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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 111 - Nr. 120 (15. Mai - 26. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48727#0079
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5. Jahrgang Heidelberg, Dienstag, den 22. Mai 1923 Nr. 116


Der Weg zum Frieden.
Von Th. Stauning--Kopenhagen.
Znm gegenwärtigen Hambur-
ger Parteitag der sozialisti-
schen Internationale schreibt
Genosse Th. Stauning dein „Hambur-
ger Echo":
Daß der Kapitalismus Mv die Menschen ein
Unglück ist, das dürfte nunmehr aus der Betrachtung
der uns nach Abschluß des Krieges hinterlassenen
^'elt etnleuchtem.
Der Wettbewerb um den Weltmarkt, die Jagd
"ach Gewinn, das Ringen nach der wirtschaftlichen
"nd sy^t auch nach der tatsächlichen Gewalt in
Europa, das waren zweifellos die treibenden Kräfte
"ei den Gewalthabern, die den Krieg entfesselten.
Auch der Triebe wurde in Weitem Matze durch
wirtschaftliche Interesse des Kapitalismus ge-
sägt. Daher brachte der Friedensschlus; auch keinen
Frieden, sondern nur fortgesetzten wirtschaftlichen
^rteg. Die Enttäuschungen und Verluste des Krie-
ses verschmerzen sich nicht so schnell und die, die es
ihrer Gewalt haben, setzen eine unversöhnliche
Politik fort; wirtschaftlich und national herrscht der
Unfriede, und die Völker leiden darunter.
> Europa befindet sich in einer ärgeren Anarchie
zuvor, und die kapitalistischen Parteien vermögen
s-2 nicht, diese Anarchie zu beheben, da der Kapita-
Asmus in sich die vielen gegeneinander streitenden
Interessen birgt.
- Ich finde nicht, daß man an die Möglichkeit, sich
Niedlich betätigender gleichgeordneter Nationen und
Kölker glauben kann, solange nicht sine neue ge-
sellschaftliche Moral eingeführt worden ist,
""d das wird ohne entscheidenden Bruch mit dem
kapitalistischen System kaum möglich sein. Diesen
Pruch mutz die Arbeiterklasse durch die Eroberung
^r politischen Gewalt bewerkstelligen; nur dies ver-
mag der Welt einen tatsächlichen Frieden zu ver-
iwaffen. Die' gemeinsame Arbeit der Völker soll
ttns-er Ziel sein, und daher soll uns auch die Inter-
nationale der Arbeiterklasse eine Einleitung in die
Muffige Internationale der Völker sein.
k. Wir wollen acht die Nationen ausyeben; es
'ollen aber die herrschenden Unübereinsttnimungen
beseitigt werden, und die Interessengegensätze wer-
den verschwinden, wenn kein wirtschaftliches Inter-
esse mehr dabei im Spiele ist, wenn das internatio-
iäale Ausbeuten aufbört.
! Die Sammlung der Arbeiterklasse auf na-
tionaler und internationaler Grundlage
iei die Losung. Das ist der Weg zur Eroberung der
-Gewalt, der Weg zur Befreiung der Völker, der Weg
hum.Frieden.
M Ann SN Minlinilk.
Hamburg, 21. M ai .
Der internationale Sozialistenkongretz ist heute
Polmittag feierlich eröffnet worden. Vom Theater-
"kchester mit Klang und Schwung gespielt, leiteten
K'e „Internationale" und die „Rienzi"-Ouvertüre
^ie Verhandlungen festlich ein. Hillquit (Ame-
rika) schlug vor, das Zehnerkomitee, das den Kon-
Swtz organisiert bat, auch mit dessen Leitung zu Se-
Eanen; der Antrag wurde einstimmig angenommen.
Ek e l s (Deutschland) und Bracke (Frankreich)
Pährtarr den Vorsitz in der heutigen ersten Plenar-
sitzung. Im Namen der sozialdenwkratischen Par-
sfiorgantsation Von Groß-Ha-mburg hietz das Bür-
Serschastsmttglied Leuteritz den Kongreß in dem
Saale willkommen, dein einst Bebel die Weihe ge-
geben habe. Die deutschen Arbeiter würden dafür
- org-err, daß der preußisch - deutsche Militaris-
mus nie mehr auserstehe; sie erwarteten allerdings,
Pätz die Arbeiterschaft der Welt dafür sorgen werde,
Patz statt dessen keinanderer Militarismus auf-
erstehe. (Großer Beifall.) Dazu möge dieser Kon-
gress helfen!
Im Namen des Hamburgischen Senats begrüßte
^r sozialdemokratische Hamburger Bürgermeister
Di ollen den Kongreß. Er nannte die Tatsache
dieser Begrüßung der Sozialisten durch die Regie-
ch"g eines deutschen Staates schon an sich einen
dreisbaren Beweis dafür, wieviel sich in Deu-tsch-
P"d geändert habe. Gegenüber denr Raubeinfall
das Ruhrgebiet scheine das Weltgewissen
fällig eingeschlafen.
Für den Internationalen Gewerkschastsbund
(Anrstsrdanter Internationale) sprach Ouode-
Seest, Der ausführte, daß die Gewerkschastsbewe-
P"ug nur auf demokratischer Grundlage möglich sei.
Zum Schluß der Sitzung sprachen die beiden
Vorsitzenden Wels und Bracke. Wels betonte, eS
das Ende eines Bruderkampfes. „London",
'-Asien" und „Amsterdam" gehörten zusammen.
" >u der Demokratie und des Sozia-
. ' o m u s hieß WelS den Kongreß willkommen,
racke sicherte die Mitarbeit der Franzosen zu.

„Wir wollen den Kampf so führen, Wie Wels ihn
versteht. Wir bewundern das deutsche Prole-
tariat an der Ruhr und feinen festen, aber
ruhigen Widerstand, nut dem es fortsahren möge!"
Hamburg, 21. Mai. Heute nachmittag sand
auf der Moorweide, einer großen Wiese vor dem
Dammtor-Bahnhof, eine machtvolle Kund-
gebung der Arbeiterschaft Groß-Hamburgs zur
Begrüßung der Jnterrmlionale statt. Von zehn
Tribüiten herab sprachen zu den Massen etwa vier-
z i g Redner, man darf sagen, die sozialistischen Be-
rllhmtheiteu der ganzen Welt; u. a. aus Deutsch-
land Bernstein, Breitscheid, Ctzispien, Hermann
Müller und Scheidemann, aus England Buxton
und Shaw, aus Frankreich Grumbach, Faure und
Longuet, aus der Schweiz Greulich und Grimm,
aus Oesterreich Renner und Seitz, aus Bel-
gien de Bouckere, Huysmans und Vandervelde,
aus Schweden Branttng und aus Holland
Troelstr«.
Hamburg, 21. Mai. (Eig. Drahtber.) Für
Pfingstmontag gegen 12 Uhr hatten die Kommu-
nisten ihre Anhänger aufgerufen, um aus der
Moorweide mit dem Ziel zu demonstrieren, „der
.Welt zu zeigen, daß die Hamburger K.P.D. nicht
mit dem Einigungskongreß einverstanden sei". Trotz-
dem die K.P.D. ihre Anhänger aus der ganzen Um-
gegend herangezogen hatte, merkte man von der
kommunistischen Demonstration gar nichts. Bemerk-
bar machte sie sich wohl nur auf dm Straßen der
äußeren Stadt, wo sie g e h äs si ge F l ugb l ätter
gegen dm Kongreß und gegen die Sozialdemokrati-
sche Partei verteilte.

Bonar Larv zurückgetreten.
London, 21. Maß BouarLaw, der gestern
von seiner Reise zurückgekehrt ist, hat auf Veran-
lassung der Aerzte seine Demission eingereicht.
Es erübrigen sich große Konrmentare zum Rück-
tritt des englischen Premiers, da seine staatsmänni-
sche Tätigkeit zu sehr den Charakter eines Interims-
zustandes hatte. Es trifft zu, was die „Frankfurter
Zeitung" schreibt, sein Ministerium war eben so
schwach wie seine Gesundheit.
London, 21. Mai. An Bonar Law ist hmte
eine löschte Kehlkopsoperation vorgenommsn worden,
offenbar zum Zweck der Feststellung, ob der Ver-
dacht der Krebserkrankung begründet war.
Die Nachfolgerschaft.
London, 22. Mai. Die Blätter sind erfüllt
von Beweisen großer persönlicher Sympathie für
den nunmehr von der politischen Bühne abtretenden
Premierminister. Bezüglich der Nachfolgerschaft ist
kaum anzunehmen, daß an Stelle der jetzigen Herr-
schaft extremer Toriers eine Regierung der gesamten
konservativen Partei unter Führung gemäßigter Ele-
mente tttt. Der „Obsorver" würde den Versuch einer
solchen Zusammenfassung unter Balfour begrüßen
u. der „Manchester Guardian" stimmt dem zu. Mehr
für sich hat jedoch die Auffassung der „Times", daß
nur die Wahl zwischen Curzon und Baldwin offen
bleibe.
Paris, 22. Mai. Die Pariser Kommentare
über Bonar Laws Rücktritt verraten trotz persön-
licher Sympathie Bitterkeit. Man rühmt Bonar
Laws Offenheit und Loyalität, macht aber seine per-
sönliche Schwäche verantwortlich für den verschärften
Konflikt im Lager der Entente. Eine Nachfolger-
schaft Lord Curzozns wird a's eine starke Be-
lastungsprobe zwischen Frankreich und England be-
zeichnet. Als weniger gefährlich gilt Schatzkanzler
Baldwin.
Aus Anlaß des Rücktritts Bonar Laws sprach
Ministerpräsident PoinearS diesem seine Würdigung
um die Erhaltung der Entente aus.

Internationale Lage.
Wer kann zahlen?
Der Sozialdemokratische Parlamentsdienst schreibt
uns:
Die innen- und außenpolitische Lage Deutschlands
erfordert eine möglichst schnelle eingehende Aus-
arbeitung des neuen Angebots und jeden Verzicht
auf irgendwelche Zweideutigkeiten. Auch heute be-
tonen wir wieder, daß in diesem Vorschlag in erster
Linie die Garantiefrage zu erörtern ist, die ohne Er-
fassung der Sachwerte eine endgültige Lösung dos
Reparationsproblems kaum zu bringen vermag.
Garantieren und zahlen können: Industrie, Gewerbe,
Handel, Bank- und Verkehrswesen, Landwirtschaft
und Hausbesttz. Diese müssen für die Ausnahme der
notwendigen Anleihen zu einem Fünftel mit ihrer
Substanz haften.
Berlin, 19. Mai. Die Entscheidung des
Kabinetts über die neuen Schritte gegenüber den
alliierten Mächten ist nicht vor Ende nächster Woche
zzu -erwarten. Auch steht die Form noch nicht fest.
Es ist unzutreffend, daß Botschafter Dr. Sthamer
sich vor der Beschlußfassung über die neue Note die
Meinung der englischen Regierung einholt.

Eine schwere Schießerei der
Franzosen.
Mannheim, 19. Mai. Heute nacht kurz vor
12 Uhr hat die französische Wach« an der Friedrichs-
brücke vorübergehende Passanten unter Feuer ge-
nommen. Dabei wurde auch auf einen Straßenbahn-
wagen geschossen. In Häuser der Max-Josesstratze
sollen Geschosse eingeschlagen sein. Mehrere Ver-
letzte wurden in das Krankenhaus gebracht. Die
Gründe der Schießerei sind unbekannt.
Ein Augenzeuge schildert der T.U. den Vorgang
wie folgt: Ohne Veranlassung gab plötzlich ein
Posten des besetzten Bahnhofs Neckarvorstadt auf
einen an der Haltestelle der Straßenbahn wartenden
jungen Mann einen scharfen Schutz ab, der ihn am
Kopf verletzte. Die herbeieilende französische Wache
gab sofort Feuer auf die des Weges kommenden
Passanten und auf die Straßenbahnwagen, ohne
daß irgendwelche Menschenansammlungen sich gebil-
det hatten. Die ankommenden Straßenbahnwagen
Wurden angehalten und die Insassen zum Ver.-assen
der Wagen aufgefordert. Sie durften nur mit er-
hobenen Händen die Brücke passieren. Als die
Führer eines Straßenbahnwagens, der von der gan-
zen Situation keine Kenntnis hatte, noch einige zehn
Schritte weiterfuyr, schoß die französische Wache in
den vollbefttzten Straßenbahnwagen hinein. Hier-
durch wurde eine Anzahl Fahrgäste verletzt. Auch
aus ahnungslose Fahrgäste wurde geschossen.
Mannheim, 19. Mai. Im Bürgerausschuß
protestierte Oberbürgermeister Dr. Kutzer gegen das
Treiben der Französin.
Karlsruhe, 19. Mai. Der bei der Staats-
anwaltschaft beschäftigte Pol.zeibeamie Brügger, der
im Hafengebiet wohnt, wurde von den Franzosen
verhaftet. Späterhin wurde er wieder freigelassen.
Ein hochverräterischer Anschlag.
Trier, 19. Mai. Heute vormittag drangen in
sine Betriebsversammlung des Städt. Elektrizitäts-
werkes größere Abteilung von Smeets-Leuten ein.
Sie hatten die Absicht, Teile der Arbeiterschaft zu
veranlassen, sich ihnen anzuschließen und mit diesen
im Denronstrationszuge durch die Stadt zu mar-
schieren, sich der öffentlichen Gebäude zu bemächtigen
und die „Rheinische Republik" auszurufen. Sie
hatten jedoch keinen Erfolg. Die Polizei warf di«
Verräterbande aus dem Werk hinaus. Angesichts
der sich a-nsammeluden Urbeitermassen hielten es die
Smeets-Anhänger für geraten, sich aus dem Staube
zzu machen.

Republik Baden.
Der Gerichtsstand der Presse.
Wohl mit Bezug auf die neuliche Klage des
Herrn Hitler gegen unser Karlsruher Parteiblatt
schreibt der „Staatsanzei-ger":
Bis zu dem Gesetz vom 13. Juni 1902 konnten
die für PressedeRkte verantwortlichen Personell vor
jedes Strafgericht gezogen werben, in dessen Be-
zirk das betreffende Presseerzeugnis verbreitet wor-
den war (sogenannter „fliegender" Gerichtsstand
der Presse). Das erwähnte Gesetz hat diesen
Re-chtszustand dahin geändert, daß als zustän-
diges Gericht für durch den Inhalt einer Druck-
schrift begangene Straftaten nur das Gericht
anzusehe-n ist, in dessen Bezirk die Druckschrist er-
schienen ist. Eine AusnaMe ist aber für die Be-
leidigungen, die im Wege der Privatklage verfolgt
Werden, vorgesehen. Hier ist auch das Gericht
zuständig, in dessen Bezirk die Druckschrift verbrei-
tet worden ist, sofern in diesem Bezirk der Belei-
digte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Auf-
enthalt hat.
Da die Redakteure des „Volksfreund" nicht in
München ihren Wohnsitz haben, ist es sonach Mr alle
Fälle unmöglich, sie vor ein Münchener Gericht zu
zitteren, was- der Münchener Klique allerdings ge-
paßt hätte.

M WkWikl im MW».
Von Emil Nab old.
Gegenüber den kommunistischen Ver-
drehungen über die Vorgänge im preu-
ßischen Landtag verweisen Witz auf
nachfolgenden Aussatz Emil Ra-
tz o l d s in der „Glocke":
Im Haufe der preußischen Abgeordneten haben
sich erregte Szenen abgespielt. Wir notieren chrono-
logisch den Gang der Ereignisse. Am Freitag, den
4. Mai, benützten die Kommunisten die Eröffnung
der Sitzung zu einer der von ihnen sehr beliebten
Geschäftsordnungsdebatte. Grund: Sie wollen zu
dem Mißtrauensantrag der Deutschnationalen gegen
das Ministerium Severing eine Erklärung ab-
geben, die gefchäftsordnungslnätzig nicht zulässig ist.
Vom Präsidenten! darauf aufmerksam gemacht, stu-
dieren die Kommunisten nicht etwa die Geschäfts-
ordnung. Sie nehmen den Einspruch des Präsiden-
ten vielmehr zum Anlaß, durch ihre Redner eine
Flut persönlicher Schimpfworts auf das Haus und
das Präsidium niederprasseln zu -lassen.
Schreiendes Gejohle von den Bänken der Kom-
munisten unterstreicht diese wüste Szene. Katz steht

am Rednerpult und spritzt wie aus einem Schlauch
seine Injurien in den Saal. Beim Abgehen Wendel
er sich den Sozialdemokraten zu: „Ihr schmieriges
Gesindel." Präsident Lein ert verwndet, im Tu-
mult kaum vernehmbar, daß Katz wegen dieser un-
erhörten Beleidigung auf acht Tage von den Sitzun-
gen ausgeschlossen sei und verläßt seinen Platz. Voll
dem Rednerpult ist eine Prügelei entstanden.
Fäuste ballen sich nur, sie schlagen kräftig nieder. In-
zwischen tagt der Aelteftenrat. Das Ergebnis der
längeren Beratung: Katz wird wegen beharrlicher
Weigerung, den Saal zu verlassen, auf 15 Sitzungs-
tage ausgeschlossen, die Sitzung wird abgebrochen
und auf Sonnabend vertagt.
Sonnabend mittag. Die Eingänge zum Sitzungs-
saal sind mit Polizeibeamten (in Zivil) besetzt. Sie
haben den Auftrag, dem Abgeordneten Katz den Zu-
tritt zu verweh ren. Katz soll ab g ere sst sein. Als zunk
dritten Male das Klingelzeichen zum Beginn der
Sitzung ruft, schiebt sich dem Eingang der linken
Sette ein Fähnlein Kommunisten zu. An der
Spitze drei weibliche Abgeordnete. Rechts und
links gute Soitendeckung, im Rücken stark gesichert:
so will der Abgeordnete Katz sich Zutritt erzwin-
gen. Er wird vor dem Eingang zurückgcdrängt,
liest den Beamten erregt einige Paragraphen aus
dem Strafgesetzbuch vor, inzwischen seine Begleiter
wüste Schmähworte gegen die Beamten -ausstotze-n.
Der Eintritt bleibt Katz verwehrt. Im Sitzungs-
saal darauf -erregte Geschästsordn-ungsdsbatte. Die
Kommunisten beantragen Entfernung der Polizei.
Der Antrag wird abgelehnt, die Gemüter beruhigen
sich und die Beratung des Kultus-Etats beginnt.
Am Montag wiederum Polizei vor den- Ein-
gängen. Geschäftsordnuugsdebatte und Antrag der
Kommunisten, die Polizei zu entfernen, Katz an der
Ausübung seiner Tätigkeit nicht zu hindern. Die
kommunistischen Redner sind auf schärfste Tonart
eingestellt, ihre Parteizentrals ist im Hause an-
wesend, läßt von der Tribüne aus das Schaustück
überwachen. Die Kommunisten wollen nur mit
Katz und ohne Polizei beraten, das Haus bekundet
seinen Willen zum ungestörten Fortgang der
Tagung. Ein Höllenkonzert beginnt, Triller-
pfeifen werden in Bewegung gesetzt, von Paul
Hoffmanns wuchtigen Schimpfworten übertönt.
Hoffmann wird ausgeschlossen, weigert sich, zu gehen.
D-sr Saal leer: sich, Po-liMbeamte erscheinen und
entfernen auf Anordnung des Vizipräsidenten G ar-
nich den Abgeordneten. Viermal noch wieder-
holt sich am gleichen Tage der gleiche Akt.
Am Dienstag ein nochmaliges schrilles und be-
harrliches Aufbegehren der noch nicht ausgewiesenen
letztem Abgeordneten der kommunistsschcn Fraktion.
Mit bewegter Sttnrme bittet Präsident Leinert'wie-
derholt darum, die Ordnung zu wahren. Ver-
gebliches Mühen. Auch er nrutz, innerlich erregt und
mit großem Widerstreben, die peinliche Szene des
vorangegangenen Tages wiederholen lassen. Gegen
2 Uhr ist bis auf zwei oder drei Abgeordnete, die
außerhalb Berlins weilen, die ganze kommunistische
Fraktion aus dem Sitzungssaal entfernt, lind
ein neuer Faktor ist bei diesem vorläufig letzten Akt
in Erscheinung getreten. Von den Zuhörertri-
bünen gellen wüste Drohungen und Racheschreie,
surch wilde Gesten unterstrichen, in den Sitzungs-
saal. Kommmfistische Arbeiter, auf diesen Platz be-
ordert, führen als gewissenhafte Mitglieder der Par-
tei die anbefohlenen Parolen aus.
.*
Kein Zweifel: Dem Parlamentarismus
ist durch dieses böse Schauspiel ein schwerer
Schlag zugefügt worden, auch dem Ansehen der
Republik kann durch Szenen dieser Art nicht gedient
werden. Ein Blick in die Rechtspresse zeigt, welche
Bienen aus diesen Blüten Honig saugen.
Vorerst das eine: Der preußische Landtag hat
die freieste Geschäftsordnung. Bietet die Geschäfts-
ordnung rein formal keine Handhaben zu Vergewal-
tigungen irgendwelcher Art, so ist bisher auch tat-
sächlich die Vergewaltigung irgendeiNM Minderheit
nicht vorgenommen worden. Am allerwenigsten
Haban die Kommunisten Anlaß zu begründeten Kla-
gen gehabt. Sie haben mehr wie jede andere Frak-
tion die parlamentarischen Rechte nicht nur voll aus-
nützen können, sie haben den schnödesten Mißbrauch
damit getrieben.
Dabei handelt es sich in keinem Falle um spon-
tane Entgleisungen, wenn die Kommunisten ein«
ihrer wüsten Radauszenen ausführten. Ans den
Sitzungsprotokollen läßt sich Zug um Zug nach-
weisen, daß die Kommunisten kann: einmal provo-
ziert worden sind. Gerade die besondere Art ihres
Auftretens, fehlende Argumente durch lautes Schrei-
en zu ersetzen, führte rasch dazu, daß sie von keiner
Seite ernst genommen wurden. Wohl aber läßt sich
der Nachweis führen, daß die Kommunisten fortge-
setzt das Haus provozierten und daß sie Erregungen
darüber mit dem höhnischen Hinweis abzutun ver-
suchten, es fei ja gerade Aufgabe der Kom-
munisten, das Parlament durch Provokationen zu
entlarven, damit es seines Ansehens beraubt und
Vor aller Oeffsntlichkoit demaskiert werde.
In diesen Leitsätzen, die noch durch ein besold-
deres Sendschreiben des Messiers Sinowjew
ergänzt worden sind, wird den Kommunisten aller
Länder die Pflicht auferlegt, in Parlamenten mög-
lichst herausfordernd und provokatorisch auf-
zutreten. Diesen Richtlinien buchstabengetreu fol-
gend, Haven die Kommunisten -des preußischen Land-
 
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