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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 191 - Nr. 200 (19. August - 30. August)
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vezugrpreisetnschttcßl.TrSgcrlohn
vom 1S.-81. Aug. Mk. 4MM0. An»
-cigentarife: Die einspalt.Pctitzelle
od.der.Raum (36min br.) Mk. lvllOOO,
s.AuswcirtigcMk.tLOlivv. Reklame-
an zeigen (71mm br.) Mk. S1V0V0, für
Au sm artige Mk.M Üo». BeiWieder-
Holungen Nachlaß nach Tarif.

Volkszeitung

«efchLstrftund«, 8-S vhr. Svrech»
stunden der Redaktion: 11—Ist Uhr.
LoftlcheckkontoKarlrruhe Nr.WS/7.
Tel-ALr.: VolkszeitungHridelbcra.
Druck u. Verlag der Nnterbadische»
Werlagsanstalt <S. m.b.H., Heidel-
berg. Aeschast»steIle:Schröderstr.W.
Test: Erpedition8S7S u.Rcdak.2S7S.

Lages-Zeitung fkir die Netttittige Bevölkerung der Amtsbezirke Seidekbers. WiesloS. öisrbeim, kpvingn. KderdaS, MosdaS, Vulhen. Adelsbeim, Boserg, LanderMMew o. Merihew

6. Jahrgang Heidelberg, Mittwoch, den 29. August 1923 Nr. 199

Der Kampf um den Frieden.

zr. Heidelberg, 2S. August.
Der Kau,pf »m den Frieden rückt immer mehr
in den Vordergrund des Tages, wobei der sozial-
denn,'^»tischen Partes als die Verlretcrin des am
Meisten notleidenden arbeitenden Volkes die Füh-
rung verbleibt. Die Notlage des München Volkes
sowohl im besetzten w e im unbesetzten Gebiete
zwingt rascherhand zur Brseit'gung deS jetzigen anor-
malen Zustandes zu schre'ten. Wie unhaltbar die
Zustände im besetzten Gebiete geworden sind, ver-
spüren wir alle an unseren täglichen Sergen. Wie
katastrophal jedoch die Verhält,risse im besetzten
Gebiete geworden, das ersehen wir aus dem folgen-
den Situationsbericht des cngl.schen Arbeiterführers
Tom Shaw über die Lage der Ruhrbcbölkerung,
die förmlich nach Frieden schreit und gern ans dem
unhaltbar gewordenen paffivcn Widerstand zur Ar-
beit zurückkehrt.
Diesem Sehnen des Volkes nach Frieden kommt
vor allem die Erklärung des Internationalen Ge-
'werkschastsbundes entgegen, die in rücksichtsloser
Verurteilung sowohl des Treibens der kapitalisti-
schen Kreise Deutschlands, wie der Gewaltpolitik
Frankreichs eine Verständigung der Völker fordert.
Leider findet diese Forderung der Sozialdemo-
kratie auf Verständigung bet den kapitalistischen Re-
st erung wenig Anklang. Die soeben veröffentlichte
veigucve mote an England, welche sich vor allem mn
internen FinanzwÄnschen Belgiens beschäftig», zeigt,
«ah der Ausweg aus dem jetzigen Wirrwarr immer
kroch nicht in Handlänge vor uns liegt, wenn auch die
deutsche Retchsregterung aus dieser Rote heraus-
lesen dürste, daß für Belg'cn ebenso wie für Frank-
retch die Trage der militärischen Sicherheiten und
der Pfänder für die Bezahlung der Forderungen aus
ds,n Friedensvertrag an vorderster Stelle steht
Weiter WM sich Herr Stresemann noch tnrmer
Nicht entschließen, den Weg eines klaren Angebots,
stitgepaht den Forderungen der Stunde, zu geben
Ka. tm Gegenteil! In einem Interview ist er un-
üeschickt genug, neben einigen platonischen Aeuße-
lttngen über eine Verständigungspolitik auf die Ver-
stärkung des Hasses tn Deutschland gegenüber Frank-
' hinzuweisen und auf di« Konsequenzen, die
lwe Tatsachen für die Zukunft haben.
Inwiefern Deutschland mit solchen Drohgcsten
etwas anderes ist es nicht — genützt werden soll,
bankt uns schleierhaft. Denn vorerst ist Deutschland
Völlig in der .Hand Frankreichs, das solche Drohun-
sten erst rech» znm Vorwand nehmen wird, sich wei-
tere Sicherungen für die Zukunft zu schassen. Herr
2tresenrann täte besser, sich statt mit der Zukunft mit
dcr Gegenwart zu beschäftigen, deren oberste Forde-
rung lautet: Beseitigung des Ruhrkonslikts und Ver-
uandigung mit unseren Kriegsgegnern zwecks Rück-
er zu normalen Zuständen. Diese Verständigung
Mit Frankreich wird mit Recht von Karl Kautskh
m einem Artikel der Wiener „Arbeiterzeitung" neben
e n>er radikalen Finanzpolitik als wichtigste Aufgabe
ur deutschen Politik bezeichnet. Herr Stresemann
U letzt schon über 14 Tage am Ruder. So sehr wir
"n längere Wartefrist vergönnen würden, so wenig
ertragen leider die Zustände des deutschen Volkes
ne Politik des Zögerns. Möge er daher die Sinn-
en nützen. Denn die Entwicklung erlaubt uns keine
>rge Ze,t mehr zu warten. Außenpolitisch und
uenpolttisch steht der Zeiger kurz vor 12 Uhr.
Tom Shaw über die Ruhrfituatiorr.
- London, 28. August,
kutiw, Tom Shaw, der Sekretär der Exe-
ttonar°^r Sozialdemokratischen ArbeiterJnterna-
l'ältn a . "" d" Spitze einer Delegation di? Ver-
leine «i V"..Ruhrgebiet eingehend studierte, hat über
richt m London einen ausführlichen Be-
ten unk m - Die Stellungnahme der Gewerkschas-
fastt „« > ^"rtei-Vertrauensmänner des Ruhrgebiets
1 , folgende Punkte zusammen:
Vlrbe Regelung ist annehmbar, die nicht d e n
Unter -.""die Freiheit gibt, die sie auch
taugen y^tanzösischen Besatzung ver-
faß die aRegelung ist annehmbar, ohne
- e n °° wiesenen und eingekerker -
gegenwärtige u Sause zurückkehren. 3. Di«
das; di- Aweit^r ermöglicht,
Augenblick , . plötzlichen Befehl von einem
^eu, Mttst ousgewicseu werden kön-
aushoren. 4. Was die Summe der

Reparationszahlungen anrangt, so bedeu'-
ten für die Ruhrarbetter einige Millionen Goldmark
nicht allzu viel. Was sie verlangen; ist, daß di«
Gütererzeugung und Verteilung in deutschen
Händen bleibt, und daß französische und belgische
Bajonette in keiner Weise dazu verwendet wer-
den, die Leute zur Arbeit zu zwingen.
Wenn diese Bedingungen erfüllt werden könnten,
wären die Ruhrarbeiter
bereit, den passiven Widerstand morgen
aufzugeben.
Die Leute sind des gegenwärtigen Zustandes müde
und würden nichts so sehr begrüßen, als eine Rege-
lung, die es ihnen erlaubt, zu ihrer Arbeit
und ihrem Lohn zurückzukehren. Sie betrach-
ten aber den Einmarsch in das Ruhrgebiet als einen
direkten Bruch des Versailler Vertrags
und klagen, daß alle Ausschreitungen, die in der
Hitze des Krieges begangen worden wären, nun
kalten Blutes und tm Frieden im Ruhrgebiet
wiederholt würden.
Seine eigene Auffassung und sein« eigenen An-
regungen legt Tom Shaw wie folgt nieder: 1. Es
besteht, wenn nicht so schnell wie irgend
Möglich Verhandlungen begonnen werden, im
Ruhrgebiet die Gefahr eines furchtbaren
Ausbruchs. 2. Die Ruhrbevölkerung ist zu einem
vernünftigen Kompromiß durchaus be-
reit. 3. Die Ruhrarbetterschaft erklärt, daß sie un -
möglich erwarten kann; daß die Franzosen
ohne vorherige Regelung das Ruhrgebiet verlassen
und ist daher, sobald Garantien für eine Halbwegs
veriiünftige Beilegung gefunden, und die Freiheit
zur normalen Arbeit gesichert ist, vollständig
bereit, den passiven Widerstand auf-
z u g e b e n.
In einer gemeinsamen Sitzung des General-
ratS des Gewerkschaftskongresses mit dem Natio-
nalen Vollzugsrat der Sozialdemokratischen
Partei in London wurde zu dem Bericht Shaws
über die Lage im Ruhrgebiet Stellung genom-
men. In einer Entschließung wurde tief bedauert,
daß die französische Regierung die Absicht have, die
militärische Besetzung des Ruhrgebietes fortzu-
fetzen. In der Entschließung heißt es:
„Wir . verlieren besonders an die französi-
schen Arbeiter und an die sozialdemokratische
Bewegung, mit ihrer Macht auf die Annahme einer
versöhnlicheren Haltung der französischen Re-
gierung und des französischen Volkes zu dringen, um
die Differenzen bezüglich des Reparationsproblems
durch Verhandlungen beizulegen. Die Entschließung
fordert ferner diebrttische Regierung auf, ener-
gisch bet ihren Bemühungen zur Wiedereröff-
nung von Verhandlungen zum Zwecke der
Herbeiführung einer Regelung zwischen Großbritan-
nien, Frankreich und Italien zu verharre«.
Der Internationale Gewerkschafts-
bund fordert Verständigung.
Amsterdam, 29. August.
Unter dem Vorsitz von Thomas- England
fand tn Amsterdam eine Bureausttzung des JGB.
statt, an der Jouhaux-Frankreich, Mertens-
Belgien und die Sekretäre Brown, Fi mm en,
Oudegeest und Sassenvach teilnahmen.
Nach Erledigung einer Reihe geschäftlicher An-
gelegenhciten wurde in ausführlicher Weise die Pol-
tische Lage besprochen und beschlossen, von neuem
init einem Aufruf an das internationale Proletariat
und namentlich an die deutschen, englischen, bel-
gischen und französischen Arbeiter heranzutreten.
Zur internationalen Lage wurde folgende Er-
klärung beschlossen:
Der JGB. io eist darauf hin, daß, wenn die von
den internationalen Kongressen in London, Rom
und int Haag und den Konferenzen von Amsterdam
unv Brupel angenommenen Beschlüsse pmpchMch
der Reparationsfrage, der finanziellen Sanierung
und des wirtschaftlichen Wiederaufbaues durchge-
führt worden wären, die gegenwärtigen Gefahren
beseitigt und der Wiederaufbau der Welt auf dem
Wege einer friedlichen Zusammenarbeit der Völker
gesichert und der Verwirklichung nabe wären.
Zur Erreichung dieses Zieles bat der Inter-
nationale Gcwerkichaflsbund von Anfang an die
sofortige Feststellung der wirtlichen Zahlungsfähig-
keit Deutschlands, di« Revision und Annullierung
der internationalen Schulden, die Aufnahme einer
internationalen Anleihe und die Durchführung einer
Rcpamttonspolttik mittels Sachleistungen durch Zu-
sammenarbeit der deutsch-französischen Arbeit ge-
fordert.
Der JGB. erklärt:
») daß es Pflicht der deutschen Regie-
rung ist, den kapitalistischen Wider-
stand gegenüber gerechten Repara-
t i o n S l g.r d e r u n LLN ^«breche« und je»«

zu finanziellen Leistungen heranzuziehen, die über
die für die Sanierung der Finanzen, die Ver-
besserung der Existenzbedingungen des deutschen
Volkes und die Bezahlung der Reparations-
schuld nötigen Mittel verfügen;
b) daß es Pflicht der französischen und belgischen
Regierung ist, der mtl it äri s chen B esetzung
ein Ende zu machen.
Der JGB. erklärt neuerlich, daß eine der wesent-
ltchsten Voraussetzungen der Wiederherstellung fried-
licher Beziehungen zwischen den Völkern der Ver-
zicht auf alle Gewaltmaßnahmen seitens der Re-
gierungen und die ehrliche Anwendung der oben-
genannten Mittel ist, die allein eine rasche Lösung
der Probleme verbürgen;
daß dieses Resultat nicht durch Etnzelaktionen,
denen sich di« nationalen Interessen enlgegenstellcn
würden, erreicht werden kann; sondern nur durch eine
vom höheren Interesse der Menschheit geleitete Ge-
samtaktion.
Der JGB. erklärt schließlich als Pflicht der Ar-
beiter aller Länder, an diesen Prinzipien unver-
brüchlich sostzuhalten und solidarisch und Mit dem
Aufgebot aller Kräfte gegenüber den sie bekämpfen-
den reaktionären Gewalten ihren Sieg herbeizu-
führen.
In derselben Sitzung wurde beschlossen, die
Gewerkschaftszentralen aller Länder zu ersuchen, den
Zuzug von Arbeitswilligen nach dem Ruhrgebiet
zu verhindern.

Die belgische Note an
England.
Brllssel, 28. Aug. Die belgisch« Antwortnote
an England wird nunmehr veröffentlicht. Si« be-
handel« vielfach Dinge, die die Alliierten in ihrem
gegenwärtigen Verhältnis zueinander betreffen.
Dahin gehört z. B. die Frage der belgischen
P rioritSt, die für Belgien natürlich sehr wichtig,
aber auch für uns bedeutungsvoll ist, da von ihr die
Verteilung des interalliierten Drucks abhängt. Der
hauptsächlichste Inhalt der Note ist finanztechnischen
Charakters. Aber sie enthält, soweit bisher ersicht-
lich, auch einige polttischeMomente, an denen
dte englische Politik vielleicht einsetzen könnte, um
dte sestgesahrene interalliierte Politik über den toten
Punkt hinauszubringen. Im zweiten Teil der Note
liefert die belgische Regierung ergänzende Ausfüh-
rungen zu ihren Vorschlägen vom 30. Juli 1923 be-
treffend di«
Lösung der Reparationsfrage.
Sie stellt fest, daß im Laufe des jüngsten Meinungs-
austausches F o rtschri 1 t e auf dem Wege gemach»
seien, der zur VerständigungderVerbün-
deien führen müsse. Danach könne die deutsche
Schuld, wie sie am 5. Mai 1921 festgesetzt wurde,
beträchtlich herabgesetzt werden, wenn man auf die
belgischen Wünsche eingehe. Belgien habe das
Recht, eine Revision der in Spa festgesetzten Prozent-
sätz« zu verlangen, falls die Schuldverschreibungen
ganz oder teilweise gestrichen werden sollten.
Alles in allem könne Belgien nichtzulassen,
daß dte interalliierten Schulden der übrigen Mächte
mit seinen eigenen Schuldverschreibungen L bezahlt
würden. Um die Gleichheit in der Behandlung
wiederherzustellen, wäre es rechi und billig, wenn
der belgische Anteil unter bloßer Berücksichtigung
des materiellen Schadens für den Fall, daß die
Schuldverschreibungen L gestrichen werden, auf 13
Prozent festgesetzt Werde. Belgien hätte dann
einen Anspruch auf 13 Prozent der Schuldverschrei-
bungen und 6, d. h. 6)4 Milliarden Goldnmrk, und
da es schon ip; Milliarde» Goldmark erhalten habe,
würden ihm noch weitere st Milliarden
Goldmark zustehon.
Die Note kommt dann zu folgendem Schluß: Um
zusmnenzufassen, glaube die belgische Regierung, daß
zur Zeit die Erörterungen hinreichend
fortgeschritten seiet», damit
freundschaftliche, vertrauliche Verhandlungen
zwischen den alliierten Ministern ausgenommen wer-
den könnten, ohne daß es sich dabei selbstverständlich
um eine Konferenz im eigentlichen Sinne des
Wortes zu handeln brauchte. Wie soeben angegeben;
sei ja in der Tat in mehreren Punkten eine Ver-
ständigung erzielt.
Die belgische Regierung betont schließlich noch
einmal, welches Interesse Belien an einer
Lösung der Sicherheitsfrage
habe. Solange dte Sicherheit derjenigen Länder,
in die im Kriege der Feind eingedrungen sei, nicht
gewährleistet sei, werde es weder Ruhe noch
Frieden geben, noch die Möglichkeit oestehen, die
Rüstungen eiuzuschränken. Die belgische Regie-
rung gibt dementsprechend dem Wunsche Ausdruck,
auch über diese Frage in London zu ver-
tzanLelg

Die belgische Note über den passiven
Widerstand.
Brüssel, 28. Aug. Die bedeutsamste Stelle
tn der belgischen Note an England lautet neben der
Notwendigkeit von Sicherheiten gegen einen kom-
menden Krieg: Für den Fall, daß der Wider-
stand zur Einstellung gelange, sei die
schrittweise Rückkehr zu der Lage vom 10.
Januar vorgesehen. Das Pfand könnte dann
GegenstandeinertnteralltiertenKon-
trolle werden.
UeberdteS sei wiederholt die Räumung des Ruhr-
gebiets in dem Maße, wie Deutschland seine Repa-
rationsverpflichiungen erfülle, angekündigt worden,
Belgien könne also dte ihm zugeschriebcne Absicht,
endgültig im Ruhrtal zu bleiben, nicht zu-
geben. Ebensowenig könne es gestatten, daß ihm
di« Absicht unterstellt werde, den Vorschlag der eng-
lischen Regierung, betreffend die Inbetriebnahme ge-
wisser produktiver Pfänder in Deutschland
unter interalliierter Kontrolle, nicht in Erwägung zu
ziehen, da ja die belgische Regierung keinerlei be-
stimmte Angaben itber den etwaigen Clmrakter und
Ertrag aller dieser Pfänder erhalten habe und sie
sich in Ermangelung einer Verständigung unter den
Alliierten über diesen Punkt gezwungen sehe, die
einzige von ihr in Beschlag genommene Garantie
tn der Hand zu behalten.

Eine offiziöse Erklärung Frankreichs
Parts, 28. Aug. HavaS verbreitet folgende
Mitteilung: Die belgische Antwort aus dte eng'.ische
Note, die bereits die vollkommene Billi-
gung PotnearSs erhalten hat, wird In den
französischen politisch«» Kreisen sehrgünstig auf-
genommen. Man beglückwünscht sich zu dem Geiste
enger Solidarität, den die belgische Negierung
gegenüber der französischen Regierung zeigt, und
man stellt mit lebhafter Genugtuung die vollkommene
Uebereinstimmung der beiden Regierungen
in den Fragen, die die Gesetzmäßigkeit der Ruhr-
besetzung, dte Einstellung des passiven Widerstandes
usw. betreffen, fest. Dte französische Regierung ist
der Ansicht, daß eine grobe interalliierte Zusammen-
kunft erst dann einberufen werden kann, wenn alle
interalliierten Regierungen die Sicherheit haben, zu
einer uneingeschränkten Verständigung und zu kon-
lceten Lösungen zu kommen.

Ein Interview Stresemanns.
Berlin, 28. Aug. Der Reichskanzler äußert«
einem Vertreter der „Daily Graphik": Er sei
Anhänger der Politik einer Verständigung
zwischen Frankreich, England und Deutschland.
Wenn ein allgemeines Abkommen zwischen diesen
Ländern abgeschlossen würde, könnten der Friede
und der Wohlstand in Europa wieder hergestcllt
werden. Der Kanzler gab zu, daß das deutsche Volk
im Kriege gegen England einen größeren
Haß gehegt habe, als gegen Frankreich. Jetzt
sei es anders geworden: Er sei besorgt wegen
des schrecklichen Hasses, den rnan in
Deutschland Frankreich gegenüber empfinde und der
nur durch die Ruhrbesetzung verursacht worden sei.
Frankreich habe heute 39 Millionen. Deutschland
60 Millionen Einwohner. Es müsse die Frage
aufgeworfen werden, welches in fünfundzwan-
zig Jahren dte Stellung der beiden Völker zu
einander sein werde. Alles dränge auf ein«
schnelle Lösung der Reparationskrise.
KarlKautsky für eine Verständigung
Wien, 28. Aug. In der „Wiener Arbetterztg."
tritt Genosse Karl Kautsky für eine energische
Mtve Verständigungspolitik ein. Auch dann, wenn
die Besitzenden Deutschlands ihre Schuldigkeit tun,
ist Deutschland noch nicht gerettet. Gleichzeitig ist
notwendig dte Verständigung mit Frankreich, die sich
frei hallen mutz von allen Zweideutigkeiten und Un-
bestimmtheiten.

Die Lage im Reich.
Um Havenstein.
Berlin, 28. Aug. Das Reichskabinett hat sich
In seiner gestrigen Sitzung auf den Standpunkt ge-
stellt, daß eine anderweitige Besetzung des
Reichsbankdirektoriums unbedingt notwen-
d i g sei.
In parlaitnentarischen Kreisen werden als Nach-
folger HavenstetnS in erster Linie der Staatssekretär
Bergmann und die Bankdirettoren Schacht
irnd Wassermann genannt. Man hofft, dte An-
gelegenheit ohne Anhörung deS Reichstags erledige«
zu können.
Berlin, 28. Aug. Mit welchen Mittel« sich
per deutschnationale Herr v. Habenstetg zu Hal-
 
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