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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 181 - Nr. 190 (7. August - 18. August)
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8. Jahrgang

Nr. 183

Heidelberg, Donnerstag, de« 9. August 192S

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-Die einspalt. Petitzcile oder MM UU MH MMtW^ MM IUW WA MD MK Postscheckkonto Karlsruhe Nr.LSTk.
Raun, (38 mrn breit) Mk.Sävo, ^U8 UM MM WMr^ MM MN« MW WA MM MW MM »HM Tel" Adr.: Tolk,,ittunrHeidclder».
I^^uswärtigeMk.loauo. Reklame- _- Druck u. Verlag der Unterbadischeu
V>r°igc>l t7^mm breit) MI.SN0UÜ. für 8W^ «AM «SK^LMM Berla°»anstalt E.m.b.H., Heide»
^«swarlige MI. LMM. Bei Wieder- V MlM WWW^ M WM MiW WA berg. Geschäftsstelle: Echröderirr.».
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rages-Zeimg für die weMMgeVevölkeMg der Amrsbezitte Melders, Wiesloch, Sinsheim. Epvlnges. Sberdach, Mosdach, Buches, Adelsdew, Norders, rauderdWssrdellv n. WeMelT

MrsklWes MdWkSkul.
* Heidelberg, 9. Augtlft.
Es WM vorauszuschen, das; die Weimarer Son-
Ecrlonferenz, der 39 soztaldem. Retchstagsabgeoid-
'leien, ein freudiges Echo in der bürgerlichen Presse
iinden wird. Mit gewisser Schadenfreude berichten
ne, darunter auch das „Heidelberger Tageblatt", von
hinein Ritz in der Sozialdemokratie. (Wir haben
sofort diese Sonderaktion verworfen, weil wir der
Ansicht find, datz gerade Ur diesen Tagen hochpoli-
tischer Spannung es nicht angebracht ist, sich solche
Seilensprünge zu leisten. Heute ist mehr denn je
die Geschlossenheit der Reichstagssraktion und der
Gesamtpartei erforderlich. Wir stehen am Vorabend
dor wichtigen- Entscheidungen und da gebrauchen wir
d>e gesamte Stoßkraft der Partei, um die Entschei-
dungen nach unserm Sinn zu beeinflussen.
Wenn wir so mit aller Entschiedenheit diese Son-
tn'raktion im Interesse der Ges-amtpartei verworfen
daben, so müssen wir aber auch doch noch Verstand-
es haben für die Beweggründe, von denen sich die
Eiiüberufer leiten lietzen. Die Not unseres Volkes
und die wirtschaftliche Lage werden von Tag zu Tag
atastrophaler und mit bestimmter Sicherheit kann
uan sagen, datz dieser Bin lau, auf dem wir uns be-
U'tgen, eines schönen Tages ausbrcchen mutz und
stvar mit solch elementarer Gewalt, datz es kein Aus-
fallen mehr geben Wied. Diesem beständigen Ab-
seiten sah die Regierung Cuno tatenlos zu und
,lst in höchster Not entschloß sie sich, den Reichstag
^usammenzurufen, um über einige Pflästerchen zu
Graten, die man ans die grotze Volkswnnde auf-
^aen will. Datz aus dieser Situation heraus eine
,-Ummnng vorherrschend werden kann, die eine so-
wttige Beseitigung des Kabinetts Cuno verlangt,
n '''U erklärlich. Unsere ganze Partei möchte
vo.il lieber heute als morgen eine solche Beseiti-
Mng. Unsere Partei ist ja von vornherein diesem
abmett der „Fachmänner" misstrauisch gegenüber-
ncstauden. Sie hat sich tatsächlich in dessen Leistun-
ve» nicht getäuscht.
Für uns ist aber heute die Hauptfrage: „Was
ann, ivenn die Regierung Cuno wegrasiert
nrd?" — Es jst wiederholt darauf hingewiesen wor-
m?'. wen» wir einen Sturz Cunos herbei
q"',wn, auch dir Konsequenzen tragen müssen. Eine
ivetterregierunig würde den Zusammenschluß des
samten Bürgertums zur Folge haben, ob dann
ositive Arbeit für die breiten Massen geleistet wer-
e» kann, bleibt dahingestellt. Wir möchten dies
^rr bezweifeln. Mso, dieser erste Weg ist nicht gut
-'llgbar. Nun wäre ein zweiter Weg, die grotze
.'Bl-ilion noch offen. Hier scheiden sich die Geister
. i^rlialb der Partei so sehr, daß auch dieser Weg
Wi -um Ziele führt. Aus diesem Grunde wird
^'n wohl nach reiflicher Ueberlegung zu der Ueber-
,h kommen müssen, übechaupi nicht im gege-
-n Moment in die Regierung einzutreten. Sollen
hf nochmals, wie ISIS Vie Katze aus dem Bache
ff'-n und uns nachträglich mit Vorwürfen der bür-
^"nbon Gesellschaft überhäufen lassen. Sollen wir
ü-! ^'Wrkrieg liquidieren? Eine neue Dolchsiotz-
^'wrde könnte daraus entstehen. Cuno und seine
l>t!/, "Enuer" haben uns hin-eingeritten durch ihre
, se Politik, sie haben auch den Ruhrkrieg be-
>a '"'wen sie den Brei auslöffeln. Wie wissen
heutigen verworrenen Lage machtlos
iw^''Perstehen, aber auch wir können die Lage nicht
bessern, dazu bedarf es Zett, Aufopferung
der ,^u>einfchaftsstn.n des ganzen Volkes. Solange
istd - "^mus und die Ausbeutung vorherrschend
erb»» können wir keine Besserung der Lage
ichs-r ' Wir als starke Partei haben die Pflicht,
« .^"'derungen, die im Interesse der arbeiten-
dmliegen, zu stellen und zu versuchen
la>m> - Wenn hinter der Fraftion die Ge-
ästn, mutzte es zum Teufel zu gehen,
8vr^ . * nichts erreichen würden. Ein Teil der
die Weimarer Sonderkonferenz
Ford mau unterschreiben. Nur die
Wh °""ug, das Zusammengehen mit den Kominu-
'Nüssen ivir entschieden ablehnen. Es geht
letzt das; man mit einer Par!ei sich an einen Tisch
Parw- 'P" drste Ausgabe darin erblickt, unsere
P'r d! mit Schmutz M bewerfen. So sehr
iNhss ^ Einigung des Proletariats herbeisehne», so
"Pen' Zusammenarbeit mit den Kommu-
'''lstn NeinliMeilsgriinden entgeg-enlreten. Sie
''beibpnicht immer unsere Partei als Ziel-
Angriffe benützen, sondern sollten die
wo g-i7d„'?-°"^e des Proletariats bekämpfen, die sind
eher üb-r"'E' lhi uns,,zu suchen. Dann könnte man
Zusammengeüci» sprechen.
Üch, „p^E^'wisen der Wetnrarer Konferenz werden
A»erre> gesehen haben, datz sie, bei aller
durch ja. y? '"res gute» Willens, dem Bürgertum
m Zukunft Wasser aus die Mühle leiteten,
Brünne im, Besseren besinnen und solche Seiten-
"ach h Drettzig Mann sind doch inner«
wr, hxx r-i! ein nicht zu unterschätzender Fak-
P'ne " w'ch in der Fraktion Beachtung für
^rgerNw» Das Freudengeheul, das die
"enken geben " ""stimmt, sollte auch ihnen zu
Sretchs',^?^ldemottatie ist durch den Beschluß
Png üegeüG»^^"'°" August die klare Hal-
Darln ist ausgesprochen, datz die

Fraktion ihre weitere Stellung abhängig machen will
von der Erfüllung ihres Finanz- und Währungs-
programms. Alles kommt jetzt daraus an, mit Mut,
Entschlossenheit und Tatkraft das Chaos verhindern
zu suchen. Wiederum, wie tn so vielen früheren
Situationen hat die Sozialdemokratie mit ihren

* Berlin, 9. August 1923.
Die mit grotzer Spannung erwartete evste Sit-
zung des Reichstages liegt hinter uns. Der Reichs-
kanzler und der Reichsfin-anzminister haben gespro-
chen, dann wurde Schluß gemacht. Die Parteien
werden erst heute Stellung zu den beiden Reden neh-
men. Herr Cuno hat in seiner Rede seine Tüch-
tigkeit hcrvorgehoben, hat es wohlweislich unter-
lassen, seine Unterlassungssünden auszuzählen. Es
war eben eine Rede, wie man sie von diesem Reichs-
kanzler nicht anders erwarten konnte. Er redete in
srotzen Tönen von der Fortsetzung des passiven Wi-
derstandes, vergaß aber zu sagen, datz durch das
gänzliche Fehlen der Aktivität seines Kabinetts wir
in die heutige Situation gekommen sind. Es gehört
Wirklich eine grotze Portion Unverfrorenheit dazu,
dem deutschen Volke nach einer achtmonatlichen ta-
tenlosen Negierungszeit eine solche Rede voizusetzen.
Nun, da das Elend Mer das Volk gekommen, will
man versuchen, zu helfen. Wir glauben nicht daran,
datz diese Hilfe uns auf die Beine bringt. — EZ"isk
zu spät. — Das Volk nagt am Hungertuch und ist
der Verzweiflung nahe. Nun, die heutige Sitzung
wird ja zeigen, ob die Parteien, die gegen Cuno
Sturm liefen, im Voroersrund das Zentrum, den
Mut ausvringen, Harrn Cuno zu sagen, datz er ver-
sagt hat und den Platz räunmi mutz.
Sitzungsbericht.
Am Negierungstisch Reichskanzler Dr. Cuno,
Innenminister Dr. Oeser, Wirtschafts-Minister Dr.
BeSer, Aussenminister von Rosenberg, Ft-
nanzmiuistcr Dr. Hermes, Arbeitsminister Dr.
Brauns, Wehrminister Dr. Gehler.
Das Hans ist gut besetzt, die Tribünen überfüllt.
In der Diplomatenloge wohnen zahlreiche auslän-
dische Vertreter bei.
Ruhropfer und die neuen Steuergesetze.
Auf der Tagesordnung steht die erste Lösung des
Ruhropfers und die des Stenerzinsgefetzes. Das
V erb rauch ssteu erge s etz und die Vorlage Wer die Er-
höhung der Vorauszahlungen auf die Einkommen-
und Körperschaftssteuer.
Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 3 Uhr
20 Mi-n. und hebt hervor, datz, wie zu befürchten war,
die finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse un-
seres Landes einen baldigen Wiederzufammentritt
des Reichstages notwendig gemacht haben. Ver-
handlungsreise Regierungsvorlagen liegen jetzt vor.
Das Parlament müsse rasche Arbeit leisten, wenn
die erhoffte Besserung noch kommen soll. Der Prä-
sident gedenkt dann, während die Abgeordneten sich
von ihren Plätzen erheben, des Ablebens des Prä-
sidenten der Vereinigten Staaten von Amerika,
Ha r ding. Er habe bereits den amerikanischen
Botschafter von der Teilnahme des Reichstages
Kenntnis gegeben. Präsident Löbe äußert dann
den Wunsch, daß Amerika sich davon überzeugen
möchte, welche grotze Verdienste es sich um die
Menschheit erwerben könnte, wenn die grösste und
einflußreichste Republik der Erde ihre Mithilfe für
die Gesundung und Befriedung der Welt leihen
würde. (Beifall.) Der Präsident teilte daun mit,
daß der Abg. Hegermann (Ztr.) am Erscheinen
verhindert ist, da er die Ausreiseerlaubnis nicht er-
halten habe.
Die erste Lesung der
neuen Stenervorlagen und des Rheinbund
Ruhropfers
werden verbunden. Das Wort erhält darauf Reichs-
kanzler Dr. Cuno, der zunächst von den Kommu-
nisten am Sprechen verhindert wird, mit den Rufen:
„Der Aufsichtsrat von Stinnes und Konsorten hat
das Wort! Schwindler, Betrüger! Der lebend«
Leichnam redet! Sie sind ein Verbrecher am deut-
schen Volk!" Anhaltende grotze Unruhe aus allen
Seiten des Hauses. Zurufe rechts: Heraus Mit den
Ausländern! Der Abgeordnete Frölich (Komm.)
erhält zwei Ordnungsrufe. Präsident Loebe macht
darauf aufmerksam, daß bei weiterer Nichtbesolgung
seiner Mahnung eine gröbliche Verletzung der Ord-
nung des Hauses als vorliegend angesehen werden
müsse und die Ausweisung der betreffenden Abge-
ordneten erfolgen müsse. (Lebh. Beifall.) Die Un-

Forderungen den Weg dazu gewiesen. Regierung
und bürgerliche Parteien müssen sich nun entscheiden,
Es gibt mm zwei Wege. Entweder für die For-
derung der Sozialdemokratie einzutreten oder durch
Verneinung unseres Prograurms die Taktik Poin«
cares zu unterstützen.

ruhe auf der Linken hält noch einige Zeit an;
schließlich konitte sich der Reichskanzler Gehör ver-
schaffen.
Reichskanzler Dr. Cuno:
Rhein und Ruhr beherrschen auch heute die Lage.
Sie alle kennen die Fülle von Vergewaltigungen und
Bedrückungen, Grausamkeiten und Zerstörungen, der
die deutschen Menschen dort ausgesetzt sind, und ich
glaube auch, die Welt, soweit sie menschlich empfin-
det, kennt dies Bild von Gewaltherrschaft und
Greuel. Mehr als 100 Tote, 10 Todesurteile, Frei-
heitsstrafen über 1200 Jahre, ein halbes Dutzend
lebenslängliche Verurteilungen, tausend Verhaftun-
gen, Bankraub von 350 Milliarden, dazu Raub von
Staatsgeld, die Vertreibung von 110 000 Personen
Nus Haus und Hof, die Ausweisung von 95 000
Personen allein aus der Reichsverkehrsverwaltung,
die Ausweisung von 15 000 Männern mit 37 000
Familienangehörigen, Verbrechen aller Art bezeich-
nen den Weg, den die französisch-belgische Ingenieur-
kommission mit der Schutzmacht ihrer Truppen bei
ihrer friedlichen Arbeit ergangen ist. Und was hat
Frankreich dafür gewonnen?
Entrüstung und innere Empörung.
Verachtung der Einwohner und aller wahren Deut-
schen. Denn Arbeiter und Unternehmer wissen, datz
ihr Schicksal mit dem des Vaterlandes untrem,bar
verbunden ist. Bereit, als Freie die Urbeft sofort
wieder aufzunebmen, lehne» sie es ab, so lange die
Unfreiheit dauert, unter Bajonett und Reitpeitsche
zum Nutzen d-'? Unterdrückers zu arbeiten. So «nutz
nun unter dem Druck der deutschen Bergarbefler und
Unternehmer, Beamten und Eisenbahner (Unruhe
und Zuruf bei den Kommunisten) der wahre Zweck
doch bald enthüllt werden, indem die französische
Regierung erklärt, daß es sich für sie darum handle,
Deutschland durch Störung seiner politischen und
wirtschaftlichen Ordnung Ungclegenheiten zu berei-
ten und es damit gefügig zu machen.
Mit Spannung verfolgt das deutsche Volk die Be-
mühungen, dte an verschiedenen Stellen der Welt
im Gange sind, um eine Lösung der Krise zu finden.
Die Grundlagen, auf denen sich dte von England
vorzunehmcnde Lösung ausb-aut, sind
für Deutschland wahrhaft nicht erfreulich.
Ob und welchen Fortgang die englische Aktion neh-
men wird, verutag ich nicht zu sag'». Fest steht, datz
für große Hoffnungen kein Anlaß vorliegi. (Sehr
richtig in der Mitte.) In diesem Sinnne kann auch
ich nrir die Forderung nach Aktivträt nur aus voll-
ster Ueberzengung zu eigen machen.
Worin soll die Aktivität bestehen?
Man spricht von Verhandlungen mit Fraistreich.
Ich halte den Gedanken für falsch, aber er braucht
deshalb nicht aus schlechter Gesinnung zu erwachsen.
(Sehr richtig!) Jeder hat das Recht, eine eigene
Meinung zu haben und die Auffassmrg des politi-
schen Gegners zu bekämpfen, aber dieser Kampf soll
mit Argumenten und nicht mit Anzweiflung der Ge-
sinnung oder der Motive ausgefochten werden. (Sehr
war! auf verschiedenen Bänken.) (Zuruf bei den
Kommunisten: Das jammert doch direkt einen
Hund, was der Mensch sagt! Heiterkeit.) Die Welt
Weitz auch, daß wir bereit waren, den französischen
Presttgebedürfnisson Rechnung zu tragen, wenn
Frankreich darauf verzichte, uns Demütigungen nur
um der Demütigung willen auszuerlegen. (Hört!
hört! links.) Aber was wir nicht können und nicht
wollen, ist,
deutsches Land preiszugebcn
und die deutschen Volksgenossen zu verraten. (Abg.
Frölich (Komm.): Eure Schuld!) Im Vorder-
gründe der französischen Forderungen sicht das Ver-
langen nach Beseitigung des passiven Widerstandes.
Bevor Frankreich sich überhaupt auf eine Unterhal-
tung einlässt, soll die deutsche Bevölkerung im Ruhr-
gebiet und am Rhein ihre einzige Waffe auf Gnäde
und Ungnade nicdevlogcn. Dies ist eine Forderung,
auf die die Reichsregierung, aus die keine deutsche
Regierung eingehen kann. (Lebhafter Beifall.) Mit
der völligen und bedingungslosen Unterwerfung, dir
Frankreich fordert, werden wir lediglich erkaufen,
datz uns wiederum ein Dokument zur Unterschrift
vorgelegt wird, das uns unmögliche und von der ge-
samten Welt als unbillig erkannte Leistungen auf-
erlegt. AVer dieser Proz etz der Vernich-
tung, dem Vie Welt wie gelähmt zusicht, soll sich
im Namen der Gerechtigkeit und in wohlanständigen
Formen vollziehen. (Sehr richtig! in der Mitte.)
Scheiden also für diese Regierung und für das deut-

sche Volk praktische Möglichkeiten Mr die Herbeifüh-
rung der von uns gewünschten, aber von Parts ab-
gelehnten Verständigung aus, und zeigt sich am Ho-
rizont kein Licht, das schnelle Hivfe ankündigt, so
heißt es für ums, mit allen Mitteln eiserner Ent-
schlossenheit uns am Leben zu erhalten und dafür
jedes, aber auch jedes Opfer zu bringen. (Stürmi-
scher Beifall. Tumult auf der äußersten Linken.)
Wir stehen allein und müssen und werden
uns selbst helfen.
Darum gilt es, von gewaltlosen passiven Widerstand,
frei von siumrlosen Gewalttaten und frei von ver-
brecherischen Anschlägen, die Gewalttaten und Terror
ancli gegen die Bevölkerung des besetzten Gebietes
selbst zur Folge haben (erneute Unterbrechungen bei
den Kommunisten: Abg. Ledebour ruft: Sie
haben ja direkt diese Saboteure ermutigt, Sie haben
geradezu dazu aufgefordert! Stürmische Zurufe
rechts!) mit Mer Kraft fortzusetzen und die Bevöl-
kerung, die ihn aus eigenem Entschluß leistet, im
nichtbesetzten Gebiet mit höchster Aktivität zu stützen.
(Lebhafte Zustimmung.) Ob sich ein Weg zu Ver-
handlungen alsbald eröffnet oder nicht, in jedem
Falle ist es notwendig, daß Wir alles tun, uns selbst
zu helfen und der Welt den Beweis dieses Willens
zu geben. Das gilt vor allem auf finanzpolitischem
Gebiet.
Der Zerfall der deutschen Währung
ist das Schlimmste (Zuruf bei den Kommunisten:
Was Sie auf dem Gewissen haben!), was uns be-
troffen hat. Wir haben ihn nach Kräften und mit
allen Mitteln aufzuhalten gesucht und so wenigstens
zeitweise Beruhigung schaffen können. Der Zerfall
hat tn den letzten Tagen einen Umfang angenom-
men, dar tiefste Sorge und Verbitterung weckt. Wir
stehen vor der Gefahr, von Auslandszufuhrcn, wie
durch eine Valutablockade abgeschnitten zu werden.
Im Inland tut sich eine Währuugskluft auf, die uns
vor schwere Gefahren stellt. Darum ist die Negierung
und sind Sie — dessen bin ich sicher — mit uns ent-
schlossen, alles zu tun, um diesem Zerfall Einhalt zu
tun und im wirtschaftlichen Lose der breiten Kretfe
unseres Volkes einen Ausgleich zu schaffen. Die
Böcseiworgänge der letzte«» Tage werden auch ruhig
Denkende fragen lassen, ob wir »roch Zeit dazu haben.
(Unruhe bei den Kommunisten. Zurufe: Bankrotleur!
GegNnrnfe rechts. Präsident bittet die kommunisti-
schen Zurufer, der Welt das Beispiel parlamentari-
scher Zuchtlosigkeit zu ersparen. Fortdauernde stür-
mische Unterbrechungen bei den Kommunisten.) Desto
rascher müssen wir arbeiten. (Sehr richtig!) Datz
dar EiuHeitskkurs des Dollars aus die Dauer nicht zu
halten war, darüber Ware»» alle Wirtschaftsverständi-
gen, wohin Sie auch gehören, sich einig, wie über-
haupt jeder Zwaugseingrisf in den Devisenverkohr
auf die Dauer versagen »nutz, weil er sich nur auf
deutsche Börsenplätze beschränken kann. Wir werden
daher mit einem abschließende» Urteil noch eine kurze
Frist warten müssen. Ueber das, was dann gesche-
hen kann, iir dieser Stunde zu sprechen, wäre nicht
nützlich, nur das kann ich sagen: Rücksichten auf
irgendeinen Stand und Lebensbedürfnisse Einzelner,
mich grotzer Wtrtschaftskreise, schrecken mich nicht im
geringsten, Standesfordemngen spielen keine Rolle,
so wenig wie theoretische Erwägungen. Endgültige
Heilung unserer Finanzen und Währung ist erst mög-
lich, wenn unsere außenpolitische Lage geklärt und
die Neparationssrage in erträglichem Sinne geregelt
ist. (Sehr wahr!) Das Programm, das ich Ihnen
dafür zu entwickeln habe, sieht drei Maßnahmen vor:
Zum ersten die Schaffung einer wertbeständigen, In-
neren Anleihe, zum anderen neue wertbeständige
Steuergesetze, zum dritten Maßnahmen zur Förde-
rung unserer Wirtschaft. Um die Unruhe zu beseiti-
ge«, dte infolge der Markeniwertung, aus der Un-
sicherheit der Anlage und Preisbildung sich ergibt,
habe ich es für meine dringende Pflicht gehalten.
Mich mit aller Kraft für eine ertragreiche, mit guten
Sicherheiten ausgcstattete
wertbeständige innere Anleihe
einzusetzen. Diese Anleihe soll erstens zur Entlastung
der Notenpreffe rasch Mittel in Form fundierter
Schulden.bereitstellen und so insbesondere die Lücke
ausfüllem bis die Steuergesetze wirksam werden.
Dem Verkäufer wird die Möglichkeit eröffnet, für
seine Ware et,»en Gegenwert zu erhalten, der bestän-
dig bleibt, so datz für ihn der Grund zur Zurückhal-
tung der Ware, zur Neuanlage des Erlöses in Ware
oder zum Tauschhandel wegfällt. Durch die Bege-
bung der Anleihe in kleinen Beträgen soll den» Han-
del ein wertbeständiges Zahlungsmittel eröffnet und
dadurch, daß auf dieser Grundlage Banken und
Sparkassen ihren Kunden wertbeständige Konten er-
öffnen, auch für alle anderen Beträge die wertbestän-
dige Anlage ermöglicht werden. Viertes soll die An-
leihe den Sparbetricb und damit den Arbritstriev
ln allen Volkskreisen erneut beleben, und endlich soll
und wird die Anleihe den entschlossenen Teilen des
deutschen Volkes bekunden, unter alle,» Umständen
für die Finanzierung unseres Bedarfes Sorge zu
tragen. Aber es wäre leichtfertig und ungenügend,
die Finanzierung dieses Neichsbedarfs nur auf An-
leihe basieren zu wollen. Mit ihr mutz die Schaf-
fung neuer Einnahmequellen Hand in Hand gehen.
Unsere Steuergesetze bedürfen einer tiefgreifendem
grundsätzlichen Reform: aber während wir diese Aiv-
leihm einleitc», müsse»! wir rasch ein Notprogramm
durchführen, nur, was nur immer mit Erkaltung do
Wirtschaft vereinbar ist, an Steuereinnahmen rasch

Deutscher Reichstag.
Die Botschaft hör ich wohlFesthalten am passiven
Widerstand. — So spricht Cuno der Unentwegte. — Dr. Hermes
und die neuen Steuergesetze. — Was werden die Parteien machen?
 
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