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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 131 - Nr. 140 (9. Juni - 20. Juni)
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ö. Jahrgang

Heidelberg, Montag, den 18. Juni 1923

Nr. 138

L'MerlohnMk.SM. .
»Ilse; Djx cinspalt. Petitzeile oder
L?ren Raum M mm breit) Mk. 100,
iss? Auswärtige MN. SM. Reklame»
»n,eigen (7t mm breit) Mk. 100«, sür
Auswärtige Mk.lSvo. Bet Wieder-
holungen Nachlaß nach Tarif.

Volkszeitung
Tages-Zeitung M die wer!WgeVevöl!erung ver Amtsbezirke Melbers. Wiesloch, Sivsbeim, Kuvingeu. kberbach, Mosbach. Boche», Meisbeim, Borberg, rauberbischossbelm u. Wertheim

lScschäftsltlivdenS—SUHr. Sprech,
stunden der Redaktion: ll—ILUHr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr.W77,
Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg,
^ruck u. Verlag der Untcrbadische«
lerlagranstalt G. m. b. H., Heide«
>crg. Geschäftsstelle: SchrLdorstr.SÜ,
«ll: Expedition LS73 u. Redak.2S7L.

MttstzGSlllWe MWW.
Tatenlosigkeit der Reichsregierung.
Wachsende Teuerung.
A Berlin, 16. Junt.
Die Gefahr neuer Erschütterungen! am De-Vi-
Ven-. und Warenmarkt ist immer noch nicht beseitigt.
Umsomehr hätte man wünschen müssen, datz in der
Trage der Bekämpfung der Spekulation am Devi-
senmarkt ganze Arbeit geschieht. Daß die Regierung
es hierin an Energie fehlen läßt, ist bekannt. Umso
Mehr aber richteten sich die Blicke der Oeffentlichkeit
auf die Tätigkeit des Reichstagsausschusses zur Un-
tersuchung der gegen die Marl gerichteten Trei-
bereien; dieser parlamentarische Ausschuß hat jetzt
die erste Etappe seiner öffentlichen Sitzungen abge-
schlossen und inzwischen die Vertretung beteiligter
Behörden, der Reichsbank und der mit ihr zusam-
tnenarbeitenden Banken Mendelssohn u. Co. ver-
dammen. Der Erfolg war bisher ein durchaus
Uegativer. Die Widersprüche, die sich aus der
Auffassung der maßgebenden Stellen und ihrer Tä-
tigkeit ergäben, traten verstärkt in Erscheinung, an-
statt beseitigt zu werden. H-rr Havenstein schreckt
davor zurück, irgendwelches Einzelmaterial über die
von ihm so schwer verurteilten Vorratskäufe
»m Devisenmarkt herbeizuichaffen, offenbar aus
Furcht, damit die von ihm io sehr geschätzten Füh-
rer der Privatwirtschaft und des Bamkgewerbes zu
belasten. Die Vertreter der bürgerlichen Parteien,
die im Ausschuß in der Ueberzahl sind, wetteiferten
Wit den Behördenvertretern und den Sachverständi-
gen darin, die Erörterungen der Devisenkurstret-
bereten auf das tote Gleis allgemeiner theoretischer
Tragen abzuschieben. So find ganz wichtige
Tragen ungeklärt geblieben.
Hierin, wie in der wichtigen Frage der Gold-
kredite, mußte man aus den Beratungen des
Ausschusses den Eindruck gewinnen, datz man der
Entwicklung Viel lieber ab wartend zusah, an-
statt einzuschretten. Die Sozialdemokratie hat seit
längerem die Forderung erhoben, datz eine zentrale
Devisenkontrolle ciugesührt werde. Fetzt,
wo die Forderung angesichts der Tätigkeit des Un-
tersuchungsausschusses immer zwingender wird,
brr suchen, es die bürgerlichen Parteien mit einer re-
gelrechten Entlastuugsoffenfive für die
Devisenspekulation, indem sie ihre Beweisführun--
gen immer wieder darin gif sein lassen, die Ab-
wärtsbewegung der Mark sei ja lediglich eine na-
türliche Entwicklung. Der famose Reichs-
wirttchaftsminister Dr. Becker verflieg sich sogar
Im zu der Behauptung, der Verdienst, der
der durch die Aufstapelung von De-
visen sei höher emzuschätzen, als der
Verlust, vielleicht bei derarti-
gen ManbpulanW^-rsittrn habe. In Wirklich-
keit handelte cs sich gar nicht so sehr um die Ver-
luste des Steuerstskus, obwohl über sie auch man-
ches zu sagen ist, was Herr Becker widerlegt. We-
sentlich gefährlicher sind die volkswirtschaftlichen
Verluste, die dadurch entstanden Md, daß durch das
Aufsammeln von Exportdevisen im Ausland und
durch den Erwerb ausländischer Werte ohne wirt-
schaftliche Notwendigkeit das Defizit der Zah-
lungsbilanz noch wesentlich erhöht wurde.
sAan schätzt jetzt den Nebelschütz der Wareneinfuhr
bber die Warenausfuhr auf 2.2 Milliarden Gold-
wark jährlich. Diese Zahl wird mit Recht vielfach
angezweifelt, aber wieder unter der Voraussetzung,
baß sie richtig wäre, würde die Gegenüberstellung
bereits zeigen, daß ein Drittel des Defizits
Unserer Handelsbilanz mit den Devisen hätte ab-
Sedeckt werden können, die jetzt sich in Privat-
banken befinden, wären dlekr dem Reiche zur Ver-
sagung gestellt worden. Tas Defizit der Zahlungs-
bilanz geht freilich über daS Defizit der Handels-
bilanz hinaus, weil erstere noch durch die Repara-
lionszahlungen in bar und in natura stark b-lastet
m. Immerhin zeigen schon die erwähnten Zahlen,
batz eine energische Tuvisenpo'tttik dieser Devisen-
bamsterei entgegenwirkte, sehr wesentlich zur Ent -
lastung der Mark hätte beitragen können.

Gegen eine Zentralisierung des De-
bisenverkehrs ist neben anderen technischen
Gründen auch der geltend gemacht worden, datz
Me Devisenzentrale einen Arwarat von 2 bis 3000
Bersonen erfordern würde, der schwierig zu bejchaf-
M und kostspielig zu unterbatten wäre. Wie we-
bch stichhaltig dieser Einwand ist, zeigen folgende
Erhebungen: Nehmen wir sechst an, daß ein Per-
^Uenapparat von 3000 Personen notwendig wäre,
, im Durchschnitt jeder das stattliche und heute
ittbst von hohen Beamtenkatcgorien nicht erreichte
'chalt von 4000 Goldmark jährlich beziehen wür-
°?i, so kommt inan zu einem Aufwand von 12 Mil-
''?ncn Goldmark jährlich. Allein dadurch, daß rund
. m Millionen Goldmark deutsches Vermögen in
^Mden Noten, also zinslos angelegt sind, ent-
? der deutschen Volkswirtschaft jährlich Zins-
nräge von 20 bis 30 Millionen Goldmark. Also
wenn es gelingen würde, nur einen wesentli-
d" Teil dieser Kaufkraft in fremder Währung der
^"schen Volkswirtschaft in der Zeit ihrer größten
len! äuävMren, wären die Kosten einer Drvlsen-
"rale reichlich gedeckt!
i>nwisEen bätt die Teuerung an. Unauf-
si. ""ken die Preike derjenigen Waren, die,
muco behördliche Regelung oder infolae der

geschwächten Kaufkraft des -irländischen Marktes,
hinter -den Warenpreisen des Weltmarktes, noch
einigernmßen zurückgeblieben sind, den Valutaprei-
sen nach. So wurden mit dem 15. Junt die Koh-
lenpreise um rund 50 Prozent erhöht und der
Brot preis stellt sich durch langsames Steigen
allmählich auf das Hobe Niveau ein, das er nach der
von Sen bürgerlichen Parteien beschlosse-
nen Aushebung der Getreidebewtrtschastung inne-
haben muß. Wucherbelämpfung und Preisüber-
wachung können, so whr man ihre scharfe Anwen-
dung wünschen muß, die Gelamttendenz der Ent-
wicklung bei grundsätzlich freier Wirtschaft nicht
aufhalten. Es kommt daher jetzt doppelt darauf an,
daß alles getan wird, was den wetteren Ver-
fall der Mark wenigstens verlangsamen

kann. Noch wichtiger und dringender zu wünschen
ist aber, daß bald ein« Verständigung über die Re -
parationsfrage erfolgt, die zugleich gesün-
dere WährungSverhältnisse schafft. Es ist außer-
ordentlich bezeichnend, daß die unter Völkerbund-
kontrolle aufgelegte Sanierungsanleihe Oester-
reichs in England und Amerika eine überraschend
gute Aufnahme gefunden hat. Sie ist in London
in 10 Stunden fast 2 >4mal überzeichnet, in Newyork
gingen die notwendigen Zeichnungen auf 25 Millio-
nen Dollar innerhalb einer einzigen Viertelstunde
ein. Dieser überraschende Erfolg ist ein Symptom
dafür, welche Zahlungen Frankreich auf dem Wege
über eine internationale Anleihe erhalten könnte,
wenn es einer vernünftigen Regelung der Repara-
ttonSfrage zustimmt.

MWW
Frankreich
Die Lösung der belgischen Regierungskrise ist
vorläufig noch nicht abzusehen. Deshalb kann eine
Antwort Poincares aus die englischen Fragen vor-
läufig auch noch nicht erwartet werden. Ueberhaupt
bestätigt sich langsam, daß inan sowohl in Paris,
wie in London mit der Erledigung der schweben-
den Fragen gar keine Eile hat. In Paris
deshalb, weil der Glaube vorherrscht, datz inzwischen
durch verschärfte Druckmaßnahmen die Kapitu-
lation der Ruhrbevölkerung erzwungen werden
kann, und in London, weil man der Ansicht ist, daß
jetzt alle schwebenden Fragen, die irgendwie mit
dem Repatationsproblem in Verbindung stehen,
sorgfältig gelöst werden müssen und hierzu eine ge-
wisse Zett der Vorberatungen und Vorbereitungen
notwendig ist. Es verlautet sogar, daß an Ver-
handlungen erst im
Monat August
gedacht wird.
Inzwischen verschlechtern sich die Verhält-
nisse im Ruhrgebiet von Lag zu Tag. Durch Vie
Unterbindung der Zufuhr muß sich die
Lebensmittelversorgung schon in wenigen Tagen
katastrophal auswirken. Hunger und Elend
lassen neue Unruhen im besetzten wie unbesetzten
Gebiet befürchten. Hinzu kommt die verstärkte Pro-
paganda der Nationalisten für den aktiven
Widerstand. Kein Tag vergeht, an dem nicht eine
Sprengung oder ein Attentat erfolgt. Werden die
Täter gefaßt und abgeurteilt, dann gibt es in der
deutschnationalen Presse nicht nur ein großes Hetzen
über die „Barbarei der Franzosen und Belgier",
sondern dann taucht Plötzlich auch die ganze deutsch-
nationale Geistlichkeit, die sich im allgemeinen
als Kulturträger der Menschheit ausgibt, auf, um
die Könige des neutralen Auslandes oder andere
maßgebende Persönlichkeiten anzuslehen, auf die
französische Regierung dahin zu wirken, datz die
Urteile nicht vollstreckt werden. Wir haben an sich
gegen diese Art, Begnadigungen zu erreichen, nichts
einzuwenden, sondern wünschen weitgehende Milde.
Mer die Deutschnattonalen, die indirekt um Gnade
betteln und flehen sowie ihr eigenes Herz entdecken,
wenn es zu spät ist, sind d t e s e l b en, die fanatische
Elemente sonst aufhetzen zu den Taten, die
Schlageter den Kopf gekostet, fürGörges das
Todesurteil hervorriefen und im allgemeinen eine
Erschütterung des passiven Widerstandes herbelfüh-
ren. Die erste Pflicht dieser Leute mit zweierlei
Moral wäre zunächst, nicht nur von der Propaganda
für den aktiven Widerstand abzusehen, sondern auch
ihren Anhang vor neuen DYnamttattcntaten und
Sprengungen zu warnen. .Erst dann ist ihr
Bitten um Gnade angebracht und ehrlich zu neunen.
Die Reichsregierung hätte dieselbe Pflicht,
aber was tut sie? Sie schweigt und läßt eine
Drohung der Deuttchvölkischen über angebliche un-
angenehme Enthüllungen nach der anderen über sich
ergehen!
Die Entwicklung der Verhandlungssrage, soweit
sie die Entente betrifft, und die gleichzeitige Betrach-
tung der Verhältnisse im Ruhrgebiet geben also ein
äußerst trübes Bild für Deutschlands Zu-
kunft, wenn nicht rasche st ens eine Verständigung
erfolgt. Der heutige Dollarkurs spricht Bände.
Aushungerung!
Elberfeld, 17. Juni. (Eigener Drahtbericht.)
Durch die Unterbindung der letzten Etsenvahnzu-
faihrtstraßen ins Ruhrgebiet ist die Verpflegung
der Bevölkerung aufs äußerste gefährdet. Schon
24 Stunden nach der Durchführung der neuesten
französischen Maßnahme wurden aus verschiedenen
Orten Klagen über den Mangel «n Lebensmitteln
laut. Aus Bochum und Gelsenkirchen wirb z. B.
über Kartoffel- und Fleischmangel geklagt/ Des-
gleichen kommen aus Herne Mitteilungen! über
Schwierigkeiten in der Versorgung der Bevölkerung
mit dem notwendigsten Bedarf. Andererseits ist die
Unterbindung der Zufuhr ein Anreiz zur Festset-
zung höherer Preise. Auch diese Gefahr macht sich
bereits bemerkba-y

MWW.
wartet ab.
Es ist zu ersparten, datz sich die Versorgung mit
Lebensmitteln in den nächsten Tagen katastrophal
amswtM, wenn die Franzosen weiterhin jeden Le-
vensmittLltWnsport unterbinden Uebrigens wi-
dersprechen die jetzt getroffenen Maßnahmen der
Besatzung in jeder Beziehung den mit Nachdruck
zu Beginn der Okkupation gegenüber dem Düssel-
dorfer Regierungspräsidenten abgegebenen Versi-
cherungen Degouttes, datz an eine Unterbindung
der Lübensmittelzufuhr oder gar einer Aushunger-
ung der Bevölkerung nicht gedacht sei. Der Sinn
der jetzt gewaltsam vorgenommenen Verkehrseim
stellumg im Ruhrgebiet kann kein anderer sein, als,
die Bevölkerung auszuhungern und sie dadurch zur
Kapitulation zu veranlassen.
In Vorhalle bet Hagen hat der französische
Kommandant aus Anlaß der Auffindung von
Sprengpatronen auf den Bahngleisen folgende
Sanktionen verhängt: 1. Der Straßenverkehr Ha-
gen—Herdecke und Hagen—Vorhalle ist Von Ecke-
sey ab verboten. 2. Am morgiger, und am nächsten
Souiv-ag ist jeder Straßenverkehr von 3 Uhr nach-
mittags bis zum nächsten Morgen 5 Uhr früh voll-
ständig gesperrt.
Der Dolchstoß der Geheimbündler.
Elberfeld, 16. Juni. (Eig. Bericht.) Das
Ruhrgebiet ist jetzt auf dem Eisenbahnwege nicht
mehr zu erreichen. Durch die neuesten Maßnahmen
der Besatzungsbehörden ist vor allem die Lebens-
mittelversorgung und die Versorgung der
Großstädte mtt Milch äußerst gefährdet. Hinzu
kommt, daß der verstärkte Straßenverkehr laut An-
ordnung der Rheinlandkommission zum Teil oercits
jetzt unterbunden und auf die normale Ausdehnung,
wie sie in ruhigen Zeiten bestand, zurückgeführt
wird. Diese Maßnahmen werden als Absicht ge-
deutet, die Kapitulation zu erzwingen.
In der Tat ist die Ab wehr kraft der Bevölke-
rung durch die restlose Unterbindung des Eisenbahn-
verkehrs im Ruhrgebiet und die Verminderung des
Verkehrs aus den Straßenbahnen auf die här-
teste Probe gestellt. Es ist deshalb in diesem
Augenblick Vor allem notwendig, datz endlich den
DYnamitatteu taten, wie überhaupt jeder
Propaganda zum aktiven Widerstand, ein Ende
gemacht wird. Neuerdings gehen die Franzosen
dazu über, die in der Nähe gesprengter Gleise bzw.
Brücken wohnenden Deutschen zu Ausbesserungs-
arbeiten zu zwingen, deren Kosten den Gemeinden
auferlegt werden. Der von den Geheimorga-
nisationen erstrebte aktive Widerstand läuft also
in sklner Wirkung au? eine indirekte Unter-
stützung der Besatzung und eine Sabotage
des passiven Widerstandes Hinaus.
Gegen falsche Behauptungen.
Elberfeld, 16. Juni. (Eig. Bericht.) Zu den
Vorwürfen der rechtsradikalen Presse, der Leiter der
Elberfelder Kriminalpolizei hätte die Befreiung
Schlageters durch die Verhafrung des Heinz
verhindert, erklärte der Lester oer Elberfelder
Kriminalpolizei, Roemer, wie wir in Er-
fahrung bringen, der Düsseldorfer Regierung u. a.
folgendes: Heinz hat Roemer gegenüber nichts
Von einer Befreiung Schlageters gesagt. Heinz hat
Wohl seine Freilassung gefordert, indem er drohte,
von gewissem Material Gebrauch zu machen, was
der Reichsregierung unangenehm sein würde.
Das Todesurteil gegen Görges.
Parts, 16. Juni. Wie das „Echo de Paris"
aus Mainz berichtet, hat der vom Kriegsgericht in
Mainz zum Tode verurteilte deutsche Landwirt-
schaftslehrer Görges gegen das Urteil Revi-
sion eingelegt.
Karlsruh e, 16. Juni. Der evangelische Ober-
kirchenrat hat die Vermittlung des Erzbischofs Soer-
bloem in Upsala angerufen, damit er bei Poincarö
Einspruch erhebe gegen die Vollstreckung des To-
des u r 1 e i l s an dem Landwtrtschaftslehrer GSr -
ges. Gleichzeitig hat der Oberkirchenrat ein Tele-
gramm an die Königin von Schweden gerichtet, um
ihr naheznlegen, den Schritt des Erzbischofs zu un-

Die verschärfte Lage.
Werden, 16. Juni. Nachdem in der gestri-
gen Kriegsgerichtsfitzung mehrere Zechendirektoren
zu 10 Jahren Gefängnis und insgesamt zu 270
Milliarden Mark Geldstrafe wegen Verweigerung
von Kohlenlieferungen verurteilt worden waren,
wurden heute vor demselben Kriegsgericht die Ze-
chenvtrektoren Generaldtrektor Hei,» zu 5 Jahren
und 24 Milliarden Mark, Bergassessor Dr. Hein-
richs zu 5 Jahren und 486 Milliarden Mark, Ge-
neraldirektor Winkhaus zu 5 Jahren und 430 Mil-
liarden Mark, Generaldirektor Kämpers zu 5 Jah-
ren und 204 Milliarden Mark und Generaldirektor
Niegisch zu 5 Jahren und 287 Milliarden« Mark
Geldstrafe verurteilt. Insgesamt wurden in der
heutigen Verhandlung 25 Jahre Gefängnis und
1,431 Billionen Mark Geldstrafe verhängt. Die
Verurteilung geschah in Abwesenheit sämtlicher
Angeklagten.
Dortmund, 17. Juni. Der Retchskommiffar
Mehlich mutzte seiu Gebäude in Dorttrymd bis
gestern nachmittag 6 Uhr räumen Das Mobilar
mutzte zurückgelassen werden.
Recklinghausen, 17. Junt. Die Beerdi-
gung des von den Franzosen Zerschossenen Kauf-
manns Möller mutzte in aller Stille er-
folgen. Die Franzosen gestatten nicht, datz eine
Musikkapelle den Zug begleite oder Reden am
Grabe gehalten würden.
Frankfurt a>. M-, 17. Juni. Zu dem Atten-
tat aus den Schnellzug Paris—Wiesbaden^ das
vorgestern bei Budenheim ausgesührt wurde, teilen
die französischen Zeitungen mit, datz 14 Personen
durch Glassplitter mehr oder weniger ernst vcr-
wundet wurden. Fünf Reisende wurden ins Spi-
tak verbracht, doch ist nur ein Artillerie-Unteroffi-
zier schwer verletzt. Er hat einen Bruch Leide«
Beim erlitten!. Die sofort eingeleitete Untersuchung
soll bereits zur Verhaftung von vier Deutschen ge-
führt Haven.
Ludwigshafen, 17. Juni. Aus der hie-
sigen Gegend wurden am 13. Juni unter Zurück-
haltung ihrer Möbel 47 Eifenbahnbeamten mit
84 Kindern ausgewiesen. In neuster Zeit wird
den Familien der Ausgewiesenen keine Abreise-
frist mehr eingeränntt, sie müssen mit den Ausge-
wiesenen sofort das besetzte Gebiet verlassen;
nur in schweren Krankheitsfällen wird davon ab-
gesehen und Aufschub gewährt.
Offenburg, 16. Juni. Zwei hiesige Ein-
wohner, die am Fronleichnamstag die schwarz-weitz-
rote Fahne herausgehängt hatten, wurden vom
Kriegsgericht in Kehl zu 40 000 bezw. 30 000 Mar*
Geldstrafe verurteilt.
Internationale Lage.
Waffenstillstandsvorschläge.
London, 17. Juni. Der diplomatische Be-
richterstatter des „Daily Telegraph" deutet
an, daß London sich bereit finden könnte, in Berlin
nachdrücklich Vorstellungen bezüglich des passiven
Widerstandes zu erheben, wenn die Alliierten vor-
her einig geworden wären, die deutschen Vorschläge
in Erwägung zu ziehen. Die Ausführungen der
„Westminster Gazette" zeigen weiter, wie
man sich in England die Entwicklung denkt. Deutsch-
land sollte auf dem Wege von Verhandlungen mit
Frankreich einen Waffenstillstand für das
Ruhrgebiet verabreden, nach de»! England im Laufe
der interalliierten Aussprache vorher festgestellt hat,
datz eine für Deutschland einigermaßen erträgliche
Lösung der Reparationsfrage im Verlaufe der Ver-
handlungen der Alliierten unter sich und mit Deutsch-
land zustande gübracht werden könnte.
Um den Völkerbund.
London, 17. Juni. Lord Robert Cecil
erklärte in cimr Rede in Liv-Npol, datz das ganze
Kabinett und alle Parteien des Unterhauses ein-
stimmig der Ansicht seien, datz England die Sache
des Völkerbundes mit größtem Nachdruck zu
fördern habe. Deutschlands schwierige Lage
zeige jetzt die größte Aussicht zur Besserung, indem
es gelungen sei, Reparativ nsbcsprechun*
gen mit Frankreich tu Gang zu bringen.

Reichstag.
Berlin, 16. Junt.
Im Reichstag waren am Samstag nicht weniger
als drei Plätze mit Blumen geschmückt. Der Deutsch-
irationale Dietrich und der Zentrumsabgesrd--
nete Herold gehörten an diesem Tage 25 Jahre
dem Reichsparlament an, und -er kommunistische
Abgeordnete Höllein war aus französischer Hast
aus Paris zurück gekehrt.
Präsident Loebe hielt allen dreien eine Glitck-
wunsch-Amprache und gab unter dem Beifall deS
Hauses dem Wunsche Ausdruck, datz bald alle von
den Franzosen festgehallenen Deutschen wieder in
die Freiheit zurückkehren mögen.
Devattelos wurde dann ein Antrag aller Par-
teien auf Einrichtung einer Reichsbeschaffungs- und
Verteilungsstelle und einige durch die Geldentwer-
tung bedingte Steuerabänderungsgesetze
angenommen. Anschließend wurde die zweite Be-
ratung des Gesetzentwurfes zur Bekämpfung der
G e sch lechtskrankheite »„ fortgesetzt.
 
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