden Paragraphen des
"bllkschutzgesetzes entschließen.
ig.g die Negierung Stresemann vor den Reichs-
vlitlgs, wir darauf verwiesen, daß wir keinen
der» Wr Vorschußlorbeeren zu erteilen, sou-
str den Taten beurteilen werden. An die-
w>r Balten wir Heute noch fest. Aber
daZ ..... " es auch für unsere Pflicht, ein Kabinett,
kstcm, " besten Absichten an die Arbeit geht,
Dttle ,^'sche Anwürfe in Schutz zu nehmen.
Nach, d > yOogic unmöglich zu machen, liegt in der
- der Reichsregternng.

stände. Ebenso waren diePreise vieler wichtiger
Rohprodukte, zum Teil auch die Lebensmsttclpreise,
über das Weltmarktniveau gestiegen, so
daß die größte Gefahr bestand, daß der Export stockte
und als Folge davon eine allgemeine Wirtschafts-
krise eintteten würde. Neben der ungeheuren Teue-
rung bestand eine ungeheure Verwirrung aus dein
Devisenmarkt. Für die Finanzverwaltungen haben
sich dann die Dinge so ausgewirkt, daß Ne ebenfalls
zu Lohn- und Gehaltserhöhungen
schreiten mußten, die für die Ausgabeawirtschaft
des Reiches außerordentlich stark ins Gewicht fielen.
Praktisch ist heute die Sache so, daß wir
das gesaute Defizit
Ms die Läirder haben, und zum größten Teil auch
das gesamte Defizit, das heute den Kommunen
entsteht, aus das Reich übernehmen müssen,
wenn nicht der Zusammenbruch der gesamten Ver-
waltung eintteten soll, denn die Länder und Kom-
munen sind gar gicht in der Lage, aus den bereit-
stehenden Mitteln die außerordentlichen Erhöhun-
gen der Gehälter und Löhne tragen zu können.
Die Banknotenknappheithat eine außer-
ordentliche Panik erzeugt und dazu geführt, daß die
Mark nicht mehr alwcmcin als Zahlungsmtttel ge-
nommen wurde, insbesondere die Landwirtschaft
und im Anschluß daran auch geWffe Kreise des
Einzelhandels haben begonnen, den Verkauf gegen
Mark einzustellen. Diese Erscheinung in Verbin-
dung mit der anderen, daß Banknoten üver-
vauptnichtzuhaben waren, hat diese
ungeheure soziale Gärung
erzeugt. In der Folge wurde zunächst als eines
dcr Abhilfemittel die Ausgabe von Notgeld
gewählt. Das Notgeld wurde aber in der Folgezeit
gar nicht mehr mit Genehmigung der Reichsbank
ausgegeben. Alle Sicherstellungen für, die
spätere Einlösung des Notgeldes der Privatbetrieb«,
Kommunen usw. wurden unterlassen und mit
der Reichsbank wurde gar nicht darüber verhandelt,
ob das auSgeaebene Notgeld wieder etngelöst
wird. Ein Teil dieses Notgeldes ist mit Geneh-
migung und gegen die EinlösungsverpfliMmg der

diese Kreis« vor weiterer Geldentwertung geschützt.
Die Reichsfinanzen wiesen
fünf grotze Defizitquellen
aA. Die erste istdieSlusführungdeSFrie-
dens Vertrags. Der Friedensverttag hat für
sein« Ausführungen im Januar noch die Summe
von 450 Milliarden erfordert. Im Juli war diese
Summe bereits auf vier Billionen gestiegen
und wir müssen mit einer Vervielfachung
dieser Summe für den August rechnen. Die Regie-
rung Cuno hat bereits in dieser ungeheuer schwieri-
gen Situation, in der sich die deutsche Politik be-
findet, eine Einstellung der Sachliefe-
rungen vorgenommeu. Aber der fi nan z i elle
Effekt dieser Matznahmen ist. leider nichtallzu
grotz, weil eine ganze Reihe von Verträgen abge-
schlossen worden ist und wir in bestehende Veriräge
nicht eingreisen können. Die Ausführung dieser
Verträge dauert fort und belasten das Reich ganz
außerordentlich. Mein Ressort will in eine Prü-
fung darüber eintreten, ob es nicht möglich wäre,
bei diesen Verträgen insofern auch für die Steuer-
politik des Reiches etwas zu gewinnen, als eine
Nachprüfung der Preise und der Ge-
winne aus diesen Verträgen unter Umständen
Resultate ergeben könnte, die auch für das Reich
fruchtbar werden könnten.
Ganz außerordentlich ist der B e d a r s d e r Be-
triebsverwaltungen. Trotz Tariferhöhun-
gen verbleibt ein Defizit von etwa 450 Billionen.
Dazu ist diese Zahl noch fiktiv, weil dabet der Aus-
fall der Einnahmen aus dem Ruhrgebiet nicht be-
rechnet wurde. Dies ist sehr bedenklich. Als Fi-
nanzmtnister mutz ich den Standpunkt vertreten, daß
die E i se nb ahn den größten Teil des ordentlichen
Haushalts decken muß. Solange di« RubvaMon an-
dauert, ist allerdings eine völlige Deckung nicht
möglich.
Die Kosten der Ruhraftion find überhaupt der-
art, daß die Lösung unserer Ftnanzfragen vor allem
eine außenpolitische Frage
ist. Trotz der neue» Steuern haben wir eine» sehr
starken F eh lv et r a g des Reiches. Wir können

Die Aussprache.
Reichsverkehrsminister Dr Oeser erklärt, mast
werde in absehbarer Zett wieder zu größeren
Tariferhöhungen schreiten müssen. Die
Tariffestsetzung vom 20. August lasse einen
Ausgabebetrag von über 400 Billionen un-
gedeckt, der sich durch die neue Erhöhung der
Kohlenprcise und die neue Steigerung -er Devisen
seither noch erheblich gesteigert habe.
Mg. Dr. Klöckner erteilt der Regierung
schnelle Ermächtigung zur Durchführung ihrer Maß-
nahmen.
M-g Dr. Dernburg (Dem.) betonte, daß eine
wirtschaftlich« Gesundung des deutschen Reiches nuir
dann möglich sei, nachdem die Ruhrangelegen-
hett iab gevant und erledigt sei. Die Arbeiter-
schaft solle wohl Goldlöhne bekgmmen, keinesfalls
könne sie aber, auf die volle Höhe der Friedens-
löhne Anspruch erheben.
Abg Wels (Soz.) erklärte- ihm gingen die
Maßnahmen, die der Ftnanzmtnister zur Erfassung
der Devisen vorgeschlagen habe, nicht weit
genng Mit solchen halben Mitteln könne
dcr deutschen Not nicht gründlich genug geholfen
werden. Zu verlangen sei für das Reich die unbe-
dingte Verfügungsgewalt über alle Devisen, die in
Deutschland seien. Auch die Gehaltszahlung an die
Beamten mit der vierteljährlichen Vorauszah-
lung sei nicht zu billigen. Durch solche periodische
grotze Zahlungen würden alle Preise hochgetricücn.
Alsdrmn wandle sich der Redner gegen den Reichs-
banMästdenten Haven st ein und erklärte, daß
die Sozialdemokmtie nicht ruhen und nicht rasten
würbe, bis der Reichsbankpräsidertt endlich gegangen
sei. Zur Frage der U e b e r st u n d en erklärte Red-
ner, daß sich die Belegschaften noch niemals gewei-
gert hätten, länger zu arbeiten^ wenn wirklich Not
an Mann gewesen wäre. Man könne aber von den
Belegschaften nicht die Leistung von Ueberstunden
verlangen, wenn gleichzeitig zahlreiche Entlassungen
stattsin-en Im übrigen sei ja bekanni, das; sich jetzt
sogar die Betriebe auf Kurzarbeit ein,richten.
Abg Dr. Niefser (D. Vvt.) schloß sich den
Bedenke« des Abg. Der,würg an und hielt es nicht
 
Annotationen