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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 151 - Nr. 160 (3. Juli - 13. Juli)
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Heidelberg, Donnerstag, den 5. Juli 1923

Nr. 153

»eschllstestunden«—SUHr. Spreae
Kunden der Redaktion: H—ILUhL
Postscheckkonto Karlsruhe Ni.LM/.
Tel.-Sldr.: Volkszeitung Heidelberg.
Druck u. Verlag der Unterbadisch«»
Berlaaranstalt G. m. b. H., Heidel-
berg. Eeschastsstelle: Schröderstr.U.
Tel.: Expedition2873 u. Redak.2S7S.

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5. Jahrgang

öllklSlWkllkle M KVlMkM.
In -er Magdeburger „V o l k Sst tm m e"
l«sen wir:
Der passive Widerstand währt um» ein
Caches Jahr und hat zu einem Erfolge nicht ge-
Das dürfen wir daraus zuriickleiten, daß das
Ministerium Luno seine ganze Politik ans
diese eine Karte setzte, weil es mti seinen steuer'
scheuen Hintermännern glaubte, die passive Resistenz
geeignet, die Franzosen auf die Knie zu »Win-
ke». Während es doch hauptsächlich daraus an-
ch>», und noch ankommt, den Entente siaateu Ga-
rantien dafüiir zu bieten, datz die Wiedergul-
iitachungsfovderungen auch wirklich bezahlt wer-
ben. Die passive Resistenz kann nnr ein Hilfs-
mittel sein, diese Forderungen in Men möge
'ich»» Grenzen zu halten, nicht aber ein Allheil-
Miitel. Dem kämpfenden Arbeitsheer mutz eine ge-
schickte Diplomatie zu Hilfe kommen, sonst verblutet
es sich, und mit ihm verblutet das Volk, ruiniert
si» das Reich.
Zu dieser Einsicht sind aber die dunkeln
Ar äste iwch nicht gekommen, die in den letzten
Wochen im Ruhrgebiet de-ir aktiven Widerstand mit
heimtückischen Gewaltmitteln betreiben. Sir er-
lichen nicht, datz die Franzosen und Belgier a b-
gehen, sondern das genaue Gegenteil: die alltier-
Itn Regierungen werden n o ch m ebr Soldaten
Dorthin senden. Die militärische Bedrückung der
Bevölkerung wir- noch qualvoller werden, die

eine Verschlimmerung der Latze. Das
Rcparationsproblems mutz zu einer vollständi-
gen Regelung auf Grund der Vorschläge des Lon-
doner Memorandums gebracht werden, das heitzt
aus folgender Grundlage: Verbindung der Repa-
Mtionsfrage mit der Frage brr interalliierten
Schulden, ausreichendes Moratorium für Deutsch-
land, endgültige Festsetzung der deutschen Schuld-
ziffer, rationellerer Zahlungsplan mit ernsthaften
wirtschaftlichen Garantien und Verzicht Frankreichs
aus die territoriale Besetzung des Ruhrgebiets.
Schltetzlich sagte Mussolini: Was denPassiven
Widerstand betrifft, glaube ich, datz Deutsch-
land kein Interesse hat an der weiteren Ausdeh-
nung, denn cs kann nicht glauben, damit das Vor-
gehen Frankreichs verhindern zu könne«. Aus alle
Fälle mutz die Möglichkeit einer Verständigung
beschleunigt werden.
Genosse Breitscheidt in London.
London, 4. Juli. Reichs,«Gsabgeordneter
Gen. Dr. Breitscheidt ist in London angekom-
men, um sich Mt Führern der Arbeiterpartei in
Verbindung zu setzen
Reorganisation des Völkerbunds.
Berltn, 4. Juli. (Etg. Bericht.)
Nach allen bisherigen Verlautbarungen steht die
englische Regierung die Möglichkeit einer Kompro-
mißlösung in grundsätzlichen Zugeständnissen an

Gegenwirkung der geängstigten Soldateska
^och entsetzlicher sich anstobm. Für jeden getöteten
nrnnzofen werden zebu, unter Umständen Hunderte
vielleicht Tausende deutscher Einwohner ihr Leben
'Wen müsse», für jede gesprengte Brücke wird eine
^meiivde, eine Stadt ihre Bürger in die Gesäng-
Wlc gehen sehen, wirs sie mit drakonischen, mili-
Astchen Maßregeln gepeinigt, ja ruiniert werden.
Ww einmal dort unten Friede», so hat Deutsch-
Wd -i„ wirtschaftliches Trümmerfeld zu bereinigen.
Die Ver a ntwori u n g dafür tragen die M-
^»»alistische» Desperados, die dort unten ans eigne
'?Wst wüten, sie trifft aber auch die deutsche bürg«.
"ä>c Rrgerung mit voller Wucht, wenn sic nicht
5? >es, was tu ihrer Macht steht, tut, um desem
-- reiben Einhalt zu tun. Die muß wissen, datz die
-'cm ihren Regierungen nach den, Nuyrrevier o m-
audterie n Generale — wie alle Truppen-
wbuiMntzegr- — die allererste Pflicht haben, ihre
Dssiziere und Soldaten vor allen Gefahren zu
'Witzen. Sie mutz wissen, datz die gesamte Sssenr-
Meinung dieser Land« bedingungslos
Ws der Sette ihrer Negierung steht, und jedes
'liittel, auch das grausam-ste, gutheißt und verständ-
findet. Erinnern wir uns noch der Slugust-
,."ke isis, als unkere Solda-tffu in Belgien wirk-
"ch oder angeblch von bsei gisch en H ecken-
Schlitzen beschossen wurden Danials schrie die
W-Rtliche deutsche Meinung- ans, uw- sie fand es
WllstSndig in der Ordnung, daß die erreichbare
.W'werbevölkerung ganzer Dörfer, aus denen ge-
nosst», wordM war oder geschossen sein sollte,

"l)Ne Kriegsgcrichtsurteil an die Mauer gestellt
ntedergeknalli wurde. Auch die Zer-
^r»ug eines Teiles von Löwen ist aus diese
^et-sthilse von Zwilschützen zurückzuführen.
sobald der Soldat — ganz gleich wel -
T^r Nation — von nicht,Msormterten Angrei-
^»bedroht ist, wird er zur Bestie. Nicht aus
^ischem Triebe, sondern ans klappernder
^gst, aus Furcht vor dem Tode. Für
«n * "uf einsamem Posten erschossenen Soldaten
»eben zehntausend blinbwüt-ge Rächer, denn das
.. ""tückische Mordblei, das diesen einen dahin-
bedroht sie ja alle. Diese Furcht schwettzt die
. lktigen, einsichtsvollen Offiziere oder Soldaten
»Mmen mit den Rohlingen, di« auf eine Betäti-
ihrer viehischen Triebe geradezu gewartet ha-
h, * UM das -geeignete Objekt dieser Triebe sind
k >,! bie Meuchelmörder und Attentäter, sondern die
y^chuldige Bevölkerung: Männer, Wauen.
internationale Lage.
Ergebnislose Aussprachen.
Uuj^ ° » don, 4. Juli. Die gestrige Aussprache
"chen Lord Curzon und dem französischen Bot-
zjw^r ha, weder einen Fortschritt im cnglisch-fran-
m,en Meinungsaustau.ch noch eine Klärung der
^eh i'vü nach irgend einer Richtung hin gebracht.
^ca„lieht lediglich, daß keinesfalls -ine vollständige
bwrinng des Fragebogens erfolgte und erst
bon französischer Sette keinerlei schriftliche
bünuilg vorgelegt ivurde.
Eine Rede Mussolinis.
'»'M aAul! Im Mintsterrat kam Mussolini
^^<är,c- Ruhrstage zu sprechen, wobei er u. a.
stiess Tage nach der Veröffentlichung des Papst-
Poiueare eine Rede im Senat ge-
Hr» einstimmig g.-billtgt wurde und die Deut-
^»by/^ben an demselben Tage einen fürchterlichen
5olda»?bar< begangen, der zahl.ffchen belgischen
! u i -, das Leben kostete. Das ist nicht eine
'bastuung, sondern im Gegenteil

Frankreich in der Frage der Eisen bahnregte
und der Sicherheiten am Rhein, deren Durch-
führung aber dem Völkerbund obliege« soll.
Der Völkerbund, wie er heute ist, genießt aber
in Deutschland kaum Vertrauen. Es ist begreiflich,
wenn die englische Regierung in Konsequenz ihrer
Politik jetzt deshalb Versuche anstrengt, denVöl-
kerbund in gewissem Sinne zureorga-
nisieren, um ihn auch für die deutsche Bevöl-
kerung schmackhaft zu machen. Die Besprechung der
Saarfrage, die gerade in diesen Tagen vor Mer
Oeffentlichkcit gegen die Absichten der- französischen
Regierung erneut in Genf vor sich geht, und die vvr-
ansgcgangcne Entsendung des Lord Robert Cecil
als Vertreter der englischen Regierung tm Völker-
bundsrat dürsten als Einleitung der Reorganisa-
tionsbe-strebungen zu betrachten sein. Gans Deutsch-
land würde einen Erfolg der Reorganisationsbestre-
bvngeu und eine Aenderung der Geistesverfassung
des gegenwärtigen Völkerbundes anerkennen. Aber
auch dann noch wird in der Stimmung der deutschen
Bevölkerung gegenüber dem bestehenden Bund der
Völker nichts geändert, wenn nach erfolgreicher Re-
organisation der Versuch gemacht werden sollte, die-
sen Bund als Kontrollinstanz über deutsche
Gebietsteile zu benutzen, ihm Hoheitsrechle zuzuge-
stehen. die ausschließlich dem deutschen Reiche zu-
kommen. Die Aufrechterhaltung der Eisenbahn-
regic im Westen Deutschlands und die Einsetzung
einer internationalen Gendarmerie
als Sicherheit für Fransteich, die- in England teil-
weise sogar in Urbetterkreisen Sympathie« finden
soll, tasten aber die deutschen Hoheitsrechle an.
Keine deutsche Regier,ins wtrd derartigen
Ansinnen gerade bet der augenblicklichen Geistesver-
fassung des deutschen Volkes ihre Zustimmung geben
können.
Immerhin dürfte die Mehrheit des Reichstages,
wenn es notwendig ist, das Schicksal unseres Volkes
einem Völkerbund «»vertrauen, von dem sie ge-
wiß ist, daß cr im W a h rsten S i nn e d e s Wor-
tes ein Bund der Völker ist, der vor allen Dingen
die Hohcitsrechte jedes Staates achtet. Das letzte
Angebot der deutschen Regierung gibt zu «kennen,
datz man jetzt selbst in einem Teil der Kreise Deutsch-
lands die Notwendigkeit der Erfül-
lung spolitik als gegeben ansieht, die bisher
einer Wiedergutmachung feindlich gegenüberstanden.
Geht man bei der kommenden Lösung von diesem
Gesichtspunkte aus, — und das mutz ei« Völker-
bund, der seinem Namen gerecht werden will —,
dann iätzt sich schon eine Lösung sind en, di« Deutsch-
lands Rechl zum Leben anerkennt, seine Hoheits-
rechte achtel, schließlich aber auch den Völkern, die
Mts Reparationen bestehen, das gibt, was der Wie-
deraufbau der zerstörten Gebiete erfordert und was
im Rahmen der deutschen Leistungsfähigkeit liegt.
Der Völkerbundsrat verurteilt die
französische Saarpolitik.
Genf, 4. Juli. In der stark besuch-len Sitz-Ung
des Völkerbundsrats kritisierte Lord Robert Cecil
die Tätigkeit der Saarkommission. Zum Schluß
der gestrigen Sitzung wrude dann eine die franzö-
sische Politik beurteilende Entschließung angenom-
men, worüber es im CornmuniquL heißt:
„Der Rat beschließt, um allen Mißverständnissen
und Erörterungen in-vezuz ans die letzten Ereignisse
im Saargebtet ein Ende zu bereiten, noch in dieser
Tagung in die Untersuchung eiuz-utreten, und
beauftragt das Sekretariat, unverzüglich die Mit-
glieder der Saarregi-rung einsutaden, sich zum Völ-
kerbnndsrat zu vegbe» und alle erforderlichen Un-
terlagen mitzubringen."
Die in Genf anwesende Saa-rdelegation ist der
Auffassung, daß die heutige Sitzung des Völker-
buudsrateS einen großen Fortschritt -darsielst in dcr
Mchtung aus das große Ziel, die Rech le und Wohl-
fahrt «der Bevölkerung sicherzusteoe»

Vom besetzten Gebiet.
Eine französische Darstellung der
Dortmunder Explosion.
Köln, 4. Juli. Die Militärbehörde« in, sran-
zösisch-belgischen Gebier verbreiten folgende Mittei-
lung: „Dst deutsche Presse verbirgt ihre Freude
über die in der Nacht vom Freitag zmtt Sonnabend
aus der Sonnabend aus der Dortmunder Rvetn-
brücke vorgenommene» Sprengung nicht. Die
„Deutsche Tageszeitung" in Berlin verlarrgt die
Verschärfung dieser ausgesprochen passiven Resistenz-
mittel; andererseits versucht aber die Presse die
Verantwortung abzulehncn, die mehr oder minder
nationalistische Provokation, trifft. Eine offiziöse
Rote behauptet, datz bisher kein Grund vorliegt,
diese Explosion Deutschland in die Schuhe zu schie-
ben und erklärt es für wahrscheinlich, daß die Schuld
die bekannte Unfähigkeit der französisch-belgischen
Regie trifft. Einige Zeitungen haben- auch gesagt,
datz cS sich um einen Munitionszug handelte, der
rum Teil explodierte. Die heutige Berliner Presse
spricht allgemein von der Explosion eines Gas-
behälters. Die photographische Ausnahme des
Wagens, die auf Befehl der Besatzungsbehörde an-
gefertigt wurde und die veröffentlicht wtrd, zeigt die
leiden Gasbehälter gänzlich unversehrt, so
datz die obige Darstellung von vornherein Lüge be-
deutet.
Di- Wahrheitist folgende: Eine Bombe mit
Zeitzünder explodierte am 30. Juni, tu einem Wa-
gen 3 Klasse des Personcnzuges, der gegen 2 Uhr
nachts von Dutsburg nach Friemersheim fuhr. Die
Explosion geschah ans dem rechten Rbeinnfer auf
der Brücke. Ein Wagen wurde vollständig zertrüm-
mert, cin anderer stark beschädigt. Zehn belgi-
sche Soldaten wurden getötet und 32
verwundet; etwa 10 deutsche Zivil i-
sten, die bei dem Attentat zugegen
waren, wurden ebenfalls verletzt. Das
Attentat ist nur die F o r t s e tz u n g vorhergcgange-
ner Attentate, so der am 26. Juni am Wiesbadener
Hanptvahnhof vorgenommcnen Attentate und der
am 27. Juni in einem Zug aus der Strecke Mainz-
Worms vorgenommenen Sprengung. Als Ber-
get t n n g s m a ß rege l wurden in der Gegend
von Wiesbaden und Hohcnsvburg mehrere Ver-
haftungen vorgenommcn und der ganze Ver-
kehr des besetzten Gebietes mit dem unbesetzten
Gebiet gesperrt, im alt- und neubesetzten Gebiet
ab Freitag. Die alliierten Regierungen sind fest
entschlossen, nun mtt der größten Energie einzugrei-
sen, um solchen Verbrechen ein Endezn machen, die
übrigens den Abscheu der ganzen Welt Hervorrufen«.
Paris, 4. Juli. Nach einer Havasmeldung
aus Aachen ist wegen der Dortmunder Explosion im
Einvernehmen mit dem belgischen Krirgsminister
die Stadt Dortmund mit eurer Geldbuße
von 30 Milliarden Mark belegt worden.
Die Zugsperre.
Frankfurt«. M, 4. Juli Der Pers o n e n-
zugsverkehr zwischen dem unbesetzten und dem
besetzten Gebiet ist durch die scharfe Hand-
habung der französischen Kontrolle überall gehin-
dert, auch nach der englischen Zone. Nach dem Be-
zirk der Reichseisenbahndirektion Köln werden
keine Fahrkarten mehr ausgegeben und kein
Gepäck mehr abgefertigt.
Frankfurt a. M-, 4. Juli. Französische Trup-
pen besetzten Dienstag früh die am Westausgang des
Frankfurter Bahnhofs befindliche Blockstatton
Rebstock. Aus den Eisenbahnverkehr hat diese
Maßnahme keinen Einfluß, da die Station schon seit
Monaten wegen der Einstellung des Zugverkehrs
nach Höchst vezw. Wiesbaden außer Betrieb ist. Die
Franzosen haben autzcrdem die Bahnhofgebäude von
Camberg bis Eschhofen einschließlich (bisher noch
nicht zum besetztest Gebiet gehörig) besichtigt und er-
klärt, datz die Wohnungen iw den Gebäuden beschlag-
nahmt würden, falls die Beamten nicht bei der Re-
gie Dienst tun, was natürlich verweigert wurde.
Frankfurt a. M-, 4. Juli. Die über Dieburg
umgeieiteten D-ZügcnachSüddeutschland
erleiden eine Verspätung von 1^ bis 2 Stunden; da
die Strecke als Nebenbahn gilt und nur eingleisig
ist. Hier dürfen die Schnellzüge statt mit 80 nur
mit SO Kilometer Geschwindigkeit fahren. Es schwe-
ben mit den umliegenden Eisenbahndirektionen Ver-
handlungen, uni den Betrieb flotter zu gestalten.
Recht empfindliche Störungen erleidet durch die
strikte Abschnürung der Güterverkehr.
Bochum, 4 Juli. Am Dienstag wurden hier
20 Eisenbabncrsamilim nebst Angehörigen ausgc-
wiesen, in Gelsenkirchen 40.
Münster, 4 Juli Die Verkehrslage ist
im allgemeinen unverändert. Aus der Strecke
Dorsten—Osterfeld—Nord und Dorsten—Buer—Süd
rrcht bis heute nacht 2 Uhr aus Anordnung der Bel-
gier der Personenverkehr aus Anlaß der Trauerfeier
für die Opfer der Ervlosion bei Dnisburg-Hochseld.

Rom, 4. Juli. Der deutsch: Bc-nchafter beim
Vatikan war beim Papst kUl Audienz, um 'hm die
Haltung der Neichsregiernna zur Rnlnsrage dar-
,«legen.

Die Lage im Reich.
Bayerische Rechtrwillkür.
Unser in Würzburg erscheinendes Organ, der
„Fränkische Volksfreun d", wurde von der
bayerischen Regierung auf acht Tage verbo-
ten, Weir er einen Artikel aus der „Frankfurter
Volksstimme" abgedruckt hatte, in dem auf die „Va-
terländischen MobiimachungSvorarbeiten tm Aschaf-
fenburger Bezirk" hingewiesen wurde, worüber»
jüngst auch die „Franks Ztg." berichtet hatte.
Eine bayerische Entwicklungsphase.
Ans München wird uns geschrieben:
Die bayerische Geschichte der letzten Jahre er-
hält ewige Lichter durch einen Brief, den der Wege»
seiner Aufde ckungstäti gkeir deinr Hochverralsvrozetz
Fuchs und Genossen von der gesamten politische«
Rechten schwer angeseindete Major Meyer
veröffentlicht. Daraus geht hervor, daß im No-
vember 1S18 et» Kreis von, Offizieren in München,
zn dvnm auch Meyer gehörte, beabsichtigte, Rupp-
recht von Wittelsbach wieder in den Sattel zu
heben. Der Versuch iuar aber erfolglos, da der
Prinz nicht ausznsinden war und übrigens die nö-
tige Angahl Monarchisten fehlte.
Von besonderem Interesse ist j>o»-er Teil des
Briefes, der Ausschluß gibt darüber, wie die Pläne
zum Kapp-Putsch in Bayern eingefädelt wur-
den. Meyer, der danials Cbef des Nachrichtendien-
stes tm Truppen-Koinmando 4 (München) war,
traf im Februar 1920 den Kapp und auch den Lütt-
witz mit seinem Stabschef Oldershausen in Affin,
chsn. Kapp wünschte ans Veranlassung seines
Freundes Mmgenheim den Dr. Heim keimen z-u
lernen, ein Wunsch, den Mever nach Regensburg
weitergab. Was aus diesen Dingen -dann gewor-
den ist, gebt aus dem Briefe nicht hervor. Dagegen
bringt er Aufklärung, wie in jener denkwürdigen
Nacht vom 13. Mts den 14. März 1920 der Sturz
dos Ministeriums Hoffmann herbeigeführt wurde.
Danach erschien am 13. März um 12 Uhr nachts
beim General Möhl. dem damaligen Kom-
mandeur der bayerischen Reichswehr, eine Abord-
nung, darunter Herr v. Kaü r und Herr Pö b-
ner uM erörterten Forderungen. Nach Beendi-
gung dieser Sitzung erhielt Major Meyer den Auf-
trag, sesort dem Ministerpräsidenten Hoffmann den
Besuch der -gl-etchen Herren, die bei Möhl waren,
anzukiindigeir. Der Besuch erfolgte dann, kirrt
daraus ein zweiter vor dem, Ministervat. Unter die-
se«'. Druck verantwortlicher Männer mit macht-poli-
tischem Gewicht verzichtete Hoffmann ans wettere
Amtterung.
Dieser Hergang der Dinge, wie Kahr Minister-
präsident wurde, ist im allgemeinen nicht neu. Dir
politische Bedeutung des Briefes liegt darin, datz
er eine öffentlich? Bestätigung dessen ist, was un-
sere damals als bayerische Minister mutierenden
Genossen mitgeteilt habe« und was von interessier-
ter Seite entweder mit Stillschweigen übergaivge»
oder sogar bestritten worden ist. Notwendig er-
scheint jetzt noch eine Ansdeckimg der Zusammen-
hänge, die damals zwischen Kapp, Dr. Heim und
Möhl bestanden und die offenbar dte Grundlage
bildeten für dem Erfolg des gewaltsamen bayerischen
Verfass,iMSbruches im Jahre 1920.

Reichstag.
Berltn, 4. Jul
Der Reichstag erledigte ohne Debatte die Novelle
zum Hastpslichtgesetz sowie die Verlänge-
rung des Gesetzes betreffend Abiveickmngcn vom
Biierfteuergesetz und beriet dann dte
Novelle zur Angestelltenversicherung
Staatssekretär Reib erklärte im Einver-
ständnis der Negierung mit den Beschlüssen der
Kommtsston. Wenn die Bestrebungen nach Schaff
samg wertbieständiger Löhme zum Ziele
sWrien, müßten auch die Grundlagen der sozialen
Versicherung geändert werden.
Slbg. Grtcbel (Soz.) betont, Regierung und
bürgerliche Mehrveilsparteien hätten durch ihre
Steuerpolitik die Lage umgcheueklich verschärft uns
Lohn-, Gehalts- und Rentenempfänger dem Rannen
geopfert. Tatenlos sieht die Regierung der Ver-
schlimmerung der ValkSseuchen zu. Die Reichs-
Versicherungsanstalt ist trotz der wesentlich erüövtcn
Beiträge 'mit der Bewilligung von Heilverfahren
noch immer vier zu sparstnu.
Nach über dreistündiger Aussprache vor äußerst
schwach besetzten Bänken stimmte das Haus der
Borlage — die u a. eine Einheitsmarke ftir die so-
ziale Versicherung dringt — in zweiter und dritter
Lesung zu.
Eine Resolution des Ausschusses, in der das
Verlangen nach Anpassung der gesamten so-
ziawn Gesetzgebung an die Geldentwertung ausge-
sprochen wird, fand allgemeine Zustimmung.
Abg. Fran Schott (D.-N.) beantragt Franc«
b« der Verbeiratuuz die Hälfte der vis dahin ge-
zahlten Beträge zurückznerslalten.
Abg. Frau Schröder (Soz.) lehnt den An-
trag ab, weil zahlreiche Frauen auch nach de«
Verheiratung noch arbe tten »lüsten.
Der Antrag wird mit 119 «egen US SttaWe«
angenomme»
 
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