Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

DOI Kapitel:
Nr. 111 - Nr. 120 (15. Mai - 26. Mai)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48727#0063
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
„Hoheit
tie der
ßer Mieie^.
6000
isikwi
Uhr .

mmel

Luft»
w>u

.bed. 745,?

>,0 mm

Ober-ftis^
leit
en 18.
6 Dkr
Is gegen

Idertz
ciem

kZMW"
IS. 14. 1»-
ISÄSiS.gZjLZ
^9.38 3.26 3-Z
4.35^4.94 ;-t^S
^8.93g.97^3I^

l-snli asiS
isLisLÄet»
ill'
lei. 790)


z«e m
!RHkN^
;s 9 (Volk»'
storat).
hstunden fi"'
, und Freita»
von 8 l-i»
r statt.

^usnabi-


de!

:
MIM,
WMl,
ÄMk.

WfM,
so krsizza.
dllsilS
«
l8»8ltx.
b. ».
sse 23, I.
ir»i

irf decken 6^
gsten bei
Lkslk 5
ebr. Anzugs
.-, Bursche''
nzüge, E
in allen K»
- u. Kinde»
m- u. We»<
>ossn in eE
gestreift, ff
rktags, Er»
laue Arbeit^
nerjacken,
sonst Berff'
uswärtig»
inend! Z
eschlossemx

.
k
eg.Nachu-
izierdecke
, 10950,
Qualität
), 12950
n prim«
), 14500,
im. Q«a»-
3650. .
!750, 4950-
eine AnZ-
mui. li89ä-
MimM


5. Jahrgang

Heidelberg, Donnerstag, den 17. Mai 1923

Nr. 113


?'iue.»proi,^ Mon-tttch tinIchlUbl. iW ^WO WW Es S,s««t.ftunde»8-KU!>k. Sprech.
Mer^hn Mk «MN.-7 Nn.eigen. zW^ MWU WW^WM IM IM MMt. Ms». IM WM «M MW ö-nd.» der Redaktion: ll-I»Nhr
(Die einspalt. Petitzeile oder WBW^^ WW WW WA WM MW Poftiche-kkontoKarlsruheNr.rL77.
füv ai Raum (M nun breit) Mk. U», WA WW^WW VN DW WM Tel.-Adr.:Do!kszc,tung Heidelberg'
o„,ruswar«igc Mk. Soli. Reklame» WM. WAM AW^ DWk W8W WIM Druck». Verlag der Nntcrbadischen
Ureigen l71 mm breit) Mk. siir E U^U WWVW MMMM MM Weriagsanpalt iS. m. b. H„ Heidel.
r>usw^rtige Mk. 8vt>. Bei Wieder» V -WM «WM WWp WAM MkWdMWDM berg. Eeschäjr-stelle: Schrüderstr.8».
Ölungen Nachlaß nach Tarif. MM ^M U W8k Tel.: LapeSUi »n 2873 u. Redak.M7»
stger-zelim, fit llk weMAigk NÄllklM SN Mtsdezltte Mklikch. Msloa. SInhiM, UM». 0nIO. Mordach, IMei. MWIT NsÄkli, rMerMMell»«. WnlM

ölttlßkkU YO RkßÄR
Anläßlich der nächsttätigen repu-
blikanischen Kundgebun-
gen in Frankfurt a. M. und
Heidelberg dürfte das Ver-
hältnis von Staatsrecht und Repu-
blik ganz besonders interessieren.
Ar. Heidelberg, 17. Mai.
Wenn die deutsche Republik zu einer Epoche
Wahrhaft nationaler und kultureller Blüte empor-
Aachsen soll, so mutz sie getragen sein nicht nur vom
Willen der Mehrheit ihrer Bevölkerung, sondern
"Uch von der vaterländischen Glut aller Teile
des deutschen Volkes. Industriearbeiter und Land-
bevölkerung, Handel und Gewerbe, Wissenschaftler
"Ni> Nobilität, Beamtentum und Angestelltenschaft
Ulüssen sic hegen und pflegen gleich einem heiligen
gerier, aus dem -dann die Götter die Segnungen
°»s Wohles und des Glückes herausschlagen lassen.
Roch Md wir jedoch weit von diesem Zustand ent-
kernt. Sowohl nn den Segnungen des republi-
mnischen Feuers, wie von der Einheit, die dieses
A>cher entfachen soll. Noch stehen grotze Teile des
Volkes, vor allem die Kreise unserer Hochschulen und
°er Akademiker abseits des VolksstaateS, ergehen
Uch in Lamentationen ob einer untergegangenen
Welt, statt die Kräfte ihres Geistes in den Dienst
des Wirklichen und Kommenden zu stellen, die ihrer
wertvollen Mitarbeit so dringend bedürfen. Wir
wollen hier nicht reden von politischen Schellen,-
wägern im Stile Lenards; nein, auch mehr ernsthaft
ch nehmende Hochschullehrerkrekse können sich von
den alten Gedankengüngen nicht losreitzcn, vermögen
sticht ein positives Verhältnis zum deutschen Volks-
ktaai zn gewinnen, ein auf die Dauer unhaltbarer
-'instand. Unter diesen Umständen gewinnt jede
k'olstische Meinungsäußerung aus Univecsitüts-
»'ciseu an Bedeutung, und erst recht dann, wenn sie
stvn Staatsrechtlern kommt, jenen Teil k.r
HochschMlehrerschast, dessen ureigenste Aufgabe es
kein sollte, neben wissenschaftlicher Forschung die
Studentenschaft zu Lust und Liebe für den deutschen
Volksstaat zu erziehen. Nun liegen uns hierzu an
-vand zweier Reden, die Wir s. Zt. bereits in der
»Volkszeitung" besprochen haben, zwei Kun'oae-
bungen vor, die so recht einen Einblick in die
Stellung der deutschen Staatsrechtslehrer zur Re-
publik gewähren. Eine Schrift des Heidelberger
«taaisrcchtlers Professor Dr. Gerhard An-
kchiitz „Drei Leitgedanken der Wetmai-
Reichsverfassung" (Thüringen 1923,
Verlag I. C. B. Mohr) mit positiver Einstellung
Zürn deutschen Volksstaat, den zu ersassen und zu
(wnlesen sich der hervorragende Jurist mit hohem
kkstlichem Ernst bemüht; eine andere Schrift des
Heidelberger Staatsrechtslehrers Professor Dr.
Rkcxander Graf zu Dohna „Von Recht und
Evolution" (Heidelberg 1923, Verlag Carl
Winter) mit negativer Einstellung zum deutschen
Vvlksstaat, besten Berechtigung anznzweiseln der im
W>Preußi schrnon-archischen Geiste lebende Wissen-
kchastler sein ganzes Rüstzeug — allerdings ersolg-
ws — aufbietet.
In seiner Darstellung der politischen Art nn-
kw'es Reiches erklärt An schütz, dessen Scynst in
(wnz Deutschland verbreitet werden sollte, daß in
Frankfurt 1849 und in Weimar 1919 Leitgedanken
wsttzgebend gewesen, die so weitgehend zusammen
stimmen, daß dadurch das Werk der Frankfurter
kmulskirche und das Verfassungswerk von M imar
ststtereinander viel näher verwandt erschei-
sten, als dies der Fall ist im Verhältnis eines jeden
beiden Werke zn der zeitlich zwischen ihnen lie-
genden dritten deutschen Verfassung, derjenigen als r,
°>e uns bis zum Zusammenbruch von 1918 regiert
bat, der Bismarckschen Reichsverfassung
stau 1871. Hierbei stellt dar ausgezeichnete Kenner
ves deutschen Verfastungsrechtes den Ab st and der
Weimarer Verfassung von ihrer Vor-
»stugcrin der Verfassung Bismarcks, vor allem nach
"lei Gesichtspunkten fest: Staatlichkeit des Reiches,
milavisurus als Richtmaß und demokratisch repu-
stlikamschcs Deutschland.
„E r st jctz t", so erklärt Anschtttz, „das dür-
wn wir, ohne Bismarck und sein Werk zu ver-
feinern, doch bekennen, — erst jetzt, nach der
-iaatsumwälzung und aus Grund der neuen Ver-
kostung, haben wir ganz zweifelsfrei den Grad
ston Einheit erreicht, aus den wir, als eine große
Nation, einen unverlierbaren Anspruch haben:
^staatliche Einheit."
„Die Länder haben, wie ich meine, keinen
Grund sich zu beklagen, immer freilich voraus-
gesetzt, daß sic sich ihrer Stellung bewußt bleiben.
Diese Stellung ist nicht die von souveränen Mit-
gliedern eines Staatenbundes, sondern die von
menenden Gliedern eines Bundesstaates. Die
Weimarer Verfassung ist elastisch, weit-
'stst'chig genug, nm, auch ohne daß man sie for-
'stell ändert, einer durch Zeit und Umstände be-
^ug:er Weiterentwicklung des Verhältnisses von
- 'ich und Ländern freie Bahn zu lassen. Sic
"ff insbesondere n-icht im Wege einer Weiterent-
f fang, die ich - wiederum zögere ich nickst, rin
ffmntnis auszusprcchcn — im nationalen Jn-
/ muß: der Weitcrcntwick-
" u Deutschlands i b'inheitöftaät."
j. .. fisten wir, baß das kaiserliche Deutsch»
leine Epo-he, sondern nur eine Episode be-

M SWlikUMk M MWWM.

oBerlin, 17. Mat. (Priv.-Tsl.)
Trotz aller Abchallrmgsversiiche hatte sich die so-
rMdsmokrattsche ReichstagKfraktton wicht nehmen
lassen, anläßlich der Beratung des Etats des Reichs-
kanzlers ihre Auffassung Wer die außenpolitische
Lage !darzu!logen. Der Hinweis des Herrn Cuno
gegenüber -den Parteiführern, daß die Regierung
— ober besser er und der Außenminister — sich ver-
aiilaßt gefühlt haben, an die Regierungen in Lou-
don und Rom bestimmte Rückfragen zu richten, de-
ren Antwort erst abgewartet werden müsse, ist kein
Slhhaltnngsgrund. Welcher Art übrigens die Rück-
fragen sind, bleibt das Geheimnis des Herrn Cuno
und v. Rosenbergs. Ob sie notwendig waren, nach-
dom aus der englischen und italienischen Note ziem-
lich klar hervorgeht, was die Alliierten in erster Li-
nie wollen, oder ob dein deutschen Volk« nicht besser
gedient worden iväre, wenn seine Regierung schnell
die Ausarbeitung einer Präzies formulierten Note
vorgoniomsnen hätte, sei dem Urteil spaterer Tage
überlasten.
Klug und abgewägt sprach Gen. Müller-
Franken vor einem aufmerksamen Hause, das ihm
mehrfach Beifall zollte. Besonders unterstrich er die
Auffassung der Sozialdemokratie, die alles getan
wissen will, um eine Kapitulation zu vermeiden.
Sachlich und zurückhaltend kritisierte er das letzte
Angebot. Schars hob Müller hervor, daß die So-
zialdemokratie nicht den geringsten Einfluß ans den
Vorschlag der Regierung Cuno ansgeübt hat. Die
Feststellung, daß eine endgültige Lösung ohne sub-

stamtierte Garantien inöglich sei, und es an der Zeit
ist, zur Erfassung der Sachwerte zn schreiten, fand
nicht den geringsten Widerspruch, während sonst im
bürgerlichen Lager schon das nackte Wort „Erfassung
der Sachwerte" Furcht und Schrecken auslöste.
Die von der Bürgerlichen Slrveitsgemebnschaft
abgelchnte außenpolitische Debatte ergab, daß sich
di« Mehrheit des Reichstages Wer den Ernst der
Lage wenigstens tm allgemeinen klar ist. Selbst der
Redner der andere Auffassungen vertretenden
Dentschnationalen, Herr Hergt, der gegen ein
neues Angebot ist, konnte diese Tatsache nicht ver-
wischen. Aus der Gegnerschaft der Deutschnationaien
gegen ein Angebot ergibt sich auch deren Feindschaft
gegen die Mehrheit des deutschen Volkes, das Frie-
den will. Harmlos waren die Erklärungen des
Herrn v. Rosenberg. Wir erwarten von der Regie-
rung, daß sie endlich ihr Liebesverhältnis zu den
Doutschnati-onalen a-ufgibt.
Die SÄimnung des Reichstags entspricht dem
Willen der Bevölkerung an Rhein und Ruhr, Wie er
erst am Dienstag dem Reichskanzler durch die Abge-
ordneten der besetzten Gebiete vorgetragen wurde.
-Rhein und Ruhr wollen verhandeln, und ver-
langen deshalb von der Regierung ein konkretes
Angebot, das nur gegen die deutschnationalen Ka-
tMstroPhenvoliliker möglich ist.
Nach Beendigung der außenpolitischen Debatte
im Reichstag ist -der Reichsaußenministpr an dieser
Auffassung durch Herrn Marx, dem Führer des
Zentrums, und Herrn Stresemann, dem Füh-

doutet hat. Mit dem Zusammenbruch der.poli-
tischem und militärischen Krast unseres alten Staa-
tes im Weltkriege, zerbrach auch seine zentrale In-
stitution, die Monarchie. Die richtige Einstellung
ist Wohl di«, daß die Monarchie reicht durch aus-
wärtige noch durch innere Mächte, weder durch ei-
nen Machtspruch des Fetndbuudes noch durch ei-
nen bewußt revolutionären Volksentscheid gestürzt
worden ist, sondern daß sie zusammenge-
brochen ist an und in ihrer Schwäche, indem sie,
von den Riesenausgaben des Weltkrieges erdrückt,
zu entscheidender Stunde versagte. Wir erinnern
uns, daß die Wahlen zur versassunagebenden Ver-
sammlung auf Grund eines extrem freiheitlichen
Wahlrechts und unter Beteiligung aller politischen
Parteien stattfanden, aller, einschließlich derer,
die dem in der Bildung begriffenen neuen Staate
ablehnend gegenüber stand en, damit diese Gegner
sich in einem Hauptpunkte auch zur Demokrat-«
bekannten, darin nämlich daß auch nach der Mei-
nung das neue Deutschland nicht anders geschaf-
fen werden könne, als durch Selbstorganisation
des Volkes, durch den Willen einer konstituieren-
den Volksvertretung. Wie die Entstehung, so
spiegelt auch oer Inhalt der Verfassung den
demokratischen Gedanken in aller Reinheit wieder.
Zusammenfassung aller Volkskräfte im Staat,
pflichtbewußte Mitarbeit aller am Staat, Verant-
wortlichkeit aller für den Staat, darin liegt Wesen
umd Wert, darin das Ethos der Demokratie. Die
Demokratie mußte endlich kommen, und es ist gut,
daß sie kam. Unser Staat nmtz ein demokratischer,
ein Volksstaat sein, oder er wird nicht sein."
So gibt uns An schütz auf Grund seiner
Einsicht in die geschichtliche Entwicklung des deut-
schen StaatsrechtS die historische Fundamentierung
der Idee der deutschen Demokratie, deren Lied er
nicht nur aus staatsrechtlichen, sondern vor allem
auch aus nationalen Gründen singt, indem er den
alldeutscherseits verhetzten Widersachern der deut-
schen Republik, die behaupten, Demokratie sei
gleichbedeutend mit Schwäche, Monarchie gleich-
bedeutend mit Stärke der Staatsgewalt, erklärt:
„Als ob nicht, Gott sei's geklagt, — im Weltkriege
— der insofern geradezu eine Kraftprobe zwischen
der demokratischen und der autoritär-monar-
chischen Smatssorm war — die demokratischen
Westmächte in jeder Beziehung die Stärkeren ge-
wesen sind."
Ira Gegensatz zn An schütz, der sich aus dem
Boden modernen StaatsrechtS stellt, Wie es in der
ganzen Welt zur selbständigen Norm geworden
ist, geht die Kundgebung des anderen Heidelberger
Staalsrcchtslehrers Professor Graf Dohna vom
r ü ckw ä r t s g e richt e te n Geiste der Legitimi-
tät aus. Zwar sicht sich auch Graf Dohna, der
sehr merkwürdigerweise für das Unternehmen Kapps
nnr den Ausdruck „unglückselig" findet, veranlaßt
festznstellen:
„Dadurch, daß der Rat der Volksbeanstrag-
ten zur Einberufung einer Nationalver-
sammlung sich entschloß, erhielt die ver-
abschiedeten Verfassung eine G e l t u n gs kra f t
von ungleich stärkerem Gewicht. Recht stellt
die neue Ordnung unseres Staatswesens schon
um deswillen dar, weil sie eben aiS Organisation
-der deutschen Volksgemeinschaft gedacht ist und

mit dem Anspruch auftritt, von sich aus allgemein-
verbindlich zu bestimmen, in welchen Formen hin-
künftig der deutsche Staat seine Belange ordnen
und regeln wird Geltung aber behauptet sie um
deswillen, weil sie von einer beträchtlichen Mehr-
heit der aus breitester Grundlage gewählten Na-
tionalver'rmmlung beschlossen und darauf im
auch von der -.ppanierenden Minderheit als si-
gleichermaßen verpflichtend, sei es -lUs-drÄcklich, sei
es tatsächlich, anerkannt worden ist."
Aber, von düsen ohnehin einschränkenden Be-
merkungen abgesehen, findet Graf Dohna nur eine
negative Einstellung zur heutigen deutsch m
Staatsgrundlag:. Der Rechtslehrer an der Uni-
versität Heidelberg findet in den Komplotten uno
Mordanschlägen g gen di« deutsche Republik und
deren Träger nicht nur keine Begründung für di-
Gesetze zum Sch.'tze der Republik, deren Beseitigung
als ein „Zerrbild der Justitia" er begehrt, sondern
er hält es soga- für angebracht, die abgewasch:-.e
Legende von oer Wehrlosmachung des deuts-Hm
Volkes durch tun Umsturz von 1918 neu auszuwär-
men. Eisige Käl'e bringt jedoch Graf zu Dohna
— ohne daß er cs darob ablebnt, der akademischen
Jugend öffenruc-es Recht zu lehren — dem 11. Au-
gust 1919, dein deutschen Verfassungstage, der einem
Staatsrechtler geradezu heilig sein sollte, entgegen
da er „allen d njenigen ein Tag unliebsamer
Empfindungen" ist, „die sich mit der neuen Staats-
form noch nicht ansgcsöhnt haben". Und der Grund
dazu?
„Daß dieser neue Staat nicht, wie unser altes
Reich auf dem Wege rechtlicher Verein-
barung, sond'rn durch Rechtsbruch zur
Existenz gelangt ist, ist eine nicht zu bestrei-
tende Tatsache, welche — wie inan sich auch inner-
lich dazu stellen möge — an sich schon genügt, um
die Stoßkraft zu lähmen, mit der dieser Staat sei-
nen Bürgern gegenüber auf den Plan zu treten
sich befähigt zeigen möchte."
Wir wollen gegenüber dieser mehr als haltlosen
und frondierenden Anfechtung des deutschen Volks-
staates nicht ans die — von An schütz so hervor-
gehobenen — wahrhaft freiheitliche und dem Volks-
wirten entsprechende Entstehung der Verfassung d.r
deutschen Republik abheben, wir wollen auch nicht
mit dem Herrn Grafen zu Dohna darüber rechten,
ob Preußen von seiner Urzeit bis zu Bismarck durch
„rechtliche Vereinbarung" oder durch „Rechtsbrnch"
zu seiner endgültigen Gestalt emporwuchs; sondern
wir wollen nur dem legitimistischen Heidelberger
Staatsrcchtslehrcr gegenüber betonen, daß glück-
licherweise die Le g i t i m i t a t s i d e e längst cr-
setzt ist durch den Gedanken der Volks-
souveränität, selbst wenn dies den Nutznie-
ßern des Legitimitätsgedankens zuwider ist.
Und so findet denn — Herrn Grafen Dohna
zum Trotz — die deutsche Republik gleich Men an-
deren Republiken der Welt ihre sittliche Be-
gründung im Gesellschastsvettrag I. I-
Nousteaus (selbst wenn er vöm Legitimisten Grafen
Dohna bagelehnt wird), der da sagt:
„Das Volk, welches Gesetzen unterworfen ist,
muß auch ihr Urheber sein. Es ist klar, daß ine
Träger der vollziehenden Gewalt nicht die Herren,
sondern die Diener des Volkes sind, welche es, so-
bald es ihm beliebt, ein- und absetzen kann".

rer der Deutschen Volks Par lei mit Entschiedenheit
erinnert worden. Hoffentlich nicht umsonst!
Sitzungsbericht.
Berlin, IS. Mai.
Der Gesetzentwurf über Abfindung von Witwen
in der Unfallversicherung wird ohne Debatte in allen
drei Lesungen angenommen.
Hierauf folgte die dritte Lesung d s K
Etats.
Abg. Müller-Franken (Soz.):
Es ist notwendig, daß der Reichstag sich gerade
im jetzigen Augenblick über die auswärtige
Politik äußerl. Erfreuliches ist nicht zu berich-
ten. Der Terror im alt- und neubesetztcn Ge-
biet hat zugenommen. Wir haben kein Verständnis
für die spöttischen Bemerkungen, die im Prozeß ge-
gen Krupp vonBohlen gemacht worden sind;
zu den Scharfmachern hat er nicht gehört. Die fran-
zösisch-belgische Note macht das Aushören des va >-
siven Widerstandes zur Voraussetzung von
Verhandlungen. Es mutz alles getan werden, um
eine Kapitulation zu vermeiden, deren Vorbereitung
uns mit Unrecht Vorgelvorfen wird. Der Wider-
stand ist die Sache der Bevölkerung, die diplomati-
schen Verhandlungen die Aufgabe der Regierung.
Die Verweigerung der Arbeitskraft unter fremder
Bedrückung ist
höchste vaterländische Bürgerpflicht.
Ucber die Entstehung der deutschen Note ist
mancherlei gesagt worden. Man har behauptet, daß
die bayrische Negierung ohne daß die Deutschnafto-
nalen die Note beeinflußt hätten. Es wäre falsch,
wenn man inu-erpolitifche Erwägungen bet der Be-
antwortung einer politischen Note mitsprechen ließe.
Uns ist die Note erst durch diePresse bekannt ge-
worden und auch den Ausbau der Note haben wir
nicht gekannt. Schon
der hohe Dollarstand
mutz uns Anlaß geben, eine Lösung der Krise zn
versuchen. Wenn es gilt, das Ruhrgebiet zu be-
freien und im Rheinland die früheren Zustände wie-
derhersustcllen, darf kein Opfer zu groß sein! Was
die englische Note angeht, so wiederhole 'ch
nur, daß das deutsche Angebot von der englischen
Forderung nicht so weit abweicht, daß bei ernstem
Willen nicht eine Lösung möglich sein sollte. Im
Nahmen des deutschen Angebots muß
der Wiederaufbau
der zerstörten Gebiete erreichbar sein. Wichtig sind
die Modalitäten der Zahlung. Ohne Anleihe
gehl es nicht, aber ohne substantierte Garantien
geht es auch nicht; das lehrt die französisch-belgischo
Note. Die Eisenbahnen müssen wieder Ueber-
schüsse obwerfen und diese können zur Verfügung
gestellt werden. Aber noch konkreter muß die Re-
gierung werden über die Garantien von der Indu-
strie, Handel und Landwirtschaft. Dazu bedarf es
jetzt schon der gesetzgeberischen Vorbereitung. In
dem Augenblick, wo eine endgültige Lösung der R>
parationsfrage in Aussicht steht, ist die
Heranziehung der Sachwerte
eine Pflicht und die bürgerlichen Parteien haben
Anlaß, sich jetzt zu äußern! Oesterreichs Bei-
spiel sollte uns doch lehren, daß wir alles zu mn
Haven, um eine Finanzkontrolle zu vermeiden! Auch
über die vertragsmäßigen Kohlenliescran-
gen haben wir uns bestimmt zu äußern, um dadurch
die wirtschaftliche Annäherung anzubahnen, die konr-
men muß trotz des Hasses, der jetzt herrscht. Auch
in Bezug auf die militärischen Sicherungen
sollten wir Konzessionen machen, wenn wir d'e
Pläne für eine internationale Verwaltung der
Eisenbahnen in Rheinland-Westfalen vereiteln wol-
len. Wir müssen zu Formulierungen kommen, die
der andern Seite genügen. Das Ziel der Ver-
handlungen muß
die Räumung der Ruhr
auf kürzeste Frist sein. Die Rheinlandkommissiou
übt jetzt eine reine Willkürherrschaft aus und die
Debatte im englischen Unterhaus über die Saar-
regierung gibt mir Hoffnung, daß man sich auch
mit der Tätigkeit der Rheinlandkomtnission be-
schäftigen und einsehen Wird, daß hier die britisch«
Ehre engagiert ist. In Frankreich sollte man ein-
sehen, daß die Revanche-Idee, die man fürch-
tet, durch nichts gestärkt wird wie durch die franzö-
sische Gewaltpolitik. Das deutsche Volk will durch
Arbeit und nicht durch Revanche aus seinem
Elend befreit werden.
Abg. Leicht (Bahr. VP.) erklärt im Namm der
Parteien der Arbeitsgemeinschaft, daß der
gegenwärtige Augenblick als zu früh erscheine, um
zu den auf das deutsche Angebot eingegangenen Ant-
worten im Reichstage Stellung zu nehmen, und daß
deshalb diese Parteien sich an der parlamentarischen
Aussprache nicht beteiligten, aber die ver-
trauensvolle Erwartung aussprächen, daß die
Reichsregierung den Weg gehen werde, der für un-
ser Volk notwendig fei.
Abg. Hergt (dntl.) hält eine außenpolitischt
Debatte für nötig. In England ist ein Wandel ein-
getreten. Für uns gibt es keine Rheinlandsraze
und auch kein Wafscnnisderlegen. Im passiven Wi-
derstand sind wir uns alle einig. Für uns gib! es
 
Annotationen