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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 171 - Nr. 180 (26. Juli - 6. August)
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TkMs-ZettWg sjk Ne NeMWeBeOIttrukg Ser WßWtte Se!dklberZ. Mieslsch, öinsheim. kppürge». LServaH, MZtzch, Buchen. Melzheiln. Norberg. TgutzttMMeiA v. WerthtM

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Au-.^"..^ breit) Mk. 8000, für
^artige Mk.8M0. Bei Wieder-
holungen Nachlaß nach Tarif.

6. Jahrgang

Heidelberg, Dienstag, den 31. Juli 1923

Nr. 175


ö e

As MAS Kl HkllöhW.
Aus Göttiugeu wi«d uns geschrieben:
Unerhörte nationalistische Ausschrci-
^stgen der akadenchschen Jugend von heute haben
ach in Lj-ien Tagen in Göttingen, dem Vorort
deutschen Studentenschaft, abgesptvtt. Zwei
Pariser Theologie-Studenten, die
dem Chxiftlchen Versöbnungsbunde anMhören, weil-
et mit dem amtlichen deutschen Paß-Visum ver-
u'ben, vergangene Woche in Marburger theologischen
Weisen. Die französischen Gäste sind ausgsfpro-
' Gegner der zurzeit geübten französischen Ge-
»attpolitik. Sie wollten Fühluivmhime mit den
^ren Gedankengängen nahestcheudeuc deutschen
greisen geivinnen und so eine L ö s u n g der Spau-
üirg d,yry eine wahrhafte Verständtgnng zwischen
^n beiden Ländrrn anbahncn. In Marburg konn-
sie ungestört für ihre Idee wirken. Aufnahme
^währte ihnen dort der Privatdozent der
u eologie Pie per, in dessen Woh.NuM auch
. dsprechimge,, «>>< geladenen Theologen stattfon-
. Aber auch unter diesen Jüngern Chrsti befand
w ei,; Judas, der Verrat und Verleumdung beging.
ENn tags darauf prangten an den verschiedensten
Hellen der Musenstadt handgeschriebene Plakate
u der Uebcrschrist: „Franzosen in Göllingen!" In
Nen Anschlägen, die von Lügen und Verdrehungen
vtzten-, wurde die Studentenschaft ausgcsorderh
- Verhalten der deutschen Theologen nicht zu dul-
'"^ern die Franzosen aus der Wohnung des
'datdozenten zu holen. Tatsächlich zog ein Haufe
h.' .'"bn, Mitglieder des Jungdeutschen Ordens,
Hochschulringes deutscher Art und der Göttinger
.Seilschaft adeliger Studenten, etwa 100 Mann
vor die Wohnung Piepers, aus der sie die
^vn.osen gewaltsam herausholten. Denn Poli-
s-n>! >ich nicht sehen. Der Privatdozeut und
!(!,> .E ^^sie mutzten der Uebermacht ioeichen. Mft
"'"n^-sgründen konnte nM« näneltch diesen Päch-
Nlj>. Bildung nicht komnE Ahr EiMnand war:
zJ^/'Nd keine Christen, wir Md Deutsche. Sie
'die Frauzoseu, enMötztrw Hauptes, ihr
>>li,j^E "«Mud, zu Fus>, zum BaSirhos zu gehest, in-
'Wo " ^Encr jolftendeu Menge. Auf dem Bahnhof
ug um» dis beiden Theologen, Fahrkarten 2.
äu lösen. Dafür sollten sie im Gepäckwagen
tz/"? nehmen,. Das verhinderten Eisenbahn:r. Ein
Nstl des akademischen MobS suur indes; mit bis
.q^ N'Ml; erst dort griff Schutzpoftwi ein
'crn dem Skandal ein Ende. I« Göiti»»e,v
'»er eine Uborduung bei dem Privatdozentcn
r§7^lt
-leg'.,, ^u,ru
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Zeitig
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suyr indes; mit vis
,_ i und
In Göttingen ftuach
aUK^-^^^<ie vor, um ihm die „tiefste Mißachtung"
NtU?"'drechrn. Zudem erschien Ings daraus in dtM
vnalisttschen „Göttinger Tageblatt" ein bluirün-
-ftus zur Selbsthilfe der Studentenschaft
' i de,,. „Landesverräter" Pieper.
vch'w*'' Unglaublichste aber ist, daß sich dieser bü-
ÜleM. ^Zss; einer hirnverbramften Sludentenlschaft
'"'A zu einem I u st i z s ka n da l aus-
-l" Göttingen fand sich nämlich tatsäch-
dein Asstsfor Jünemann ein Staatsan-
den jungdsulschen Helden Gehör schenkte
de,» Gmnd der Verordnung des Reicbspräsi-
dc>'" Akai die V e r hast u ir g des Privat-
der verfügte. Denn dieser famose Vertreter
Ari^duAiwusschen Justiz brachte es fertig, dem
-Zenton „Beherbergung von Spionen" unter-
ri,„. 'E^n. Dabei liegt eine einivaudfreie Schi.de-
esty" des Marburger Professors Dr. R-ade iwsr den
^esj„,. Reise der französischen Tbc-otogen vor.
Hftsd-, ^"ken dies« Pazifisten und internatwiialen
'"^freunde in; Besitz aller ordnungsuiätztgcn
für eine Durchreise durch Deutschland und
deZ Der ganze Vorgang stellt ein betrüben-
H r-e i r geistigen Verrohung weiter
si's der sogen, gebildeten Schicht unseres Vot-
Ägg den Einwirkungen der außenpolttischen
^"leiv- Grtreu dem nationalistischen Wahusimi
^Ae Hs und seiner Gefolgschaft benMht sich auch
^sierhe deutscher Ntädemikerschaft, das letzte in
sisq/-. in schlagen, toas entfernt eine außonpoli-
dvst"ovanuung anbabneu könnte. Um das Mast
Bister '"Eicn, spielt sich ein Staatsanwalt als Be-
und Verfechter dieser Geistesrichtung aus.
UMMsO »kl MWWen
kWMMlWU PMlkl.
unserem Amsterdamer Korresponosnten-.)
Amsterdam wird uns grschricben:
e»I' unnrer mehr wachsende Unznsrie-
N ^br holländischen kommunisti-
g/) aieii E e i ist endlich zu einem katastro -
» -^'-r^bruch gekornnten. Auch für das
s^lüM """ bs interessant sein, die historische Rb-
k^^and Streitfragen in dieser übrigens in
b hre». "^kommen bedeutungslosen Partei zu er-
bschräuke»^ "ber nicht weitläustg zu werden,
: Seit w"' "ns die Hauptsache.
,^Ri Monaten herrschte in der yolländt-
Z Eii,^c. '^'ltischk>n Partei wachsende Uneinigkeit
.J'er m^^'U'Ng über die Taltik, der die Führung
m ^nde foig^ und über die Mittel, die sie
b/*si>art°t glaubte. Plötzlich und ganz
nJch, al« „i Unzufr-edc'n'beii zum Aus-
^dä-Nter küimnuuistisch-s Mitglied des Am-
adtrates Lolly in einer Mitglieder-

versammlung der kommunistischen Parteiabteilung
Amsterdam gründliche Beschwerden gegen den Par-
teivorstand äußerte. Zwei Tage später wurde die-
ses Mitglied durch den Parteivarstand aus «der Mr-
lei gestoßen. Die Mehrheit der Amsterdamer Plar-
iciabteilung widersetzte sich jedoch gegen diese dik-
tatorische Handlung und als die Angelegenheit be-
kamtt wurde, schloss die Mehrheit der Mitglieder in
den meisten Parteiabteilungen sich Colly an.
Von Anfang an ist der Partctvo rstand
der Opposition gegenüb:r unmotiviert herausfor-
dernd ausgetreten. Diese ging nun systematisch vor,
nannte sich „Komitee für die dritte Jntenmtionlale"
und erklärte, die Handlungen des Parieivorstandes
stehen im Widerspruch mit dem Geist und MnsWben
der Moskauer Internationale. Hieraus ergibt sich,
das; dieses Komitee sich also keinesfalls gegen die
kommunistische Bewegung an sich richtet. Der Par-
leivorstand, besonders die Mitglieder Wyukoop, de
Visser, v Ravenstehn und Ceton soriderteni aus-
drücklich die Auflösung des Komitees, wohingegen
das Komitee öffentliche Anerkennung als Opposition
und Gelegenheit für Bekanntgobnngen im kommu-
nistischen Parteibwtt verlangte. Darauf folgte
„M a s s e na u s s ch l u sz" seitens des Parteivor-
standes. Air rinsm T-qg wurden z. B. ungefähr 60
konrntunistische Mitglieder, -alle Anhänger der Op-
position, aus der Partei gestoszen u. a. auch zwei
Parteivorstandsmitglioder Bonwukan utrd de Kadt.
Schließlich hat sich das „Komitee für die dritte
Internationale" an das Exekutivkomitee In Mos-
kau gewandt mit der Bitte eingugreisen. Der Be-
richt der Opposition an Mos-lau ist sehr interessant.
Wir entnehmen dem, um die kommunistische Partei
zu kennzeichnen, folgendes:

Wer tritt das Erbe an?
Berlin, 30. Juli. Eine Entscheidung bei der
gestrigen Besprechung der Fraktionsfiihrer ist noch
nicht gefallen. Man neigte allgemein der Ansicht zu,
das; die Nachfolgerschaft des Kabinetts Cuno zu-
erst geklärt werden müsse, bevor an dessen Rücktritt
zu denken ist. Das Montagsblalt „Der Montag-
Morgen" nennt ein Ministerium Löbe-Strese-
mann aussichtsreich, in dem der sozaildemotraii-
rche Reichstagspräsident Löbe die Kanzlerschaft
und Stresemann das Auswärtige übernehmen
sollten. Allerdings soll Löbe selber feiner Kandida-
tur widerstreben. Auch „Die Wett am Montag"
stellt 2 trcscmanns Namen in den Vordergrund
und verlangt, das; er an die Spitze des Kabinetts
rrete, da er der einzige Politiker sei, der die große
Koalition von der Deutschen Volkspairtei bis zu den
Sozialdemokraten beisa-mmrnhalten könnte.
Der Parteivorstand und die Reichs-
tagsfraktion zur Lage.
Geforderte Maßnahmen.
Ber ! in, 30. Juli. Der Par1eivorsta>id und die
Reichst«zsfraktion beschäftigten sich heute mit der
Zuspitzung der innerpokittscheu Lage. Die ausge-
dehnte Sitzung besaffte sich, wie uns aus Berlin ge-
meldet wird, mit der Stellung des Kabinetts C u n o
zu den Parteien und die Möglichkeiten eines Regie-
rungswechsels. Zu einem abschließenden Ergebnis
gelangte man nach nicht, da die Ansichten auScinan-
dergtngen. Ein Flügel neigte zu der Auffassung,
einen sofortigen Sturz des Kabinetts berbeizusübleu
oder wenigstens sich in schärfste Opposition zu dem
Kabinett Cuno zu stellen. Einzelne Mitglieder
'Prachen für den Eintritt in die große Koalition,
wenn ein Regierungswechsel sich nötig macht. Trotz
des geringen Verstauens zum Kabinett Cuno war
man der allgemeinen Ansicht, daß es jetzt nicht Aus-
gabe der Partei ist, den Sturz der Regierung herbei-
znsühren. Die Entscheidung über diese Fragen wird
am Donnerstag fallen, Ivo eine neue Fraklions-
sitzung stattftndet.
Vorläufig hielten es der Fraktious- und der Par-
teivorstand für wichtiger, eine Reihe stnanz- und
wirtschaftspolitischer Forderungen aufznstellen, die
als ei» Jntertmsprogramm morgen der Re-
gierung überreicht werden sollen. Es wird dabei von
der Regierung verlangt werden, daß sie sich dieses
Programm neben den von ihr bereits vorgeschla-
genen FinanzgesetzentwUrfen zu eigen mache und es
dem Reichstag bei seinem für den 8. August erwar-
teten Zusantmenliwten vorlege, damit er alsbald Be-
schluß darüber fassen könne. Das Programm soll,
wie versichert wird, »nicht als ein endgültiger Vor-
schlag für die Sanierung der deutschen Währung
und Wirtschaft gelten, sondern nur dem gegenwärti-
gen außerordentlichen Notstand entgegenwirk-'n, -in-
dem es den Daus der Notenpresfe verlangsame
oder bremse und damit die Möglichkeit für eine um-
fassende SanierungSarbett gebe. Dieses Ziel der
möglichst vollständigen Stillegung der Notenpreffe
wenigstens für einige Zeit soll in Verbindung mit
dem Projekt der Goldanlethe durch folgende
Maßnahmen angestrebt werden:'
1. Verdreifachung der im Laufe des
August fälligem auf das Zehnfache des Ursprünge

„Falls die holländisch- kommunistische Partei
unter der jetzigen Führung bleibt, wird es ihr,
weder in der reaktionären, noch in einer kommen-
den revolutionären Periode gelingen, die Ftth-
rung der holländischen Arbeiterbewegung zu er-
* obern ... Es herrscht eins Art geistige Ver-
wirrung in der holländischen kommunistischen
Partei, demzufolge bleiben ihr die Arbeftermas-
sen fern . . . Das Jahr 1923 hat erst recht ge-
zeigt, daß die holländische kommunistische Partei
nicht !m Stande war, und auch niemals imstande
sein wird, die Ausgaben zu erfüllen, die ihr als
Sektion der kdmmunistischen Internationale ob-
liegen."
Der Bericht tat seine Wirkung. Namens des
Exekutivkomitees ist Radek nach Berlin gereist und
bat dort eine Unterredung mit Vertretern der Oppo-
sition und des Parteivorstandcs göhabt. Das erste
Ergebnis dcr Verhandlungen war, das; dem kommu-
nistischen Parteivorstand untersaLI wurde, noch
weitere Mitglieder aris der Partei zu schließen
Nur scheinbar hat der Vorstand diesem Verbot Folge
geleistet, in Wirklichkeit hat er die „Rreinignugsar-
beftcn" fortge sotzi. Nur wurden die Mitglie-
der nicht ausgeichlossen, sondern suspendiert.
Die Opposition, jetzt unter Führung von
Bo uw man und de Kadt, hat überdies einen
Bericht mit sämtlichen Klagen gegen den Partei-
vorstand an das Exekutivkomitee in Moskau ge-
sandt. Behufs Schlichtung der Differenzen sind
Vertreter der Opposition lSieuwertz van Neesema
und de Kadt) nnd des Parteivorsiadues (L. de Vis
scr) nach Moskau cmboien. Bis jetzt sind sie noch
nicht zurückgckcbrt, weshalb die dort gefaßten Ent-
schlüsse noch nichl bekannt sind.

ltchrn Betrag:.? festgesetzten Z w a ngs a n l e th e-
Eiuzahlungen (Der zehnsaclre Betrag der ZlvangS-
anleihe ist bekommiiicb für die Brotvcrbtlligung be-
stimmt, das Doppelte dieses Zeh »fachen Betrages
würde also außerdem noch einzuzahle» sein.)
2. Verdreifachung -der am 15. August fälligen aus
das Fünfundzwauzigsachc des derzeitigen Bettages
bemessenen Vorauszahlungen auf die Einkom-
mensteuer; ebenso Verdreifachung der auf das
Füusunddrci fsighaire der vorjährigen Zahlungen be-
messenen Einzahlungen auf die K ö r Pe rscha sIs-
st e u e r
3. Dreifache C iiizahlung der am 31. Juli fälligen
Vorauszahlungen auf die Umsatzsteuer unter
Freilassung d.r SteuerSeträg« unter 300 000 Mk.,
ferner der Einzsthandelsbctriebe und dcr Konsum-
vereine.
4. Während der Däner der R ubr - Aktton sol-
len neue Elnnabmcn geschaffen werden:
a) durch die Erbebung einer Steuer von
allen Unternehmungen des Handels, des
Bankgewerbes und der Industrie in der
Höhe der von diesen Unternehmungen abzuführen«
den Lohnsteuerftmvnen;
b) durch Abgabe in Höbe etncs Doppel»
zentners Roggen pro Hektar des land- nnd
forstwirtschaftlich genutzten Bodens nntetr Frei-
lassung dcr Kleinbetriebe. (Dies ivürdc eine
Belastung in Höhe von etwa ein Zweiundzwan-
zigstcl des Durchschnittsertrags bedeuten.)
Alle diese M W,nahmen, die alsbald in Kraft ge-
etzt und noch im Laufe des Monats August durch-
geführt werden sollen, sind dazu bestimmt, der
sieichskasse mit größter Beschleunigung diejenigen
Beträge zuzuftihren, deren sie bedarf, nur eine ZeU-
lamg ohne Vermehrung der Inflation die Ausgaben
zn decken.
Ergänzend sollen zu diesen Aenderunigen hinzu-
treten Bestimmungen, die den sofortigen Eingang
der Lohnsteuer und der Zuschläge unmittelbar nach
den Lohnza-bttmgStermtnen und die Abführung der
indirekten Abgaben zehn Tage nach dem Verkauf
der damit belegten Waren sichern. Durch geeignete
Strasbestimmnngcn soll bewirkt werden,, daß die
Geldentwertung zu Lasten der Steuer-
zahler geht. Der Staats zuschlag für verspätete
Steuerzahlung^ soll auf monatlich 200 Pvoz. be-
messen und Stundungen soll nur noch auf wertbe-
ständiger Basis gcwährr werdet» Die Tarife der
Verkehrsan st allen sollen kurzfristig der
Geldentwertung angepatzt werden, endlich soll, wie
es ja bereits im Plane der Regierung liegt, eine in
Papiermark einzahlbare wertbeständige An-
leihe aufgelegt werden, deren Zinsgarantie die
Reichsbank übernehmen soll.
Weitere Forderungen beziehen sich auf die
Teuerungspolitik. Im Besonderen in. Bezug auf
die Reichzbank Wird verlangt „eine Acnderung
in der Reichsbankleitung zur Wiederher-
stellung ihres Kredits nnd des für die Reichsbank
notwendigen nationalen und internationalen Ver-
trauens", ferner die in der Oeffentltchkeit bereits
ausgiebig erörterte Einführung der Goldrech-
nung in weitestem Sinne. Der weiteren Entwer-
tung der Mark soll vorgebeugt werden durch eine o r°
ganische Stützungsaktion und die Bereit-
stellung eines Devisenfonds (Abgabe von Deviseri
gegen Dollarschatzauweifuitgcn) in Verbindung mit

einen; Deklarations,zwang (unter eidlicher Versiche-
rung) über den Besitz an Devisen und Auslands-
guthaben.
Alle diese Maßnahmen sollen der Regierung und
der Wirtschaft die nötige Bewegungsfreiheit geben
zur Vorbereitung umfassenderer finanzpolitischer
Reformen, vor allem die Heranziehung der Wirt-
schaft zu den Reparation Aasten durch die
Eintragung von Goldhypotyekcn nnd Beteiligung
des Reiches an industriellen Unternehmungen.
Eine gewerkschaftliche Aktion beim
Reichskabineit.
Berlin , 30. Juli. Heute nachmittag nm 4 Uhr
hat iu der Reichskanzlei eine Besprechung zwischen
dem Reichskanzler und den zuständigen Ressortmini-
stern auf der einen Seite und den Vertretern der
drei großen G ew e r kschastsv erb Snde auf
der anderen Seite begonnen. Das Ahema der Aus-
'pvnche ist die wirtschaftliche Notlage, in die sich durch
die rasche Geldentwertung die weitesten Kreise der
arbeitenden Bevölkerung versetzt sehen. Vorbereitet
war die Konferenz durch eine Besprechung der Ge-
werkschaften untereinander, die am Vormittag im
Reichstag stattfand. Die Aussprache in der Reichs-
kanzlei dauerte bis in die späten Abendstunden an.
Ein Aufruf an die Landwirte.
Ber: in, 30. Juli. Der Präsident des deutschen
Landwirtschaftsrates Dr. Brandes erläßt einen
Aufruf, in dem es heißt:
Der Reichskanzler weist daraus hin, daß infolge
der Verspätung der Kartoffelernte die Städte von
Kartoffeln entblößt seien, auch sonst die Ernährungs-
schwierigkeiten der großen Verbrauchermassen wach-
scn. Der Reichskanzler richtet an die deutsche Land-
wirtschaft den dringenden Aufruf, alle Kräfte anzu-
spannen, um dis Erträge, insbesondere Frühkartof-
feln möglichst mngeheud dem Verbrauch zuzuftthren!
und die Lage in den Städten zu erleichtern. Di«
Unterstützung durch das Reichsverkehrsmwisterimn
sei zugestchcrt. — Ich unterstütze diese ernsteMah-
uung des Reichskanzlers auss dMNgendsie. Die
verspätete Ernte und die Markentwertuirg verschlim-
mern die Lage. Es kommt jetzt darauf an; trotz die-
ser Schwierigkeiten den Anschluß an die neue Ernte
>u erreichen, die, wenn sie gut geborgen werden Sann.
6>it ZU werden verspricht.
Umbildung des Kabinetts Cuno?
Berlin, 30. Juli. Nach BlättermeKmugen «US
Berlin, neigt man zu dcr Ansicht, daß Cuno blei-
ben soll und nur eine Umbildung des Kabinetts vor-
znnehm-cn nt. Die Spitze richtet sich zummbst gegen
Reichswirtschaftsmtnister Dr. Becker und ReichS-
flnantzministcr Dr. Hermes, die ebide große wttt-
lchasts- und finanzpolitische Versäumnisse sich zn
schulden kommen ließen und aus diese Weise zu dsr
inneren Kris: viel betgetragcn haben. Die „Voss.
Ztg." und das „B. T.", spezialisieren ihre Angriff«
gegen das Kabinett Cuno auf den RestvKftnauz'
Minister Hermes und den N-'ichstwrtschastsmini-
ste r Becker. Die Blätter erklären, daß in Cun*
vor allem der Mann der Außenpolitik zu suchen sei,
init der das deutsche Volk in seiner Gesamtheit ein«
vcrftandsn ist, daß aber unbedrMt das Finanz- und
das Wirtschastswtnistertum neu zu besetzen
seien und das; auch dem Reichsbankvräsidcuten H a-
venstet u der Rücktritt nahe zu legen sei.
Einberufung des Reichstags auf
8. August.
Berlin, 30. Juli. (Priv.-Tel.) Der Reichs-
tag ist auf Mittwoch, de» 8. Augu st, nachmit-
tags 2 Uhr zusummenberufen.

Die Lage im Reich.
Ausschreitungen in Rofenheim.
München, 30. Jnli. (Priv.-Tel.) In Rosen-
heim kam cs gestern zu einem ernsten Zwischenfall.
Angehörige der Vaterländischen Verbände zogen
zum Gcwerkschaftshaus, das gestürmt wurde. Da-
bei wurde ein K o m m unist ge t S t et, vier wei-
tere sind verletzt worden.

Internationale Lage.
Vor der Uebereichung der franzö»
fischen Antwort an England.
London, 30. Juli. Die französisch»
Note soll bereits hier bei der französischen Bot-
schaft eingettoffen sein. Sie wird jedoch angeblich
zurückgeh alten, bis die etwas verspätete be gisch«
Note in Paris vorltegl, damit sie gegebenenfalls!
mit dieser in bessere Uebereiustimmung gebracht wer-
ben kann. Die Ueberrcichnng steht nunmehr unmit-
telbar bevor. Die Debatte im Unterhaus dürfte von
morgen Dienstag auf Donnerstag verschoben wer-
den.
Die Noten überreicht.
London, 30 Juli. Die französische und
die belgische Note wurden beute nachmittag
5 Uhr im Auswärtigen Amte durch die v-cidcrseitigeu
Botschafter überreich t
Wie dcu Abendblättern aus Brüssel gemel-
det Wird, erklärt man dort, daß die englische«

Noch keine Entscheidung.
Kombinationen. — Geforderte Maßnahmen der Sozialdemo-
kratie. — Die Spitze gegen Becker nnd Hermes.
 
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