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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 121 - Nr. 130 (28. Mai - 8. Juni)
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6- Jahrgang

Heidelberg, Dienstag, den 5. Juni 1923

Nr. 127

kW

Azuzzxreir: Monatlich etnschNeßl.
L?Mlohn Ml 87M.-. Anzeigen.
>>„.^i Die einspalt. Petitzeile oder
^aum (R mm breit) Mk. SW,
an, -"bwärtige Mk. tw. ReName-
»Nieigcn (71 mm breit) Ml. 80», siir
gewärtige Mk.IDW. Bei Wieder-
holungen Nachlatz nach Tarts.

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UW M N TW »Mtz 8^ Z W WDMNKM e«K»s«MKi
»K zW^ W« MM MI MA MM Druck u. Verlag der Nntcrbadischen
W W^W Berlaaranstait E. UI. b. H., Heidel.
'WM M berg. Geschäftsstelle: Schröderstr.M-
d' 8 Wf Tel.: Erpediiion Ä7Z u. Redal.W7S.
!°gk--zei,m slk dl! MtttWr MSMW °n AmisbtMe MKNI, Miklich. sw-el», WWi, NM». MM», r«»e«. MKWm, »Mrs. r-MWiftM». MMN«

Schuldverstrickung.
8r. Heidelberg, 5. Juni.
Wem, der Ausbruch der Krise sich vermutlich auch
Noch kurze Zeit biuzieyt, so deuun doch alle Anzeichen
darauf hin, datz wir bald bei ,.ner Situat'ou .-ll.je-
iang,, sind, die halbwegs einsichtige Beurieiler der
Eveltpolitischen Konstellation bereits zu Beginn des
RuhrkonflMes voraussahen und voraussehen mutz-
ün. Ms die „Volkszeitung" beim Antritt des Ka-
binetts Cuno auf die Gefahr eines solchen Kabinetts
aus die Enwicklung Deuschlands aufmerksam machte,
iviirde sie von der bürgerlichen Presse der verschie-
densten Schattierung aufs Schärfste angegriffen.
Nicht minder wurde es ihr übel genommen, als sie
an die Unterlassungssünden des Kabinetts Cuno um
b>e Zeit der Londoner Konferenz bis zum offenen
Ausbruch des NuhrkonMtes erinnerte. Ebenso
wurde cs ihr verdacht, als sie es für ihre Pflicht
hielt, Vie notorische Unfähigkeit des Kabinetts Cuno
bei den verschiedenen diplomatischen Gelegenheiten
wr Rnhrsrage festzuftellen.
Diese Situation hat sich in den letzten Wochen
geändert. Die Erkenntnis der furchtbaren außen-
boliiischen Lage, die Schwierigkeiten im Innern, der
Zusammenbruch der Mark, die zunehmende Verelen-
dung weitester Volkskreise lassen immer mehr erken-
nen, daß wir Dank der von rechtsstehender Seite so
lauge gepriesenen Führung des „Kabinetts der Fach-
wärmer" an einer der dunkelsten Stunden deutscher
Geschichte angelangt sind. Auch bürgerliche Kreise
lehen mit Schrecken, wie sehr wir uns dem Abgrund
nähern. Die Wandlung des volksparstikichen Füh-
rers Stresemann, eines der schärfsten Gegner
der Erfüllungspolitik Wirths zum Befürworter einer
Neuen Erfüllungspotitik zeigt, wie weit aus manchem
Saulus ein Paulus geworden ist.
Leider kommt diese Erkenntnis rings um Strese-
>nan» sehr spät, zu spät für die Erfordernisse der
deutschen Politik. Denn hätte die Volkspartei nicht
lohrelang die Ersüllungspoliiik -er Wirth-Naihcnau
Unterminiert und ihr damit die Möglichkeit genom-
men, diese Erfüllungspolitik auch durchzusühren, so
Wären wir nicht dahin gekommen, wo wir heute
liehen. Indem durch die Agitation der Rechtspar-
teien dem Kabinett Wirch der Boden entzogen wür-
be, positiv gestaltend zu wirken, verstanden es die
Atacher der Reaktion durch geschickte parlamentarische
Hulissenmanöver, das Kabinett Cuno vorzubereitcn,
bas dann bei leichten Verbeugungen auch gegen links
wi großen gangen nach den Wünschen der Rechten
Wgierte.
Während Walter Rathen»« als geschickter Diplo-
wa> alles daran setzte, den Franzosen den Vorwand
Wr dir Möglichkeit des Einmarsches Wegzunehmen,
wrierließ es das Kabinett Cuno, diese geschickte Po-
etik weiter zu begehen. Man richtete, ein Angebot
§Wch London, dessen Ablehnung inan voraussah.
ähnlicher Weise ging man bei der Pariser Kon-
s^onz ungeschickt vor. Nirgends die Erkenntnis, daß
Ales daraus ankcun, durch positive Angebote den
Franzosen die EinmarschmöAichleit weszunehmen.
Zwar gibt es in Deutschland sehr viele Kreise, welche
wgen, es war nicht nröglich, den Einmarsch zu ver-
Wndern, denn die Franzosen Hütten diesen immer im
Sinne gchabt. Sicher ist daran soviel richtig, daß
Besetzung des Ruhr gebiet cs innerhalb der Wiun-
tche der Franzosen lag. Ebenso sehr lag aber auch
B. die Losreißung des Rhrinlandes innerhalb
ber Wünsche der Franzosen!. Und das war d t e Auf-
-wbe der deutschen Politik der Nachkriegszeit, diese
wanzdstschcn Wünsche zu durchkreuzen. Die Viewer-
wster-ten Wirth-Rathenau haben die französischen
Wünsche durchkreuzt. Unter den „vaterländi-
'chen" Mannern der Rechten Cuno, Becker, v. Ro-
wlltzrrg ist es dann den Franzosen gelungen, die
T^Mchkciten für den Einmarsch zu schaffen. Die
Geschichte wird dermaleinst ihr Urteil darüber füllen,
mehr dem Wohle des deutschen Vaterlandes ge-
w«t hat: Wirth, Rathenau, Robert Schmidt oder
^wno, v. Rosenberg, Becker?
Kann man jedoch Herrn Cuno noch seine PM-
'sche Unfähigkeit — man wollte, nachdem man lange
^dug Mer das Partesführerregime raisonniert hatte,
W>Nal mit einem Wirtschaftskapitän einen Versuch
wchen (das deutsche Volk muß die Zeche zahlen —
wg>,te halten, so ist den Jndustrieführcrn die„boua
wez-- sauin mehr zuzubilligen. Haben sie schon all
Jahre her durch ihre Steuersabotagc die Er-
tlnugg-polilik ves Reiches erschwert und teilweise
.plündert, so haben sie nun durch ihr Angebot
Maske darüber gelüstet, datz ihnen große Profite
H Herrßchaftsmacht über das Wohl des deutschen
>.? "landcs und die Festigung des deutschen Staa-
äehen. Wenn die stark kapitalistisch interessierte
fische Zeitung" schreiben mutz, datz die
Kem Schreiben des Reichsverbandes der deut-
,;i^ Industrie vertretenen staatsrechlichen Lehren
o„a d»r staatsrechtlich falsch, sondern gsrade in der
ch«nbliMcheir Situarion Deutschlands nahezu ge-
uschadlich sind, so ist damit der „Patrio-
sch ""s" der Industrie genügend charakterisiert. Das
d/. den des Reichsverbandes zeigt Wetter, daß in
Kliw "duftrie zur Zeit der rein schwertndustrielle
Bnh kie Führurrg hat, wodurch die verarbeitende
Ette, die gleich anderen Schichten unter der
La„ Umwertung leidet, tu eine immer schwierigere
gedrängt wird.
der Talsache, datz ein großer Teil der
rbciterschaft abhängig ist vom Gedeihen der

verarbeitenden Industrie, ist es von Interesse, an
Hand eines Kenners der Verhältnisse über das MuS-
einandergehen der Schwerindustrie nnd der verar-
beitenden Industrie bei der Markentwertung nähe-
res zu hören. Georg Bernhard teilt nämlich
mit, daß sür die verarbeitende Industrie Kreditnot
herrscht. Sie Weitz sich zu einem Teil des Ansturms
der durch die Inflation täglich vermehrten Riefcn-
ziffernmassen gar nicht mehr zu erwehren. Bei ihr
ist natürlich auch die Preisübcrwälzung erheblich
schwieriger. Die Unternehmer der Schwerindustrie
sind gerade in dieser Beziehung viel günstiger daratn.
Aber in ganz besonderer Lage sind die paarPer -
sönlichkeiten in Deutschland, für die erst in
zweiter Linie der Ertrag dcr Unternehmungen für
die Vermögensbildung in Frage lommt, die vielmehr
in erster Linie interessiert sind an den großen F i -
n a n z g e w i n n e n, die aus der Konzern- und
KonwinationZvildung stammen. Si-e kaufen mit
Bankschulden dke Sachwerte zusammen. Ihnen
kommt in erster Linie dis Tatsache zugute, datz die
deutschen Aktien — selbst diejenigen, die anscheinend
hoch stehen — noch nicht annähernd auf dem Stand
der Dollarparität angelangt sind. Was für solche
Transaktionen die Milviardeugewinne Ved uten, die
sich ergeben, wenn die Mark sich um 50 v. H. inner-
halb eines Monats entwertet, d. b. wenn ihre

Unser Münchener Korrespondent schreibt uns:
Gerade vor slf Monaten, in der ersten Juliwoche
1922, saß auf der Anklagebank des Volksgerichts
München ein wappengezierter junger Mann, dcr des
Verrats sm Vaterland« beschuldigt war: Leo-
prech 1 ing. Man erinnert sich, daß dieser Prozeß
eine Verschwörung gegen den Bestand des Deut-
schen Reiches wufdeckte, die SNgczettelt und finan-
ziert war vorn offiziellen Vertreter Frankreichs beim
Freistaat Bayern. Die Ergebnisse des Prozesses,
die dem Gesandten Dard eine schwere Bloßstel-
lung bmchten> wichen den Pariser Imperialisten bei
der Verfolgung ihrer Pläne neue Wege. Wohlver-
trant mit den Machenschaften bayerischer Partiru-
lartsten und Separatisten bcMkstmgten sie den Mon-
sieur Richert, einen schon mehrfach cnit politischen
Aufgaben betrauten! höheren Militär, anstelle Dards
die Fäden in Bayern in die Hand zu neh-
men. Richert War nicht etwa ein Neuling auf baye-
rischem Boden; denn es ist nachyewlesen, datz er be-
reits im Dezember 1921 mit hochgestellten Personen
in München Konferenzen hielt nnd der Inspirator
jener Kreise war, deren politische Auffassung schon
im November 1921 vom Vorsitzenden des Bayeri-
schen Ordmingsblocks, dem sattsam bekannten Dr.
Tafel, folgendermaßen gekennzeichnet wurde:
„B aYern muß sich von Berlin unabhän-
gig machen. Bayern ist aber kein selbständiges
Wirtschastsgbiet, es kann sich nicht selbst ernäh-
ren, und vor allein reicht seine eigene Kohleuför-
devung bei weitem nicht aus, den Bedarf von
Gewerbe und Verkehr zn decken. Folglich muß
cs sich an eins Großmacht anschließen, die ihm die
Lieferung der stylenden Existenzmittel gewährlei-
stet. Diese Großmacht kann nur Frankreich
sein."
Durch die Leoprechtiüig Aufdeckung erlitt die
Aktivität all dieser Bestrebungen einen leichten
Rückschlag, Richert betätigte sich als Kotzlen-
konmlissar im Ssavgebiet. Erst mit der Ruhr-
besetzung machte man auch einen neuen Vor-
stoß in Bayern. Sein« wohlgepflegten Verbindun-
gen in Bayern siihrten Richert alsbald nach Mün-
chen, wo er itn Mittelpunkt eines sogen, bayerisch-
vaterländischen Konventlkels eine schnelle Reife der
französischen Annextouspläne betrieb. Seine Mün-
chener Verl muten waren: Prof. Fuchs, Kapellmei-
ster Machhaus, Kohlenhändler Munt, Kaufmann
Berger (diese beiden Deutschtböhmcn), Landwirt
Gutermamk, RegievungSbawneister Schäfer. Bei
einer der ersten geheimen Zusammenkünfte führte
Richert,n. a. aus:
„Es beginnt jetzt eine neue Aera in der
europäischen Politik. Frankreich hat jetzt
zweifellos für die nächsten fünfzig Jahre die
stärkste Nolle in Europa. Dagegen kann sich
Bayern Frankreichs Dankbarkeit erwerben, wenn
zur Unterstützung der französischen Ruhropera-
tion jetzt eine Aktion in München geschieht. Zu
diesen) Zweck ist ein Staatsstreich in Bayern her-
beizuführen, vor allem, um die deutsch« Abwehr-
front an der Ruhr zu verwirren und zu zerbre-
chen."
Mn die Person Richerts und wohl auch mehr
oder weniger um seine Aufgabe in Bayern wußten
aber noch eine Reihe anderer Persönlichkeiten, die
zum Teil die Aufdeckung dieser Verschwörung, die
der jetzige Prozeß klären soll, veranlaßt haben. Zu
diesen gehören in erster Linie der Major a. D.
Mayr, Kapitänlentnant a. D. Kontier von der Or-
ganisation C, dann der bekannte Hakenkreuzler
Privatdozent Dr. Arnold Rüge, der Ordnungsblöck-
ler Hofrat Pixis, die beiden Kahrsreunde Dani-
tätsrat Dr. Piftiuger und der ehemalige Polizeiprä-
sident Böhner, ferner Frist, von Cramer-Klett nnd
-er Bezirksobcramtmami Frhr. v. Soden, Velde aus

Schulden um die Hälfte weniger wer-
den, wenn sie mit diesen Schulden Sachgüter unter
dem wirklichen Wert zusammengekauft haben, mid
welch hohe Rentabilitäten selbst bet cintvetender
schlechter Konjunktur noch übrig bleiben, bedarf
wohl kaum einer besonderen Erläuterung.
Während so Regierung und Industrie bei ge-
treuer Gefolgschaft der Landwirtschaft alles tun, um
die Krise noch weiter zu treiben, bemühen sich die
Organe der Arbeiterbewegung, einen Damm gegen
das Unheil, das uns droht, aufzurichten. Das
Schreiben der Gew erkschaften an die Reichs-
regierung zeigt, wie die „Franks. Ztg." anerkennend
würdigend schreiben muß, daß hier zum Ausdruck
kommt: der Wille Mr Gesamtheit, das ist zum Staat,
der nicht zur Domäne einzelner Wirtschaftsgruppen
herabg-ewürdigt werden darf, sondern Volkssachc
sein und bleiben soll. Den Gewerkschaften zur Seite
wiederum bemüht sich die Sozialdemokratie,
das dem deutschen Staate sehr drohende Zer-
schellen zu verhindern. Es bedarf jedoch allerAn
strengungen nnd aller Kraft von Partei
und Gewerkschaften, um die Dinge einigermaßen-ein-
zurenken. Die Zeit eilt, die hungernden Volks-
massen haben kein« Lust, sich zum Spielzeug gewinn-
süchtiger Grotzkapltalisten und unfähiger Staats-
nrämner zu wachem

der nächsten Umgebung des früheren Kronprinzen
Rupprecht, und schließlich auch der Minister des In-
nern, Schweyer sowie der damalige Polizeipräsident
Nortz, die über die Tage von Richerts letztem Auf-
enthalt in München (Ende Februar) genau infor-
miert waren. Am 20. Februar abends fand die
letzte Verfchwöruttgssitzung in Gegenwart Richerts
statt, die „unter vorheriger Benachrichtigung und
Billigung ihres vaterländischer, Zweckes durch die
zuständigen Höchsten Amtssüllen" abgehalten wurde.
Eine Verhaftung des Richert, die, wie es heißt, „aus
innstipolitischen Gründen" hinausMchoben wurde,
scheiterte an der rechtzeitig gelungenen Flucht des
Franzosen.
Das ist die Materie des Hochverratsprozesscs,
der am 4. Juni vor den) Volksgericht in München
beginnt, und das sind die Personen, die nach einst-
weiliger Kenntnis entweder zu den Verschwörern
zählen, oder doch von den Umtrieben des Richert,
Fuchs, Machhaus und Gen. gewußt haben. Sie
und zweifellos noch manch andere hochgestellte Per-
sönlichkeit wird man also entweder als Angeklagte
oder als Zeugen dieser Tage vor den Schranken des
Gerichts sehen, wenn eine restlose Aufdeckung aller
offenbar seit Jahren gepflegten politischen Bezie-
hungen des Richert zu bayerischen Kreisen erfolgen
soll
*
München, 4. Juni. Heust begann vor dem
Volksge richt der Hochverratsprozeß gegen
Fuchs, Machhaus und Gen., der ein intcvessansts
Bild über das vastvlandsberräterischc Treiben ge-
wisser Kreist der angeblich nationalen bayerischen
Hauptstadt gibt.
Die Anklageschrift wirft den Beschuldigten
vor, die Abspaltung Bayerns vom Reich
betrieben zu haben. Bayern sollte gegen den Nor-
den militärisch abgesperrt werden, und zwar unter
wohlwollender Neutralität Frankreichs und der
Tschechoslowakei. Mit Frankreich verhandelten
Machhaus und Fuchs, die mit dem französischen
Generalstabsoffizier und politischen Berater des
Generals Degoutte, Oberst Richert, Be-
sprechungen führten, die die Billigung der fran-
zösischen Regierung gehabt haben sollen, die auch
für die Fiitanzieruug 70 Millionen Mark zur
Verfügung gestellt habe.
Ein anderer Angeklagter habe die Verhandlungen
mit der Tschechoslowakei geführt. Die Ak-
tion sollte sofort nach Abschluß der Besprechungen
amt IS. Februar ds. IS. losgehen. Der Plan
war sehr eingehend ausgearbeitet. Es sollte ein
R e g e n t scha s t s rat mit diktatorischer Gewalt
eingesetzt werden und populäre Männer, wie der
frühere Ministerpräsident Kahr und der frühere
Polizeipräsident Pöhner, sollten zur Uebernahme
von Aeintern genötigt werden. Mich die Allge-
meine Wehrpflicht sollte wieder eingefüyrt
werden. Die Angeklagten hatten zur Durchführung
ihrer Aktion mit allen möglichen Gruppen und Pcr-
sönlichkeistn Fühlung genommen; sie standen in
Verbindung mit dem Führer der Nationalsozialisten,
Hitler, und überhaupt mit den nationalsozialisti-
schen Kampsverbänden, besonders mit dem national-
akttven Blüchcrbund, und sie hatten sogar versucht,
an den Kronprinzen Rupprecht heranzukontmen.
Nach Verlesung der Anklageschrift beantragt der
Verteidiger des Fuchs, Rechtsanwalt Graf Pesta-
lozzi, daß sich das Volksgericht für unzuständig erklä-
ren solle, da die Sache vor den Staatsgerichtshof ge-
höre. Der Staatsanwalt beantragt die Ableh-
nung des Antrags, worauf sich das Gericht zur Be-
schlußfassung zurttckzog. Schließlich wurde der An-
trag des Verteidigers abgelehnt und das Gericht
trat mit der Vernehmung des Angeklagten Auchs in
die Verhandlung selbst ein.

NMmrMKMms und HschVerrst^
Zum Hochverratsprozeß Fuchs, Machhaus und Genossen.

Der Angeklagte Fuchs erklärt, daß der ehema-
lige Kronprinz Rupprecht sich ablehnend verhalten
habe. Auch mit General Möhl stand Fuchs in
Verbindung, die aber durch d'e Versetzung Möhls
unterbrochen wurden; aber auch d«c Nachsorgen
Möhls, General von Lossow, also derheutige
Kommandant der bayerischen Reichswehr, habe nach
anfänglicher Ablehnung später mit den bayerischen
Verbänden Füh lung genommen. Fuchs sucht jetzt
die Aktion so darzustellen, als ob es sich nur um di«
Abwehr des drohenden B o l s cy e w i s m u s gehan-
delt habe.

Reichsfeindliches Treiben.
Aus München wird uns geschrieben:
Die Franzosen warten nur ans Gelegenheiten,
Deutschland immer wieder die Faust zu zeigen. Daß
hnen solche nicht fehlen, dafür sorgen die National-
sozialisten. Das in diese Bewegung gesteckte fran-
zösische Geld trägt gute Zinsen. Ms Beweis dafür
)ient folgende Zuschrift der „Münchener Post" ans
Tirol, wonach sich in Bayern verschiedene Organi-
sationen zn einer Kampfgemeinschaft nationaler
Verbände zusammengcschwssen haben. Führer stier«
Ludendorff und Hiller. Die StaaMeitnng
habe ein Generalleutnant von Tntschek, dis
Stammrollen aller wehrfähigen Männer seiest
vorhandcns. Die Daten hierzu werden von diversest
Staatsangestellten geliefert. Die national
akiven Verbände wollen in Deutschland 50 Regimen^
er mit je 10 000 Mann cmfstellcn, von denen 18 ist
Preußen, 4 in Bayern, 7 in Sachs-eu und Oberschlc»
sicn, je 5 in Baden und Württemberg, 3 in Po iw
mcrn, 3 in Thüringen, 5 in den Nordsceprovinzest
sich bilden sollen. Nr. 1 in München sei komplett.
Waffen nnd.Ansrüstungsgcgenstände stünden genü-
gend zur Verfügung. An der Spitze dieser Regi-
menter stehen ehemalige Offiziere, die zu den maß-
gebenden Faktoren der Reichswehr gute Bezie-
hungen hätten. Auch einige Batterien Feldgeschütze'
seien vorhanden. Durch Mitglieder der Deutsch-
natidnalen Partei habe man Fühlungnahme mit der
Reichsregiernng. Gegen 200 000 Mann seien vor-
bereitet.
Im Zusammenhang damit ist folgende Notiz der
bürgerlichen Presse interessant:
Bund „Bayern und Reich". Am letzte» Sonntag
fand in Lichtenfels ein Generalappell des Bundes
„Bayern und Reich" sür den Kreis Oberfranken
statt, der sich zu einer mächtigen Feier gestaltest. Zu
der Feier waren auch führende Persönlichkeiten der
vaterlÄnWschen Bewegung Münchens erschienen,
darunter Regierungspräsident Dr. von Kahr, Sani-
tätsrat Pitttnger und General von Putschet.
Die Franzosen werden sich darüber freuen, wie
ihnen so die Nationalsozialisten unter Assistenz amt-
licher Kreise immer neue Gelegenheit geben, Deutsch-
land zu drangsalieren.
Vom Ordnungsftaat.
Nürnberg,^ Juni. Bei einer sozialdemokra-
tischen Versammlung zu Feucht fiel während des
Schlußwortes des Referenten Vogel ein Schuß
von außen in das Versammlungslokal. Die
Landespolizisten zogen ihre Stahlhelme fest und ga-
ben eine regelrechte Salvein den Saal hin-
ein. Die Leute krochen unter Tische und Stühle.
Doch die Landespolizei gab eine zweite Salve ab
und schoß diesmal auch unter die Tische. Resultat:
Ein Arbeiter tot, einer durch einen Kopf-
schuß und vier oder fünf Bauch schüsseso schwer
verletzt, datz an seinem Aufkormncn gezweifelt wird,
und außerdem 12—14 Verwundete. Und nun er-
scholl das Kommando der Landespolizei: „Hände'
hoch!" Bei dsn VersamimlnngSvesuchern wurdest
daun die Personalien ststgestelltz wobei sie von An-
gehörigen der „Reichsflagge" terrorisiert wurden.
Verhaftet wurden — vier Sozialdnnokraten und eist
Kommunist.

Die Lage im Reich.
Die neue deutsche Note.
Berlin, 5. Juni. (Letztes Telegr.) Die „starke"
Regierung Cuno manifestiert täglich ihre Haltlosig-
keit. Nachdem die neue Note bereits fertiggestell
War, unterzog sie sie wieder eitter Abänderung, Weil
die Vorsomdierung in London erkenn» ließ, datz sie
dort nicht günstig aufgenommen würde. Gestern
konferierte sie dann wieder mit den Parteiführern
der verschiedensten Richtungen. Nun scheint endlich
die Note fertiggestellt. Das Werk, das eine Reihe
Väter zu verzeichnen hat — ohne daß wohl einer
von ihnen die Verantwortung für sie tragen mag —
soll «ach dem „Lok.-Mnz." behandeln: die Gesamt-
leistung der deutschen Wirtschaft für eine Reihe von
Jahren, die Frage der Annuitäten und der Zahlun-
gen, wobei die Regierung eine feste Endsumme nen-
nen wird und das internationale Schiedsgericht, das
endgiMig Deutschlands Zahlungsfähigkeit feststelle»
 
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