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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 101 - Nr. 110 (2. Mai - 14. Mai)
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Volkszeitung

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TefchilftsftundenS—S8hr. Sprech-
funden der Redaktion: II—IL Nb»,
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Lel.-Aor.: Volkszeitung Heidelberg
Druck u. Verlag der Unterbadischeu
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berg. Eeschäftsstelle: Schröderftr.8-,
Tel.: Expedition2873 u. Redak.s«7g

5. Jahrgang Heidelberg, Montag, den 14. Mai 1923


Nr. 110

Ne WW M WMe Alk »MU.
Enttäuschung über Deutschlands Angebot.

* Heidelberg, 14. Mai 1923.
Die Antworten der Regierungen Englands und
Italiens auf die Note des Herrn Cuno vom 2.
Mai sind nunmehr eingelroffen. Sie tauten, wie
ledein Kenner der außenpolitischen Situation klar
^ar. Unbefrivdigtsein in höchstem Maße spricht
aus sowohl aus der Antwort Italiens wie aus dcr
Antwort Englands, jenem beiden Mächten, von
benen wir noch am ehesten ein Entgegenkommen
Rauben erwarten zu dürfen. Eine große Enttäu-
schung wird von England der deutsche Vorschlag ge-
nannt, der, wie erklärt wird, einen ungünstigen Ein-
druck gemacht hat. Mit berechtigtem Erstaunen be-
tdni die italienische Regierung, habe sie die deutschen
Vorschläge ausgenommen, die für eine geeignete
Diskussion nicht geeignet seien.
Was nun? ist jetzt die Frage. Beide Antworr-
uoten lassen die Türen offen, ja verlangen von der
brutschen Reichsregierung neue Vorschläge. Ausgabe
ber Reichsregierung mutz es daher sein, den Wün-
schen dieser beiden Mächte soweit entgegenzukom-
">reu, als es nur immer dem Interesse des Deut-
schen Reiches und des deutschem Volkes möglich ist.
Die außen- und innenpolitische Situafion schreien
"ach Lösung. Ob Herr Cuno und sein „Kabinett
der Persönlichkeiten" die Männer sind, die vorlie-
genden Problems zu lösen? Die Sozialdemokratie
wird jedoch nichts tum, um Herrn Cuno die Last ab-
rnnoynreu. Man hat die Sozialdemokratie im No-
vember letzten Jahres bürgerlicherseits aus der Ne-
arerung undkus-g«drängt, in der Erwartrug, durch
Kabinett der Volkspartei, des Zentrums und
Demokraten bei gewissen Sympathien der
^'-Uschnatioualen außenpolitische Erfolge etnzu-
. Zinsen. Das Kabinett der Volkspartei brachte uns
Ew keine Erfolge, aber die Ruhrbesryung. Run
'wgen die bürgerlichem Parteien' den verfahrenen
wieder in Ordnung bringen.

Die englische Note.
London, 13. Mai. Die britische Antwortnote
oeute vormittag dom deutschen Botschascr über-
" ''wrdem Sie betont, daß der Schritt der
w'lpnRegierung eine Folge der Anregung ge-
batl» > Lord Curzon im Lause einer De-
hnt ? o? tischen Parlament am 20. Avril gegeben
vertx^. Eia um, so fährt Lovd Curzon fort, nicht
runo die Vorschläge der deutschen R'gie-

et«e große Enttäuschung gewesen sind»
Ein. die deutsche Regierung den ungünstigen
beua^ Voraussehen und ihm daher vor-
chen m und müssen. Die Vorschläge entspre-
was i/d" Form noch dem Inhalt nach dem,
werd«« !!?nftigerweise aus -den Rat Härte erwartet
deutsch« der mchr als eine Gelegenheit dcr
« Regierung habe zukommen «assen.
sind: .^""Vlgründe für die berechtigte Enttäuschung
Vezäbln deutsche Regierung bietet als gcsamrtc
an, di« ^ker anerkannten Schulden eine Summe
Cnglaur.""^ unter dem mäßigen Betrag liegt, den
der vo Pariser Konferenz vorschlug und
völlig anderen alliierten Regierungen als
sche ""^wbar bezeichnet wurde. 2. Die deui-
bier ur!, unterläßt es, die Art der Garantien
heson^-grökettr Schärfe zu bezeichnen, was ganz
Dje iw, bedauern ist.
Deutschiv"?^^ Regierung ist überzeugt, daß
hafr seinem eigenen Interesse es vortcil-
Vüseiiw»^ ^>rd, eine größere Bereitwilligk.it zur
, '^Hvng mit dcr tatsächlichen Lage zu
Schere unter Ausschaltung aller unwesent-
winc Vov^/Wiitjgen Punkten dazu schreiten wird,
Wilern r! »och einmal zu erwägen und zu er-
leren Erz?? iie eine brauchbare Grundlage zu wei-
örternna ""'wen werden. An einer solchen Er-
beit sein die Regierung Seiner MaMifi be-
Rliiiert ' ?.^eigneten Augenblick au der Seite der
>ches Inter u^-^^wan, mit denen sic ein prakti-
Euentg m.»,,, O-'n dieser Frage teilt, das sie cbenso-
L-age inil-r. ^^u beabsichtigt wie den Wunsch, einer
Aber st« . onalcr Gefahr ein Ende zu machen.
I°u. daß her" osl deutschen Regierung nicht oerhch-
^lchen Schritt zur Verwirklichung einer
.BEutskyra 'I"UWr die Anerkennung von seilen
- * wirren„ lnuß, daß eine viel ernstere und
E- biKh^uluere Minvirkung erforderlich ist, als sic
" Erscheinung getreten ist.

italienische Note.
„Wal. Di« italienische Note ist der
ykEl sich in Nom überreicht worvcu Sie
ütch eng an den Text der englischen

Note und erklärt, daß die deutschen Vorschläge nicht
geeignet sind, den alliierten Regierungen als Grund-
lage zu dienen. Die italienische Rogienmg ist er-
staunt, daß das deutsche Memorandum vom 2. Mai
weit hinter den Vorschlägen zurückbleibt, die in
dem Plan der britischen Regierung enthalten
waren.
Abgesehen davon, daß die für die Reparationen
festgesetzte Summe offensichtlich weit niedriger ist
als irgendein noch so geringer Betrag, den man ver-
nünftiger Weise hätte erwarten können, fehlen alle
konkreten Angaben über Garantien und Pfänder,
sowie jede Bürgschaft und deren tatsächliche Bestel-
lung.
Die italienische Regierung wiederholt daher
ihren Rat, Latz sowohl im Interesse Deutschlands
als im allgemeinen Interesse des Friedens und der
europäischen Wirtschaft eine baldige neue Entschlie-
ßung der deutschen Regierung zu Vorschlägen füh-
ren möge, die durch ihren Inhalt und ihre Be-
stimmtheit geeignet erscheinen, von der königlichen
Regierung zusannmen mit ihren Alliierten mit Aus-
sicht auf Erfolg einer Prüfung unterzogen zu wer-
den.

Internationale Lage.
Eine Hetzrede Ponearss.
Parts, 11. Mai. Poincare hat gestern in der
lothringischen Stadt Comerch bei der Einweihung
eines Krisderdenkmals eine Rede gehalten, die er
erneut zur Hetze gegen Deutschland benutzte. Er
erklärte, Deutschland habe nicht ab-gerüsüt. Sticht
ein Franzose, sondern ein deutscher General, von
Bernhardt, war es, der gesagt hat, man darf den
Besiegten nur die Augen zum Weinen lassen. Diese
barbarische Theorie ist nicht die unsrige.
Die Forderung Belgiens.
Paris, 12. Mai. Wie der „Matin" aus Brüs-
sel meldet, erklärte gestern der Kammer-AuS-
schutz für Auswärtiges einstimmig das deutsche
Angebot für durchaus unzulänglich.
Mannheim.
Mannheim, 12. Mai. Heute mittag j§1 Uhr
rückte von der Nheinbrücke herkommend, eine fran-
zösische Kompagnie am Hauptbahnhof vor-
bei durch die Friedrichsfelder Straße und Neckarrmer
Landstraße nach Rheinau, um die dortige Besatzung
abzulösen. Die Ablösung ist seither über die Alt-
ripper Fähre erfolgt. Da die Fähre neuerdings ge-
sperrt wurde, nehmen die Franzosen jetzt anschei-
nend unbekümmert durch das unbesetzte Gebiet ihren
Weg.
Karlsruhe.
Karlsruhe, 12. Mai. Uetzer den Verlauf
des weiteren Vorrückens der Franzosen wird uns
gemeldet: Um 4 Uhr früh ist ein Personenauto,
besetzt mit einem Offizier und zwei Mann vom
RHemhofen aus in der Richtung nach Knielingen
abgefahren. Um ^6 Uhr marschierte französisches
Militär in der Stärke von einer halben Kompagnie
über die Rheinbrücke und traf um Zs 6 Uhr im
Rheinhafen ein. Um 6 Uhr rückte die Mannschaft
etwa 60—80 Mann bis zu der Wirtschaft „Zum An-
ker", Ecke Honfell- und Rheinstraße vor, nachdem
vorher zwei Offiziere mit einem Auto dort ausge-
sriegen waren. Um ss8 Uhr wurde, wie schon ge-
meldet, eine französische Postenkette bei der Wirt-
schaft „Zum Anker" gezogen, bald darauf rückte die
Mannschaft mit dem Offizier nach dem Hafengobiet
wieder ab.
Offenburg.
Offenburg, 12. Mai. Wie das „Offenburger
Tagblatt" berichtet, nehmen die Verhandlungen
üb er di e Wiederaufnahme des Po st be-
trieb es einen günstigen Verlauf, sodaß die tele-
phonische Verbindung Offenburgs mit dem Übrigen
Baden bald wieder hergestellt werden dürfte.
Ruhr.
Zweierlei Mas;.
Als die Sozialdemokratie im Verlauf dieser
Woche den Antrag stellte, den im neu- und altbesetz-
ten Gebiet entlassenen Arbeitern das Recht auf
Wiedereinstellung gesetzlich zu sichern, zeigten die
bürgerlichen Parteien erneut, daß sie für die Not-
wendigkeiten der Gegenwart bitterwenig oder nur
dann Verständnis haben, wenn es sich um Ange-
hörige ihrer eigenen Schichten handelt. Statt dem
Antrag zu folgen, wurde seine sofortige Verwirk-
lichung gegen die Stimmen der Sozialdemokratie
abgelehnt. Langsam wird überhaupt der Eindruck
allgemein, daß dcr „Daul" für irgendeine Heldentat
im Ruhrgebiet nur dann Anerkennung findet, wenn
es sich um Leute handelt, deren Raine — ob Recht

oder Unrecht — «in Klang hat. Erst in diesen Ta-;
gen ist für diese Behauptung wieder ein krasser Be-!
weis geliefert worden. Während in Werden gegen
die Direktoren von Krupp und ein Betriebsrats-
mitglied verhandelt wurde, beging ein anderes
französisches Kriegsgericht in Mainz an mehreren
Vertretern der Eisenbahner ebenfalls Justizmord.
Drei Monate schon schnarchten diese Eisenbahner
aus Pflichttreue gegenüber ihrem Vaterland hinter
Schloß und Riegel; am Montag wurden sie zu ins-
gesamt 79 Jahren Gefängnis verurteilt. Nicht ein
Wort der Sympathie vernahm man bisher von der
Reichsregierung, die es sich jedoch nicht nehmen ließ,
an Herrn Krupp gleich mehrere Kundgebungen aus
telegraphischem Wege zu richten. Auch das halb-
amtliche Wolff-Bureau hat es bis jetzt nicht für not-
wendig gchatten, den Justizmord in Mainz zur
Kenntnis der Oeffentltchkeit zu bringen. Bei be-
straften und mißhandelten bürgerlichen Vertretern
wird Name, Titel, Beruf, Wohnort und alles was
das Herz begehrt, von dieser Instanz sorgsam ange-
geben, während die Arbeiter in der Regel nur als
Massenobjekt behandelt werden»
Mit Dank erkennen wir an, daß wenigstens der
Reichspräsident auch der Mainzer Opfer gedach, hat.
Wo aber bleibt der Reichskanzler, der sich außer
einem Telegramm an Herrn Krupp eine amtliche
Kundgebung gegen das Werdener Urteil leistete, die
aufgrund ihrer Form im Interesse Deutschlands
besser unterblieben wäre. Die Mainzer Eisenbahner,
wie überhaupt aste Arbeiter, die unter dem Druck
der Besatzung leiden» werden zweifellos auch ohne
große Sympathiekundgebungen im Interesse der
Allgenreinheit die ihnen auserzwungenen Opfer
gern wagen. Aber dennoch ist es unerhört, die Opfer-
bereitschaft der deutschen Arbeiterschaft totzuichwei-
gen, wie es durch die Reichsregierung und durch
deren Telegraphenbureau geschehen ist, während
man bei Männern aus bürgerlicher Reihe kaum ge-
nug Worte zu finden weiß, um ihnen vor dem gan-
zen Volke Dank und Anerkennung zuteil werden zu
kaffen.
Brigade Ehrhardt.
Zum Todesurteil über Schlageter wird uns
geschrieben:
Auch in schlechten Zeiten soll man bei der Wahr-
heit bleiben, selbst wenn es nicht leicht fällt oder gar
unangenehm ist. Es würde im deutschen Interesse
im Ausland sicherlich besser stehen, wenn sich ins-
besondere auch die deutsche Propaganda dieses
Prinzip zu eigen machen würde. In der Behandlung
der Sitzung des Düsseldorfer Kriegsgerichts gegen
den Kaufmann Schlageter-Berlin, der zum Tode
verurteilt wurde, den Studenten Sadowsky, der
lebenslängliche Zwangsarbeit erhielt und fünf an-
dere Angeklagte, die mit Freiheitsstrafen zwischen
5 und 20 Jahren bestraft worden sind, hat man sich
dieses Prinzip nicht ganz zu eigen gemacht. Den

iAngeklagten wurde bekanntlich vorgeworfcu, SptiM
nage getrieben, Anschläge gegen die Personen der
Besatzungsttuppcn und Sprengstoffattentate an
Bahnkörpern begangen zu haben. Alles das enthielt
auch der deutsche Bericht über de» Verhandlungs-
gang. Der Charakter der Angeklagten und ihre
Herkunft ist jedoch verschwiegen worden. Tatsäch-
lich handelt es sich bei den Bestraften um Mitglieder
der deutschvölkischen Organisationen „.Heinz", dis
einen Kurierdienst mit dem Abgeordneten Wulle
unterhielt.. Die Organisation „Heinz" ist nach ihrem
Führer benannt, -er sich bereits in Otzerschlesien
als Oberleutnant und Bataillonsführer des Selbst-
schutzes betätigte. Die Mitglieder der Organisation
„Heinz" waren hauptsächlich ehemalige Angehörige
der „Brigade Erhardt". Ihre Ausgabe war, im
Ruhrgebiet gegen die Franzosen Sabotage zu ver-
üben. So erhielt der Angeklagte Sadowsky von
„Heinz" den Auftrag, zwischen Großenbaum und
Lintorf eine Stelle ausfindig zu nrachen, an der eilte
Sprengung vorgenommen werden könne. Sadowsky
lehnte das ab und behauptet, sich auch von den an-
dern Sabotageakten, die bei Caleum, Kettwig und
im Essener Stadtwald verübt wurden, ferngehalten
zu haben. In seinem Zimmer fand man einen
Koffer mit Sprengstoffen, den der zum Tode verur-
teilte Schlageter dort angeblich untergestellt haben
soll, um ihn später wieder abzuholen. Der Ange-
klagte Zimmermann wurde von einem französischen
Posten bei einem Sprengstoffversuch verhaftet, zu
dem er von Heinz beauftragt war. Sensationell ivar
die Aussage des Angeklagten Werner, der die Auf-
gabe hatte, die Verbindung zwischen Elberfeld,
Essen und Berlin aufrcchtzuerhalten. Auf eine
Frage des Vorsitzenden, niit welchen Stellen in Ber-
lin er die Verbindung unterhalten habe, erklärte der
Angeklagte, daß er den Kurierdienst zwischen der
Organisation „Heinz" und den deutschvölkischen
Abgeordneten Wulle und Graefe versehen Hube.
Von besonderem Nachteil waren die Jolgewir-
kungen der Sabotage für die Franzosen nicht. In
anbetracht dessen halten wir auch das Strafmaß des
Düsseldorfer Kriegsgerichts zu hoch, ganz abgesehen
davon, daß wir dieser Instanz überhaupt jedes Recht
absprechen, wenn sogenannte „Volksführer" junge
in Not geratene Menschen für ein paar lumpige
tausend Mark kaufen, sie zu Sabotageakten abkom-
maudieren rmd damit ihre Zukunft für immer ver-
nichten.
Neue Verordnungen.
Düsseldorf, 12. Mai. General Dcgoutte
hat eine neue Verordnung erlassen, wonach der
Paßzwang auch für das Einbruchsge-
biet in Wirksamkeit tritt. Die Interalliierte
Rheiulandkonnnission hat eine neue Verordnung
Nr. 168 erlassen, wonach das Reichsgesetz über die
Z wa n g s a nl e i h e für das besetzte Gebiet vor-
läufig keine Gültigkeit hat.

MW» NI KlI MWWW.
Eine Reichstagsrede Scheidemanns.

Berlin, 12. Mai.
Der Reichstag nahm zunächst in allen drei
Lesungen das deutsch-polnische Abkommen über das
Rechtsmittelverfahren debattelos an. Annahme
findet ferner das Etatsgesetz für 1922, ebenfalls in
allen 3 Lesungen. Nach Verabschiedung eines An-
trages mehrerer bürgerlicher Parteien, de» die Be-
wiigung von 12 Milliarden, davon allein drei
Viertel für die Religionsgemeinschaften, Vorsicht,
folgt die dritte Beratung des Haush al >s des
Innern in Verbindung mit zwei Jnierpclla'ioncn
der Deuschnationalen, die sich gegen die Auslö-
sung der Deutschvölkischen Freiheits-
partei und gegen das Verbot aller! Selbstschutz-
organisationen weichen.
Abg. Gras Westarp wendet sich gegen das
Verbot der Deutschvölkischen Fveiheitspartei.
Retchsminister des Innern Oeser: Die
Gründe für das Verbot der Deutschvökkischen
Freiheilspartei sind vom Staatsgerichtshof einge-
hend geprüft worden und ich darf annehmen, daß
damit die Interpellation in diesem Teil ihre Erledi-
gung gefunden hat. Den deutschvölkischsn Abgeord-
neten soll nach einem neuen Erlaß des Ministers
Severing das Recht gegeben werden, in Versamm-
lungen zu ihren Anhängern zu sprechen. (Lärm
bei den Deutschvölkischcn. — Vizepräsident Dr. Bell
ersucht wiederholt um Ruhe.) Zu der zweiten In-
terpellation erklären wir: Es ist allein Aufgabe
des Staates, die Freiheit der Versammlungen
zu schützen. Dazu bietet das kürzlich verabschiedete
Gesetz über den verschärften Vcrsammlungsschutz
neue Handhaben. Es entspricht deshalb durchaus
den Ansichten der Rcichsresierung, wenn die Preu-

ßische Siaatsvcgierung solchen Saal- m Selbst«
schutzorganisationen von rechts und links
ene »gisch e n 1 g e g e n 1 r i tt.
Abg. Scheidemann (Soz.):
Das reaktionäre Treiben gegen den Bestand der
deutschen Republik ist keineswegs nur eine innen-
politische Frage, es ist vielmehr sine politische Frage,
dcr in der ganzen Welt mit der größten Auf-
merksamkeit verfolgt wird und deren Ausschlachtung
ganz besonders durch Frankreich das ganze
deutsche Volk in der schlimmsten Weise auszubaden
hat. Während nun die Reich s r e g i e r u n g eine
Zurückhaltung beobachtet hat, für die mir jedes
Verständnis fehlt und während die bayerische
Negierung das Menschenmögliche getan bat, um
der Arbeit der Reaktion — ich will nicht sagen, direkt
Vorschub zu leisten, aber doch diese Arbeit m-inde-
stens zu «leichtern, haben wir ersetzen müssen, daß
von: Reich aus gar nichts geschah. Nur der preuft.
Innenminister hat mit fester Hand zugcgrif-
fen, um wenigstens den übelsten und gemeingefähr-
lichsten Organisationem! endlich das Handwerk zu le-
gen, soweit es überhaupt nröglich gewesen ist. Es
handelt sich zweifellos um eine Einschränkung der
staatsbürgerlichen Freiheit und wir lassen gar kei-
nen Zweifel darüber, das; ihre Verteidigung keine
angenehme Ausgabe für uns ist. Wir sind grund-
sätzlich für jede Freiheit des Wortes und
es hat erst der furchtbaren Lehre des
Mordes an Erzverger und Rathcnaau
bedurft, um uns zu der Uoberzcugung zu bringen,
daß. in den gegenwärtigen außerordentlichen Ver-
 
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