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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 141 - Nr. 150 (21. Juni - 2. Juli)
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5. Jahrgang

Heidelberg, Freitag, den 29. Juni 1923

Nr. 148

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MW -kl DkMmWllM.
* Heidelberg, 29. Juni.
In der gestrigen Landtagssitzung holten
sich die Deutschnationalen e-ine gewaltige Abfuhr.
Sie hatten nämlich die neuliche Jntervtsw-Aenße-
ruiug des badischen Staatspräsidenten über die Ver-
dslichtung des Privatbesitzer zur Erfüll-ung des
Friedensvertrages zum Gegenstand einer Interpella-
tion gemacht. In sachlicher Schärfe rechnete Staats-
präsident Remmele mit dieser Agitationspolitik
»b, die nur den Zweck hat, durch Volksaufhetzung die
Politik einer friedlichen Vertragserfüllung — den
einzigen Weg Deutschlands zur Freiheit — zu durch-
kreuzen. Die Deutschnationalm holten sich denn
auch bet allen anderen Parteien (nur die Deutsche
Liberale Volkspartei blieb zweideutig) eine Absage.
Das badische Volk, das in seiner weitaus überwie-
ScnDen Mehrheit hinter der Rede des Staatspräsi-
denten stehl, aber Weitz, daß dm Deutschnationalen
eine auf Schutz der Besitzenden berechnete Agitaftons
VoliM Höver steht, als Pflege der Staatsgesin-nung
kur Bereitschaft materieller Opfer und der hieraus
allein zu ermöglichenden Wiedergewinnung unserer
Freiheit vom äußeren Druck. Die badische Regie-
rung darf sicher sein, daß die arbeitenden- «reise
hinter ihr stehen in der Bereitschaft weitestgehender
Opfer im Interesse der deutschen Freiheit zwecks
Beseitigung des autzenpolitischen Druckes, dm die
Deutschnationalen ständig zum Vorwand nehmen,
Mu das Volk zu verhetzen, zu dessen Beseitigung
sic jedoch nicht bereit sind, ihre Sachwerte nur «r-
(undwie an;ugreifen.
Sitzungsbericht.
k.tzp. Karlsruhe, 28. Jun«.
Als erster Punkt der Tagesordnung der heutigen
Sitzung wird der Antrag bett.
Entschädigung der LandtagSabgeardneten,
der von allen Parteien unterschrieben ist, erledigt
Den Bericht erstattet Abg. Dr. Glöckner. Die
^euerungszuschläge sollen anders geregelt werden.
Seither wurden den Abgeordneten die bei den Be-
amten vorgesehenen allgemeinen prozentualen Teue-
UUWs,»schlüge gewährt, die bisher 6Ü0Ü Prozent be-
fugen, infolge der Einrechnung der Teuerungszu-
schläge in' den Grundgehalt entstünde nun ein Miß-
verhältnis, da die Bezüge der Abgeordneten nur
18000 für auFwärttge bezw. 9000 für in Karls-
i"ye wohnende Abgeordnete betragen. Der Antrag
hhliigt nun vor, daß für die zweite Hälfte des Juni
die bisherigen Teuerungszuschläge von 6000 Proz.
veibehalten werden sollen. Im Falle weiterer Er-
höhung der Beamtengehälter erhält der Landtags-
Präsident im Einvernehmen mit den Vertrauens-
Ulännern die Ermächtigung, die Bezüge entsprechend
vcr neuen Erhöhung sestzusetzen. — Der Antrag wird
'ü beiden Lesungen ohne Aussprache einstimmig
"Ngrnommen.
Interpellation betr. den Friedens-
vertrag. — Ein neuer Vorstoß der
Deutschnationalen gegen den Staats-
präsidenten.
, Die deutschnationale Fraktion stellt
'vlgende hochnotpeinliche Anfrage:
In einer Befragung durch den Reichstagsabge-
vtdnetcn Schöpfst» hat sich laut „V o l ks sre und"
Herr Staatspräsident unter anderem
mich dahin geäußert:
„Nach dem Friedensvertrag von Versailles ist
das gesamte deutsche Nationalvermögen, damit
^>so auch das Privatvermögen, zum Zwecke der
Sicherung der Wtdergustnachungsleistung an die
Entente verhaftet."
Das ist falsch.
ÜAr fragen an, welche Schritte die Regierung
'wternommen hat, daß ein Irrtum von solcher Trag-
der unfern Feinden nur Wasser auf die Mühle
berichtigt wird?"
gk Die Jnt-upellation wird von dem Abg. Dr.
t ah ex-Karlsruhe (dntl.) begründet. Die Art
Auslegung des betr. Paragraphen des Friedens-
trags im „Volksfround" mutet seltsam an Es
fasM beklagen, daß eine deutsche Zeitung diese Anf-
i ,l"üg gebracht hat und damit Wasser auf die Müh-
c der Feinde geleistet habe.
Die Antwort aus die Interpellation erteilt
Staatspräsident Remmele:
St^?s autzerdienstltche Verhalten des
8",""«Präsidenten ist durch die Anfrage zur Debatte
'ch >>,! Grundsätzlich wäre zu erwägen, ob
ivorr . Elt lediglich aus eine rein formelle Ant-
d'eii ^"lassen und erklären sollte, daß ich nebNi
A e-a'? A'M auch noch das st a a t s b ür g e r l t ch e
Aw» , a"f f^ie Meinungsäußerung genieße. Mein
db * "gt mir freilich Zurückhaltung auf. Es gibt
Zu uinl!^ wr 'M eine Pflicht, rechtzeitig zu reden,
«ich .""en. Viele prlvateVermögensbesitzer wehren
^ri. -7°"d,ie,Heranziehung zu Leistungen für die
''o-. " schadigungen. Es kommt keine den Staats-
>'gkesten gerecht werdende Steuergefetz-
- . . stand?, es-gibt viele Steuersabotenre,

Gehalts und Lohnempfänger
die Hanptträger der Steuerlasten sind und der Staat
in die Gefahr des Zerfalls gerät. Die Gefahr der
Invasion durch die Truppen der Siegerstaaten
wächst damit unaufhaltsam. Als wahrer Freund des
Vaterlands halte ich mich verpflichtet, auf gewisse
Gefahren hinzuwetsen und für eine kommende
schwere Zeit vorzubauen.
Die Deutschnationalen haben einen Satz aus
einem Satzbild herausgenommen und damit einen
Fehlschuß gemacht. Der Satz lautet: „Nach dem
Friedensvertrag von Versailles ist das gesamte deut-
sche Nationalvermögen damit also auch das Prtvat-
vcrmögen zum Zwecke der Sicherung der Wiedergut-
machung der Entente verhaftet." Aus dem Satzbild
aber können sie, so sie nur wollen, ohne alle Ausle-
gung ersehen, wie der aus dem Zusammenhang ge-
nommene Satz zu verstehen ist. Hören Sie, was ich
in dem Interview dazu Herrn Schöpfst» gesagt habe:
„Deutschland hat den Krieg verloren. Deutsch-
land ist verpflichtet, daraus die Schlußfolgerung zu
ziehen, nach Kräften Kriegsentschädigung zu leisten,
umgekehrt aber müssen auch die Ententeländer die
Deutschland aufzuerlegende Kriegsentschädigung
unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der
deutschen Wirtschaft festsetzen. Die von Deutschland
für Zwecke der Leistung von Kriegsentschädigung auf
dem internationalen Geldmarkt aufzunehmenden
Anleihen erfordern eine Verpfändung deutscher
Sachwerte. Stach dem Friedensvertrag von Ver-
sailles ist das gesamte deutsche Nationalvermögen,
damit also auch das Privatvermögen, zum Zwecke
der Sicherung der Wiedergutnrachung an die Entente
verhaftet. Wenn z. B. durch die Geldentwertung
die Hypolhekenfchuldner von ehedem durch Leistung
ihrer Schulden in Papiermark „gemachte Leiste"
werden und die Hhpo thekengläubtger ihre Existenz-
mittel verlieren und massenhaft, soweit sie sich auf
Kleinrentner gruppierten, mit öffentlichen Mitteln
vor dem Verhungern geschützt werden müssen, dann
ist es nicht mehr als recht und billig, den ent-
ichuldeten Besitz in jeder Form zugunsten der Ga-
rantieleistungen für Reichsanleihezwecke dienlich zu
belasten."
So meine Ausführungen. Da Deutschland eine
Wiedergutmachungsschutd leisten mutz, hat neben
dem staatlichen Besitz dafür auch der nationale, der
Volksbesitz einzustehen. Der Art. 248 des Friedens-
vertrags tautet:
„Unter Vorbehalt der von dem Wiedergutma-
cbuugsausschuß etwa bewilligten Ausnahmen haftet
der gesamte Besitz und alle Einnahmequellen des
Deutschen Reiches »ich der deutschen Staaten an
erster Stelle für die Bezahlung der Kosten der Wie-
dergutmachung und alle anderen Lasten, die sich..."
Zur Sicherung der Wtedergutmachungsschuld hat
sich die Entente auf das Gesamtvermögen und die
Einkünfte des Reichs und der Einzelstaaten gewisser-
maßen eine „Generalhypothek" eingetragen. Nach
Art. 253 des Friedensvertrags geht diese Hypothek
allen Während des Krieges eingetragenen Hypothe-
ken oder allen sonst gestellten Pfändern vor. Die
Entente hält sich also indirekt an das Privatvermö-
gcn, indem sie die Einkünfte des Reichs und der
Länder verhaftet. Diese Einkünfte erschöpfen sich
nicht nur aus Einnahmen wirtschaftlicher Unterneh-
mungen; zu ihnen hat man die Steuereinnahmen
zu zählen. Ja, noch mehr! Ich erinnere daran, daß
zur Durchführung der Sachsteferungen, der Abgabe
von Schiffen, Maschinen usw. ein Entetgnungsgesetz
notwendig war.
Jur französischen Text des Friedemsvertrags ist
der Besitz mit (biens" (Gut, Vermögen), im eng-
lischen Text mit „asssts" (Vermögensmasse), die Etn-
nahmegtMlcn im französischen Text mit „reffources"
Lebensquellen), im englischen Text mit „revenues"
<Einkünfte) umschrieben. Hiernach hastet alles un-
mittelbare Reichs- und Staatseigentum und alles,
was als Erträgnis dieses Eigentums und als Lei-
stung des gesamten übrigen deutschen Volksvermö-
gens, einschließlich der deutschen Wirtschaft, dem
Reich und den Ländern zuflietzt. In der Wirkung
ist aber damit das gesamte deutsche Volksvermögen
einschließlich der gesamten deutschen Wirtschaft ver-
tragsmäßig verhaftet, cs sei denn, daß man den
Staaisgedmtken in die allgemein anerkannten Grund-
sätze des Staatsbegrifss leugnen will. Eben Weil
es heute in Deutschland so viele Leute von Besitz
gibt, die diesen Siaatsgedanken verleugnen- und
die, um ihren privaten Besitz zu schonen und zu ret-
ten, lieber
das Reich zertürmmern
lassen, und weil so viele dieser Leute meinen, die
Franzosen könnten die Kriegsentschädigung nicht
holen, Wenn man das Reich steuerlich sabotiert, war
cs in unseren Tagen tiefster Not und größter Gefahr
nötig, recht deutsch zu reden.
Sobald crst einmal Deutschland mit der Entente
i-ber seine Wiedergutmachungsleistungon handels-
einig ist, dann beginnt im Innern die große Aus-
einandersetzung um die Rechte und Pflichten der
Bürger. S i e, meine Herren Interpellanten, mögen
sich dann auf di: Seite derer stellen, die dem Staat
jvertvcigern wollen, was ihm gehört. Ich stehe auf
der Seite jener, die arbeiten wollen, und die sich für
verpflichtet halten, Krtegsetschädigung zu zahlen,
weil Deutschland nur so die Ketten einer Kriegs-
knechtschaft abstreifen und die Freiheit des Volkes
wieder erlangen kann.
Die Besprechung der Interpellation.
Abg. Weber (Lib.Vp.) widerspricht der Auf-
fassung des Staatspräsidenten (unter Widerspruch
des Hauses), meint aber, daß auch das Privateigen-
tum seine Pflicht im Tragen der Lasten zu tun hat.
Abg. Rückert (Soz.)
Die Sozialdemokratische Fraktion billigt die Er-
klärung des Staatspräsidenten. Wir wissen, wie
schwer uns der Vertrag von Versailles drückt. Es
stimmt nicht, wenn Abg. Weber sagt, die Industrie

habe freiwillig sich zu Leistungen verett erklärt. Die
Industrie wollte immer erst mehr vom Reich, als sie
gab. Nur unter dem größten Druck von unten und
oben ist auch vom Prwatkapital etwas zu bekommen.
Das Angebot der Industrie erfuhr deshalb allgemei-
nen Widerspruch. Verlangte die Industrie nicht die
Verpfändung der deutschen Eisenbahnen, als Dr.
Wirth an sie appellierte? Im März haben die Lohn-
und Gehaltsempfänger 187 Milliarden an Steuern
aufgebracht Es gibt wette Kreise in Deutschland,
die noch nicht begriffen haben, daß wir den Krieg
verloren haben. In England sind 38 Millionen Ein-
wohner steuerfrei, der Besitz trist an die Stelle. In
Deutschland , tragen die untersten Schichten 97 Proz.
dcr Steuern. Dies ruft Erregung hervor. Die An-
frage kam -deutschnationalem Agstationsbedürfnis
entgegen. Wir alle haben Opfer zu bringen für un-
sere Freiheit. Um unsere Freiheit wiederzngewin-
nen, darf das Bolksverrnögen, auch das private,
nicht geschon-t werden. (Beifall bei den Soz.)
Abg. Föhr (Ztr.) gibt immens der Zenirums-
fvaktion die Erklärung alb, daß Die Aeutzerungen
des Staatspräsidenten auch als private auszufas-
fen sei. Weitere politische Erörterungen zu machen,
lehne das Zentrum ab. Die Zen-trumssraktion hege
an der vaterländischen Gesinnung des
Staatspräsidenten keinen Zweifel.
Abg. Ritter (Komm.) meint, die Deutschnat.
Partei habe hier viel Lärm um nichts gemacht. So-
tauge in Deutschland eine bürgerliche Regierung be-
stehe, brauche der Besitz nichts zu fürchten.
Abg. v. A u (Ldb ) erklärt sich mit Den Ausfüh-
rungen des Staatspräsidenten, Die -anders gelautet
hasten, wie die Darlegungen des „VolksfrennL", ein-
verstanden.
Abg. Dr. Glöckner (Dem. erklärt, daß die d«-
nwkratische Fraktion mit den heutigen Ausführun-
gen des Staatspräsidenten einverstanden ist. Auf Po-
litische Erörterungen lasse sich Die Fraktion heute
nicht ein.
Staatspräsident Remmele benrerkt dem Abg.
Weber gegenüber, daß, wenn er — der Staatsprä-
sident — am Schlüsse feiner Rede etwas scharf ^ge-
worden sei, dies die Reaktion fei auf die wochen-
lange „fürsorgliche" Behandlung seiner Person Durch
das Organ der Deutschnationalen Partei. — Nach
ebnem Schlußwort des Abg. Mayer (DN.) ist die
Aussprache erledigt.

Internationale Lage.
Eine Rede Cunos.
Barmen, 28. Juni. Bei der Schlußsitzung des
rheinischen Provinztatlandtags hielt Reichskanzler
Luno eine Rede, in der cr gewissermaßen dem
Papst eine Antwort auf seine Kundgebung gab und
gleichzeitig Den Saboteuren eine äußerst
schwache und Daher völlig unzureichende
— Mahnung zur Besonnenheit.
Im Einzelnen äußerte der Kanzler u. a.:
Es gibt keine Rheinlandsfrage für die
deutsche Regierung, es gibt deshalb keinen Kompro-
mißweg, den wir in dieser Frage betreten können
In dieser Auffassung ist sich die Retchsregierung
einig mit den Regierungen der deutschen Länder.
Deiren, die ihr Leben für Deutschland im Ab-
Wehrkalnpf hingegclben haben, denen, die im Ge-
fängnis sitzen, Denen, die von Hans und Hof der-
trieben worden sind, ohne in der Lage zu sein, ein
Stück Eigentums mit sich zu nehmen, denen allen
geloben wir hier:
fest und besonnen zu bleiben bis zum guten Ende.
Der Heilige Vater hat eine Mahnung an
die Welt gerichtet, Frieden zu machen und den Willen
für VerhanDltMgsbereitschast und zur Erfüllung un-
serer Verpflichtungen, den wir bereits zum Aus-
druck gebracht Haben, zur Grundlage für den Aus-
gleich des Konfliktes zu machen. Wir denken, daß
dieser Schritt geschehen ist.
Sagt sich Frankreich von seinen Plänen los
und erkennt es Deutschlands Recht auf FMHett und
Leben an, entschließt sich Frankreich in öffent-
licher Rücksprache mit den Alliierten und uns
den, Tatsachen Rechnung zu tragen, eine Lösung Des
Reparationsprobtems Zu suchen, so Wird Die V e r-
stä-ndigungj an Deutschland nicht scheitern.
Das deutsche Volk in der Heimat und im besetzten
Gebiet muß besonnen und s e st bleiben! Un-
besonnenheit von deutscher Sette, möge sie nun
von rechts oder links kommen, verurteile
«ch in -gleicher Weise, wie alle Dinge, die die Staats-
a-utovität gefährden.
Aber noch ein weiters: So wenig es zu Unbe-
sonnenheiten kommen darf, ebensowenig ist ein An-
daß Zu Kleinmut und Schwäche vorhanden.
Es würde schwer sein, Das zu ertragen, was ein-
treten würde, wenn Sie die Waste des passiven Wi-
derstandes aus der Hand gäben. (Sehr richtig.)
Auf dem Weg, den wir beschritten haben, ist doch
wenigstens ein klarer Schritt vorwärts
getan.
Barmen, 28. Juni. Beim rheinischen Pro-
v'inztallanDtag erfolgte Durch alle Parteien
ein Treug-elöbnis Rheinlands -an das Reich.
Eine Kundgebung des Papstes.
Rom, 27. Juni. Der Papst hat an den Kar-
dinalstaatssokretär Gasparri ein Schreiben
gerichtet, in dem cr auf seine wiederholten Versuche
hinweist, einen wahren Frieden und ein dau-
erndes Einvernehmen unter den Staaten herbeizu-
führen. Die internationalen Beziehungen hätten
sich jedoch nicht nur nicht gebessert, sondern vielmehr
verschlechtert, derart, daß sie für die Zukunft
zu den ernstesten Besorgnissen Anlaß gäben.

Der Papst hebt hervor, daß er gegenüber dieser
Lage nicht gleichgültig bleiben könne. Deshalb halte
er eS für seine Pflicht, während zwischen den au dem
Konflikt am meisten beteiligten Mächten neue
Vorschläge und neue diplomatische Ver-
handlungen vorbereitet würden, um eine
freundschaftliche Lösung der Mitteleuropa und in-
folgedessen unvermeidlich alle Nationen bewegenden
Fragen zu finden, seine unparteiische und wohl-
meinende Stimme zu erheben. Im Bewußtsein der
schweren Verantwortlichkeit richte er die inständige
Bitte, die verschiedenen Fragen, so die Frage der
Reparationen im Geiste des Christen«
Iums noch einmal zu prüfen.
Gerechtigkeit und Nächstenliebe gleichwie das
Interesse dcr Gläubiger selbst und aller der Zwistig-
keiten müden und sich nach Ruhe sehnenden Völker
heischen, daß von dem Schuldner nichtverlangt
werde, was er nicht le isten könnte. Es sei ge-
recht, daß die Gläubiger ihren Forderungen entspre-
chende Bürgschaften verlangten. Ihnen sei es
zu überlassen, zu prüfen, ob es tatsächlich notwendig
sci, unter allen Unlständen die Besetzung von
Gebieten aufrecht zu erhalten, die für das besetzte
Land und die besetzenden Völker mit großen Opfern
verbunden sei, oder ob es nicht besser wäre, die Be-
setzung durch schrittweise einzuführende andere
Bürgschaften zuersetzen, die nicht weniger wirk-
ram und sicherlich weniger schmerzlich wären. Wenn
die beiden Parteien sich aus dieser Grundlage einig-
ten, würde die Besetzung von Gebieten alsbald
gemindert und nach und nach gänzlich auf-
gehoben Werden. Dann könnte endlich der
wirkliche Friede stoischen den Völkern herge-
stellt werdem
Der Eindruck der Papftkundgebung.
Paris, 28. Junt. Zum Briefe des Papstes
über die Regelung des Reparationsproblenrs schreibt
das „Echo de Parts", niemals hätten Poinearö
und die öffentliche Meinung Frankreichs etwas an-
deres erklärt als der Papst. Frankreich sei nicht
nach dem Ruhrgebiet gegangen, um kriegerische De-
morrstrationen zu veranstalten, sondern um Gel»
e i n z u k a s s i e r e n.
Der „Eclaire" bemerkt, Frankreich erstrebe
nichts Weiler als diejenigen notwendtgenGa-
rantien, von denen der Papst in seinem Brief
st richt Die Ruhraktion sei nur unternommen wor-
den, weil Deutschland derartige Garantien nicht
freiwillig geboten habe.
Das „Petit Journal" führt aus, daß der
Papst eine vollständige Revision des Versailler-
Vertrages wolle. Da die religiöse Frage nicht
im Spiele sei, würden die französischen Bischöfe ar
einer Auffassung festhalten, die sich mit der Ansicht
des Vatikans nicht deckt.
Paris, 28. Juni. Die radikalsozialtstische Frah
tion kündigt an, daß sie die Regierung wegen des
Papstbriefes interpellieren werde.
Vom besetzten Gebiet.
Eine tiefwirkende Besetzung
* Heidelberg, 2d. Juni.
Soeben wurde uns telephonisch mitgeteilt, daß
dcr Bahnhof L ange» auf der Strecke Darmstadt—
Frankfurt besetzt worden ist. Damit erfährt Ba-
densVcrkehr nach Frankfurt und denr gesamten
Norden eine starke Erschwerung. Die Reise nach
Frankfurt, Norddentschland usw. ist nur noch via
Darmstadt -Aschaffenburg, Ebcrbach Hanau, Oster-
burken-Würzburg möglich. Vor allein erfährt je-
doch dcr Postverkehr eine Verlangsamung durch
den Umweg: ein Vorgang, der vor allem die
Presse trifft, da hierdurch die Berliner Post
verspätet ankommt. So wird die Lage immer schwie-
riger.
*
Langen besetzt.
Mannheim, 29. Junt. (Eig. Meldg.) Heute
Morgen kurz vor 6 Uhr haben die Franzosen mit
zwei kriegsstarken Kompagnien den Bahnhof Lan-
gen auf der Strecke Darmstadt—Frankfurt besetzt.
Dadurch ist der Verkehr von Frankfurt nach Darm-
stadt, Mannheim und Heidelberg gestört. Gleich-
zeitig haben die Franzosen einer Meldung aus
Frankfurt zufolge die Eisenbahnwerkstätte in Nied
a. M. besetzi, so daß die Arbeiter nicht arbeiten kön-
nen. Die Franzosen haben in Langen und in Nied
die Geleise herausgerissen
Ein schwerer Eisenbahnunfall.
Gelsenkirchen, 28. Juni. Gestern abend 8l
Uhr entgleiste auf der Strecke Wanne-Gelsenkirchen
in «der Nähe des Bahnhofs GMenkirchen ein sra n«
zöft scher Güterzug von ungefähr 10 offenbar
mit Benzol gefüllten Tankwagen und etwa 10 Koh-
lenwagen Das Geleise der Staatsbahn ist vollkom-
men aufgerissen. Drei Franzosen sind ums Leben
gekommen. Die Zahl der Verwundeten ist
nicht bekannt. Die Unglücksstelle, die einen wüsten
Trümmerhaufen bildet, ist völlig ghgespcrrt. Die
svanzösischeu Posten haben des öfteren auf heule ge-
schossen, -die sich der UnsiMelle z» nähern versuchten-
 
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