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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 101 - Nr. 110 (2. Mai - 14. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48727#0035
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«eschStl»tki»d««z—«Nhr. Spreck»
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Postscheckkonto «arl.ru Hk Nr.LSTT.
Le I-Slv r^B o lk r.eltu ng tzktdktder«
Druck u. T-rla- der UntrrbadlsqM
Birlaasar-ftalt G. m. b. tz„ KeidA
berg. (Lelchäskrstelle: S<brsi>Astr^L
TeL: Expedition LS7S u. Redak. «7?

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8. Jahrgang Heidelberg, Mittwoch, den 9. Mai 1923

Nr. 107

dcr
wei-
vom

Febr.
8495
4841
8961
7284
5686
7040
6647

6538
4227
7478
7989
5100
6551
5730

Mörz April
6291
3711
7610
7785
5192
6378
5070

»Md

Ar KM MkWMÜk.
Heidelberg, den 9. Mai 1923.
Die zweite Hälfte des Avril hat einen Auftrieb
r Warenpreise gebracht, der die Kurssteigt-
ig der Devisen weit hinter sich labt. Nach den
stelluugcu des Statistischen. Reichsanrts beträgt
t, » b ° rziffer für die Lebenshal-
(Ernährung, Wohnung, Heizung, Bc-
Bekleidung) im Durchschnitt des Ma-
in. 1913/14 ist gleich 1) gegenüber 2z.11
3 - n "e Die Erhöhun ^beträgt sonach
ader t. Die Indexziffer ohne die Be-
aon ist um 5,2 V. H. auf 2764 gestie-
- Die Fleischpreise haben nach einer vor-
vergehenden Verbilligung im März wieder in allen
«dien, ebenso wie B u 1 t e r, Z uck e r und Milch
ins, "gen- Der Rückgang in den Bekleidungs-
t? ^ur dagegen schon durch die Entwicklung am
Ende des Berichtsmonats überholt.
la, ^^^"dustrie- »nd Handclszeiiung verrechnet
sa r IPril die Verteuerung auf das 3224-
ret i , - ^arlrtegszeii; beule wird das 3500fachc cr-
^'t lem. Der Grobhandelsindex des „Berl. Ta-
^olatt' zeigw für die erste Hälfte des April nur
w '"9e Veränderung, im ganzen April dagegen
Dnu'g. " 6310 auf 7790 empor, während der
w a^U'dcx von 5024 .ruf 7548 stieg. Die Dureb-
al,a^ lauten, ivenn man den Vorkriegsstand
setzt, seit Anfang 1923:
^"'Vortware
JuLM). Erzeugnisse
Fem'k^°l'st°sfe
Fer ^^rilat« fite Prod.
- "°"'
Dollartndex
deutlich zeigt

Jan.
4275
2305
3289
2591
2551
2997
4279
gUtts, veuilico zeige die Tabelle, das; alle Un-
iv » , Verhältnisse von der Industrie ab ge-
be' wird, die Preise der Fertigfabrikate wurden
den ^>te» am meisten Hochgetrieben, Weit höher als
Anss^o^r iüeg. Allerdings mutz die Industrie
bei' "ndsrvhstofse mit Devisen bezahlen; sie hat da-
Dt' "'b die Ziffern zeigen, Extragewinne geinacht.
mutz Auslandsrohstosse im wc-
ibr! Fertigfabrikaten bezahlen,
Sonn?^u "^Eten Produktionsmittel (Boden,
zahle»' i/geu) braucht sie nicht mit Dollars zu bc-
(Avr rl. U"d doch Hai bis Ende April das 5l68fache
sez ^^Wschnitt das 4227sache) des Vorkriegsvrci-
laui'etudel sindex der „Fraulf. Zeüuug"
2051 Ror.v. ' den Anfang des Monats: Januar
8237.' Do- r. 71^9, März 6770, April 6427, Mai
rbiing^z, '' 'st seit Jahresbeginn Verviersa-
Tenor»»^^ Preise, im April Zunahme
1er ^""^rk! sei, datz die Aktienkurse
2g Dollarindet stehen. Aktienindet
e vrii ,>ig, vom 3. Mai 660.
si>iau^" die Hüter der deutschen Neichs-
^sge» r E ösfentlicho Meinung zu veschwich-
deni sie darauf Hinweisen, dab im
"rile Monats -Avril verhältnismäßig weniger
in, „....esrhsschulden cingegangen worden sind als
Note»»'?» die Reichsbauk die Tätigkeit ihrer
>nj.», bereits w i e d er b e s ch l e u n i g e n
starde» rine halbe Billion, genau 449,9 Mil-
t(i, / neuer Banknoten wurden in der letz-
wes^ ^.drs April in den Verkehr gesetzt, also
Woche» mehr als in den vorangegangcncn
danril äuk a - gesamte B a n k n o t e n u m l a il f ist
Nachdem di,. en Mark angewachien.
Goldmark a ^^hsbank Mitte April rund 85 Mill,
bat vervfönd^ Wrem Goldbestaird gegen Devisen
setzten Aw n/" hat die Reichsbauk in'dcr
Goid a»t ' iddche keine neuen Devisenkredite gegen
witi.nae, »^ber die notwendigen Vorbe-
r°ssen, um im Notfälle wieder derar-
52,5 erhalten zu können. Sie Hai weitere
Note»,Goidmark bei ausländlichen
bereits ""erlegt und somit außer den
Noch >,?erpfaudetcn Teilen ihres Goldbestandes
wnd. " Millionen Ololdmark-Depots im Aus-
Dri,^ch nicht viel weniger als ein
die Noten/Hre* ganzen Goldreserve, die
Zwecke gr, deutschen Reiches für derartige
deutsche ^sweigt hat — ein Vorgang, der für die
da dann, größter Bedeutung ist,
^'»gesetzt Goldreserve zum Spiel

internationale Lage.
dcr K«bi„>, ' Umuittclbar nach Schlub
Vilich. "-sthung gab Reuter folgende halb-
^'>'Na?»d. über das Ergebnis der Be-
wird d" »"'"! Di° englische Regiert n g
deutsch^ Frankreichs folgen und die
Diese ^"r eigenen Note beantivor-
'r>s dazu bestimmt, "larzulegen,
n n g U' Angebot n n besrie L i g e n d
' geiih ist. Sie wird trotzdem tiichr

ans einer Ablehnung bestehen, sondern man wird
den Versuch unternehmen, in Vieser Note die Er-
öffnung der Verhandlungen zwischen Deutschland
und den Alliierten herbei sichren.
London, 8. Mai. Die Reutermeldung auf
weitere Versuche Englands zur Verständigung fin-
det in der englischen Presse starke Zustimmung.
London, 9. Mai. (Letztes Telegramm.) Die
englische Note wird vermutlich heute der Reichsre-
gieruug übermittelt werden. Sie wird sich sach-
lich von den französischen Vorschlägen nicht allzu-
weit entfernen.
Im englischen Oberhaus bedauerte Lord Cur-
zon die unnötige Uebercttigkeit der sranzöstsch-
belgischen Note.
Fortsetzung der Diskussion.
Der „Sozialdemokratische Parlamentsdienst"
schreibt uns:
Alles in allein ermöglicht die französische Ant-
wort die Fortsetzung der Diskussion, wenn
sie auch von Deutschland manches Zugeständnis for-
dert. An Zugeständnisse mutz man sich in Deutsch-
land ebenso gewöhnen, wie an den Verzicht aus Pre-
stigerücksichten. Denn darüber soll inan sich in der
Wilhekmstratze auch klar sein: Deutschland hat den
Krieg verloren. Ueber die Art der von uns
notwendig zu machenden Zugeständnissen werden die
englische Regierung u. das italienische Kabinett, die
jetzt ernsthaft bemüht scheinen, eine Lösung des Kon-
fliktes herbeizufiihren, mitznreden haben. Noch im
Verlauf dieser Woche sollen ihre Antworten auf das
deutsche Angebot in Berlin abgegeben werden. Bis
dahin hat die Regierung Zeit, die unbedingt not-
wendige Rückantwort vorzubereiten.
«WWMWWWWiol

Werden an der Ruhr, 8. Mai. Das
Kriegsgericht hat ein Urteil von fürchterlich, r
Schwere gefällt:
Im Falle des Herrn Krupp von Bohlen und
Halbach wurde die Dchuldfragc wegen Komplotts
auf Grund der Verordnung 22 mit Mehrheit, im
Falle des Direktors Bruhn ebenfalls mit Mehrheit,
im Falko dcr übrige» Hauptangekkagte» mit Aus-
nahme des Betriovsratsmitglicds Müller etnsti m-
mig bejaht.
Dementsprechend erhielt Krupp von Boh-
le» und Halbach 15 Jahre Gefängnis und
die anwesende,r Direktoren Bruhn 10 Jahre,
Hartwig 15Jahre, OesterlonlSJahrr
Gefängnis. Die abwesenden Direktoren Bauer.
Schaeffer, Cuntz, Schraeppler werden >n
contumaciam zu je 20 Jahren Gefängnis ver-
urteilt. Der Ches dcr Lehrlingswrrkftätte, Groß,
erhielt 10 Jahre, das Betricbsratsmitglied
Müller 6 Monate Gefängnis- Mit Ausnahme
von (ßrotz, der 50 Millionen Mark Geldstrafe er-
hält, und Müller, der keine Geldstrafe zu zahlen
hat, werden sämtliche übrigen Angeklagte» zu 10 0
Millionen Mark Geldstrafe verurteilt. Im
Falle der Direktoren Hartwig und Oesterlen ist daö
Gericht noch über den Antrag d:s Militärstaatsan-
walts hinauAMgangen. Die des Mo torr ad-
diebstahls angcklagten Arbeiter wurden zu je
zweiMonaten Gefängnis mit Anrechnung
dcr Untersuchungshaft verurteilt.
Dcr Spruch des Gerichts wurde von dem Publi-
kum mit ernste,» Schweigen ausgenommen. L'e
Franzo sen hatten die Straße,, der Stadt durch
ein außerordentliches Truppenaufgebot ge-
sichert.
Werden, 8. Mai. Die heutige Sitzung wird
mit der Warnung vor Demonstrationen und Beifall-
bezeugungen eröffnet. Sodann erhält der An-
klagevertreter das Wort.
Kapitän Duvert schildert zunächst die Vor-
gänge am 31. März in den Kruppschen Werken. Nach
seiner Ueberzeugung handelt es sich um Machinatio-
nen zur Sabotage französischer Befehle. Das.
Sirenengeheul anzuordnen, lag allein in den
Händen der Direktion. Krupp ist der Direktor.
Er ist verantwortlich. Tausende von Men-
schen haben sich gegen ein paar Franzosen gerichtet.
Wie friedlich die Franzosen waren, beweist, datz
man nur 12 Soldaten geschickt hat. Die Arbeiter
glaubten aber eine Besetzung, denn alle Sirenen
wurden gezogen. Wir kennen die Disziplin der
Kruppschen Arbeiter. Man warf aus dem Direk-
ltonsgcbäude, wo man den ganzen Verlauf beobach-
ten konnte, auf die Menge Flugblätter, die
dem Propagandaburcau entstammten. Sie sollten
genau so zu den Arbeiiern sprechen wie daS täglich
erscheinende Nachrichtenblatt. Wir wissen, datz in
der Feuerwehr eine Reihe von ehemaligen
Schupo Beamten angestellt war. Der kom-

Ruhr.
Essen, 7. Mai. (Edg. Bericht.) Der im
Reichsmbeitsmstüstertum gefällte Schiedsspruch
für düe Bergarbeiter ist in den Konferenzen, die die
einzelnen Verbände Ende der vorigen Woche ab-
hielten, fast einmütig abgslehnt worden.
Die Zugeständnisse wurden als viel zu niedrig be-
zeichnet, und ein Festhalten an der ursprünglichen
Forderung von 40 Prozent Zulage als berechtigt
und dringend notwendig erachtet. Das Roichs-
arbeitsministerium wird also nochmals einen Ver-
such zu Siner Einigung untemeWnen müssen, ivenn
nicht im Ruhrgebiet und den anderen deutschen
Kohlcngebieten ernste wirtschaftliche Kämpfe aus-
brechen sollen.
Köln, 8. Mai. In Euskirchen ivurden neuer-
dings 700 Eiscnbahnevfamilien misgcwiesen. In
Bonn finden neuerdings in allen Stadtteilen M-r7-
senverdrängungen von Eiscnbahnerfami'lien durch
französische Truppciiabteilungen statt. An einzelnen
Stellen sind die Franzosen dazu übergegaugon, bei
den Eisenlmhubedie nsteten, die in Privalwohnun-
gen wohnen, Mobilarauftiicchmen zu machen. Dabei
verbieten sie den W oh nun gsin'habe rn, bei etwaigen
Ausweisungen Möbel fortzuschasfen.
Münster, 8. Mai. Der Wächter Krhzoskonüat
der Rheinisch-Westfälischen Drcchtwerke in Aplcr-
beck—Süd wurde gestern nacht von einem französi-
schen Posten durch Bauchschutz schwer verletzt.
Mainz, 8. Mai. Ein Soldat der französischen
Besatzungsar-nlee, der kürzlich einen Dienstrsvolver
ans ein bei einer französischen OffizierssMniLe be-
dienstetes junges deutsches Mädchen anlegte und das
Mädchen erschoß, erhielt vom französischen Kriegs-
gericht ein Jahr Gefängnis.

mandierende General in Düsseldorf Weitz, datz ein-
zelne Angestellte zu Spionage und Sabotage be-
nutzt worden sind. Krupp ist der Chef der Werke,
die übrigen Direktoren haben mit ihm korrespon-
diert. Krupp hat seine Leute zum Passiven Wi-
derstand a-ufgcfordert nach der Weisung, die er aus
Berlin erhalten hat.
Die Rede des Staatsanwalts gipfelt in folgenden
Strafanträgen:
Krupp 15 Jahre Gefängnis und 60 Millionen
Mark Geldstrafe; die Direktoren Bruns, Hart-
wig, Oe st er lein, Schäfer 10 Jahre Gesang
nis und 10 Millionen Mark Geldstrafe; Cuntz
und Schräpler 20 Jahre Gefängnis und 10 Mil-
lionen Mark Geldstrafe; Groß 10 Jahre Gefäng-
nis und 10 Millionen Mark Geldstrafe; Müller
10 Millionen Mark Geldstrafe sowie eine Gefäng-
nisstrafe, deren Matz den Richtern überlassen wird.
Die Strafe der wegen Motorraddiebstahls Ange-
klagten überlätzt der Ankläger den Richtern.
Es folgen die Plaidoyers.
Rach einigen Worten des Rechtsanwaltes Dr.
Grimm hielt der Rechtsanwalt Dr. Wolff aus
Berlin seine Verteidigungsrede. Nachdem er im
Namen der Angeklagten und der Firma Krupp sei-
nem Mitverteidiger Herrn Morri and aus Genf
den Daul ausgesprochen hatte, betonte der Redner:
Es handelt sich in diesem Prozeß nichtumPoli-
t i k. Der Prozeh über die Zulässigkeit und Zweck-
mäßigkeit der Ruhrbesetzung zwischen Deutschland
und Frankreich spielt sich nicht vor diesem Kriegs-
gericht ab. Die Geschichte wird einst darüber rich-
ten. Der Redner wandte sich dann kurz den Or-
gan i s a t i o n s v e r h ä lt n t s s e n bei Krupp zu
und legte Vas gute Einvernehmen dar. Man nabe
die Besetzung der Personen-Kraftwagenhalle für ein
wichtiges Ereignis gehalten, da die Halle, wenn
auch nicht an einer offenen Straße, so doch im Her-
zen der Fabrik gelegen sei. Der Befehl zum Z i e-
hen der Sirenen sei erst gegeben worden, nach-
dem der Vctriebsansschutz Vie Verantwortung dafür
übernommen hatte, daß die französischen Soldaten
nicht belästigt würden und versprochen hatte, sich
zum Zwecke der Vermeidung von Zwischenfällen
an Ort und Stelle zu begeben und für die Aufrecht-
erhaltung der Ordnung zu sorgen.
Die Mitglieder des Direktoriums, ebenso wie
Herr Krupp v. Bohlen, die von der Entscheidung
der Strenenziehung nach ihrem Eintreffen in der
Fabrik Kenntnis erhalten hätten, haben keinen
Anlaß gehabt, dagegen einzuschreiten. Entweder
handele es sich um ein Komplott oder um Machen-
schaften, in beiden sei der Charakter des Heimlichen
ausgedrückt, während es sich hier ja um Maßnah-
men handele, die
in aller Oesfentlichkett
getroffen worden seien. Es sei von allen Beteiligten
immer wieder betont worden, datz es sich hier um
Sine friedlich« Demonstration handeln
solle. Das Ziehen der Sirenen im Falle der Be»
setzung durch französische Truppen sei im Ruhrge-
biet allgemein gebräuchlich gewesen, ohne
daß jemals seilens der französischen Besatzungs-
behörde daran etwas Unzulässiges gefunden worden

sei. Auch trügen die einzelnen Angeklagten nicht die
Verantwortung für das, was geschehen sei. Krupp
sei lediglich Vorsitzender des Aufsichtsrares. Dsk
Aufstchtsrat sei im Gegenteil zum französischen Vcr-
waltungsrecht lediglich Verwaltungsorgan. Gan;
autzer Frage stehe die Verantwortung des Vc-
triebsratsmilgliedes Müller. Der Verteidiger
schloß mit dem Appell, datz der durch das vergossene
Blut erzeugte Hatz nicht durch neuen Hatz vergrößert
werden dürste.
In der Nachmitta gss t tzun g sprach zu-
nächst der Genfer Rechtsanwalt Prof. Moriand,
der erklärt, daß er ein unbedingtes Vertrauen in
das Gerechtigkeitsgefühl der französischen Offiziere
setze; er habe nur aus diesem Grunde die Verteidi-
gung der Firma Krupp übernommen. Er müsse
aber auch betonen, datz die Firma Krupp durch die
Berufung eines Verteidigers, dessen große Sympa-
thie für Frankreich bekannt sei, den Willen bekundet
habe, datz ihre Verteidigung wirklich ohne Hatz und
Leidenschaft geführt werde im Dienste der Wahrheit.
Die Kundgebung von 31. März könne man imr ver-
stehen, wenn man auf die Wochen zurückblicke, die
seit der Besetzung des Ruhrgebiets vergangen sind.
Der Verteidiger stellte sodann die Aussagen der
Belastungszeugen denen der Entlastungszeugen ge-
genüber, um darzulun, datz die Arbeiter keine
agressiven Absichten hatten, sonst hätte der
Betriebsrat nicht zwei Stunden mit dem französi-
schen Offizier parlamentiert. Unter diesen Umstän-
den sei es ganz unzulässig, eine Anklage auf Stö-
rung der öffentlichen Ordnung oder gar aus eine
Verschwörung der Direktoren gegen die Sicherheit
der Besatzungstruppen zu konstruieren. Die Freispre-
chung ist daher unvermeidlich.
Der Anklagevertreter bestreitet, datz der
Aufsichtsrat bei Krupp sich auf eine administrative
Kontrolle beschränke. Der Redner nimmt das Wort
des Verteidigers Es, wonach es infolge des guten
Einvernehmens bei Krupp selbst in den Jahren seit
der Revolution keinen Streik gegeben habe; das
beweise nur, das; bei Krupp die Arbeiter sich in
Harmonie mit der Direktion befänden und de-
ren Pläne ausstthren.
Er schließt mit den Worten an die Offiziere des
Kriegsgerichts: „In wenigen Augenblicken werden
Sie das Urteil fällen. Denken Sie daran,
datz es mit den Worten beginnt:
„Im Namen des französischen Volkes."
Sofort erhebt sich Rechtsanwalt Moria.ud mit
den Worten: „Im Namen des französischen Volkes
werden Sie ein Urteil der Gerechtigkeit
fällen.." Der Verteidiger erklärt es für eure Lüge,
das; Krupp ein Propaganda unterhalte.
Die Beratung des Gerüchts dauert fast zwei
Stunden. Unter atemloser Spannung der Versamm-
lung, die den großen Saal vollständig gefüllt hat,
verliest der Vorsitzende die dem Gericht vorgcleglen
Fraget; und daran anschließend das oben miige-
teilte Urteil.
Werden, 8. Mai. Die Angeklagten, die
bei der Urteilsverkündigung nicht anwesend waren,
haben das Urteil, das ihnen die Verteidiger zur
Kenntnis brachten, mit Ruhe und Würde
cntgcgengcnommeu. Die Verteidigung wird gegen
das Urteil Revision anmelden. Ueber diese wird
wahrscheinlich schon am 18. Mai vor dem Kriegs-
gericht in Düsseldorf verhandelt werden.
In ganz Deutschland, ja in der ganzen gesitteten
Welt wird dieses Schreckensurteil mit Entrü-
stung und Verachtung ausgenommen wer-
den. Neuer Hatz und neues Aufflammen des Na-
tionalismus mutz die Folge dieser französischen
Rachepolitik sein und immer ferner rückt so der Ter-
min der so dringend nötigen Verständigung des
Volkes.
Kundgebungen.
Reichspräsident Ebert hat an das Direkto-
rium und den Betriebsrat der Krupp-Werke ein Te-
legramm gerichtet, worin er seiner Empörung über
das französische Urteil Ausdruck gab.
Reichskanzler Cuno hat Firma uny Betriebs-
rat Krupp seiner; Protest gegen das SchreckenSurteil
übermittelt.
In einer amtlichen Kundgebung wird
das Werdener Urteil als rein« Gewalttat bezeichnet.
Ein weiteres Schreckensurteil.
Mainz, 8. Mai. (Eig. Drahtbericht.)
Am Montag verhandelte das französische Kriegs-
gericht in Mainz unter Ausschluß der Oeffentlichkeit
gegen eine Reihe von Gewerkschaftssuhrern und
Angestellten des Deutschen Eisenbahnervorbandes
sowie Uber Beamte des DirektionSbezirls Mainz,
die vor ungefähr einem Vierteljahr verhaftet wur-
den, weil sie di« Eisenbahner allgemein aufgefor-
dert haben sollen, rurr dir Gesotz« und Anordnungen
der deutschen Regierung zu befolgen. Sämtlich«
Angeklagte sind seitdem in Haft und wurden vor-
geführt. Die Verhandlung war in jedem Falle kurz
und schematisch. ES wurden folgende furchtbare
Urteile gefällt: Roth, Bezirksleiter des Deut-

Etz SWkWlU W ÄW-NM
Schandurteile gegen Eisenbahner.
 
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