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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 161 - Nr. 170 (14. Juli - 25. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48727#0353
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holunyc» NachlM nach Tarif. tt»- MM Trk: E.l-edUionS«7S u. Redat.Wk»
lages-Zkirung M die wetttStlae BevStterung der Anilsbezirke Seidekerr. «lesloch, SMei«, Wlage». Nerva-, Mozbach, BuSe», Nelrhew. SoSerg. raubttMsMels >. WeMel»

'^»Jahrgang

Heidelberg, Mittwoch, den 25. Juli 1923

Nr. 170

R MM M IM ».
Von Erich Kuttner.
I
Man verzeihe einen harten Vergleich: Die deut-
le Republik ähnelt einer Jungfrau, dieIagdaus
enFloh macht. Mit verzweifelter Hast tappt sie
alp hier-, bald dorthin und trifft mit tödlicher
Sicherheit immer die falsche Stelle. Hat sie das
astige Tierchen wirklich schon einmal zwischen Dau-
"cn und Zeigefinger, so entschlüpft es im letzten
jugendlich, fust eine Sekunde bevor es geknickt wer-
toll. Dann streckt die enttäuschte Jungfrau sich
7"t fatalistischer Ergebenheit aufs Lager, bis ein
heimtückischer Stich sie von neuem in die Höhe fahren
'atzt.
Der große. Mensch, der sich erfolglos mit einem
j'UZigsn Insekt bcrnmschlägt, ist nun einnral ein
«Mische Anblick. Ein Staatswesen von 60 Mil-
'onen, das eine kleine Verschwörerschar sich aus der
-rase Herumtauzen läßt, erregt in der Welt Ge-
rächter.
. Es bleibt ein ebenso fataler wie aufreizender An-
wie alle SchlSgeder Republik gegen
, skrupellose, zum Aeutzersten entschlossene Ge-
jmorgauisatton ergebnislos sind. Der ent-
Nlidgene Ehrhardt setzt dem bisherigen Skandal
's' Krone auf. Allerhand Dinge fallen einem ein:
Kapp nach Schweden entflog und sich erst als
v'Albender dem Gericht stellte, nicht aus Anstand
ver Reue, sondern weil er in der Kunst deutscher
i/Me die letzte Reltungsmöglichkeit für sein eigenes
,> ^ru sah. Man denkt an die Erzberger-Mörder
Schutz und Tillcssen, die just eine Stunde vor der
-blauten Verhaftung nach Ungarn davondampstcn,
"r irgendeiner Stelle, die nur eine Polizeiliche sein
d rechtzeitig gewarnt. Man erinnert sich, wie
j Meineid-General v. Lüttwitz sich monatelang
d ' silbischen Gütern verborgen hielt, ehe ihm der
Werl Boden zu heiß wurde. Schließlich gehören
den "" ""H all die seltsamen Geheimorganisationen,
Mm " "i Olivas Strafbares nachgewicsen werden
'n, u« s'söblich irgendein Toter daliegt, als doku-
^unscher Beweis der vollendeten Harmlosigkeit.
Flöhe springen munter auf der Mutter Ger-
m herum, aver man erwischt sie nicht.
Nr
iich? chsssen heute, daß die Sabotage aller gericht-
A,,ki. polizeilichen Maßnahmen, seien sie zur
sie und Aburteilung des Verbrechens, feien
bei, Strafvollzug gegen die Täter bestimmt, von
geb ^peimorganisationen in ein lückenloses System
ä'e,, "" worden ist. Kein nationalistisches Verbre-
Ve)j.""ichchbt, ohne daß vorher genaue Flucht- rind
bcl,g^."^iuugspläne ausgearbeitet sind. Um die
eß,e» suchen Organe irrezuführen, ist jedes Mitglied
Rjj'/j ^eheimorganisatio» verpflichtet, ohne jede
fällig - bettende Strafgesetze und eigene Straf-
H, x ch'n Aeußerstes zu tun. Die Statuten der
iw Mu "'' o ' ion Eons ul enthalten die Ver-
tetsj., ""ä der Mitglieder zur gegenseitigen Hilfe-
iß . 'u in allen Lebenslagen. Was dainit gemeint
'Sir zur Genüge kennen gelernt. Meineid,
Gesa, 'ch^uichtirng, Aktendiebstahl, Bcgünstigung,
Azg chenenbefreiung und äußersten Falles auch
T wird in diesen Kreisen mit der glet-
Nom.jjchstverstälchlichleit für den Komplizen unter-
Frein,^' man im gewöhnlichen Leben dem
'kgeu^ - Zigarette anbietet. Und wen noch
schsy °'u Rest bürgerlicher Moral in solchem Tun
K» ' > macht, hinter dem droht die blutige
hält u ^""d der geheimen Feme. Wer schwatzt, er-
'biftetes Konfekt zugeschickt oder ein Messer
W«e « die Rippen gesetzt. Man fischt eines Tages
H'wer «»he aus der Isar oder gräbt sie im Par-
.V°Nim,^"ld aus. Wandert aber trotz aller dieser
'uz y.'„Maßnahmen doch einmal ein Schuldiger
tzNsta Esangnis, so winkt ihm noch immer die Hoff-
ms Befreiung durch seine Kumpane.
^Ntos bteriellenMitteln fehlt es niemals.
Urbe, Handgranaten, gefälschte Urkunden, Diet-
'N Hua 5 "il^s notwendige Verbrecherwerkzeug steht
e und Fülle zur Verfügung.
"Nr a» ' ielezu geben erübrigt sich. Man denke
'Wd Parallelität der Fälle Ehrhardt, Boldt
?»8er an die Haftentweichung des Leutnant
"N die Verschwundenen Akten im Falle Mar-
" Nseckr "" die drei gleichzeitigen Femcnmorde
ä'sietx <»°"durg, München und Wien, an das ver-
'ionfekt im Rathenau-Prozetz.
, ÄZaZ m
Mvtzr - , k>t diese!» raffinierten System auf Ver-
^i"e x, E'te gegenüber auf der Seite des Staates?
we gee Freude Naivität der Gerichte,
!""diM "dezu verblendete Ignorierung der offen-
n rgsr^ Zusammenhänge. Als beim Meckton-
a '""Id die Hauptschuldigen und Anstifter
»byh. berausredeten, daß man den Getöteten
/.""lt . verprügeln wollen, findet dies der Staats-
j die äußerst glaubhaft, so glaubhaft, daß
bi« ^mtentlassung der Mordanstifter beschließt,
'nr ' Säkoinmandos bestellt, die Papiere des Ge-
u^""ia ? und die Kosten seiner Trunken-
df eben ^^big bezahlt haben. Staatsanwälte
Beste """" geneigt, von ihren Mitmenschen
li, '"orde,,""i"uehmm. Wenn in einem Hause ein
P'ute liegt, während ein zweiter
durch die AuSgaugsiür schreitet, so kann

»ran doch nicht ««nehmen, daß dieser jenen getötet
hat. Er kann ja auch die Leiche ein wenig geknutscht
haben--
IV.
In solchen Fällen sagt man: so geht eS -richt
Weiler. Es geht wirklich nicht. Entweder rafft der
Staat sich auf oder er wird zum Gespött. Ungeziefer
rottet man aus oder man wird von ihm aufgefressen.
Eine Verschwörergesellschaft, die mit konsequentester
Systematik das Gesetz zerstört, mutz äußersten Falles
außerhalb des Gesetzes gestellt werden.
Gegenüber dem gänzlichen Versagen der normalen
Justiz war der Staatsgerichtshof gewiß ein Fort-
schritt. Aber auch er arbeitet, wie der Fall Ehrhardt
zeigt, viel zu langsam, auch er fesselt sich viel zu
stark durch juristische Bedenken. Zur Ausrottung
dieses Verschwörertreibens bedarf eS republi-
kanischer Standgerichte. Wer einer jener
Geheimorganisationen angehört, die Zerstörung jeder
Gesetzlichkeit auf ihr Banner geschrieben haben, stellt
sich außerhalb des Gesetzes und hat selbst den Schutz
verwirkt, den das normale Recht in normalen Zeiten
auch dem Verbrecher angedeihen läßt.
Juristen mögen über diese Forderung ein Ge-
schrei erheben. Hier handelt es sich nicht um die
fleckenlose Schönheit juristischer Konstruktionen und
Theorien, sondern um die eiserne Notwendigkeit, in
einer Zeit äußerster Gefahr gegen eine eng verbun-
dene Schar prinzipieller Gesetzesvervrecher durch-
zukommen. Es muß dem Staat, will er sich nicht
aufgeben, gestattet sein, ohne große Umständlichkeit
jeden, der zu dieser Klique gehört, unschädlich zu
machen. Wir haben früher über Italien gelacht, wo
ein Rinaldo oder Musolino jahrzehntelang dem ge-
samten Polizei-Apparat trotzen konnten. Was wir
heute in Deutschland erheben, läßt Maffia und Ca-
morra weit hinter sich. Die gewöhnlichen Mittel
haben versagt. Es gibt nur noch zwei Mög-
lichkeiten: entweder man resigniert oder
man greift zu außergewöhnlichen Maßnahmen. Wer
das erste nicht will, muß den zweiten Weg gehen.
Ein Drittes gibt es nicht.

Die Lage im Reich.
Eine unvollkommene Denkschrift.
Zu den» Leiianssatz des Genossen Sch ei de-
in a n n wird uns von der R c! ch s; e >l t r a l e ftt r
Hetmatdienst geschrieben:
„In der als unvollkommen kritisierten Denk-
schrift über die Reparationsfrage handelt es sich
um eine Zusammenstellung von Material, das Vor-
wiegend als Unterlage für die Behandlung der
Reparationsfrage und ihren Einfluß aus den
Währungsverfall bestimmt ist. Deshalb
war Wohl die kalendarische Feststellung notwen-
dig, daß das deutsche Waffenstillstandsangebot sich
auf di« B e r s p r e ch u n g en W i l s o n s, zuletzt
noch in seiner Rede in Newyork vom 27. Septem-
ber 1918, stützte, aber es entfiel di« sachliche Not-
Wendigkeit der kalendarischen Behandlung einer
i n n e r politischen Frage, die mit dem Repara-
tionsproblem unter außenpolitischen Gesichtspunk-
ten nur lose zusammenhängt. Ihre Einbeziehung
würde den Rahmen einer derartigen auch schon
aus räumlichen Gründen auf engste Zusammen-
fassung abgestellten Arbeit gesprengt und daher
deren Zweck widersprochen haben."
Das ändert natürlich nicht das geringste an der
Tatsache, daß die ergänzenden Feststellungen des
Genossen Scheidemann höchst zweckmäßig und
zeitgemäß sind. Die Zentrale für Hetmatdienst
würde sich ein großes Verdienst erwerben, wenn sie
dabei behilflich sein wollte, auch diesen Fest-
stellungen möglichst weite Verbreitung zu ver-
schaffen. Denn ohne die Ergänzungen Scheidemanns
ist die Denkschrift ungenau und einseitig wie alles
„DoknMentenmateriak".
Heinze und Ehrhardt.
Der „Sozialdemokratische Parlamentsdienst"
schreibt: Der Reichsjustizmintster Heinze könnte
günstig wirken, wenn er sich nicht in seinen ange-
kttndtgten Recherchen auf das vergebliche Bemühen
beschränken würde, den Vorsitzenden des Staats-
gerichtshofes Dr. Schmidt zu entlasten. Gerade
hier ist dem Herrn Rcichsjustizminister Gelegenheit
geboten, zu zeigen, daß es ihm um eine unabhängige
und unbeeinflußte Rechtspflege ernst ist, indem er
sich über Dinge ausspricht, die sich während der vom
Reichsgerichtsrat Dr. Metz geführten Vorunter-
suchung zum Fall Ehrhardt abgespielt haben. Er
könnt« z. B. mitteilen, warum er während der Vor-
untersuchung und nach der Verhaftung Ehrhardts
wiederholt selb st oder durch von chm beauftragte
Dritte in Berlin und Leipzig wegen der Sachvehand-
lung sich an den Untersuchungsrichter gewandt hat
und auf welche gesetzlichen Vorschriften sich diese
„Fühlungnahme" stütztel Weiß Herr Heinze
auch, daß der Untersuchungsrichter sich wiederholt
energisch diese „Fühlungnahme" verbeten hat
und will Herr Heinze leugnen, daß diese „Bespre-
chungen" und „Fühlungnahme" mit dem Unter-
suchungsrichter zugunsten Ehrhardts erfolgt sind?
Vielleicht erinnert sich Herr Heinze auch der Persön-
lichkeiten, di« im ReichKjustizmtnisterium und beim
Reichskanzler Cuno zur Fürsprache für Ehrhardt
erschienen sind, bevor die schon erwähnte „Füh-
lungnahme" mit dem Untersuchungsrichter erfolgte?
Es Wird auch für die Oefsentlichkeit interessant seist

zu erfahren, ob Herr Heinze solche Fürspreche« per-
sönlich empfangen hat und welchen Inhalt die
Besprechungen hatten, die mit dem Senatsprästden-
ten Schmidt mit Wißen deS Reichsjusttzmintsters
nach Einreichung der Anklageschrift erfolgt sind?
Eine aufsehenerregende Verhaftung
zur Flucht Ehrhardt».
Berlin, 24. Juli. Die „Dessauer Zeitung"
teilt mit, in Gernrode wohnt seit Jahresfrist ein
Freiherr von Pusch, welcher mit einer Eng-
länderin Carpenr verheiraiet ist. Der Mann ist als
Pflanzer aus Südafrika ausgewiesen worden und
ist in seinem bisherigen Verhalten nicht ausgefallen.
Beide Eheleute sind gestern auf Veranlassung des
Oberreichsanwalls durch Berliner Kriminalpolizisten
verhaftet worden. Es wurde bei ihnen ein völlig
ausgearbetteter Plan über Ehrhardts Flucht gefun-
den. Auch hat der Mann ein Tagebuch geführt
niit den Namen aller Beteiligten. Dieses Schriftstück
wurde beschlagnahmt. Das andere Schriftstück ent-
zog die Frau dadurch den Zugriffen der Polizei, daß
sie es verschluckte. Die Eheleute sind im Auto nach
Leipzig gebracht worden und wurden dort in Hast
genommen. Der Mann setzte sich bei seiner Verhaf-
tung zur Weh«.
Stresemann gegen den Bürgerkrieg
Abg. Stresemann, der Führer der Deut-
schen Volkspartei, äußert sich in einem Artikel gegen
die Hetze zum Bürgerkrieg wie folgt:
Es ist unverantwortlich, mit welcher
Kaffeehaus st intmungsruhe manche Leute
vom künftigen Bürgerkrieg sprechen. Der Sie-
ger in diesem Kampfe würde aus de» Trümmern
der deutschen Einheit und wahrscheinlich
auch auf den Trümmern des letzten Restes des
deutschen Wohlstandes stehen.
Eine Ansicht zur Lage.
In einer Polemik gegen Nattensängertöne der
Pariser Presse zieht Genosse K r i e d r i ch S t a mp -
fer folgendes Fazit der politischen Situation:
Was- könnte eine sozialdemokratische
oder von Sozialdemokraten wesentlich
beeinflußte Negierung, wenn sic heute in
Deutschland ans Ruder käme, tun? Sie könnte durch
Schaffung w er t b e st ä n d i g e r An l eih e n und
durchgreifende Steuerreformen den
Fall der Mark ins Bodenlose bis zu einem gewissen
Grade aushalten. Sie könnte das Bestreben der
Lohnempfänger nach wertbeständigen Löh-
nen fördern. Sie könnte die Einzelregierungen,
die dazu Willens sind, im Kampf gegendiekon-
t e r r« v o l u t i o n är e U n t e r w tt h lun g urtter-
stiitzen.
In der auswärtigen Politik müßte sie
aber zunächst auch einmal abwarten, wie sich die
englische Aktion weiter auswirkt. Und sie dürste
dabei auch nicht übersehen, daß eine gründliche Bes-
serung der schier unerträglichen Zustände, in denen
wir uns befinden, von der Seite der auswärtigen
Politik ausgehen muß. Eine Kapitulation
könnte an diesen Zuständen nichts bessern, sie würde
sie nur verschlimmern und sie für alle absehbare Zeit
unabästderlich machen.
Eine Warnung.
Frankfurt, 24. Juli. Die gemeinsame De-
monstration (wir berichteten bereits gestern darüber)
nahm eine» blutigen Ausgang. In der Schwi»bi-
st raße kam es zu Auseinandersetzungen zwischen
einer Rotte von jungen Burschen und dem dort
wohnhaften Staatsanwalt Dr. Haas. Der
im Erdgeschoß wohnende Staatsanwaltschaftsrat Dr.
Haas wollte die Vorgartentür schließen, als die
Menge nahte. Plötzlich fielen zwe, Schüsie. Die
Menge stürmte ins Haus. Das Mobiliar wurde
z er trümm ert, viele wertvolle Gegenstände wur-
den geraubt. Die Menge schlug mit Stöcken und
eisernen Gegenständen aus Dr. Haas ein, man zerrte
ibn zur ES« der Besthovenstratze. Später wurde
der Schwerverletzte in die nahe Apotheke gebracht,
wo er nach kurzer Zeit starb. Auch die Frau des
Ermordeten und sein im ersten Swck wohnender
Vater wurden mißhandelt.
Der Allgemeine Freie Angestelltenbund („A f a")
stellt fest, daß die Mitteilung in der Samstag-Aus-
gabe der Frankfurter „Volksstimme", auch Asa und
Gew e rksch af t s k a rt ell forderten zur Teil-
nahme an der Demoustratton auf, nicht den Tat-
sachen entsprechen. Der Name des Afa-Ortskartells
sei, o h n e Z u st i m ur u n g des Afa-Kartellvorstan-
des und ohne Kenntnis des Wortlauts des Ausrufs
genannt worden.
Die Ermordung des Staatsanwalts
Dr. Haas.
Frankfurt a. M., 24. Juli. Ueber die Vor-
gänge, welche der Ermordung des Staatsanwalts
Dr. Haas vorangegangen sind, machte heute mit-
tag Oberstaatsanwalt Dr Becker in einer Konfe-
renz von sämtlichen Beamten der Staatsanwalt-
schaft folgende Mitteilungen: Dr. Haas begab sich
auf Aufforderung seines Vaters in den Vorgarten,
nm die Gartentür abz »schließen. In diesem Augen-
blick kam der Zug an. Dr. Haas lehnte die Auf-
forderung a b, int Zuge mitzmnarschieren. Die

Menge drückte das Tor ein und plünderte. In eine»
Mlseinandersetznng mit den Eingedrungenen be-
stritt Dr. Haas, daß er geschosssen habe. Di«
Meng« wollte schon abzirhen, da ertönte plötzlich eine
Stimme: Schlagt ihn nieder. Man stürzte auf tbn
los, zerrte ihn auf die Straße und schlug mit Back-
steinen und Eifenstangen auf ihn ein, bis er kett«
Lebenszeichen mehr von sich gab.
Aus Anlaß der Ausschreitungen hat der Polizei-
präsident Versammlungen unter freiem
Himmel bis auf weiteres verboten.
Im übrigen ist der Vorfall eine Warnung Vol
gemeinsamen Aktionen mit den Kommunisten.
Hakcnkreuzler an der Arbeit.
Frankfurt a. M., 24. Juli. Gegenüber Ver-
lcumduugsversuchcu der „Franks. Nachrichten" wird
der „Volksstimmc" geschrieben: Es wird den
„Frankfurter Nachrichten" bewiest» werden, daß
zahlreiche „völkische" Agitatoren es waren,
Leute also, die ihren „S ch tt tz'ttingen nahe steben,
die immer und Immer wieder versuchten, die Masse
zu Plünderungen und Ausschreitun-
gen aufzuheben. Drei von diesen Leuten wurden
aus Veranlassung unserer Ordner von der Polizei
fcstgenommen, mehreren wurden Schlag Werk-
zeuge und Revolver konfisziert, leider gelang
es nicht in allen Fällen, die Namen der Provokateure
fcstzustellen. Auch der Redakteur der „Deutsch-
völkischen Runds cha u", Windmcier,
hatte sich längere Zeit auf dem Paulsplatz ausge-
halten und mehrere seiner Anhänger wurden
gestellt, als sie zu Pogroms a u ff o r d e r t e n.
Es war offenbar gestern beabsichtigt, in Frankfurt
etwas ähnliches Wie kürzlich in Breslau und
Gieiwitz anzuzetteln; daß dieser saubere Plan
nicht gelang, dafür gebührt den Ordnern, die gestern
wahrwaftig keine angenehme Arbeit hatte» allge-
meiner Dank.

Münchener Schindludcrpolitik. Kausmann Fried.
Engel-München, der Führer eines Zuges von
Nationalsozialisten, die Stahlhelme trugen und au
der Spitze eine H a k e n kr e u z l e r f a h n e geführt
hatten, wurde auf Grund der Notverordnung wegen
Veranstaltung eines unerlaubten Umzugs von dem
Münchener Volksgericht nach einstimmiger
Bejahung der Schuldftage, zu 100(MO Mark
Geldstrafe verurteilt. — Die milde Strafe zeigt
die Denkart des Münchener Völksgerichts sehr dra-
sttsch.
Sechs Monate Gefängnis
für die Hohenlohe.
Leipzig, 24. Juli.
Im Ehrhardtprozeß kant heute der Ober-
reichsanwalt vor dem Staatsgerichtshof zu
seinem Plaidoyer gegendiePrinzessinHo-
hen > ohe wegen Meineid. Er kritisierte die Zivil-
kourage Ehrhardts, der ein gemeines Verbre-
chen begangen habe, indem er die Prinzessin Hohen-
lohe zum Meineid veranlaßt habe. Die Tatsache
des Meineids der Prinzessin sei klar.
Die Verteidigung der Prinzessin, sie habe Ehrhardt
geglaubt, als er ihr sagte, Ehrhardt sei tot und nur
noch Herr von Eschwege lebe, sei eine dnmmeBe -
hauptung. Die Prinzessin sei nicht weltfremd,
denn sie war 5 Jahre Krankenschwester und hat einen
Handelskursus mitgemacht Da die Prinzessin am
nächsten Tage den Meineid widerrief, komme ihr der
8 157 zugute.
Zum Schluß seiner Ausführungen beantragst der
Obcrreichsanwatt ein Strafmaß von A Monaten
Zuchtbaus , die in eine Gefängnis st rafe
von einem Jahr um,zuwandeln sei.
Das Urteil lautete darauf wie folgt: Die An-
geklagte wurde wegen Begünstigung in Tateinheit
mit Meineid unter Zubilligung mildernder Umstände
zu einer Zuchthaus strafe von 4 Monaten
verurteilt, die jedoch in eine
Gefängnisstrafe von 6 Moimten
umgewandelt wurde. Die Kosten des Verfahrens
wurden der Angeklagten zur Last gelegt.
In der Begründung des Urteils gegen die Prin-
zessin Hohenlohe wird gesagt: Der Angeklagte Ehr-
hardt habe sich des H o ch v e r r a t s, zum mindesten
der Mittäterschaft schuldig gemacht. Bei Prin-
zessin Hohenlohe ist der Tatbestand des Mein-
eids seslgestcltt. Wenn die Angeklagte auch unter
der Einwirkung der beiden gewissenlosen Ver-
führer Ehrhardt und Liedig den Meineid leistete, so
sei sie dennoch zu verurteilen, doch liegen daher
Gründe für Strafmilderung vor.
Die Haft der Angeklagicn könne der Staats-
gerichtshof nicht aufheben. Die Prinzessin
wird daher nach dex Urteilsverkündung sofort wieder
ins Gefängnis abgeftihrl.

Internationale Lage.
Internationale nnd Ruhrfrage.
Lands n, 27. Juli. Vorgestern wurde in Lon-
don eine Konferenz abgchaltcn, die von dem. Au-
rea» der Soziaksiischen Internationale eiuberujeü
 
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