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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 101 - Nr. 110 (2. Mai - 14. Mai)
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5' Jahrgang

Heidelberg, Samstag, den 12. Mai 1923

Nr. 109


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Regierungskrise?
* Heidelberg, den 12. Mai.
Die Haltung der englischen Regiemng im Ver-
^»s der letzten Wochen, insbesondere ihre jüngste
^klärnng im Unterhaus, zeigen, das; man in Lon-
aus politischen und wirtschaftlichen Gründen
?'"e Beendigung des Ruhrkonflikts und eine end-
^^ige Lösung des Reparationsproblems herbe-i--
^l>r,t. Aehnlich Verhält sich auch das italienische
'^bchett. Unseres Wissens haben beide Staaten
^nr Mindesten in letzter Zeit nichts unterlassen, ui«
^'"leinsa maus die Regierungen ihrer Verbündeten
"" Sinne einer schnellen Verständigung einzuwirken.
^)on in Anbetracht dessen kann kaum noch ange-
'^'eifelt werden, daß die noch zu erwartenden Ant-
^'t>tten aus London und Rom der Wilhelmftraße
Eilwerständnis mit Poiucare den guten Rat ge-
ein erweitertes Angebot an die Gesamtentente
sichren und in diesem Vorschläge weniger die
^ünniungsfrage und die Angelegenheit der passiven
^fisten; zu behandeln, sondern die deutsche Lei-
^bgsfähigkeit, unfern Zahlungswillen und die not-
^nrdigen Garantien hauptsächlich in den Vorder-
fjord zu stellen. Die Art der Räumung des Ruhr-
^bietss, wie die Erörterung der Frage der Passt-
Resistenz, scheinen sowohl England wie Italien
d'w notwendigen Verhandlungen überlassen zu
^°lle>r.
Mit der» Wunsche, die Erörterung der Räu-
'fungsfrage und des Verzichts aus den passiven
widerstand Verhaudlungvir zu überlassen, könnten
^''r uns einverstanden erklären, und wir glauben,
einer Auffassung mit dem übergroßen Teil der
" Ubillcvölkerung zu sein. Die Frage aber ist, ob
die gegenwärtige Regierung auf Grund ihrer
^rgaugenheit zu einem derartigen Einverständnis
'" bereit zeigen kann und ob sic insofern überhaupt
d:r Lage ist, ein neues Angebot an die Entente
machen, das die beiden genannten Fragen im
^-ieumchen unbehandelt läßt und sich nur mit der
^°!ung des Reparationsprobleins, vom deutschen
Gesichtspunkt aus gesehen, beschSftigt- Sowohl
^Uuo wie Rosenberg haben bisher nach innen und
außen ohne viel Mühe den starken Mann ge-
'''Mr und sich dadurch bei den deutschen Spictzbür-
gewisse Sympathien erworben. Diese Sym-
"ihieu zu behalten was bisher ihre eifrigste Sorge,
^i allen außenpolitischen Handlungen kommt diese
^rge zum Ausdruck. Sie bildet auch den Hauptan-
"ü dafür, daß die letzte Note nicht vom rein außen-
olitischen Standpunkt aus verfaßt wurde, sondern
'Rter pbur Druck der iimerpolitisusten Verhältnisse
Stande kam. Will diese Regierung eine neue wei-
''wehende Antwort an die Entente geben, dann
ste unbedingt nrtt der bisherigen Taktik brechen
f'üssen, dann muß sie sich darüber klar sein, daß sie
die Freundschaft der Deutschnationalen vcrzich-
Mutz. Der einzige Kummer dieser Partei ist, aus
Elend des Volkes parteipolitische Erfolge zu
fielen und nach Möglichkeit den gegenwärtigen
"dflikt bis zum Chaos auszudehnen. Sobald die
^ften Cuno und Rosenberg sich hierzu nicht mehr
^j'gehxu würden, sobald sie also den Versuch ma-
durch ein weitgehendes, geschickt ausgearbeite-
Angebot, das jede Zweideutigkeit vermissen
die Basis für Verhandlungen zu bilden, ist es
der Freundschaft der Deutschnationalen aus.
^'we Parteirichtung will-keine Verhandlungen,
sie verwirft deshalb auch jedes positive Auge-
x ' das den Ententemächten Zugeständnisse macht.
Ziel ist die „Kapitulation der Franzosen", ov-
steh jeder klardenkende Mensch schlüssig darüber
inuß, datz der „Kapitulation Frankreichs" eine
^''derlage des wirtschaftlich fast erdrosselten
"ischlands voraufgehen muß. Wir befürchten
^,""och, daß de ehemalige Geheimrat Cuno als
^''Ergebener des Herrn Helfserich, und ebenso dec
h^divärüge Autzerrminister, nicht den Mut auf-
werden, mit der Partei, die den Namen
j"schi,Monal" nur als Maske trägt, zu brechen
sich das bewahrheiten muß, was vorsichtig
di'"ende Politiker Voraussagen, daß der Rücktritt
tz. Regierung zur Nowendigkeit wird. Ohne
kz auf die deutschnationale Unterstützung gibt
i>o,^we Klärung der außenpolitischen Lage, wie sie
der ganzen Welt durch Deutschland erwartet
vur gegen diese Parteirichtung ist ein Aus-
ous dem schwierigen Konflikt der Gegenwart
Rich.

Ohne dringenden Anlatz wird die Sozialdemo-
kratie nichts unternehmen, um eine Krise im jetzigen
Augenblick zu fördern. Sie wünscht, datz die.Re-
gierung, die seit November v. Js. die Geschäfte des
Deutschen Reiches führte, nach Möglichkeit nicht nur
die neue AnWort gibt, sondern auch die notwen-
digen Verhandlungen einleitet und zu Ende führt.
Ob das gegenwärtige Kabinett dazu imstande ist,
oder durch Personenwechsel in einzelnen Ressorts
dazu fähig gemacht werden kann, wird sich bald zei-
gen. Am Montag — nach Ankunft der englischen

Note — beabsichtigt der Reichskanzler im Reichstag
eine Erklärung über die außenpolitische Lage abzu-
geben. Schon hier dürste der erste Beweis erbracht
werden, ob sie im Ernst bereit ist, neue positive Vor-
schläge an die Entente zu richten und in der Tat
auch den Willen hat, hierfür die notwendigen Vor-
aussetzungen zn schassen. Die Auffassung, das; die-
se Vorschläge, die den Deutschnationalen so verhaßte
„Erfassung der Sachwerte" enthalten müssen, ist in-
zwischen Gemeingut aller bürgerlichen Parteien des
Reichstags geworden.

London und Berlin.

Sonntag Ueberrerchrmg der
englischen Note.
Paris, 11. Mai. Der Hiesige Miiavöstier
der „Frist. Ztg." übermittelt seinem Blatte folgerte
Meldung: Nach einer Halvas-Melidung aus Lon-
don soll die englische Note, die erst heute ihre end-
gültige Redaktion erfahren , habe, morgen zur
Kenntnis der französischen und belgischen Regie-
rung gebracht und am Sonntag vormittag in Ber-
kin überreicht werden.
Französische Mißstimmung gegen
England.
Paris, 11. Mai. Fn einer Besprechung der
gestrigen Debatte im englischen Unterhaus stellt
der „Teutps" heute abend fest, es vergehe fast kein
Tag mehr, der nicht eine für Frankreich bedauer-
liche Nachrichz aus England bringe. Am Diens-
tag Hätten Lord Curzon und Baldwin, ohne
auch nur mit einem Wort die Unannehmbarkeit der
deutschen Vorschläge zu erwähnen, Frankreichs
isoliertes Vorgehen öffentlich mißbilligt. Am Tage
daraus habe Lord Birkenhead auf die Ent-
wittlnng der französischen Luftflotte als eine Ge-
fahr für England erwiesen, und wenn auch die
englische Regierung es «barlehnt Habe, sich an der
CampWgnc gegen Frankreich zu beteilig«», so
bleibe doch die Tatsache, daß auch England seiner-
seits seine Luftflotte bedeutend vermehre. Gestern
sei es das Unterhaus gewesen, das sich an Frank-
reich reiben zu müssen Geglaubt Habe. Parlamen-
tarier von Ansehen hätten an der Regicrungsrom-
nlisston des Saargebiets Die schärfste Kritik geübt,
lediglich -veil diese so gehandelt habe, wie es
Frankreich von ihr zu erwartest berechtigt sei.
Die belgische Antmortnote.
Berlin, 11. Mai. (Priv.-Tel.) Die belgische
Antwortnote, die am vergangenen Sonntag dem
deutschen Geschäftsträger in Brüssel überreicht
wurde, ist, wie schon mftgetMt, nicht telegraphisch
nach Berlin übermittelt worden, sondern auf brief-
lichem Wege. Wie jetzt sestgestellt werden kann,
st-iMMt der Inhalt, abgesehen von der jeweiligen
Bezugnahme auf die absendeude Macht, wörtlich
mit der französischen Note überein.
England und der Despotismus an
der Saar.
London, 11. Mai. Am Schlüsse einer Saar-
debatte im englischen Unterhaus erklärte namens
der Regierung Mac Neill:
Während der Debatte sei viel KAM geübt wor-
den. Sie sei jedoch nicht berechtigt gewesen gegen-
über der britischen Regierung. Sir John Simon
habe den Verwalttmgsansschutz des Saarbeckens an-
Wgriflen, aber die britische Regierung habe keine»
Vertreter in diesem Ausschuß: sie sei nur in zweiter
und Dritter Linie vemniworWch gegenüber dem
VSlkerbundsrgt, wo sie einen Vertreter habe. Mac
Neill erklärte, er stimme vollkommen mit
Asquith «verein, datz kein einziges Mitglied des
Hauses vorhanden sei, das den San verlaß als sol-
chen verteidigen würde, aber es folge daraus nicht,
datz es gut gewesen wäre von irgendeinem Stand-
punkt aus unmittelbar eins Aktion zu unternehmen.
Asquith habe vorgeschlagen, daß eine besondere
Beratung des Völkcrbundsrates einberufen werden
solle, um den Erlass zu verurteilen. Welche Sicher-
heit könne jedoch das Haus haben, datz, wenn der
Völkerbundsrat morgen einberusen werde, er den
Erlas; verurteilen werde?! Es könnte so kommen,
daß diese Sonderznsammenkunft des Völkerbundes
den Erlas; bestätigte oder ihn nur mit geringer
Mehrheit verurteilte.
Der englisch-russische Konflikt.
London, 11. Mai. Meldungen^ die aus
Moskau in Helstngfors eintresfen und die von ver-
schiedenen Seiten bestätigt werden, stellen fest, daß
die Sowjetregierung auf die ihr zugestellte englische
Note Ende dieser Woche antworten werde. Di«
russische Antwort wird den Anklagen wegen anti-
englischer Propaganda ein ausdrückliches Dementi
entgegensetzen und sie wird die Entscheidung der
Streitfrage wegen der Beschlagnahme engflscher
Schifserboooie in den russischen Gewässern durch
ein Schiedsgericht Vorschlägen. Die Moskauer Re-
gierung Wird sich bereit erklären, die Mehrzahl der <

von Großbritannien ausgoworfcNeu Fragen inner-
halb einer allgemeinen Friedenskonferenz zu be-
handeln; sie wird es dagegen ewlcihncn, sich dem in
der englischen Note enthaltenM Ultimatum,
das bekanntlich am 17. M ai ab läuft, zu unterwer-
fen.
Ruhr.
Neues Blutvergießen.
Gelsenkirchen, 11. Mai. Ans dem Güter-
bahnhof Herne, der gegenwärtig als Ersatzbahnhof
für den von den Franzosen besetzten Personenbahn-
hof Herne benutzt wird, waren deutsche Eisenbahner
an einem Waggon beschäftigt. Plötzlich rückte eine
zehn Mann starke Abteilung französischer Soldaten
heran und schoß blindlings in die Leute hinein. Drei
von den Eisenbahnern wurden mehr oder weniger
schwer verletzt.
Die Abschwächung einer
Schändlichkeit.
D ü s s e l d o «rf, 11. Mai. Heute vormittag wurde
vor dem Kriegsgericht in Düsseldorf gegen den Bür-
germeister Schäfer, stellvertretende!; Oberbürger-
meister von Essen, der von den Kriegsgerichten in
Brenedey und Recklinghausen zu 2 und 3 Jahren
Gefängnis verurteilt worden war, verhandelt. Das
Urteil lautete auf i Jahr Gefängnis und 10 Mil-
lionen Mark Geldstrafe.
Münster, 11. Mai. De» Stadt Essen wurden
wegen angeblicher Beschädigung von Telephonlei-
tungen vier Millionen Mark Geldstrafe auftrlegt,
die binnen acht Tagen zu bezahlen sind, widrigen-
falls zwei Beigeordnete verhaftet und zwei Monate
in Haft behalten werden sollen.
Der Essener Proteststreik.
Essen, 11. Mai. Der Proteststreik der Arbei-
terschaft gegen die Werdener Schandurteile bat ge-
schlossen eingesetzt. Er wird heute mittag um 4 Uhr
beendet sein»
Ein Todesurteil.
Düsseldorf, 10. Mai. Das französische
Kriegsgericht hat gestern einen Kaufmann aus Ber-
lin namens Schlagetter unter der Anklage von
Spionage und Sabotage von Eisei. Mnstrecken zum
Tode verurteilt. Sechs andere Au... agie wurden
gleichfalls zu sehr schweren Strafen verurteil;. Die
Anklage wirft ihnen vor, sie hätten im Mär; und
April 1923 im Ruhrgebiet den deutschen Behörden
Nachrichten übermittelt und Anschläge gegen Per-
sonen dar Besatzungsruppen und Beamte der
Alliierten verübt; weiter hätten sie zweimal Valin-
körper durch Sprengstoffe zerstört oder zu beschädi-
gen versucht. Die Angeklagten stellten die ihnen zur
Last gelegten Taten in Abrede.
Ausgewiesen.
Ludwigshafen, 11. Mai. Von der fran-
zösischen Besatzungsbehörde wurden wiederum 79
Eisenbahner, die verheiratet sind, nrit ihren Fami-
lien ausgewiesen.

Die Lage im Reich.
Aus dem Ordnungsstaat Bayern.
Seit Jahr und Tag wird Das bayerische In-
nenministerium von der Münchener Polizcidircktion
wöchentlich fast zweimal übergangen und betrogen.
Das merkt Herr Schweycr, seines Zeichens In-
nenminister von Bayern (Kunststück!), nicht. Auch
überblickt er tn seiner bewundernswerten Blind-
heit Kr DeutschvöMsche Verbrechen das Treiben
der Nationalsozialisten, aber dafür Hai dieser
Mann ein aufmerksames Ange für alles Republika-
nischer, alles das, was dem Schutze dieses Staates
dienen könnte. Mn Mittwoch beschäftigte sich der
Haushaltsausschuß des bayerischen Landtages mit
der Verstaatlichung der Nürnberger Polizei, die der
bayerischen Regierung gerade schon deshalb jetzt an-
gebracht scheint, um hier den Einfluß des republika-
nischen Oberbürgermeisters Dr. Luppe auszuschal-
ten. Anläßlich dieser Beratung erneuerte der
Innenminister seine Vorwürfe gegen Dr. Luppe
und gab die Erklärung ab, Daß eine Untersuchung
gegen Diesen Republikaner im Gauge ioi. Das
.Verbrechen", das Dr. Luppe in den Augen des
Herrn Dr. Schwcyer begangen Hat, war seine Für-

sorge um den Schutz der bayerischen „Republik",
die von verbrecherischen Elementen am 1. Mai be-
droht WM. Mit der zu erwartenden Amtsent-
hebung des Nürnberger Oberbürgermeisters dürfte
die Angelegenheit nicht «erledigt sein. Vielleicht
kommt jetzt die Zeit, wo das Problem Bayern
seine endgültige Regelung findet!
Die StaaLsautorität in Bayern.
München, 11. Mai. Die Verordnung der
bayrischen Regierung zum Schutze Der Staatsauto-
rität wird in der Münchener Presse, soweit sie sich
äußert, von keiner Seite ohne Bedenken ausgenom-
men. Ganz entschieden lehnt Die sozialüsutokrattsche
„Münchener Post" die Beiordnung, sie weit über
das Viel gelästerte Republikschutzgesetz hinausgehe,
ab. Sie treffe nicht die hervorgetrctcuen Miß-
stände und ihrer Urheber, sondern sie bleibe an
äußeren Erscheinungen hängen, und es bestehe die
große Gefahr, datz sie jene treffe, Die pflichtgemäß
dunkle Vorgänge aufdeckte». Bei objektiver Beur-
teilung erwecke die Verovdnuug den Eindruck, daß
Der rcchtsbolschewistischen Bewegung Bewährungs-
frist gegeben werden solle auf Kosten anderer, viel-
leicht gerade republikanischer Richtungen.

Reichstag.
Berlin, 11. Mai 1923.
Der Präsident widmet dem verstorbenen Abge-
ordneten Edlen v. Braun einen Nachruf. Tie
Novelle zum Besoldungsgesetz wird in zweiter und
dritter Lesung ohne Debatte nach den Beschlüssen
des Ausschusses angenommen. Der Etat der attge-
msimon MnanzverwalMng passiert ohne Debatte.
Eine Resolution Müller-Franken verlangt
vorübergehende Zollerleichtcrungsn für Fleisch- und
Wurstwaren. Die Abstimmung, wobei di« Rechte
verstärkt durch Die «agrarischen Mitglieder des
Zentrums gegen die Resolution stimmen, bleibt
zweifelhaft. Bei einer späteren Abstimmung wird
die Resolution angenommen.
Es folgt die zweite Lesung des Entwurfs über
Mieterschutz und Mieteinigungsämtcr.
Nach längerer Aussprache, am der sich Redner
säintlicher Parteien beteiligten, werden 8 1 und 2
in der Ausschutzsassung angenommen, wonach eine
Kündigung durch den Vermieter nur aus besonde-
rem Grunde erfolgen kann, u. a. wegen erheb sicher
Belästigung des Vermieters oder emes Hausbe-
wohners oder wegen Mißbmuchs der Wohnung;
die Kündigung kann nur im Wege der Räumungs-
flage durchgesetzt werden.
8 4 wird in Der Form angenommen, daß der
Vermieter, der i« seinem eigenen dringende!; In-
teresse einen anderen Gebrauch von seiner Wohnung
machen will, nach Erenessen des Gerichts den Mie-
ter hinsichtlich der Umzugskosten schadlos hatten
soll. Das Räumungsurlcil darf aber nach 8 6 in
solchem Falle nur vollstreckt werden, wenn für de»
Mieter «in angemessener Ersatzraum gesichert wird.
Nach 8 17 sind Werkswohnungen bet Auflösung
des Arbeitsvcrhällnisses nicht ohne weiteres zu
räumen, vielmehr gelten auch für sie die Bestim-
mungen dieses Gesetzes über die Räumung über die
Dauer des Arbeitsverhältnissesi Hinaus.
Nach 8 18 gilt die Bestimmung des Gefttzcs auch
für die Untermieter.
Gegen Die sozialdemokratischen Stimmen bleibt
ein 8 25 bestehen, wonach Ausländern, dw vor dem
l. Januar 1914 ihren Wohnsitz in Deutscyland bac-
ken, Die Wohnung ohne Ersatz der Umzugskosten u nd
ohne. Sicherung eines Ersatzraumes gekündigt wer-
de!; Darf, wenn der Vermieter ein eigenes dringen-
des Interesse an Der Erlangung der Wohnung hak.
Gleichfalls gegen die sozialdemokrMschen Stim-
men wird bei 8 42 bestimmt, das; bas Gesetz am
1. Juli 1926 außer Kraft tritt.
Nächste Sitzung Samstag nachumttag 2 Uhr.
Berlin, 11. Mai. (Priv.-Tel.) Der Aefte-
stenrat Des Reichstages bestimmte heute den Ce-
schästsplan für die nächsten Tage in der Weise, daß
am Samstag mit der dritten Lesung des R.'ichs-
hWshMAPlanes für 1923 begonnen wird. Von
einer «Mgemwinen Debatte wird abgeieHen werden,
Sie Beratung beginnt vielmehr mit der Aussprache
über Die innere Politfl auf Grund des Hausyatts
des Minssteriums des Innern. In Verbindung
mit Lieser Debatte werden die Interpellationen
über Das Verbot Der Deutsch-VöMschen Frsiheits-
partei besprochen werden. Die Haushalt« des
Reichskanzlers und des ReichArillttMsteriiims des
Aontzcrn sind an das Ende Der Etatsberalung ge-
stellt worden, da die Regierung vor der Abgabe
einer Erklärung noch die englische und italienisch«
Antwortnote abwarten will. Am Mittwoch oder
Donnerstag wird dann die letzte Plenarsitzung vor
Der Pfingstwoch« abgehalten Werden.

Die Lage im Ausland.
Die Bluttat von Lausanne.
Lausanne, 11. Mai. Die Bluttat an der ruft
fischen Delegation hat überall die größte Bestürzung
bervorgsrufen. Man rechnet mit einer energischen
Proiestnole der russischen Regierung an dis
Schweiz. In dem Kreisen der Polizeibehörden ver-
 
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