Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

DOI Kapitel:
Nr. 151 - Nr. 160 (3. Juli - 13. Juli)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48727#0263
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
LkschästrstundenS—KUHr. Eprech-

Heidelberg, Mittwoch, den 4. Juli 1923

Nr. 152

Tcl.-Ädr.: Vollreitung Heidelberg,
Druck u. Verlag der Untcrbadilche«
Derlagsanstalt <Z. m. b, H., Heidel-
berg. ISeschäftsftelle: Schröderstr.8-
Tel.: Expedition LS73 u. Redak.SV».

I!zug»pr«ir: Monatlich einschliebl.
Ml.lSOvo,-. vnzcigekp
der- etnipalt. Petit,eile od«
!^°n Raum sSS-nm breit) Ml. l!M
Auswärtige Ml. 1SM. Reklam»
Nieigen (71 mw breit) Ml. Ml», ftN
"uswarttge Mk.4V00. Bei Wieder-
dolungeu Nachlaß nach Taris.

Volkszeitung
U W MMilikNWilermli dn AwlÄkMl MM«,, MM, öwdki». VM«. KerM, M«rd°l». Blich», MMkl». Bordkki. lmdklMMkim L MMtl»
Jahrgang

Ski» WA SMiWl!
o Berlin, 4. Juli.
Am Montag hat der englische Ministerpräsident
sranzösische» Botschafter in London empfangen,
eine mündliche Antivort ans den von seiner Re-
^crung Poincare gelichteten Fragebogen ent-
Edgenznneymen. Der Inhalt der mit üblichen
Auskünfte wird vorläufig geheimgehalten, aber das
Rencontre zwischen der offiziellen Pariser Presse
'Ad den dcr Regierung nahestehenden Blättern in
London lägt erkennen, datz die Differenzen zwischen
plan-reich und England groß sind und nicht so
'^'Nell übc.brückt werden dürsten. Trotzdem gehören
v>r nicht zu de» Kreisen, die Hoffnungen aus ein
.'tt'mürsnis zwischen England und Frankreich aus
Ir Tchärs. dcr englischen Pressepolensik schöpfen.
PUinrr schon Haven englische Regierungen, erinnert
'i an. Llovd George und Bonar Law, aus Anlaß
^vierjger Situationen mit einer Sonderaktwn
«Egen Frankreich ged wüt. Es nimmt deshalb auch
,Z^i wunder, wenn die Regierung Baldwin in Er-
^»gclung positiver Trümpfe gegen Poincare in
pT gegenwärtigen Lage ebenfalls die Souder-
"^iou als letzten Ausweg betrachtet. Aber die asl-
Meine europäische Lage spricht mehr für die Not -
Wendigkeit eines Bündnisses zwi-
iAe» den beiden stärksten Mächten des
Kontinents als für die Verwirklichung der von
Ugland jetzt angeblich ncrucut angedrohten Son-
^taktton. Deutschland würde jedenfalls von einer
^artigen Aktion nichtdengeringstenVor-
/d>l haben und es ist uns unverständlich, wie ge-
, *sse Kreise von einem Zerwürfnis zwischen Frank-
'"ch und England das Heil des deutschen Volkes
Abarten köunc. Denn sicher würde Frankreich
rotz eines Zerwürfnisses mit England die Ruhrbe-
ptzung sortftthren und Deutschland schliesslich
Ar Entgegennahme seiner Bedingungen zwingen.
.. 2o wenig wir an eine Beendigung des franzö-
englischen Bündnisses glauben könttren, so sehr
wir davon überzeugt, datz sich die amtlichen
Alen j,. London und Paris, wenn auch nach
'Aeewinduug grober Hindernisse auf kurz oder lang
ooch einigen werden. Man mutz sich darüber
wr sein, r.atz diese Einigung, nachdem die Regie-
Cuno unsere Interessenvertretung ausfcblietz-
in die Hand Englands gelegt hat, nur auf
Kosten Deutschlands vor sich gehen kann,
mureich bestehi nach wir vor aus die Aufrecht-
. "Altung der E i s e n v a h nr egi e, die inzwischen
u Ruh (gebiet dnrchgeführt ist. Autzerdeur fordert
Sicherheitsmaßnahmen, die in den
det»ischx„ Gebietsteilen zur Durchführung gelan--
sollen. Nichts spricht dafür, datz die französische
'Kirrung von diesen grunlbsätzlichen Forderungen
^sehe» wird, vielmehr ist dagegen auzunehmcn,
sich das durch die Verhältnisse diktierte englisch-
,.,^d!ösische Kompromitz auf die oben bezeichneten
ausbaut.
Wen» auch England aus egoistische» Gründen
7? dicht etwa wegen Deutschland — über die an-
"ätzeudc Haltung Frankreichs erbost ist, so dürfen
»tcht »versetzen, datz England, selbst wenn es
helfen wollie, dies zurzeit nur in sehr b e -
^Ak«nk:cm Matze vermag. Auch von Ame-
,ist Hilfe für Deutschland nicht zu erwarte»,
. s'l die Vereinigten Staaten sich durch Japan, das
sotzr engen Beziehungen zu Frankreich stebt, in
.^ker Bewegungsfreiheit gehemmt sehen. So wie die
ützc liegen, wird Londoir nichts dagegen tun,
orm Frankreich längere Zeit an Rhein und Ruhr
^bleibt, damit England bei seinem Kampf um die
«Ölquellen in Vordern sie» Bewegnngs-
scheit behält. Auch der Drohartikel des „Obser-
ial - zu dem das Kabinett Baldwin sich am Sonn-
h tzufgeschwtmgelt hat, ist kein Beweis dafür,
z," England an einer schnellen Beendigung des
- ^kriege? interessiert ist. Wir fürchten daher, datz
, 2 Kahinclt Cuno eine immer fchwerereGnt-
" s eh n,r g erleben wird.
Besprechungen.
iyj E " ndon, 3. Juli. Der „Frankfurter Zeitg."
aus London telegraphiert: Lord Curzon
heute nachmittag den französischen
l(j ° delg'sch en Botschafter zu separaten
^."Aen Aussprachen. Die offiziellen' Stellen
y hh^r den Verlauf dieser Besprechungen leiner-
tyj Auskunft, jedoch wird sowohl auf französischer
/"ich auf englischer Sette betont, datz damit le-
ih^ch der Anfa u g für eine Reihe von weiteren
jungen gemacht tei. Auch inoffizielle Aeutze-
lassen darauf schließen, datz bisher jedenfalls
lh '" e entscheidenden Z ü g e in dem üegon-
sitzd? diplomatischen Spiel getan seien. Morgen
sj?^ die übliche ioöcheutliche Kabinetts-
üir 7" 3 statt, ohne das;, wie versichert wird, Grund
Az., "Berufung einer besonderen Sitzung vorläge,
der Fall wäre, Wenn die französische Bot-
^0l'f definitiv englischen Fragen beant-
hiisi, "der endgültig die Beantwortung abgelehnt
3elvis0 >rdo >r, 3 Juli. Eine Reuternote betont, datz
Voraus lagen betreffend die Möglichkeiten
'h<>te'"ittigcn Politik Englands nicht inspiriert
h»tg,' Doch werde in gut unterrichtete» Kreisen
Ttth. hingewiesen, datz die Auffassung der
' die im Par' ainent bezüglich der Fort-

dauer dcr jetzigen Lage von der Regierung nicht
außeracht gelassen werden dürfe.
London, 3. Juli. Der britische Oberkommifsar
in Koblenz, Lord Kitmarnoch, Hai in London um
Jn'struktionen gegenüber der Verkehrssperr« gebeten.
London drängt.
London, 2. Juli. Zwei Tatsachen, so telegra-
phiert der Londoner N.K-Vertveter der „Fmnkf.
Jtg.", keiiinzetchiren die gegenwärtige Situation:
erstens die Notwendigkeit für die englisch« Regie-
rung, schon mit Rücksicht ans Pie Parlament Si-
lage auf einer raschen und klaren- Antwort Frank-
reichs zu bPftehon, nachdem nunmehr die belgische
KabinetlArise gelöst ist, zweitens die nunmehr all-
gemein gcwovdane Erkenntnis, datz Paris feine
prinzipiellen Vorbedingungen für eine Ver-
handlung keineswegs aufzu geben be-
reit ist.
Der französische Botschafter ersuchte noch nicht
nm einen Empfang bet Lord Curzon. Di« offi-
ziellen Stellen erwarten die französische Antwort
nächster Tage, dabei miimilmt das Auswärtige
Amt die Stellung ein. datz es nicht auf die Forma-
lität einer schriftlichen- Note ankomme, sondern a»f
eine endgültige klare Beantwortung der gestellte»
Fragen.
Die französische Antwort verschoben
Paris, 4. Juli. (Letzte Telegr.) Die lieber
relchuug der französischen Antivort im Forreign
Office ist tm letzten Moment verschoben worden.
Die alliierte Einigkeit
London, 3. Juni. Dem S. P. D. wird tele-
graphiert: „In offiziellen Kreisen Londons ist man
überrasch! über die Andeutung, die britische Regie-
rung sei entschlossen, eine sofortige Regelung mit
Frankreich zu erzwingen. Von ermächtigter Seite
MUlÄÄÄ
Berlin, 3. Juli. Die Besprechung der
Interpellation über de» Fechcnbachprozetz
wird fortgesetzt.
Abg. Dr. Bell (Ztr.): Unsere berechtigte Ent-
rüstung über di« Tätigkeit der Kriegsgerichte im be-
setzten Gebiet enthebt uns wicht der Notwendigkeit,
auf Mängel der eigenen Rechtsprechung hiuzuweisen.
Es mutz festgestcllt werde», datz nicht nur der Laie,
sondern auch der praktische Jurist erschrecken mutz
über die Ungeheuerlichkeit der verhängten Strafen,
und datz jeden fühlenden Menschen Entsetzen packen
mutz bei dem Gedanken, datz die 33 Jahre Zuchthaus
wirklich abgcsesscn werden solle». Die Volksgerichte
fallen völlig aus dem Rahmen der deutschen Ge-
richtövcrsassnng. Gerade der Fechenbachproze-tz hat
die Mangel des Verfahrens der Volksgertchte so
grell beleuchtet, datz sich die Notwendigkeit einer
Aenderung von selbst ergibt. Auch der Reichs-
justizminister hat erklärt, datz nach seiner
Meinung die Verjährungsfrist «ingetreten wart. Da-
mit hat er zugegeben, datz ein Fehlspruch
ergangen tst und er hat daraus di« notwendigen
Schlußfolgerungen zu ziehen. Das gilt auch von
der bayerischen Regierung. Diese darf nicht warte«,
ob und wann ein Gnadengesuch eingereicht wird.
Es mutz gewirkt werden, datz das Begnadigiings-
vcrfahwn unverzüglich dnrchgeführt wird. Das erste
sollt« sein, die Verurteilt«» ans dem Zuchthaus« zu
entlassen. (Sehr richtig!)
?lbg. Strathman» (D.N.) meint, hinter dieser
Bewegung in Sachen Fechcnbach steht der Republi-
kanische Richterbund, stehen andere republikanische
Organisationen, stehen di« geistigen Konzerne der
„Frankfurter Zeitung" und des „Berliner Tage-
blatts". Republikanische Gesinnung hat wir sich na-
türlich mit der Täiigkcit des Richters oder des
Arztes nichts zu tun. Die Bildung eines Republi-
kanischen Richterbundes bedeutet aber die Erhöhung
der Gefahr daß der Richter sich seiner politischen
Einstellung bei der Ausübung seines Berufs bewußt
wird. Der Republikanische Richterbund ist eine
rechtliche Perversität.
Abg. Kahl (D.VP.): Es liegt kein Bedürf-
nis vor, den Fall Fechcnbach hier noch ausführlich
zu behandeln. Zu dem obersten bayerischen Gericht,
dem die Sache jetzt zugewiesen werden wird, dürfen
wir Vertrauen haben Auch ich habe gegen das
Urteil größte Bedenken überwinden müssen, ins-
besondere gegen das Strafmaß. Fechenbach ist
kein Unschuldsengel; immerhin habe ich noch heute
den Eindruck, daß mildernde Umstände wohl
hätten angenommen werde» können. Jedenfalls
wollen wir in die bayerische Justizhoheit nicht ein-
greisen. (Beifall rechts.)
Abg. Brodaus (Dem.): Die Interpellation be-
zweckt nach unserer Ucberzeugung keinen Vor-
st o ß gegen Bayern. Nach der gestrigen Erklärung
der bayerischen Regierung erübrigt es sich, den Fall
hier ausführlich zu erörtern. Gewiss« Feststellungen
des Volksgcrichts stehen auf recht schwachen Füßen.
Die Angriffe des Abgeordneten Strathmann gegen
den Republikanischen Richtervund müs-
se« zurllckgcwtesen werden. Sem« EMenzberechti-
gung erklärt sich schon aus der dem Volke durchaus
bekannten Tatsache, das; die deutschen Richter in
ihrer großen Mehrheit dem heutigen Staate iMew

wird festgestellt, datz cs durchansvoretlig
Ware, von einen« gesonderten Vorgehen Englands
Deutschland gegenüber zu sprechen."
Wiedereröffnung der belgischen
Kammer.
Brüssel, 4. Juli. (Letztes Telegr.) Die Kam-
mer tst gestern wieder zusammengetrete«. Präsident
Brnnnet eröffnet die Sitzung mit der Erwähnung
des Explostonsunglücks auf der Hochsclder Rhrln-
brücke. Der Minister der nationalen Verteidigung
DevSze erklärte, die Untersuchung des Attentats,
dem zahlreiche belgische Soldaten zum Opser gefal-
len sind, werde energisch betrieben. Der wiederer-
nannte M'ntsterprästdcnt Theunis erklärte, Frank-
reich werd: den nöligen Drnck ausüben, bis Belgien
seine Genugtuung erhalten hab«.
Völkerbundrrat und Saarfrage
Genf, 3. Juli. Gestern vormittag 11 Uhr trat
der Völkerbund zu seiner ersten Sonderlagung zu-
sammen. Nach längerer Debatte wurde beschlossen,
die zu behandelnde Saar frage in öffentlicher
Sitzung zu besprechen. Außerdem stehen Danzi-
ger Fragen zur Besprechung.

Vom besetzten Gebiet.
Die katastrophale Lage.
Elberfeld, 2. Juli. (Eig- Bericht.) Der- Er-
las-, des Generals Degoutte, der für 14 Tage jede
Liu- und Ausreise ins Ruhrgebiet untersagt, bedeu-
tet eine völlige Blockierung des Nuhrgebie-
tes, die durch die starke Handhabung des Pahzwan-
gss seit Wochen eingeleitet worden ist. Das Ende
kann nur eine große Katastrophe sein. D:r
Erlaß wurde mit grösster Pttnktstchkeit -nrchgcführt.

m Sm WWW.
sich seindl'ch gegcnüberstehcm. iUnruhe rechts.) Es
genüg! mstn, wenn der Richterverein erklärt, er stehe
auf dem Boden der Verfassung und verurteile jeden
gewaltsamen Umsturz. Auf dem Boden der Ver-
fassung steht nur, wer sich zu Art. 1 bekennt, in dem
es heißt: „Das Deutsche Reich ist eine Republik."
Wer diesen Art. 1 beseitigen will, gleichviel auf wel-
chem Wege, tst Gegner der Netchsverfassung und
Gegner der Deutschen Republik (Lebü. Beifall in
d?r Mitte und links.-
Neichslnstijminister Dr. Heintze erklärt, daß
man es bei dem Vorschlag der bayerischen Regierung
belassen müsse.
Abg. Thomas (Komm.) forder! die soforltge
Beseitigung der bayerischen Volksgerichle.
Abg. Ledebour (Unabb) erstärt, die Nach-
prüfung d:s Feüluristls im Fecheabackiprozes; darf
nicht von einem Gnadengesuch abbängig gemarl»
werden.
Nach einigen Bemerkungen des Abg. Dr. Em-
minger tBayer.VP.) schließt die Aussprache. Im
Schlußwort der Interpellanten erklärt
Abg. Dr. Radbruch lGoz.):
Wir bedauern, daß oie bayerische Regierung nicht
von sich ans die soforiige Begnadigung Fechenbachs
Verfügt hat, Tatsächlich wird das Gnadengesuch,
das jetzt eingereiehr wird, keine Bitte nm Gnade
sein, sondern um die Forderung nach dem Recht.
(Beifall links.) Uns liegt vielmehr daran, datz die
Unschuld Fechenbachs fesrgestellt wird, als daß er
lediglich wegen Verjährung straffrei anSgeht. Mir
Ist außer dem Urteil gegen Leoprechting. das den-
selben Richter Dr. Hatz zum Verfasser hat, kein
Urteil vorgekomrncn. das so voll Geschwätzig-
keit, voll falschem Pathos und voll geschraubter
Rabulistik war, wie das Fechenbachurteil. (Lebhafte
Zustimmung links.) Ich hktle erwartet, das; der
Reichsjustizminister und der Vertreter der bayeri-
schen Regierung von diesem seltsamen Verfahren
dieser seltsamen Richter etwas Wetter abgerückt wä-
ren. (Erncule lebhaft? Zustimmung links und in oer
Mitte.) Wir bedauern weiter, daß dcr Neichsjusilz-
minister sich hier ohne Nol felerlichst auf die Ver-
fassungsmäßigkeit der Volksgerich.'c festgelegt hat.
Wenn er sich auf seinen Vorgänger im Amte beeufen
hat, so ist es etwas ganz anderes, sich durch die
Stellungnahme des Reichsgerichts gebunden zu
wissen, als die Versassungsmätzigkeii dcr Volksge-
richle von sich aus selbständig anzucrkcnnen. Im
Dreysusprozeß hat sich das neue eepublikanlsch?
Frankreich mit dem altLir Frankreich endgültig aus-
einandergesetzt. Wir haben bisher den Fechenbach-
prozeß Äs eine Angelegenheit des Rechtes, nicht als
eine Sache der Poliiik behandelt. Wenn jetzt diesem
Rechtsschadcn nicht baldige Abhilfe folgt, könnte
aber der Fcchenbachprozeß für uns das werden, was
der Dreysusprozeß für Frankreich war: ein Prüf-
stein, an dem sich das alte und das neue Deutsch-
land scheidet, zugleich aber auch die Sauberkeit und
Unsauberkeit des Gewissens. (Stürmischer Beifall
links.)
Ein Zenlrnmsanlrag auf Beschleunigung der Re-
form de» Strasprozeßrechtes und damit auch voll-
ständige Rechtseinheit auf strasrechtlichem Gcbie!
wird gegen einige Stimmen bayerischer und deutsch
natiKnaler Abgeordneter angenommen

Sonntag nacht 12 Uhr wurde die elektrisch« Straßen-
bahn Elberfeld—Neviges—Nierenhof gemäß dem
Erllaß stillgelegt. Dadurch fällt für die Versor-
gung des Ruhrgebietes die wichtigste Ltn'e weg,
die den Verkehr nach Hattingen, Bochum, Steele,
Gelsenkirchen, Esten, Mülheim, Duisburg vermittelt.
Arbeiter, di« im besetzten Gebiet arbeiten und um«
gekehrt werden zurückgewiefen. Es scheint jedoch
«Ine Erleichterung eintreten zu sollen. Die lokalen
Besatzuugsbshörden sind mit den Kommuualbehör-
dcn in Verhandlungen darüber etngetreten, welchen
Personen die Ein- und Ausreise auch in Zukunft
gestattet werden so«. In der von den Franzosen
besetzten englischen Grenzzone ist der Erlaß
bisher nicht dnrchgeführt worden, doch wird der
Patzzwawg sehr scharf gehandhabt.
Bund „Oberland".
Aus M atnz wird uns zu den sieben To-
desurteile» geschrieben:
AM Freitag wurden in Mainz sieben Deutsche
zum Tode verurteilt. Sie waren angeklagt, m ver-
schiedenen Fällen Eiscnbahnatteniate ver-
übt zu haben. Auch diese Verurteilten sind dcr fran-
zösische» Gerichtsbehörde durch gegenseitigen Verrat
in die Hände gefallen. Sie alle gehörte» dem Bund
„Oberland" an. Im Casc „Landsturm" in
Frankfurt war nach übereinstimmenden Aussagen
der Verurteilten ein Werbebureau dieses Bun-
des mit dem Zweck eingerichtet, Sabotageakte im
besetzten Gebiet dnrchzusühre». Allen Mitgliedern
waren Karten ausgeüäudig' worden, auf roclche-k
die Stellen ctngezeichnet waren, an denen Spreu«
gnngei; usw. vorgenommen werden sollten. Für die
Tat Wurden Vorschüsse in vcpfchiedener Höhe
gezahlt. Die Mehrzahl der Angeklagten erklärte, dem
Bund „Oberiand" lediglich zum Zwecke des Getd-
verd snens beigetreten zu fein
Am 8. Mai begaben sich die Angeklagten
Gruber, Haaie und Schneider zu der franzöisiwen
Geheimpolizei in Höcbst a. M., um der: über Mn
Zweck der Un.:rorganisatlon „Oberland" in Frank-
furt a. M. mit der Absicbr, Gerd i» erbatteu An-
gaben zu machen. Sie erhielten »doch kein Gew,
sondern wurden in H a f t genommen, da sie sich -n
Einze,verhör ebenfalls wieder verrieten und gestan-
den, an den bereits früher erfolgten Sabotageakten
bet Vodenbeim und Niederheimbach beteiligt gewe-
sen zu sein. Durch die Angaben der Verräter ge-
langte die Polizei aus die Spur der übrigen Kom«
Plizen, die dann bald festgeuommen wurden Fenier
deckte die französische Geheimpolizei das Dynamit-
depot der Säbotagegescllschaft bet Mutterstadt auf.
Der Verlauf dcr Verhandlung«» ergab ein äußerst
irübeö Charakterbild von den Angeklagten. Der
eine versuchte die Schuld auf den anderen abznwül-
zen, was verraten werden konnte, wurde dem fran-
zösischen Gericht mttgrteilt.
Eine Falschmeldung.
Bcrlin, 3. Juli. Die Havasagemtnr berichtet,
daß die Angeklagten lm Maizer Prozeß zuerst ge-
leugnet Hütten. Dann aber hab«n sie erklärt, datz sie
den Befehl zur Sabotage von einem Dr.
Franke aus Augsburg erhalten hätten, der de<
sozialdemokratischen Partei angehöre.
Es kann hier nur ein Hörfehler vorltegen.
Sehr wahrscheinlich haben die Angeklagten ans ge-
sagt, daß Dr. Franke der n a t t o n a l s o z t a l istt -
scheu Partei angeüört. Soweit wir uns bis jetzt
erkundigen konnten, gehört «in Dr. Franke in Augs-
burg unserer Partei nicht an.
Wer bezahlt die Saboteure?
Auf obige für die nationalsozialistischen Geheim-
bündler beachtliche Frage gibt folgende Meldung
Boscheid:
Ein im deutschen Polizeigowahrsam befindliche«
Rubrarbetter hat unter genauer Angabe von
Ort und Zeit erzählt, daß er bei einer Zusammen-
kunft mit belgischen Geheimpolizisten
von diesen ersucht worden sei, gegen das Duisburgel
Rathaus und gegen das Theater ein Bomben-
attentatzu unternehmen.
Der Papst gegen die Sabotageakte.
Der Pas' st hat durch den Kardinalsiaaisfekretäp
Pacelsi aus Anlaß des Unglücks bei der Duisburg«'
Rbctnbrückc folgendes Telegramm gesandt:
„Während dcr Hl. Vatep sich bemüht, di«
Mächte zu einer wirtschaftlichen Verständi-
gung zu sichren, und während er bestrebt ist,
alles zu vermeiden, was diese Verstäudigung ge-
fährden könnte, erfahre ich, daß in den besetzten
Gebieten Sabotage-Akte verübt werden.
Se. Hlgkt, wünscht, daß ganz energische Schritte
unternommen werden, damit die dortige Obrig-
keit Maßnahmen ergreift gegen dies«
Handlungen, so wie der Hl. Vater alles int
um eine friedliche Regelung zu erreichen."
Ob diese Mahnung des Papstes böj den Woians«
jünger» wohl Erfolg hat?
Eia allgemeiner Protest.
Dortmund, 3. Juli. Gegen die Absperrung
des besetzten Gebietes erhoben die der Aubeitsge-
metnslhas: «»geschlosserten Arbeitgeberver-
b ä n d e und die Gewerkschaften dcr Arbeiter
und Angestellte» aller Richtungen sowie die Ange-
stellten- und Beamten Verbände schärssten Protest.
 
Annotationen