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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 151 - Nr. 160 (3. Juli - 13. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48727#0291
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Holungen Nachlaß irach Tarif. Tel,. ELpedttion W/^ u.Redak.2873.
' rggks'ZeltMg für die werktkltlge BevSttermg Sll Amlßbezrtte SekdklSers. Wiesloch. KMeiN, kVVisgea. Kervsch. Mosbach. Juche«. MIshkU Vorbera. raubkrSWoMiN u. Wttttzelw

Heidelberg, Dienstag, den 10. Jnli 1923

Jahrgang

Nr. 157

ZN WWW SkS NUAilll
WNlllMMW.
Müuchen, 9. Juli.
Im HochverratSprozetz Fuchs wurde
heute vormittag 9.15 Uhr das Urteil
gesprochen. Es lautete gegen Prof. Gg.
Fuchs wegen eines Verbrechens eines
hochverräterischen Unternehmens auf
zwölf Jahre Zuchthaus, eine
Geldstrafe von 2 Millionen Mark sowie
Aberkennung der bürgerlichen Ehren-
rechte auf zehn Jahre; gegen den Koh-
lengroßhändler Joh. Munk wegen
eines Verbrechens der Beihilfe zu einem
Verbrechen des hochverräterischen Un-
ternehmens aus ein Jahr drei
Monate Zuchthaus, eine Geld-
strafe von 3V Millionen Mark, Aber-
kcnnung der bürgerlichen, Ehrenrechte
uns drei Jahre sowie Ausweisung aus
dem Reichsgebiet. Der Kmlstnann Jo-
hann Berger sowie die beiden ange-
* klagten Brüder Rudolf und Richard
Guterman» wurden sreige-
sprochem
Die Angeklagten Kühles mrd
Machhaus baden sich bekanntlich
r-. durch Selbstmord der Gerichtsbarkeit
entzogen.
Das vorliegende Urteil wird Wohl wenig debat-
iiert werden. Die Verurteilten sind höchst gleichgül-
tige Männer. Was für die Oeffenllichkett in Frage
kommt, das ist das Müirchener System, jenes System,
das den Urhoden abgibt zu Gewächsen, wie wir sie
iü den lebenden Verurteilten und durch Selbstmord
aus dein Leben geschiedenen Angeklagten vor uns
Haden. Nur ein haar Männer sind erledigt. Das,
was ihnen ihr Tun ermöglichte, ist geblieben. Das
^dielen mit dem Putsch ist in München zu
einer Art neuer Gaudi geworden. Jede Gruppe
^bettet für .ihren" Putsch. Und ie nachdem, ob ein
Anderer für diesen Putsch zu haben ist, oder „seinen
eigenen Laden" austnacht, gilt er als „zuverlässig"
Ader nicht. Die Ausgelieferlen und Gehängten —
A>s letztere zum Teil in des Wortes ursprünglichster
Bedeutung — sind natürlich die Kleinen und Unbe-
deutenden, die Großen waren nicht auf der Anklage-
bank zu sehen. Für sie gab es deshalb auch kein Ge-
richtsurteil.
Sicher aber gilt für diese Geheimzirkel, die alle
Augenblicke den deutschen Heldengeist gegen den eng-
iifchcn oder jüdischen Händlergeist zitieren, das
"vechewort: „Am Golde hängt, zum Golde drängt
' - Da treten Typen auf, wie der »mttonalfozia-
/lsische Anführer Stteglbauer, der die Aktion des
^iachhaus mitnracht, weil sie gegen die Inden gehe
Und cr bes dieser Gelegenheit sein von einem Juden
gepachtetes Grundstück als Eigentum anfich zu reißen
Aosft. Mw selbst der wildgewordene Tfcheka-Führer
Rüge (gegen ihn schwebt bekanntlich ein neneS
Erfahren), von dem Ubland gesungen hätte: „Und
As ex stmu, ist Blut!", vergißt nicht, sich anderthalb
Millionen in ausländischen Devisen als „Sicherung"
seine Faurille anSzubedingen.

Aber die Sache hat noch bedeutend ernstere Sei
A. Vor Mein merkte man bei der Prozetzverhand-
sofort eine Wand des Widerstandes, sobald es
V" darum handelte, nicht mir die Schuld der vor-
Geschehenen Marionetten nachz«weisem som
cNi in dieTiefen des OrdnungSsmnpfes hinein«
Meuchlen. Bis jetzt ist die Frage noch nicht geklärt,
§rum der bayerische Innenminister Schweher
sein Poltzeipräsideu Nortz, der Nachfolger
^vehirers, den französischen Menten Richert durch
y? Lappen gehen ließen. Auch das Verhältnis des
"geklagten Fuchs zu Polizeipräsident Poevner
>» Oberamtmann Frick ist ein sehr merkwürdiges,
iem Eem wer jedoch beachtlich die Behauptung des
verurteilten Fuchs, vom Kronprinzen
Ein? Brecht einmal beauftragt gewesen zu sein, die
^"dung eines franzSsischeir Gesandten zu einer
'Aschen Aussprache zu bewirken.
dz ^ozetzverlauf nnd Gerichtsurteil lassen daher
kej eu«-i am München«! Sumpf im Dunkel, schaffen
k. euej Sicherheit gegen weitere Ausdünstungen,
n i, ""d Machhaus HMen, n u r p l u Nr p e r u n d
dsx ,schickte r, ins Werk zu setzen versucht, was
Ngz:I^H r end en Köpfe des bayerischen Natio-
seit lantgem planten. Dafür, daß sie kleine
^aa» n^d, hat man sie gehängt. Die große« laufen
de« r« vor unbehelligt herum und wenn man aus
rhtz„tz^v;eßverhandlungen irachliest, Mt tvelcher Si-
do,. "nd Selbswerständlichkeit hier fortwährend
Aattchk Mobilrsiemng der Ehrhardtbrigade, der
red/, s^/kozialtsten und der verschiedenen Bünde ge-
d>.^//cd, dann begreift man, das; die von Bayern
fcwr i Gefahr noch irmner riesengroß ist, eine Ge-
Si e jI°Alil für die Republik wie Mr die
des Feinheit, denn die PwpaganduMteitnng
^ü>^?^dstschen Außeinniniskerintns Hat in der
det«^ver Ordnungszelle seinen besten Verbttw-

Das bayerische Kesseltreiben wider
dar Reich.
München, 7. Juli. (Eig. Bericht.) Durch
eidliche ZeuMuausfcrgen in, Hochverratsprvzeß
Fuchs-MachllMs wurde erhärte«, daß die Separa-
tioirSbestrehungen Bayerns vom Reiche bereits 1921
feste GestMt a>rsenoimnen haben; ferner erfuhr man,
daß schon damals bayerische Regierungsstellen sowie
MichWMrdgn von diesen Dinge« Kenntnis be-
kommen Wtton. Kurz vor dean Prozeß hat der
HtcmptzetMe Mayrtn einem Briefe an do» bayeri-
schrn Jnmentntinsster diese Zusaumrenhänsge von
neuüm dwftgslegt, nm wenigstens zusammen mit
dein Prozeß eine restlose Aufklärung zu verairlassen.
Dieser Bries, >der heute tn der „Münchener Bost"
veröffentlicht wird, erhebt von neimn schwere An-
klatasn gegen die Männer, die heute in vorderster
Reche sogenannte vaterländische Politik in Bayern
machen. Es wird daraus hingewiefen, daß im
Herbst 1921 kurz irach dein -Mleben des ehemaligen
Königs Ludwig III- von einem Kouventtkel der
Plan betrieben wurde, gelsgsntlich der Beisetzung
dir:
Monarchie wieder i» den Sattel
zu Heden. Diesem Kouventtkel gehörten u, ar an:
Dr. Pilling« r, OderlandgeriMsrnt Poehne r,
MgiermWsprästdent Kahr, Reichswehrgeneral
Möhl, Regierungsrat Soden. Die Pläne dieses
Kontventikets wurden dem Major Mayr bekamst und
er «verrichtete den. damals in München weilenden
Dtamskommissar von Nüruiberg-Fürth, den Ober-
rogterungsrat Gareis, der spontan der Ansicht
war, daß mau diese Dinge ungesäumit der Reichs-
regiemng iintterlen müsse. Die Unterrichtung, der
Reichsregtenmg erfolgte nun unter voller Initiativ,
des Stamskommissars Garets durch Mitteilung an
einen Obersten im Reichswehrministerium, dem jetzi-
gen General Herrgott und an LeMtwnsrat
Will. WM setzte den Reichspräsidenten
dvvon in Kenntnis, und dieser ließ den- Major
Mayr zu sich zum Vortrage bitten. Zwei Tagp dar-
auf besprach sich der Reichspräsident Mt dem dama-
ligen bayerischen Aiinisterpräsidenten Gral Lei-
che «feld, der diese Dinge ins Lächerliche zog und
dct:n es offenbar gelang, ei« E i n greisen der zu-
ständigen Reichsstelle In Bayern zu v» rbirvder n.
Die M ittettungeu in diesem Briese sind mich nm
deswillen interessant, als Minister Schweher be-
kanntlich gegen de« Bürgermeister Dr. Luppe von
Nürnberg ein großes Kesseltreiben »M» et« Diszi-
Mnarvevfahren veranlaß: hat, üx>i« dieser angeblich
unter Umgehung seiner vorgesetzten Behörde (Mi-
nisterium des Innern) sich direkt au das Reich um
Hilfe gegen Rechtsputschisten gewandt hat, während
Schwester wogen desselben Delikts gegen einen
seistter politischen Beamten, das ihm wohlbekannt
war, nicht im geringste« vorgegangen ist.
Die deutschvölkische
Gassenpolitik.
Adam Röder, der als gut konservativ«»
Maam seine ins völkische Fahrwasser abgelvander
ten Fwnnde gut kemst, schreibt dev deutschnationalsn
Intelligenz folgendes ins SWnlmHuch:
„ . Die Intelligenz in Ächt chstmlgls
kMerpativm Kreisen hat völlig ad ge-
dankt Professoren, AkaidenMer, Pfarrer, Ad-
lige, Studenten, höhere Beamte Haden sich — weil
der Umkreis ihrer Macht- und Einflußsphäre
durch die Heurige Entwicklung eingeuM erschein«
— selbes gerechten und sachlichen Urteils dsgeden
und folgen, von Instinktiven getrieben, den rohen
Einpeitschern einer billigen Demagogie
die sich vornehmlich an eirvsm auf anständige
Menschen ekelhaft wir lenden Antife-
mitism »s derauscht. Daß Geister, deren m o -
ralische Brüchigkeit M jeden UndeswUe
neu auf der HaM> liegt, wie Reventlow,
Wulle, Di »ter, Kunze, Maurenbre-
cher mtd der 'm jeder hawsvogs normal nationa-
lon Getstesverfasinng unmögliche Hitler rms-
gerechnet rechts eine Rolle spielen können, das
beweist mehr als alles andere et» Zurückebben
der deutschen Geistigkeit aus der Sphäre der Ge-
rechtigkeit «nd des JdeaMW-us in die Niede-
rung triebhafter Instinkte . . . Was
sich heute als „Rechte" au flut, ist bilttger Oppor-
tunisuMs, S chl ag!w o rt P o liti k der
Gasse, Ncsscntlment der politisch, sozial und
wirtschaftlich Disqualifizierten und Ku-
lisse der im Kapitalismus investierten skrupellos
voridringciWde« GroßiiMtstvie."
Ob diese Feststellung wohl klärenden Einfinß
Hat, oder ob «ich. die politische Vervunwmng der
völkischen Kreise bereits zu weit gediehen ist?
Nationalsozialistische Helden.
München, S. Juli. Mit der Erzählung, daß
von jüdischer Seite auf die Ermordung Hit-
lers eine Belohnung von Millionen ausgesetzt
worden iet, peitschten im April die Nationalsozia-
listen ihre Anhänger auf. Es stellte sich bald heraus,
daß die Attentatsgeschichte die Erfindung eines
Nationalsozialisten Richard Weber war, eines üb-
len Burschen, der dainit eine« Racheakt gegen einen
jüdischen Händler verüben wollte, der ihn wegen
Unregettnäßigkeiten entlaste« hatte. Weber WMe

verhaftet, da er offen Mordabsichten gegen na-
tionalsozialistische Führer geäußert hatte. Kürzlich
ist er von dem Schöffengericht auch noch wegen
Diebstahls von Türklinken und Schwindeleien
zu 5 Monate» 1 Woche Gefängnis verurteilt wor-
den.
Wieder ein politischer Mord?
In der Nähe von Bochum wurde vor wenigen
Tagen etne Leiche aufgefunden. Unser Dortmunder
Parteiblatt berichtet darüber:
Die Obdukttonder Leiche hat ergeben, daß
der Tod dmch einen Schutz tn den Hinterkopf ver-
ursacht tvurde. Da man an der Weste des Toter:
ein Hakenkreuz fand, ist anzunehmen, daß es
sich mn einen politischen Mord handelt. Es war
noch nicht möglich, die Personalien des Toten fest-
zustellen, da in den Kleider« keine Papiere gefun-
den wurden. Auffällig ist, daß von den Ange-
hörigender Tote bisher nicht reklamiert wurde,
worauf man schließt, daß er von auswärts
stammt. Die Mörder wollten' anscheinend einen
Raubmord vortäuschen, denn der Kopf des Toten
lag auf einem 1000-Markschein.
Es ist bekannt, daß die Hakerrkreuzorganisationen
jede«, der irgendwo „aus der Schule geschwätzt" hat,
zu beseitigen! trachten. Gewisse Schlüsse sind
also nicht von der Hand zu weisen.

Internationale Lage.
War wird England tun?
London, S. Juli. Die englische Regierung
scheint die Hoffnung aus eine kürzlich von Pariser
Seite ausgesprocheire schriftliche Antwort
endgültig anfaegeben zu haben. Somit steht Eng-
land ohne Aussicht aus eine Aenderun-g der Pariser
Gesinnung der Provokativen Phrase Poincares ge-
genüber, daß keine Macht der Welt Frank-
reich vom bisherige» Wege ab drän gen
könne. Die Entschlossenheit der englischen: Regie-
rung, hierauf durch die Flucht an die Oeffentlichkeit
»nd ein«» Appell an das Urteil der Welt
zu antworten, wurde durch die Rede» del Ka-
btnettswitglieder Chamberlain und Amery ange-
deutet, indem diese sagten, daß nunmehr die Zeit
für eine entschiedene Politik gekommen sei.
London, 9. Juli. Die letzten Meldungen zei-
gen, daß man in England dem europäischen Kon-
flikt allmählich stärkere Interessen entgegenbringt.
Allgemein ertönt der Ruf nach größerer Aktivität der
englischen Politik. Neben anderen solcherart gerich-
teten Stimmen kam dies vor allen: in einer Rede
des Wohmurgsministers Chamberlain zum
Ausdruck, der u. a. erklärte, um« könne den Dingen
nicht weiter ihren Lauf lassen, denn die
Fragen, die auf dem Spiel stehen, berührten nicht
Frankreich Mein. Um die harmonischen Beziehun-
gen zwischen den Ländern zu erhalten, sei jetzt die
Zeit gekommen:, tu der es notwendig sein würde,
entscheidende Schritte zu untern-ehmen.
Mang?! an Mut.
Berkin, 9. IM. Der SPD. schreibt: Die
Forderung der französischen und belgisch:« Regie-
rung nach Brandmarkung der Sabotageakte im
RuhrL.hici hat Mo im geheime»« bereits Ge-
nugtuung gesunde«. Die Reichsregterung ha«
sich dce.nAls im Verlauf >der Verhandlungen mit dem
päpstlichen N-wntms und den Besprechungen mit de:
Preußischen Regierung bereit erklärt, ihre unterge-
ordneten Instanzen anzuümssen, daß in Zukunft den
Attentätern jede Unterstützung versagt wird. Oef-
sentljch scheut rnast diese Genugtuung Ms Liebe zu
den Deutschnatlonallen und den völki-
schen Kreisen, die sich nicht nur als intellektuelle
Urheber der Attentate im Ruhrgebiet gebärden, son-
dern die in der Tat auch die Förderer des aktiven
Widerstandes in jsder Beziehung sind. Den Schritt
Frankreichs und Belgiens ttr Berlin hätte sich Herr
Enno ersparen können, wem: er frühzeitig mit
Entschiedenheit gegen die Sabotageakte, vorgegangen
wäre. Wir werden darüber «Nachen, daß die betref-
jeinde Anweisung nicht nur tatsächlich erfolgt, fon-
dem auch in strengstem Maß- durch geführt
wird Versagen, einzelne untergeordnete Instan-
zen, weil sie sich gewissen Organisator:en gegenüber
aufgrund ihrer Vergangenheit verpflichtet fühlen,
dann hat die Reichsregterung mit der vollen Schärfe
des Gesetzes einzngreifcn.

Vom besetzten Gebiet.
Eine Brutalität.
Darmstadt, 8. Juli. (Eig. Bericht.) Am
Freitag abend wurde in der an der Peripherie der
Stadtgrenze gelegenen Waldkolonie eine Bekannt-
machung der Franzosen angeschlagen, die besagt, daß
die Bewohner der ehemaligen Fuukerkaserne, die sich
in diesem Gebiete befindet, bis zum 14. Juli, abends
7 Uhr erklären sollen, ob die dort wohnenden Eisen-
bahner bereit sind, für die französisch-belgische Regie
Dienste zu leisten. Andernfalls soll die A u s-
weisung der dort wohnenden Eisenbahner erfol-
ge»». Gleichzeitig wurde die ehemalige Bunker-

kaserne unter militärisch! Bewachung gestellt. Die
darin wohnenden 83 Familien, die sich meist aus
Eisenbahnern zusanrmensetzen, dürfen aus ihren
Wohnungen nichts fortschaffen. In der in der Nähe
befindlichen genossenschaftlich errichteten Waldkow-
nte wohnen ebenfalls etwa 100 Familien, die von
dem Befehl der Fanzosen zwar »roch nicht direkt be-
rührt werden, jedoch in großer Aufregung sind nnd
ebenfalls befürchten, daß dte Ausweisung über sie
verhängt wird. In den EiserrbahMverkstätten arbei-
te,»! zirka 100 von den Franzose»: angeworbene Ar-
beiter, meist Elemente sehr zweifelhafter Natur, dar-
unter verschiedene Franzosen, die auch iu Betriebe
esfeit und schlafen. Die Erregung unter der Einwoh-
nerschaft ist sehr groß. Ausgewtesen wurde bis jetzt
nur der Kantinenwirt der Wcrkstätte, weil sich dessen
Fran weigerte, für dte Franzosen zu kochen,.
Ein neuer Mord.
Ob e rll a u s en, S. Juli. Am Samstag wurvt
in Oberhausen etne Kellner Kruse von einem bel-
gischen Soldaten angehalten und nach den
Papiere» gefragt. Dann wurde er um das Wohn-
haus herumgeführt lind durch drek getötet.
Seine Frau war vom Fenster ans Zeuge.
Französische Sicherung.
Buer, 9. Juli-. Zur Sicherung gegen Saho-
tatgoakle wurde a.^geordnet, daß in jedem Per-
sonen zng, der die Strecke der sranrösi'ch belgi-
schen Regli« von Buer nach Oberhaus-» fährt, 50
Deutsche E G e i ß ie l n. mttsahre» müsst». Für
M-ni Tag stich 50 neue Geiseln bestimmt, die
»rach Der Reihe init Den Zügen fahren Missen. Auch
in Gladbeck hat die Bewynngsbehörde 48 Bür-
ger als Geiseln auf den militärischen Strecke» be-
stlNINtt.
Ausweisungen nnd Besetzung.
Mainz, 9. Juli. Heute vormittag wurde»» dct
soztalDem. Parteisekretär Freitag,
Rechtsrat Dr. Falk von der Stadtverwaltung »:nD
Justizrat Max Levi «ach Darmstadt ausgewiese».
Dem Führer der demokratische»»! Partei, Großkauf-
mann Ehrt st, der ebenfalls den Ausweisungsbefehl
erhielt, wurde »oegen Erkrankung seiner Frau ein
Aufschub von 10 Tagen '.»gebilligt.
Dortmund, 9. IM. Die Trsmonta nwld-et:
Das Eisen- und Stahlwerk Hürch ,st gx.
stern vormittag gegen 8 Uhr von der: Franzosen
rnit großem militärischen Aufgebot besetzt wor-
den.
Saarbrücken, 9. Juli. Die Abschtiesmngs-
inaßnahmen der Rhcinlandkoinmlssion l.aben für
das Saargebiet reine Geltung. Die Be-
wohner des Saargebiets könne» genau wie die
Ausländer unter Vorzeigung eines roten Passes Die
für Ausländer freches.denen Rbeinüb-rgünge ohne
»netteres passiere».
Befetzungsgerrichte.
Die „Frankfurter Zeitung" schreibt:
In Paris und Brttsssl wird nut crnsten Re-
pressalie« Mr den Fall gevrobt, daß Deutsch-
land De« Missionschefs Frankreichs ». Belgiens in
der Angelegenheit der Duisburger Zng-
spreng»! n g bei der Retchsregicrung vorgebrach,
tcn F-st'tellmWM nicht ein- befriedig-»de Sr- 'dignng
gibt. So taucht aus (im Egenretnen «nzuv-riässi-
ger Quelle erneut das Gericht ans, das; eine mili-
tärische Besetzung Frankfurt bevorstehe.
Da Die belresselwc Meldung heute durch die Presse
geht, so wolle» auch wir sie registrieren. Was an ihr
zu halte» ist, lasse» wir dahingestellt.
Die Unfähigkeit der
„Fachmänner".
Berlin, 9. Init
De« Reichstags«usschuß zur Untersuchung ser
Vorgänge über den Marksturz setzte heute seine-
Sitzungen fort. Dabei erMben sich sensatio-
nelle Erscheinungen. So mutzte der Vor-
sitzende erklären, es habe sät, herausgestellt, daß die
wünschenswerte Zusa m in e»: arbett zwischen
den einzelnen Ressorts der Reichsregiemng bej Be-
schaffmrg des Devisenbedarfs der Reichsbank gefehlt
habe.
Vor Men: aber boten die Zeug-nanssagen Georg
Bernhardts, Chefredakteurs der „Voss. Zlg.",
größtes Interesse. Auf die Frage nach den Stinnes-
schen Psundkäufen äußerte Bernhard, daß dte
Summe von 60 000 Pfund für die damaligen Zeit-
verhältnisse recht hoch war und diese Mr die Börse
nicht unwesentlich gewesen sein konnte. Sttnnes
hätte sich »nit der Devisenbeschafsungs-
stelle in Verbindung setzen müssen. Das Verfah-
ren der Eise »«bah n behörd e, sich an Stimies
zu wenden, sei eine überaus große Arglosigkeit ge-
wesen.
Bernhard führt dann weiter aus, daß der
Zusammenbruch nicht auf solche Einzelfällc zuritck-
zuMhren sei; Schuld daran habe vielmehr die
starre Verteidigung, auf die sich die Reichs-
bank trotz der geringen Mittel, die ihr zur Verfüg»"«
standen, eingelassen habe. Auch dte von der Regie-
rung gewählte Form der D o l l a r s ch a tz a n l e t b k
sci ei»: unglückliches Experiment gewesen. Die tech-
nische« Maßnahme« der Markstützuug hätte« Erfolg
 
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