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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 181 - Nr. 190 (7. August - 18. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48727#0433
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Druck u. Verlag derUnlerbadilqe»
Verlagsanftalt <S. m.b.H., Leidet»
berg. <Leschäftsstellc:Schröderftr.S>.
Telü ErpeditionSS7S u. RedakL878.

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'«-iuasprei, einschliekl.Triigerlohn
V°M 1S.-31. Aug. Ml. 450 Mü. An-
rmgentarife : Die einfpalt.Petttzetl,
«d.berenRaum (Wmm br.) Mk.LÜUg,
rurAuswärtige Ml. 4lMü. Reklame-
an »eigen (74mm breit) Ml. MO, für
Auswärtige Mk.wooüv. Bei Wieder»
Holungen Nachlaß nach Tarif.


6. Jahrgang

Heidelberg, Donnerstag, de« 16. August 1V23

Nr. 188

M MMS MM KM

Angesichts der vital«» Gefährdung der Natt»»»
irmbte der Kanzler im Januar, spätestens im
Ap-rtl nach dem Scheitern der Dollaranleih« Var das

Unter diesem Titel veröffentlicht die
.Neue Züricher Zeitung" fol-
gende beachtenswerten Ausführungen
zum verflossenen Kabinett Cuno, die
gleichzeitig eine bedeutsame Kritik des
deutschen Volkes darstellen:
Das Kabinett Cuno ist keiner Parlamentsintrig«,
auch nicht dem Ruürkonflikt, es ist feiner eige -
"en Unfähigkeit zum Opfer gefallen. Sein«
Geschichte ist eine Geschichte von Unglücksfällen. Es
hat die „Politik der verpatzten Gelegenheiten" kon-
densiert und in die Potenz erhoben. Der „gute
Wille" entscheidet nicht in der Politik nnd verniag
deren Träger höchstens Persönlich zu entlasten: die
historische Schuld Dr. Cunos erhält ihr Relief
dadurch, datz er nicht die Kraft hatte, eine Chance
auszunützcn, um die ihn jeder in Deutschland be-
neiden durfte.
Seit Jahrzehnten ist ein Kanzler nicht so be-
geistert begrüßt worden lv-ie Dr. Cuno. Die politisch
ungeschulte öffentliche Meinung hatte geglaubt, den
Bankerott des parlamentarischen Re-
«im es feststellen zu können. Unter dem Ressenti-
ment weiter Kreise gegen die Revolution, gegen di«
'n der Demokratie Aufsteigendcn, unter der Aube«
iUng der Titel, der Schule, der exklusiven Erziehung,
unter dem mißleiteten Sinn, der Beamte und Führer
identifizierte, unter der Kapitulation Vor allem waS
glänzt, vor dem äußeren Erfolg hatte die nach-
noveinberltche Politik zu leiden. Werregierte?
Sattler, Schneider, Lehrer aus der Provinz -- Dil-
lettantcn! Das war das Urteil des kleinen Mannes,
iind wo lvar die Kraft und die Macht? Wo waren
die Erfolge? Bei der Wirtschaft. Der Politi-
ker war der Nichtskönner, der Wirtschaftler das
valent. Also fort mit der Politik, her mit der Wtrt-
ichaft! Das ivar der Ruf des „Volkes".
. Damit ist der phantastische Glaube erklärt, der
vnrn Dr. Cuno entgegengebracht wurde. Hier
war ein erfolgreicher Wirtschastsfüh-
ein Mann mit ^diskontfähiger Unter-
>cl)tifl«, ein „ehrdarer Kaufmann", um
u.e eigenen Etikette» zu verwenden. Aber das
,'"d nur die äußere« Insignien. Drr tiefe Grund
wc Cunos Popularität ist darin zu finden, datz er
">u Idealbild des kleine« Mariaes entsprach: er
verachtete mit ihm die Polt«, weil er für fteblind
Um es dentltch z« sagen: er verachtete st: nicht
"'s Souveränität, er verachtet« st« ans Unkennt -
' s. Dieses harte Wort sei dnrch die Rekapitulation
k'Uer Amtszeit gerechtfernK.
Schon die Präsentier lNg deS Kab'netts im
ich Stag am 24. November 1922 war ein Fiasko.
Der Ernährungsmimster Dr. Müll er» Bonn
««"de als ehemalige: Sr i i ,t ent.arvt
'«d mutzte sofort ausgeschfst werden. Man mag
'«einen, daß das ew volUfiches Mißgeschick Dr.
. ««es war, man kann aber auch der Ansicht sein,
atz ein solcher Fall cin-n Führer nicht znstoßen
«rf, und man kann sogar behaupten, daß dri Di-
""or eines mittleren Becricbes sich unnröglich
zachen würde, wenn er einen kompromittierten
^'ann zum Abteilungsleiter ernennen würde. Der
"stnzler lieferte in jenen Tagen, wie später bekannt
'«de, ein Gegenstück, indem er den gegenrcvo-
'«ttonären Putschisten Rotzbach empfing.
Hatte die Programmrode des Kanzlers im Reichtz»
"st nmtt gewirkt, so war die zweite außenpolitische
Mldgebung, die heftige Hamburger Rede zur Jah-
sMl «de, eine gegen die Pariser Konferenz ge-
,z^«der1e Bombe, die nicht Platzte. Der fran-
x.^ch°belgische Einmarsch ins Ruhrgebiet
re» einen Kantpf, in dem Frankreich alle äutze-
ivar h""cen für sich hatte. Die deutsche Regierung
Ucbdiesen Krieg nicht vorbereitet. Aber das
Äbm l"st «^' allein im Improvisatorischen der
es lag in der Passivität der Berliner
»o. „"«§- Ihr ging die wtchfigste Vorbedingung
bx,.' "b erfaßte die Gesamtlage nicht und mutzte da-
dcs "^"'"«stlich handeln. Es fe h l 1 e die Klarheit
Ast , äs, die die produktive Tat erst ermöglicht,
Itstq ""'« Wort: die Konzeption. Hatte es 1914 bis
t'eri "^Eitzen: der Feind bezahlt alles, so argumen-
die ,.""« letzt, die Existenz des Reiches sei bedroht,
dsstf "^ste Munition, das Gold der Reichsbank,
stchtln geschont werden. UM so wurde, unge-
rn i, der Lehreir des Weltkrieges, der Kampf wieder
Baz ' er statt mit Steuern finanziert,
selu /abangn e. Wo es um Sein oder Nicht-
, ' ^st'" ein solches Spiel verständlich und
bcheuto " historischem Sinne noch kein Verbrechen
"^äbin"' Dc>äl unbegreiflich — vollends bei einem
Artig' ,t der Wirtschaft" - Ist es, datz die logische
Mochte h« Ressorts nicht geschlagen wurde.
ä>r sm, Rechnung aus einjährigen WidcrstaM
Ning 'heoreüsch stimmen — nimmerniehr durfte
hstfte , «"stusbleiblichen Folgender ins Riesen-
Beux^'''"Hsenden I nfl a t i o n s w i rt scha ft,
laste» v« Hunger, soziale Gährung außer acht
«An de» '«st« diese vermeiden, dann mutzte
Beste» fundieren durch die systematische
llrie ui,db^""st der tragfähigen Schichten, Jndu-
istNls unn^a .«irtschast, und nicht durch die grau-
h'n dg,.„, «erhäng,stsvolle Auspowerung des olme-
^^iverbes ^erliegenden Mittelstandes, des Klein-
sten Kleinhandels, der Angestellten, Be-
vöcuna Arbeiter mittels der endgültigen Zer-
« «er Markvaluta,

Parlament, vor die Oeffentlichkett tteten, di« Matz-
nahmen fordern, die jetzt erst in den letzten Tagen
beschlossen wurden, sie durch feierliche« Appell,
Wenn nötig mit Rücktrtttsdrohung erzwingen und
rasch durchführen. Die „Wirtschaft", die Wirth
und Rathenau offen die Gefolgschaft verweigert
hatte, die Industriekapitäne und Großagrarier, die
Dr. Cuno als einen der ihren begrüßt hatten, sie
hätten ihn in der Not des Vaterlandes, im Elan
des allgenreinen Aufschwungs und angesichts der
französischen Bajonette im Ruhrrevier nicht Trotz
zu bieten gewagt. Mer das politische Ingenium
war diesem Kanzler versagt, und er ließ dieDinge
treib en. Die Negierung b e g ü n st i g t e die Groß-
industrie durch die ominöse RuhrhUf«, die ReichS -
bank tat ein gleiches mit ihrer bekannten Kredit-
politik, die nichts anderes lvar als die Legalisie-
rnng privatwirtschaftlicher Beute-
züge auf den Staatssäckel. Gleichzeitig wurde die
Mark „gestützt", ein Experiment, das im Endeffekt
keine Devisen aus der Wirtschaft herauszo» de«
Goldschatz der Reichsbank nicht vermehrte, nicht ein-
mal erhielt, sondern verminderte. Mit dem Mark-
zusammenbruch vom 17. April war die Marne-
schlacht des Rnhrkrieges verloren. Darauf wurde in
nervöser Hast reglementiert. MS das Fiasko auch der
Regierung klar wurde, hob sie die Zwangsverord-
nungen wieder auf. Ordre, contre-ordre, dSSvrdre.
So ist das Urteil der öffentlichen Meinung herauf-
beschworen worden: datz kein Kabinett fo
dilletanttsch regiert hat, wie dieses „Kabinett
der Wirtschaft'.
Welchen Aktivposten hat eigentlich das abtre-
tende Kabinett aufzuweisen? Man könnte auf die
Innere Politik, auf das Verhältnis zu Bayern
Hinweisen. Da sich Dr. Cuno außenpolitisch auf die
Negation versteifte (seine friedliche)» Versicherungen
wurden durch Kraftworte gegen Frankreich entwer-
tet), mit den Vaterländischen Verbänden sympathi-
sierte, so waren in der Tat keine Reibungsflüchen
mit Bayern gegeben. Dafür haterSachsenund
Thüringen heraus gefordert und der-
gestalt die Bemühungen seines Innenministers, deS
Demokraten Oefer, zuschanden gemacht. Dazu kam
der still« uM zähe Kampf der preußischen Regierung
gegen das Reichskabinett (in den» Dr. Oeser allein
die Republik vertrat). Die Beziehungen zu den Län-
dern sind also unter Cuno nicht entspannt, tM Ge-
genteil verschärft worden. Die Befriedung deS
prinzipiell könlgstreuen Bayerns wird durch
den Streit mit den prinzipiell republikanischen Län-
derregierungen Sachsens und Thüringens kompen-
siert, wenn nicht ttberkompenstert.
Man mag diese Bilanz hart finden. Di« Leser
der „N. Z. Z." find darauf vorbereitet. Schon
im August 1922, als Dr. Cuno zum Außenminister
aus ersehen war, stand an dieser Stelle (in der Be-
sprechung des Hamburger „Weltwirffchaftskongres-
ses") eine Warnung. Im November wurde die
Betrauung Cunos als ein Experiment bezeich-
net, sein „unscharfes, in Schemata befangenes Den-
ken" und sein Mangel sogar an formaler Ortgtna-
lttät hervorgehoben. Hier wurden keine Borschub-
lorbeeren gereicht, keine Hymnen gesungen,
nnd diejenigen^ die unbeschwert von persönlicher
Kenntnis Herrn Dr. Cuno Wer Rathenau ge-
stellt haben, werden jetzt Wohl den Unterschied der
beiden Männer ermessen. Dem deutschen Volke aber
kann nmn nur wünschen, daß es durch das bittere
und teure Experiment Cuno geheilt werden möge
von seinem Irrglauben an die alleinselig-
machende „Wirtschaft'. Das Beispiel, wie Polttik
nicht getrieben werden soll, war deutlich und
schmerzhaft genug.

Die Lage im Reich.
Zur Situation.
Berlin, 15. Aus. Feston Schrittes geht die
Negierung an dje Arbeit. Aufgäbe der Soztälde-
mvkraite ist es hierbei, Ruserin und Mahnerin zu
sein. Der sozialdemokratische Partei-
ausschuß, der au» morgigen Donnerstag sich mit
der allgemeinen politischen Lage befassen
wird, wird es an Initiative sicher nicht fehlen las-
sen. Bei der Stellung der Sozialdemokratie zur
neuen Regierung wird vor allem deren Haltung zu
den sozialdemokratischen Forderungen di« aus-
schlaggebende Rolle spielen. In dieser Hinsicht sind
folgende Aufsätze des „Sozialdem. Parla-
mentsdienst" beachtenswert, der schreibt: Die
neue Regierung hat sich sämtliche Programmpunkte
der sozialdem. Neichstagssraktion, deren Annahm als
Voraussetzung für den Eintritt in die große
Koalition galten, zu eigen gemacht. Sie tritt
nicht nur für Veit Schutz der bestehenden Verfas-
sung und damit für die Republik ein, sondern
erklärt stch auch bereit, die wirtschaftlichen
Verhältnisse der Bevölkerung durch entschie-
dene Eingriffe in den Besitz, durch Steuern und die
Erfassung der Sachwerte zu Hestern. Der Versuch
soll gemacht werden, die besitzenden Schich-
ten auf friedlichem Weg« zu Opfern an den Staat
zu verpflichten. Die sozialdsneokrattschen Minister
werden mit Unterstützung der Rcichstagsfraktton im
Kabinett darai.^ dringen, daß jetzt endlich Ernst

gemocht wird und sie dürften» wem» die Mahnung
nicht Hilst, die Warnung bald in die Wirklichkeit
umfetzen.
Handelt die neue Regierung entsprechend ihrer
Erklärung, verzichtet sie auf große Redensarten u.
liefert statt besten Taten, dann dürste bald das ganze
Volk hinter ihr stehen. Bor allem brauchen un-
sere dachenden Massen Brot. Von der Befrie-
digung des Magens wich im westnttichrn
ihr Urteil gegenüber dem Kabinett Stresemann ab-
hängen.
Sofortige Eintreibung der neuen
Steuern.
Dm RetchSfinanzmiuistertuM fand heut« vormtt-
tag unter dem Vorsitz des ReichSftnan,Ministers Dr.
Hilferding ein« Besprechung der Laud-sfinanz-
Präsidenten und d«r Präsidenten der Abteilungen
für Besitz- und Vermögenssteuer über die Durch-
führung der neuen Steuergesetze statt.
D«r Minister wies in der Aussprache auf die ernste
Lag« hin, die raschestes und tatkräftiges Handeln
erfordere. In der Aussprache wurden di« einzelnen
Steuervestimmungen nach der steuertechnifchen Seite
hin eingehend erörtert und Richttinten für die gleich-
nräßige Durchführung festgelegt, bei sämtlichen Ver-
tretern der Ftnanzverwaltung -am der Gedanke zum
Ausdruck, daß es trotz aller Schwierigkeiten gelingen
müss«, die demnächst fälligen Steuerbeträge noch in
diesem Monat in die Finanzkaffe zu leiten.
Bayern und der Regierungswechsel
München, 14. Aug. Der Ton gegen das Ka-
binett Stresemann hat sich in den heutigen Abend-
ausgaben der Münchener Zeitungen verschärft. Das
Organ der Mrenden Partei in Bayern verweigert
der neuen Regierung rundweg das Vertrauen.

Die Unruhen im Reich.
Normales Leben in Berlin.
Aus Berlin wird uns geschrieben:
Der von den Kommunisten für Groß-Berlin am
Samstag ausgerufene und bis zum Dienstag „be-
fristete" Generalstreik erlebte am Dienstag seinen
völligen Zusammenbruch. Das äußer«
Kennzeichen dafür ivar, datz seit 9 Uhr morgens die
Straßenbahn, die durch Abschnürung der Strom-
versorgung, nicht durch Streik der Straßenbahner
still lag, ihren Betrieb wieder aufnahm. Die kom-
munistischen Anhänger des Streiks versuchten aller-
dings, zumal in den Außenvierteln, den Verkehr
weiterhin zu unterbinden. An den Endhaltestellen
wurde den Führern vielfach die Kurbeln gewalt-
sam entrissen. Zu einem größeren Zwischenfall
kam eS in den Mittagsstunden in der Frankfurter
Allee, wo die Kommunisten aus Pflastersteinen einen
Damm errichteten, um die Straßenbahnen stillzu-
legen. Aus einer großen Menge, die sich dabei an-
samMelte, wurde auf Polizeibeamte geschossen, die
das Feuer erwiderten. Als verletzt festgestellt wurde
lediglich eine Person. Mit Hilf« der Schutzpolizei
Wird der Stratzenbahnverkehr ausrechterhalten, wenn
auch nicht im vollen Umfange. In den Mittagsstun-
den hat auch der Autobusverkehr wieder eingesetzr,
so daß gegen Albend der Groß-Berliner Verkehr
nahezu wieder normal war.
Unter diesen Umständen sah stch der Ausschuß
der kommunistischen Betriebsräte Groß-Berlins,
wohl oder übel, veranlaßt, den Streik abzubla-
fen und die Wiederaufnahme drr Arbeit für die
Nachtschicht, in den lebenswichtigen Betrieben für
sofort zu empfehlen. Danach ist anzunehmen, daß
am Mittwoch in Berlin wieder allgemein gearbeitet
Wird.
Von den im Lause des Sonntag bis Montag in
Berlin im AusammenhMtg mit dem Generalstreik
festgenommenen Personen wurden bis jetzt 119 dem
Richter vorgeführt; gegen 81 von ihnen ist richter-
licher Haftbefehl ergangen. In der Nacht vom
Montag zum Dienstag sowie im Lauf« des Diens-
tag erfolgten weitere 130 Festnahmen von Personen,
die sich Uebergriffe gegen Arbeitswillige zuschulden
kommen ließen.
Berlin, 15. Aug. Bis auf ganz wenige Be-
triebe wird heute in derPrivatindustriewie-
dergearbeitet. Auch in den städtischen
Werken ist der Betrieb wieder voll ausgenommen
worden. Differenzen zeigten sich nur bei den Gas-
werke» Lichtenberg und Tegel.
Hamburg, 15. Aug. Am gestrigen Tage und
auch im Laufe der Nacht ist die Ruhe nicht wieder
gestört worden. Das öffentliche Leben geht wieder
seinen gewohnten Gang.
Hamburg, 15. Aug. Jin Hasen herrscht
vollständige Arbeitsruhe. Schiffe werden weder ge-
löscht noch geladen. Auch lder Seebäderdampfer
„Kaffer" konnte seine gewohnte Fahrt nach Helgo-
land infolge eines Streiks nicht antreten. Unruhen
sind trotz der allgemeinen Arbeitsniederlegung im
Hafen nicht mehr zu verzeichnen. Der Streik Hal
keinen politischen Hintergrund mehr,
sondern ist ein rein wirtschaftlicher geworden, und
bei dem Gang der augsndlicklichen VerhaMlmrgen

besteht Hoffnung, datz schon morgen die Arbeit all-
gemein wieder ausgenommen werden
wird.
Leipzig, 15. Aug. Fn der Leipziger Metall-
industrie streiken die Arbeiter. Sie verlangen
300000 Mark Stundenlohn mit Rückwirkung aus die
vergangene Lohnwoche. DK Arbeitgeber werden
heute zu dieser Forderung Stellung nehmen. Seit
heute vormittag befinden sich auch die Srraßen -
bahnangestellten im Ausstand. Der am
SamStag auSgcbrvchen« Streik der Gasarbeiter
ist beendet. Die von den Konununisten ausge-
gebene Generalflreik-Parole ist bisher
nichtbesolgt worden.
Celle, 15. Aug. In Celle ist gestern der Ge-
neralstreik ausgerufen worden. In sämtlichen
Betrieben, in den Zwieback- und Keksfabriken und
auch in den Kaliwerken der Umgegend ruht die
Arbeit.
Beilegung des Streiks in
Mitteldeutschland.
Berlin, 15. Aug. (Frkf. Ztg.) Die Verhaich-
lungrn Wer Beilegung d«S Streiks in Mitteldeutsch-
land habe» zu einer vollen Einigung zwischen Ar-
beitgebern und Arbeitnehmern des Braunkohlen-
rcvierS geführt. Die Arbeit wird dort in vollem Um-
fange heute wieder ausgenommen. ES ist
damit zu rechnen, daß auch im Lausitzer und Merse-
burger Bezirk bald ein« Einigung erzielt wird.
Ins lMIMMA Mm.
Berlin, 15. Slugust.
Die Z«it derverrücktenParolenist wieder
da Die kommunisttfchen Berufsrevoluttonäre füh-
len stch so wohl wie der Fisch im Wasser. Jetzt kön-
nen sie einnml „gegen die Instanzen" Politik nmchen.
Sie Phantasieren darum von Generalstreiks, die nie-
mals existiert haben. Sie reden davon, daß der
Kamps weilergehe, während st« doch ganz genau
wissen, daß die Hunger- wie die Hetzrevolten überall
zusammenbrech en.
Bis jetzt war die Sache noch ttttuier so, datz die
Sozialdemokratie die praktische Poli-
t i k machte, während di« Kommuntsten den Ar-
beitern irgend eine Faiamorganavorgau-
kelten und ihnen sonst nach Möglichkeit in den
Rücken fielen. Wenn aber die Kommunisten real-
politisch werden wollen, welche sind dann ihre prak-
tischen Maßnahmen?
Wem wollen die Kommunisten mit dem General-
streik nützen? Kann nran mit solchen Maßnahmen
die Sympathien des gesamten Volkes erringen?
Kann man durch Stillegung des Verkehrs die Le-
bensmittelversorgung stcherstellen? Kann man durch
Absperrung des elektrischen Stromes und der Gas-
zufuhr den Hausfrauen hilfreich beistehen? Kann
man durch verdienstlose Generalstreiktage das soziale
Elend der breiten Massen aus der Welt schaffen?
Kann man durch eine Tai wie den von Kommunisten
in der Nacht auf Montag unternommenen Sturm
auf die Reichsdruckerei in Berlin zum Zwecke der
Stillegung der Notcnpreffe di« Zcchlungsmtttelnot
beheben? Die Kommunisten wollen gar nicht ihre
eigenen Forderungen durchsetzen, die irgendwie zm"
Besserung und Behebung der Schwierigkeiten dienen
könnten. Die Kommunisten wollen den General-
streik, um das Chaos zu bekommen.
Gerade weil die Moskauer mit dem Generalstreik
kein positives Ziel, sondern nur den Trümmer-
haufen erreichen wollen, verfrühen sie leicht-
fertig, jeden Lohnstreik zum Generalstreik weiter-
zu treib en, fordern sie ihn ohne Spur von Verant-
wortlichkeitsgefühl, bei jeder Gelegenheit Preisen sie
ibn als Allheilmittel.
Ms Partei können wir den kommunistischen Ge-
neralstreiksparolen mit aller Ruhe enigegensehan.
Als Glied der Arbeiterbewegung müssen wir eS
beklagen, datz die Kommunisten wieder einmal
ganz bewußt der Reaktion in die Hände
arbeiten und die deutsche Arbeiterschaft auf das
schwerste schädigen.

Reichstag.
Wertbeständige Postgebühren. — Ein Antrag zur
Reichsfinanzreform.
Berlin, 16. Ang.
Ein Antrag aller Parteien auf Erhöhung de?
Zulage in der Unfallversicherung wirst
ohne Aussprache angenommen.
Auf der Tagesordnung sieht dann der Entwurf
eines Postscheck- und Telefon-Gebühren-
gefetzes, sowie eines Fernsprechgebührennetzes.
Danach sollen von jetzt ab die Gebühren durch Verl
Vielfachung einer Schlüsselzahl berechnet werden.
Es sollen also
wertbeständige Gebühren
erreicht werden. Die Grundlage für die Ermitt-
lung der Schlüsselzahl bildet die jeweilige Rege-
lung der Bezüge des Personals oder sobald ein«
allgemein gültige meßbare Zahl, Mo «ine Reschs«
Indexziffer, festgelegt wird, diese Zahl. Die Schlüs-
selzahl und die einzelne» Gebühren sind zweckmäßig
abzuruuldau.
 
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