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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 171 - Nr. 180 (26. Juli - 6. August)
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Eeschäftsftunde» 8—SUHr. Sprech»
stundett der Redaktion: lt—ILNHr,
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Tcl.-Ädrn Volkszeitung tzeidelberch
Druck u. Verlag der Unterbadischcil
Verlagsanstalt G. m. b. H,, Heidel«
berg. lSeschästrstelle: Tchrüderstr.bg,
Telit Erpedition L«73 u Redak.L67«.

ragkz-ZettUg für die mMWe Möllerung der AWlsSezltte SOelberg, Wlesloch. KMelm. Kpplnge». Kerbsch, Mosbach. Buchen. Adelshells. Norberg. rauberMMelsl n. WeMelm

6. Jahrgang

Heidelberg, Donnerstag, den 2. August 1923

Nr. 177

AWMMUMNllWlkl
Va>t E. D. Morel.
Vor neun Jabren führtet Ihr eure Völker zur
Schlachtbank! Mit mörderischen Werkzeugen, aus
dcrsteckten Pfaden, >n heinllichen Vsratungen, mit
Verschwörungen und Gegenverschwörungen, ve-
rlebt, Eure Gegner an Listigkeit zu übertreffen, hat-
tet Ihr, gleich ihnen, seit langem den Massen den
Todesweg bereitet. Ihr redetet ihnen vor von
Dreiheit und Gerechtigkeit, von Fortschritt, Sicher-
beit und Frieden.

Ihr gebotet ihnen, im Namen Gortes zu morden,
nahmt seinen Segen für Euer Unternehmen in An-
spruch. dcn barmherzigen Christus, den Ihr aufs
Neue ans Kreuz schlugt, rieft ihr um Hilfe an.
Ihr verspracht den Völkern eine von Hatz be-
reite Welt: die geläutert wäre durch ihr Opfer, ge-
heiligt durch ihr Märtyrertum, gereinigt durch die
Tränen der Frauen, im Blute reingewaschen: in
bem Blute der Jugend!
Monat folgte auf Monat, Jahre starben und
wurden geboren: immer noch befahlt Jha ihnen,
töten.
Formlos in die durstende Erde hineiugeslmnpst,
-'"rissen und zerschmettert, blutige Höhlen da, wo
cwst die Brust Ivar, aus dcn Augenhöhlen zerrissene
-lugen, verstümmelte, loshängende Glieder, so star-
h"i sie an Durst und Wunden in den Grauattrich-
l"n, zaovelten sie sich am Stacheldraht hängend zu
Trwe, schleiften sie die Eingeweide nach und ver-
galten bei lebendigem Leibe in den mit Leichen be-
deckten Schützengräben.
Und Ihr ward es, die dies alles verursachtet,
Ihr! Ihr!
Was mlen sie dellen, mit denen sie kämpfen mntz-
l"t? Was diese ihnen? — „Gewöhnliche Leute",
alle. Dieser, Bursche von Devon, der aus Gas-
cogne; dieser Jüngling ans dem Badener Ländchen,
lener aus der toskanischen Ebene: alles von Le-
bensfreude erfüllt, sie alle entsprossen einem einzigen
Menschenstainnt, gleiche Hoffnungen, gleichen Knm-
"lor tragend: Arbeiter der Welt.

Hungers zu streben inmitten derer,

Mr int Ihr

Und noch war Euch trotz allem das Vertrauen
' crjenigen geblieben, die kämpften, aber wicht fielen.
Unermeßlich blieb immer noch Eure Schuld. Ihr
hälfet vollauf den Bedürfnissen der Witwe» und
Waisen Rechnung getragen: «nermetzlich war den-
uoch E„er Verbrechen.
... lind trotzdem hättet Ihr Verzeihung erlangen
^nnen: denn unermüdlich ist die Geduld des Vol-
unendlich groß keine Herzensetnfalt, unerschöpf-
'h seine Großmut, seine Fähigkeit, zu leiden.
Ihr aber, Ihr verrietet Siel
Wo ist die ihnm vcrsrkochE Freiheit? Ist es
.Freiheit, Hungers zu streben inmitten derer,
in, Luxus tthwclgcn? Wo ist die Gerechtigkeit?
o/lsl-ht Ihr darunter das Armmresetz und das
'"-Mnhaus? Wo ist die Sicherhut? Meint Ihr
"MU die Sich'rhc't, die dm Hümailoscn gewährt
lstrd? Wo d-r Frieden? N'.nnt Ihr so den Frie-
c» des Todes? Denn abermals bereitet Ihr der
T^üse des Todes ein? reiche Ernte In Euerem
^bttsinn schasst Ihr noch grausam re Werkzeuge
^er Vcrn'-.chtung. In Euerer Bosheit und GotUosig-
gebt Ihr von n nein das Vermög n der Völker
. Klären Untergang hin In Euerer Verbindung
z.'nt Jur lvikder Eueren Verrat in dem Blut: der
"schuldig:n ZN ersticken.
. Ihr vers'ttcht den Himmel mit sligenven Flot-
m" l'cr Zerstörung' die bald schlummernde Städte
Gtfidünste eint'üllcn werden, in cin:r einzigen
die beharrliche Arbeit von Iaurhund-rt-n
^luichten-d, zündende Bomben schlmdcrnd ans enge
ieund Gelände, wo Euere Lohnfklaven hau-
' lbilich, Grfe über das Land ausstrvmm las-
", ganze G:»i'indcn dem ErsltckungSlod preis-
"dcnd.
Ue^^Ettg mit einer zynischen Herzcnskälte und
d, die aus Euch die Meisterverbrecher
Um ^"hthuuderle m-achm, plant Ihr der Völker
. Mit fieberhafter Geschäftigkeit schlagt
^""cn°, Fichten- und Eichenwälder ab, die
Plänen, dienen sollen, verwandelt Euere La-
E,, .„"lhen in Mordhallm, macht Ihr aus Eueren
"k.-ni bezai'lie Mörder. Ihr prostituiert die
schl„"'chaft ü» Dienst des Mordes, die in nie gc-
Matze auSgeübte Metzelei erbebt Ihr zur
der Tugend.
küenl^ Virnichiunz mit einer an Schwachsinn
Vxhg "len ilrieiisfähigkeit Zerstörnng fruchtbarer
dust"-, cluigs-ciiiriu, grotzcr Bienenstöcke der In-
Zerstörung dcr Ernten und alles pflanzlich«»
die WDie Zielscheiben Eurir Bomben werden
>n dei,^"^"" " derer icin, die in den Werkstätten,
Beitel, """ciken, in den Höfen ans de» Feldern ar-
ieid^ ^'^»e>r Gottes frage »ch Euch: wer und was
Ihr E ' Ihr diese Dinge tut? Woher nehmt
verm^. N-cl't, Gesetze zu geben, zu regieren,
^edanlx Ucberschreilct nicht bisweilen der
Eures Ns»"" kommende Vergeltung die Schwelle
Völker l^utztseins? Glaubt Ihr, die Nachsicht dcr
Dh grenzenlos?
vermeintliche Sieger, aber
^Nahr »rotzcn Krieges. Die höchste
.^citalterz und Eiierer Geschicke naht
^üch aut drovendcr Verzw-iflung. Rafft
'c-i G saur"d" Erl-unutts der nahen-
ehe der unerbittliche Mechanismus Euch

ln seiner grausamen Umarmung zerschmettert, cye
die Dämonen dec Furcht und des Haffes Euch zu
Spielbällen d:r von panischer Angst befallenen, Jrr-
tlini r vcgehenden Regierungen mach',"die beladen
sind mit dem verfluchten Erbteil thrttc eigenen Un-
gercchttgkcit und Torheit.
Vereinigt Ihr Ench nicht, nm die drohende Ka-
tastrophe adzuwendcn, >st Euer Untergang besiegelt.
Ihr Käinlfcr im Ticnfte dcr Freiheit, soll Eueres
Lebens Arbeit mit Euch untergeben? Ihr Holser
dcr Armen, wollt Jbc die Hoffnung aufgeben, sie
aus dM Sumpfe zu ziehen? Ihr Verbesserer der
Gesellschaft, könnt Ihr warten, während Wahn-
witzige eine Wildnis planen?
Ihr alle, die Ihr an dem Ausbau des neuen
Staates mitarbritet, wollt Ivr znsehen, wie er in
dcr Mitte geknickt wird? Ihr, die Ihr die Jugend
lstbt, wollt Ihr von ncuein Eure Kinder geopfert
sehen?
Erinnert Euch! sie geboten Euch, Euch nm des
Friedens willen zu bew-asfncn. Istr bewaffnet Euch,
und der Krieg kam und geißelte Euch.
Erinnert Euch! Sie geboten Euch, Euch der
Sicherheit zuliebe zu bewaffnen. Ihr ergrifft Vie
Waffen, und heute feit Ihr weniger sicher denn je,
vor ihrem verbrecht rischen Wahnsinn
Wirder befehlen sic Such, noch teuflischere Mas-
st n herzuftellsn. Während aus den Schmelzttegrln
'hrer Laboratorien emporstclgt dcr Dunst stinkiger
Gase, die brennm und ersticke»; leichte Gase, die,
sich mit der Luft vermengend, alles Lebewesen mit
Auflösung bedrehcn, schwere Gale, die, unter die
Oberfläche sink-nd. Euch bis in die Eingeweide der
Erde versorgen werden. Gif", die in Probetubcn
destilliert werden, Tropfen um Tropfen, deren bös-
artige Macht die Kunst ein s Ceiare Borgia über-
trifft.
Euwe Körpcr, Euere Kinder, Enere Häuser,
Euere Städte und Dörfer, Euer Heimatland, d'cs
sind die Zi.'lschcibc»
Ihr Toren! schreit nach Eurem eigenen Ver-
bilden?

Die Lage im Reich.
Man will Cuno halten.
Berli n, 1. Aug. (Priv. Tel.) Die Situation,
Wie sie heute liegt, ist folgende: Cuno soll blei-
ben. Reichsfinanzminister D-r. Hermes und
NeiÄsmirstchaftsininister Dr. Becker sollen im
Kabinett durch neue Männer ersetzt werden. Her-
rn e s wird mit Recht der Vorwurf gemacht, daß er
die Steuergesetze, die er jetzt im Reichstag ein-
bringt, zu Beginn der Ruhraktion hätte einbringen
müssen. Tie Maßnahmen, die er ergriffen Hal,
waren unzulänglich. Dr. Becker hat irrst seiner
Politik völlig versagt, seine getroffenen Maßnahmen
mußte» rum Chaos führen. Das Kabinett ver-
langt ein: Blutaufsrischung. aber Cuno muß an
der Spitze bleiben; selbstverständlich mutz das kom-
mend? aufgesrischte Kabinett mehr als bisher füh-
rend sein — Wir sind dcr Ansicht, daß man auch
jetzt wieder in Berlin zu wenig aktiv ist. Man hätte
sofort die nötigen Maßnahmen ergreifen sollen, um
der täglich zunehmenden Verelendung zu steuern-
Man Höri in diesen Tagen Wiede» viele schöne Worte
von Maßnahmen zur Linderung der Not; aber von
Taten merkt man nichts. Die Red.
Ob es einen Wert hat?
Berlin, 1. Aug. Der Reichsausschutz der
deutschen Landwirtschaft erlässt einen Aufruf an die
Landwirte, worin sie ausgesordert werden, alle ihre
Kraft daran zu setzen, die Städte mit dm nötige»
Nahrungsmitteln zu versehen. Wetter heißt es in
dem Aufruf: „Wer sich in diese« Zeit der Not dem
Reiche vertagt, schädigt die Gesamtheit des Vol-
kes!" — (Wir müssen schon sagen, daß sich die Land-
wirtschaft, wenigstens der größte Teil, bis heut«
sehr wenig um die Schädigung des deutschen Volkes
kümmerte. Der Profit ging ihr über alles. Aus
diesem Grunde glauben wir, daß auch dieser Auf-
ruf wirkungslos verhallt. Die Red.)
Die Sozialdemokraten bei Cuno.
Berlin, 1. Aug Bei dem heutigen Empsantz
des Vorstandes der sozialdemokratischen
R e i ch s t a g s fr a kt i o n durch den Reichskanz-
ler wird vorwiegend das Steue-rprogramm der
Reichsregierung und der Sozialdemokratie erörtert
werden. Ein Kompromiß dürfte nicht schwer
zu finden sein, da die Regierung gerne bereit wäre,
noch höhere Steuern für Opfer zu verlangen, wenn
Aussicht vorhanden ist, daß diese vom Reichstag
bewilligt werden.
In Erwartung „großer" Dinge.
Beilin,!. Ang. Die erste Sitzung veS Reichs-
tages, der am 8. August zusammenlrUß w»rv den
Erklärungen gewidmet sein, Vie von der
Regierungsbank zu erwarten sind Neichs-
ftnanzininister Dr Hermes wird die erste Lesung
kcs aus der Tagesordnung stehenden Rhein- n
Ruhropfers und der Entwürfe eines Steuer-
ztnsgesetzes benützen, nm die Stmewoxlage zu

vertreten An die Regierungserklärung wird sich
eine AuSivrache anscyilctzen. Außcr den zwei
gemachten StemrgesctzentwUrsm werden noch wet-
tere Sleueivorlagcn und der Gesetzentwurf über
die Godanlelhc auf die Tagesordnung gesetzt wer-
den, wenn die Vorlagen bis dahin izn Büro des
Reichstages eingegangen sind.
Herr Gehler — es bleibt dabei.
Hamburg, 1. Ang Die sozialdemokratischen
Behauptungen über nationalistische Vor
sänge in der Hamburger Reichswehr,
ttc zu einer Erwiderung des Reichswehr-
ministers g führt haben .in der die sozialdemo-
kratische Darstellung bestritten wurde, werden heute
tom „HamburMr Echo" tn all:n Teilen au frech t-
rrhaklen
Das Blatt erklärt, daß es die Veröffentlichung
d r dokumentarischen Unterlagen unter-
iassen müsse, um sich nicht einem Lrusesverratspro-
zctz auszusetz n Es s-i aber bereit, irgend cin>r
K o m m issiou in g. ichlossener Sitzung die Doku-
mcnle i orznleg.n Die Angaben beruhten auf Ma-
terial, das eine volizk'.ltche Haussuchung bei einem
R e i ch sw e h r o f s l; i e r ergeben habe. Das Ma-
terial beweise cklatatst, daß R> ichswehrossiziere mit
anlirevublikantschen Vereingungen in engster Ver-
bindnng standen und daß d-T vom- Rüchswehrmini-
strr nach Hamburg entsandte General Hell-
frttz eine ungemein bedenkliche und den Bestand
dcr deutschen R > vblik schwer lndroh mde Tätigkeit
tn sogenannten Selbsts.hutzorganisationen ansgeübt
habe. Das sozialdemokratische Blatt gibt zu, daß
der ReichSwehrministcr gegen di-se Vorgänge einge-
schrillen sei
Tagung des rheinischen Zentrums.
Heidelberg, 1. Aug. Die Konferenz des
rheinischen Zentrums wurde heute in Heidelberg
eröffnet. Zum Vorsitzenden wurde der frühere
Reichskanzler Fehrcnbach gewählt. Als erster
Redner sprach Professor Neuß über das Thema
„Das Rheinland und die deutschen Katholiken".
Dann behandelte Prof. Meier die Frage „Der
Rhein und seine Vcrkchrspolitik in ihrer Wirkung
auf das Deutsche Reich". Diesen Eindruck machten
die Ausführungen des Redners, indem er die Rück-
wirkungen des Rheinlandabkommens auf die deut-
sche Wirtschaft zusamrnenstellle und darlegte, wie
dieses Abkommen auf die wirtschaftliche Selbstän-
digkeit Deutschlands schädlich wirke. Am Nachmit-
tag erfolgte Las politische Referat von Schofcr,
Mitglied des badischen Landtages, über die Politi-
sche Lage Schofer arbeitete den Gedanken scharf
heraus, wie die französische» Politiker weniger auf
Reparationen ausgingen als politische Ziele ver-
folgten, die ihnen der Friedensvertrag von Ver-
sailles nicht gewährt hätte. DaS deutsche Volk sei
einig tn der Ablehnung dieser Ziele, die Annexion
deutschen Gebietes bezweckten. Deutschland könne
nur mit moralischen Mitteln Widerstand leisten.
Dieser passive Widerstand müsse jedoch einheitlich
und geschlossen durchgeführt werden. Diese Ab-
wehrpolitik sehe voraus, daß auch in der Debatte im
nichtbesetzten Deutschland mancher seiner Verant-
wortung bewußt blerbe.
Der bayerische Staatshaushalt.
München, l. Aug. Dec H a u s h a l 1 s a n S-
schuß des bayerischen Lanidtag.s schloß mit An-
nahme des Fin an z ges-etzes seine Sitzungen
Die ursvrünglich im Finanzgesetz vorgesehene Aus-
gabensummc von rund 18 Milliarden Mark erdicht
sich infolge der Auswirkungen tnr Geldentwertung
aus rund 2 Billionen 8Z1 Milliarden; die ursprüng-
lich mit rund 14 Milliarvm veranschlagte Einnahme
erdicht sich ans rmw 2 Billionen 36l> Milliarden, so
daß das mit rund Milli irden errechntte Defizit
LeS bayerischen Staatsh,ushälts sich auf rung 290
Milliarden erhöbt.
Wie Bayern die Reichseinheit
auffaßt.
München, l. Aug Der vaYer sche Land-
tag hat einen Antrag angenommen, wonach die
Regierung Mil d-r R e! chs r c g i eru n g in Ve r°
Handlungen eintreten soll La rüber ioie den
bayerischen Eisenbahnen ihre Selbstcütt
digkett gewährleistet werd,« soll.
Der deutsche Finanzdalles.
Berlin, 1. Ang. Nach dem Reichsbani'cms-
weis vom 23. Juli ergibt sich eine erneute Steige-
rung des Banknotenumlaufes von 6.33 auf 31.82
Billionen Mark. Vom Goldbestand der Reichsbank
wurden weiter 40.6 Millionen Goldmark im Aus-
lande verkauft. Die Anleihekosten weifen eine Zu-
nahme der Reichsschatzanweisungen um 9.19 Bil-
lionen und der Wechsel um 2.87 Billionen auf.
Einzelheiten des Entwurfes der
Goldanleihe.
Berlin, 1. Aug. Wie die „Zeit" erfährt, ist
dcr Entwurf für die Goldanleihe nunmehr fertig-
gestellt. Diese soll in einer Höhe bis zu k>00 Millio-
nen Goldmark aufgelegt werden. Die Stück? lau-
ten auf Goldmark. Die Stückelung geht herab bis
zu 4.20 Goldmark, gleich einem Dollar. Die Zeich-
nungshöhe wird für die Beträge, die in Devisen ge-
zeichnet Werden, 95 v. H. betragen, für die 'n Pa-

piermart gezeichneten 97 v. H. Sehr wichtig ist,
daß nunmehr die Goldanlethe mit der Garantie der
gesamten deutschen Wirtschaft ausgestattet werden
wll. Die Anleihe wird von der Börsenumsatzsteuer
und evtl, von der Erbschaftssteuer befreit sein.
Endlich wird zugegriffen.
Die Untersuchung des vor etwa sechs Wochen
aufgedeckten Fememordes an dem Landwirtschasts-
cleven Sadow ist bekanntlich den mecklenburg'schen
Justiz- und Polizeibehörden entzogen und dem
Slaatsgerichtshos übergeben worden. Während nun
dcr Untersuchungsrichter und der Staatsanwalt in
Mecklenburg die Angelegenheit als ein gewöhnliches
Verbrechen behandelten, und die politischen Draht-
zieher und Mitwisser aus der Roßbach-Orgmrisation
unbehelligt ließen, hat es dcn Anschein, daß der
Slaatsgerichtshos diesmal entschlossen ist, ganze
Arbeit zu machen und die Roßbach Kloake auszu-
brennen. So ist bis jetzt das Strafverfahren gegen
nicht weniger als 17 Angehörige der Roßbach-Or-
ganisation eröffnet Worden, die sich alle bis nuf ei-
nen, der noch flüchtig ist, bereits in Ha fr befinden,
entweder als Täter oder als Anstifter bezw Be-
günstigter.
So ist auch der Haupttäter, der Fähnrich Höß,
der nach dem Mord von seiner Organisation nach
Oberschlesien dirigiert worden war, dort kürzlich
ergriffen und nach Leipzig transportiert worden.
Ob das Verfahren auch auf die beideu Leiter der
Teittschvölkischen Freiheitspartet in Parchim, dcn
Kanfmann Ma solle und den Fabrikanten von
Harz ausgedehnt werden wird, hängt noch von
den weiteren Ergebnissen der Untersuchung -w, die
I>l den nächsten Tagen abgeschlossen werden dürfte.
Verhaftung eines kommunistischen
Sekretärs.
München, 31. Juli. (Eig. Drahtb.) Im Fmk-
twnszimmer der KPD- im Münchener Rathaus
wurde der Schriftsteller Paul Schultz aus Ober-
Eschenbach bet Homburg durch die hiesige Polizei
aufgrund eines Haftbefehls des Oberstaatsanwalts
am Landgericht Mannheim sestgenommen, und zwar
tvegen Vergebe» gegen die Kß 185, 186, IW, 200 und
7i des S'.r. G. B. und 8 20 des Pressegesetzes.
Schultz ist Sekretär der Berliner Zentrale der KPD.
und arbeitet jetzt in ihrem Auftrage am Ausbau der
KPD. >n Bayern. Der kommunistische Stadtrat
Weigl gab ihm die Erlaubnis, seine Arbeiten im
Fraktionsztmmer der KPD. zu erledigen.
Eine Taktlosigkeit.
In Riga, der Hauptstadt der jungen lettischen
Repubttk, findet zurzm eine internationale Aus-
stellung start, die ein Beispiel deutschen Fleißes und
deutscher Energie liefert. Besonders zahlreich sind
bekannte deutsche Maschiuenbaufinnen vertreten.
Leider erfährt das deutsche Ausstellungswerk
durch eine Taktlosigkeit des Vs» der Firma Lanz
entsandten Vertreters eine bedauerliche Beeinträch-
tigung. Die übrigen deutschen Firmen mit Aus-
nahme von Lanz bringen ihre Waren nniter den
Farben kchwarz-roi-gold zur Schau, während die
genannte Firma aus dem demokratischen badischen
Land sich dcr schwarz-weiß-roten Fahne bediente.
Diese Takilosigkeit siel um so meür ins Auge, als die
Firma Wolf-Magdeburg, derer! AuSstcllu-rrg an die
der Firma Lanz angrenzte, eine große schwarz-rot-
goldne Fahne gehißt hatte. Es ist deshalb nicht ver-
wunderlich. wenn AusstellungSbesucher sich an de»
verschiedenen Farben stießen und offen der Auf-
fassung Ausdruck gaben, ob es in Deutschland zwei
RetchSfarben gibt oder welche der von den beide»
großen Firmen gehißten Flaggen maßgebend sei.
Der denüche Gesandte in Riga, Genosse Dr.
Köster, hat die Taktlosigkeit des Vertreters von
Lanz bei seinem ersten Besuch damit beautwor-
tct, daß er die Halle der Firma Lanz nicht be-
ürchle
Begünstigung der Deutfchoölkischen
durch ein republikanisches Gericht.
Die mecklenburgischen dcntfchoölkischen Ver-
schivörerorganrsationen werden nenerdiugs durch
einen Prozeß gegen unser Mecklenburger Partei-
blatt beleuchtet. Die „Volkszeitung" batte vor ei-
nigen Monaten ein Geheiukzlrkular des deutsch-
völkischen Schutz- und Trntzbnndes, Gau Mecklen-
burg, veröffentlicht, in dem nnvcrhüllt nm Geld und
Freiwillige für die Zwecke des Deutschvölkischen
Schutz- und Trutzbundes geworben wurde. Di«
Vorgeschichte des Skandalprozesses weist recht in-
teressante Momente aus. Der Staatsanwalt batte
seinerzei' die Erhebung der öffentlichen Anklage
ab gelehnt. Dann hatte sie der Oberstaatsanwalt
verfügt. Der Justizminister hat die Verfügung des
Oberstaatsanwaltes für eine» Mißgriff, für total
falsch, erklärt. . Selbst der Oberstaatsanwalt sagte
alsdann, er würde die Erhebung der öffentliche»
Anklag: nicht verfügt haben, wenn er über den
dentschvöikttchen Schutz- und Trutzbund genügend
orientiert gewesen wäre. Schon daraus ergibt sich,
daß der Prozeß auf ein Versuchen, auf Unkenntnis
des Staatsanwalts beruht, dem dieser Prozeß nur
den Anschein erwecken könne, als begünstige der
Staat den deutschvölkischen Schutz- uud Trutzbund,
dem bekanntlich die Parchimer Mordgesellen an-
gehörten uud der ferner die Mordwaffe gegen Ra-
tkenau lieferte.
 
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