Mes-ZkittW Br Sie WerMU MMMg Ser AMMZrrke ZeiSeBerß. Wiesloch, SiNstzeiA, CWimes, KerSM, MssßO, ZMe», ASelstzeiN, NsLSerg, TMerMMeilll u. WertheiA
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6. Jahrgang
Heidelberg, Montag, den 4. Juni 1823
Nr. 12b
AW Mk MS KM?
oBerlin, 3. Juni 1923.
Unaushörlich stürzt die Mark. Jeder Tag bringt
einen neuen Rekord. Die polnische und österreichische
Währung stehen weit besser als die deutsche, bald
^ir man sie igar als Ideal anfehen können. Als die
Stützungsaktion am 18. April Msammenbrach, er-
klärte die Reichsregierung, sie werde die jetzige
Stützungsaktion trotzdem mit allen Mitteln foriset-
5en und die Mark vor weiterem Sturz bewahren.
Damals kletterte der Dollar von 22 000 auf 30 000.
Hl ehr als drei Wochen vergingen, ehe die ReichSre-
kierung irgend etwas unternahm. Ms am 8. Mai
die neue Devisenordnung erlassen wurde, stand der
Dollar aus 35 000. Jetzt, drei Wochen später, ist er
trotz oder vielleicht wegen der neuen Devisenordimng
Ms weit über 70 000 gestiegen. Die Regierung hüllt
sich in Schweigen. Kein Mensch vermag von ihr zu
erfahren, ob und welche Absichten sie auf Währung?
i'olitischem Gebiet Hat. Zu feige, ihre Unfähigkeit
Mer ihre Schwäche einzugestehen, überläßt sie das
putsche Volk den zermalmenden Wirkungen dieses
dölligeu Zusammerbruchs der deutschen Währung..
Nie ist das Schicksal des deutschen Volkes in so
schlechte» Händen gewesen als gegenwärtig. Die
letzt regierenden Kreise haben im Sommer vergan-
gnen Jahres, als die Mark noch zu retten gewesen
Ware, die Vorschläge der Sozialdemokratie auf das
Ästigste bekämpft. Erst als die Franzosen an der
N"hr standen, raffte man sich auf und mackste die
Stützungsaktion für die Mark zu einer Kampfmatz-
Mhme gegen Frankreich und Belgien. Milten im
Nampf Er, am 18. April, zerbrach diese Aktion an
den inneren Widerstünden, und anstatt die geschlage-
iiku Formationen ans einer rückwärtsliegenden Linie
M neusm Widerstand zu sammeln, ergriff inan vor
dtn mächtigen Kreisen der Wirtschaft die Flucht.
Selbst jetzt, sechs Wochen nach dem verhängnisvollen
18. April, verharrt man noch in völliger Untiitig-
'est. Der Kampf an der Ruhr aber, der die Stüt-
Mngsaktion für die Mark ausgelöst hat, geht wei-
'-r. Seine schärfste Bedrohung droht jetzt von innen
er, von den Preissteigerungen, der Verelendung,
Hunger. Und wenn der passive Widerstand
ü der Nrchr erlahmt, so nicht, weil es dm Franzosen
tctungeu wäre, die deutsche Bevölkerung für ihre
Pläne gefügig zu machen, sondern weil die besitzen-
den Kreise Deutschlands sich an der Ruhrbesetzung
bereichern Wollten und die Regierung zu schwach
war, ihnen das Handwerk zu Legen.
Dauert diese Tatenlosigkeit der Regierung an, so
bwt es überhaupt kein Halten mehr in dieser Ent-
wicklung. Dann haben wir in kurzer Zeit russische
Zustände erreicht, das heißt, die Mark gilt überhaupt
"Mt mehr als Zahlungsmittel im internationalen
verrohr. Kapitalistische Kreise in Deutschland be-
wüpten, daß das eine unaufhaltbare Entwicklung
lm z"rückzuMhren auf die außenpolitische Bedro-
8 Deutschlands. Das ist nicht wahr. Die
-e-tavs steht heute viel tiefer als es ihrem wirtschast-
tchen Wort entspricht, weil die spekulativen Kreise
Deutschland sie in den Abgrund treiben, ohne
arau gcbwdert 'M werden. Wie unberechtigt der
uvz hx,. ME im April gewesen ist, geht aus der
--at>ache hervor, daß' iim März unsere Handelsbilanz
> u) gegenüber dem Februar gebessert hat. Der Ein-
nchrübcrschutz ging von 85 Millionen Goldmark ans
»7 Millionen GolAmaA im März zurück. Trotzdem
Oo das Ruhrgebiet äbgoschnitten ist, stieg die deut-
icye Ausfuhr. Es lst kein Zweifel, daß diese Ent-
wicklung im April nah Mai wegen des neuerlichen
Linkous der Mark augehallen Hal, wahrscheinlich
wgar noch stärker geworden ist. Wirtschaftlich ist
^io das Sinken der Mark absolut nicht begründet.
, s ist das Werk der großen kapitalkräftigen Speku-
wnten, der „ernsten Kreise der- Wirtschaft", wie der
teichsbaukpräsidmt Havenstein zugeben mutzte, die
Ms Egoismus und Proviisucht Heraus Deutschland
^rank^ich^r ^^ädigt haben als der „Erbfeind"
Durch die zahlreichen Unterlassungssünden der
^eglerung Cuno und durch die Willfährigkeit bei
r Kreditbeschafiung hat man diesen Kreisen über-
r"üpt erst den Kmnpf argen die Mark ermöglicht.
^>e ttauseude von Milliarden, die das Reich und die
' chsbamk der Wirtschaft an Kredit zur Verfügung
aou-E hat, sind die Hauptquelle für den Marksturz
H orden. Jeder Sturz der Mark hat den herge-
cin». " Betrag vermindert, dem Kreditnehmer
Auc," "berechtigten Vorteil, dem Reiche und der
eim?"'^'^''t Motzen Nachteil zugesügt. Wer bei
go-j^, Dollarstaud von 20000 zehn Millionen Mark
einem, erhielt umgerechnet 500 Dollar. Bei
Dona. Dollarstande von 70 000 brauchte er nur 143
kg,,,.. z"?ickzuzahlen. Den Rest von 357 Dollar
stand eigene Dusche stecken. Dieser Zu-
ieder i>en Todesstoß versetzt, weil nun
lichkoit"ern^^ ausuahm, die ihm die sichere Mög-
^stchsbmi^^-"E ^5 E^ovite des Reiches und der
r»ng der denkbar niedrigste Matz, G-ewäh-
Es wertbeständiger Basis,
bank' mu ß E»es Diskontsatzes der Reichs-
^"Neich Linie verlangt werden.
^Mhnnmmu Elsten dreienigen Personen und Un-
Vorspiegelung falscher
'wwcc. Strafe d solcher Kredite gesetzt Haben,
fe erhalten. Darüber hinaus aber ist
die Zentralisierung des Devisenverkchrs und die
vollständige Unterbindung des freien Handels mit
ausländischen Zahlungsmitteln unausweichlich,
wenn man die Mark überhaupt noch als Zahlungs-
mittel erhalten will. Sofortige Wiedereinführung
der Ausfuhrabgabe auf den Stand vom 1. Septem-
ber, Erhöhung der Reichssinnahmen durch Beschleu-
nigung der Steuereinziehung und Erhöhung der
Steuern ist ebenfalls sofort notwendig zur Ein-
schränkung des Notendrucks.
Um aber die Lohn und Gehaltsempfänger vor
den gewaltigen Preissteigerungen zu schützen, die
jetzt infolge des künstlich niedrig gehaltenen Lohn-
standes die Existenz aufs schwerste gefährden, Müs-
sen starke Lohnsteigcrungen mit rückwirkender Kraft
erfolgen. Die Lohn- und Gehaltsempfänger, die
bisher allein die Last der Geldentwertung getragen
haben, brechen unter ihr zusammen, wenn nicht so-
fort Abhilfe erfolgt. Zusammenbruch dieser Kreise
aber ist Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft.
Dann hätte die Rogienung Cuno durch ihr grenzen-
loses Entgegenkommen gegenüber den kapitalistischen
Wirtschaftspreisen das herbeigesührt, was zu ver-
hindern ihre dringendste Aufgabe gewesen ist.
Internationale Lage.
Vor dem neuen Angebot.
Berlin, 4. Juni. (Letztes Delegr.) Der neue
Vorschlag der Reichsregieruug an die Ententemächte
soll nach den letzten Dispositionen spätestens in der
Nacht vom Dienstag zum Mittwoch den
deutschen Vertretungen in den Ententeländern über-
mittelt werden, so daß die Uebergabe überall am
Mittwoch erfolgen könnte. Wundern würden wir
uns nicht, wenn auch dieser Termin wieder ver-
schoben wird; denn die Art der Vorberatungen des
neuen Angebotes läßt schließlich alles erwarten.
Manches ist durchgesickert, was zu schweren Bedenken
Anlaß gibt und nicht für eine entschiedene Gestn-
mmgsändernug der Regierung in der Reparations-
frage spricht.
Während in den letzten Tagen der vergangenen
Woche die Auffassung innerhalb der Regierung all-
gemein war, daß eine vorsichtig umschriebene Summe
tm Grgenwartswert, -deren Abgeltung durch Jahres-
leistungen erfolgen sollte, angeboren werden mutz,
bestehen jetzt hierüber wieder verschiedene Meinun-
gen. Auch in der Garaniefrage stehen sich verschiedene
Meinungen gegenüber. Var allem wird von be-
stimmter -Seite darauf hingewirkt, di-e von der So-
zialdemokratie geforderte Sachwcrterfassnng ausW-
schalten Und eine Garantieleistung durch Erhebung
einer neuen Vermögenssteuer, deren Veranlagung
nach dem gemeinen Wert erfolgen soll, und durch
Anbietung von Zöllen u. bergt, zu bewerkstelligen.
Mit Rücksicht auf diese ungeklärten Verhältnisse
glauben wir erneut betonen zu müssen, daß die So-
zialdemokratie nur dann bereit ist, die politische
Verantwortung für die neue Note mitzntragen, wenn
sie den ernsthaften Versuch darstellt, durch einen kon-
kreten substantiierten Vorschlag die Reparationssrage
der Lösung niiherzubringon und das Ruhrgebiet von
der Besetzung zu befreien.
Politik oder Kinderstube?
Die Politik der Reichsregieruug kann immer we-
niger ernst genommen werden. Die Mitteilungen
über das neue Angebot zeigen, daß von einer Füh-
rung kaum mehr die Rede sein kann. Die starke
Regierung Enno entpuppt sich immer mehr als ein
schwankendes Rohr, das nicht einmal eines Sturmes
bedarf, um zu wanken. Zu dieser Willensschwäche
gesellt sich noch ein Maß von Unfähigkeit in der Be-
urteilung politischer Fragen, wie es selten noch
führenden Stellen besaßen. Dies zeigt sich am
treffendsten an der Tatsache, daß außenpolitische Ekn-
flüsse das neue Angebot in einer für Deutschland
verhängnisvoll werdenden Weise beeinflussen sollen.
Irgend einer ausländischen Ausfassimg mach glaubt
die Regierung es wünschenswert zu finden. Mit
ihrem Ailgebos nicht allzuweit zu gehen.
Wir können uns demgegenüber schlecht denken,
daß bestimmte Kreise des Auslandes plötzlich nicht
mehr für ein weitgehendes Angebot fein sollen. Es
ist zu befürchten, daß Informationen dieser Art
trügerisch sind und daß, falls die Regierung sic
zur Grundlage ihrer Politik macht, das deutsche
Volk diese Taktik wird bitter büßen müssen. Mr
haben diese falsche Beurteilung der Auslandsstim-
mung bereits schon einmal beim Sturz des Kabinetts
Wirth und Antritt des Kabinetts Cuno erlebt, als
die Presse der Schwerindustrie erklärte, Mt diesem
volksparteilichen Kabinett die Verständigung bewir-
ken zu können. Das Ergebnis war die Ruhrbe-
setzung. Fast befürchten wir, daß man heute wieder
ähnliche Wege gehen wird. An Hand von entspre-
chend kommentierten Ausschnitten aus dem „Tcinps"
ist die Slinnespresse bereits wieder aus dem Wege,
die Regierung ms falsche Geleise zu sichren.
Zu allem Ucberflutz ist Herr TirPitz noch olbern
genug, in einem Artikel im Berliner „Lok.-Anzeiger"
zu schreiben, daß, nachdem sich England nicht als
wohlwollender Vermittler gezeigt habe, der Reichs-
regierung nichts anderes übrig bliebe, als aus wei-
tere Verhandlungen zu verzichten. Sollten, 'e fügt
der ehemalige Großadmiral hinzu, die Engländer
dann doch Gauben, daß die Verhandlungen in ihrem
eigenen Interesse lägen, so würde sie die deutsche
Ablehnung nicht daran hindern.
Herr Tirpitz kann ja warten-. Ob auch Deutsch-
land und das deutsche Volk?
Vom besetzten Gebiet.
Ludwigshafen, Z. Juni. Außer dem gestern
bereits verhafteten Schriftleiter des „Rheiirpfälzer"
in Landau, Detzel, sind heute vormittag auch vcr
Chefredakteur der sozialdemokratischen „Pfälzi-
sch e n P o st" in Ludwigshafen, Steffen, und der
Verleger der „Pfälzischen Post", Emil Ge risch -
Ludwigshafen, von der französischen BcsatzungSbe-
hörve verhaftet worden. Der Grund der Ver-
haftung ist noch nicht bekannt. Sie solle« auSge
wiesen werden.
Zu der Festnahme des Schriftleiters Stessen und
des Geschäftsführers Gerisch von der „Pfalz. Post"
erfährt das W.T.B. noch, daß die beiden Herren
auf 10 Uhr Mr französischen Kommandantur bestellt
waren, um sich wegen des Berichtes über eine Kesfel-
exploston aus einer französischen Lokomotive zu ver-
antworten, die von der Besatzungsbehörde als Bom-
benanschlag angesehen wird. Um 12 Uhr wurden
die Herren ins Amtsgerichlsgefängnis verbracht.
Mannheim, 2. Ium. Wie dem Pariser
„Journal" ans Mainz gemeldet wird, ist auch der
Hafen in Mannheim für sieben Tage geschlossen
worden wegen der in der Pfalz verübten Sabotage-
akte.
Hierzu wird noch weiter berichtet: Die vollkonr-
mene Verkehrssperre Mannheim-LudwigSnafm wird
bis einschließlich Donnerstag, den 7.
Juni, dauern und wurde so schnell — drei
Stunden nach ihrer Bekanntgabe — in Kraft gesetzt,
daß zahlreiche Pfälzer nicht mehr in ihre Heimat
kommen konnten. Ungefähr 300 Personen, Männer,
Frauen und Kinder, mußten in den Mannheimer
Hotels und Gasthöfen untergebracht werden. Erst
am Samstag mittag wurde die Rdeinbrücke für kurze
Zeit für den Personenverkehr wieder geöffnet, um
den in Mannheim wie in Ludwigshafen befindlichen
Durchreisenden Gelegenheit zum Passieren der
Brücke zu geben.
Mannheim, 2. Juni. Die Bezirksämter
Ludwigshafen, Neustadt und Landau
haben eine Belohnung von einer Million Mk.
zur Feststellung derjenigen Personen ausgesetzt, die
die Zngsenigleisungen französischer Eissnbahnzüge
am 29. und 30. Mai verursacht haben, wegen deren
bekanntlich umfangreiche Verkehrssperren von den
Franzosen verhängt wurde«.
Zur Verhaftung des Eisenbahn-
attentäters.
Ludwigshafen, 2. Juni. Zu der gemelde-
ten Verhaftung eines Ingenieurs der Badischen
Anikin- und Sodafabrik, der unter dem Verdacht von
der französischen Besatzinigsveh-örde verhaftet wor-
den fein fall, einen Anschlag auf die Eifenbahn-
strecke bei Insheim in der Nähe von Landau verübt
zu haben, Wird von unterrichteter Seite mttgeteilt,
daß die Verhaftung in der Nacht vom 29. auf 30.
Mai an der Rheinbrücke Mannheim-Ludwigs-
hafen deswegen erfolgte, weil der Ingenieur einen
Revolver bei sich trug, der bei der Kontrolle an
der Rheinbriicke gefunden worden ist. Es handelt
sich bei -dem Verhafteten nicht um einen Jngenier
des OPPauer Stickstoffwerkes, sondern um den
Landwirtschaftslehrer Görkes der land-
wirtschaftlichen Versuchsstation Limburger Hof der
Badischen Anilin- und Sodafabrik. Der Limburger
Hof liegt zwischen Rheingönnheim und Mutterstadt
an der Bahnstrecke Ludwigs-Hafen—Schifferstadt. Da
nach französischer Darstellung auch auf diese Bahn-
strecke zwischen Mutterstadt und RheinyöunhLim in
der Nacht vom 29. auf 30. Mai ein Anschlag ver-
übt Worden fein soll und deswegen auch als Sank-
tionsmiatznahme von der französischen Besatzungs-
behörde Über diese beiden Ortschaften eine. Ver-
kehrssperre verhängt Wurde, so wird die Ver-
haftung des Ingenieurs, der in Mannheim wohnt
und sich bei seiner Festnahme in Begleitung eines
anderen Herrn auf dem Rückweg nach Mannheim
befand, mit dem Anschlag auf die Eisenbahnstrecke
bei Mutterstadt und Rheingöimheim in Verbindung
gebracht. Darüber, -daß der Verhaftete die Tat
ein gestanden Haven soll, ist an zuständiger
Stelle nichts bekannt. So viel steht auf jeden Fall
fest, daß die Verhaftung wegen verbotenen Waffen-
besitzes und nicht wegen Verdachts der Urheberschaft
des Anschlags erfolgt ist.
Poincarö reist am Mittwoch mit einem Stab von
Mitarbeitern zu politischen Beratungen nach Brüssel.
Oberregierungsrat Lutterbeck, der vor einigen
Tagen voir den Franzosen verhaftet wurde, wurde
zu 10 Monasen Gefängnis verurteilt, weil er in
einem Brief den lomandierenden französischen Ge-
neral beleidigt haben soll.
Die Lage im Reich.
Austritt der Sozialdemokratie aus
der rvürttemberMchen Regierung.
Stuttgart, 2. Juni. Der württcmbergisch«
Staatspräsident u. gleichzeitige Kultusminister Hie-
ber hat am Samsung den bisherigen Justizminister
Boltz zum Minister des Innern und den Kanzlei-
dircktor Beyerte, den Führer der Württembergs
schcn Zcntrnmspartci, zum Justizminister ernannt.
Infolge dieses Schrittes, der gegen den Willen der
sozialdemokratischen Landtagssraktion erfolgte, hat
unsere Fraktion beschlossen, aus der Regie meng a t s-
z »treten, da ihr nicht derjenige Einfluß einge-
räumt werden sollte, der ihr auf Grund der Fvak-
tionsstärke zukommt. Die Schuld an dieser Entwick-
lung trifft ausschließlich die bürgerlichen Parteien.
Die sozialdemokratische Fraktion ist durch 27 Mit-
glieder im Parlament vertreten, während das Zen-
trum nur 23 und die Demokraten noch weniger,
nur 17 Abgeordnete, hat. Beide bürgerliche Par-
teien besitzen trotz ihrer geringeren Abgeordnetenzahl
zusammen vier Ministerposten und den des Staats-
präsidenten, währyrv der Sozialdemokratie nur da?
durch den Gep»ZK e t l besetzt gewesene ArbeitsMini-
sterium unterstand.
Zum Fall Fechenbach.
Berlin, 2. Juni. Zn dem Urteil des Münch-
ner Volksgerichtes im Prozeß Fechenbach nimmt in
der „Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissen-
schaft" der Münchner Rechtslehrer Prof. Dr. F.
Kitzinger eingehend Stellung. Er crbriivgt den
Beweis, daß Aas Urteil gegen Fechenbach nicht nur
polit isch, sondern auch juristischunhaltbar
ist. Zusammenfassend erklärt Pros. Kitzinger:
„Es ist jedenfalls im Hauptsall (Ritter-Tele-
gramm) objektiv schweres Unrecht ge-
schehen; es sind darüber hinaus in dem Verfahren
nnd der Entscheidung schwere, teilweise schwer
begreifliche Verstöße gegen Recht und
Gesetz vorgek-ommen. Daß das Unrecht wieder
gut gemacht und daß, soweit dies möglich, Vor-
kehrungen gegen künftige ähnliche Verstöße gettof
fen werden müssen, ist selbstverständlich."
Es wird Sache des Reichstags sein, bei del
Beratung der Interpellation über das Fechenbach
Urteil dieser Selbstverständlichkeit praktische An-
erkennung zu verschaffen.
Austritt aus der nationalsozialisti-
schen Partei.
Aus München wird geschrieben: Die Partei-,
leitung der national so zialisti scheu Partei hatte ein«
ihrer Münchener Hundertschaften zum
Strafexerzieren verdonnert und einzeln«
Mitglieder dieser Hundertschaft sogar zu — Mittel-
arrest. Den Verurteilten blieb nichts anderes übrig,
als sich diesem Kommando zu fügen oder sich auS
der Partei ausfchlietzcn zu lassen, oder ihr freiwillig
den Rücken zu kehren. Die Lente hatten weder Lust,
sich in cin Privatgefängnis zu begeben noch bis znr
Bewußtlosigkeit zu exerzieren. Sie traten deshalb
aus der Partei Meuchelmord aus
Der „republikanische" Hauptmann.
Vor kurzer Zeit fand in Breslau ein Belet-
digungsprozeß statt, in dem ein Haupt-
mann Fischer vom Reichswehrregiment Nr. 7
durch eidliche Zeugenaussagen der unglaublichsten
Verhetzung seiner Mannschaften gegen die Re-
publik überführt wurde. Er hat es fertig gebracht,
vor seiner Kompagnie nicht nur die Reichssahne als
Judenfahne zu beschimpfen, sondern auch schlankweg
zu erklären, daß die Reichswehr zu gegebener Zeit
der „Schweinebande von sozialidemokratischer
Reichsrcgie-rung" — worunter er die Regierung
Wirth verstand — die „Gurgel abschneiden" werde-
Den Rathenaumord bezeichnete er als eine
lächerliche Lappalie; von diesem „Juden-
jungen" solle inan nicht so viel Aufhebens machen»
da man genug von dieser üblen Sorte hätte. Ein
Breslauer Blatt hatte diese Tatsachen seinerzeit mit-
geteilt. Das Ofsizierkorps trat daraufhin als Klä-
ger auf und der beklage Redakteur wurde —
wegen Beleidigung zu Geldstrafe verurteilt.
Dann erst erhielt der Reichswehrminister Kenntnis
von der Hetze in dem Breslauer Truppenteil und
suspendierte den merkwürdigen Erzieher repu-
blikanischer Soldaten vom Dienst.
Die Lage im Ausland.
Norwegens neuer Staatsminister.
Als Nachfolger des verstorbenen Staatsministers
Halvorsen ist, wie gemeldet, der Wnanzminister
Abraham Berge ernannt worden. Berge ist 1851
als Sohn eines Arbeiters geboren und hat
in zäher Energie sich aus einfachsten Anfängen bis zu
der höchsten politischen Würde des Landes empor-
gearbellet. Mts Sechzehnjähriger war er schon
Volksschullehrer- 1892 wurde er zum ersten-
mal als Vertreter der damaligen „nationalen Lin-