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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 121 - Nr. 130 (28. Mai - 8. Juni)
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Heidelberg, Freitag, den 1. Juni 1923

6. Jahrgang

Nr. 124

Bezugspreis: Monan «
rragerlohn Mr.S7W.-.
tarife: Die ctnspali. Priit»-:.:- .
deren Raum (88 mm breit» :«t 8 «,
für Auswärtige Mk. 4M.
anzetgen (74 mm breit) Mk. Mt, ff i-
Auswärtige 1000. Bet WicLer-
holungen Nachlaß nach Tarif.

M» slSO O O OG
MMfMWsW WW MW PinischeUksMo Karlsruhe Nr.SL>77
WW WM UW MW MW MjiM WA Tel.-Adr.: Bolksrcitiiua Heidelberg,
M M 22? /W «M M M MvM MM MM
M WAss MUM berg. Geschäftsstelle: Schrbdersn-.M,
Tel.: Erpedition2873 u.Rcdak.LS/».
Lages-Zettmig für dke veMWgeIevZükrMg der Amtsbezirke öeidelberg. WierloS, bisrheim, Eppingen, KerbO, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Norberg. rauberbischoisheim u. Wertheim


Völlig
Dies

des Kmifmanns Cuno das Wohl der Bolksgemein-
schast. Wir müssen endkch zu Verhandlungen
kouttuen, die möglich sein werden, wenn sich Regie-
rwng und Parlament daM entschließen, in dem neuen
deutschen Angebot eine Annäherung an den letzten
englischen Reparaiiousplm» zu suche». Bieten wir
30 Milliarden Gegenwarts-Wert an und werden Ga-
raniiicn geleistet, die der Kraft der deutschen Sach-
wertbrsitzer entsprechen, damr dürste zum mindesten
die Möglichkeit zu einem Kontakt bestehen. Zur
Erreichung dieses Zieles gehört aber zunächst vor

der
»nit

innerer» Feinden der Republik, den Staatsbürgern,
die lieber das Reich zugrunde gehet» lassen als daß
sie Opfer bringen.

Der passive Widerstand muß auch während der
beginnenden Verhandlungen mU der bisherige»»
Energie fortgesetzt werden. Vorzeitiger Abbruch
würde die Unterwerfung unter den französischen
Imperialismus und Militarismus bedeuten. Nach-
dem durch die Selbststtcht des deutschen Kapitals die
Mark tief gestürzt worden ist, muß von der
RetchSregierung und dem Unternehmertum alles
getan we«»en, um sofort die Gehälter, Löhne,
Erwerbslofensittze und Renten den ver
änderten Verhältnissen airzupassen und die Teue-
lungswoge zu hemmen. Zur Bekundung des Er-
füllungswittcns und der wirklichen Erfüllung der
RcpasrationSverpflichtungen sind ganz andere
Leistungen vor deutschen Kapitallistenklasse erforder-
lich, als sie in dem Angebot der deutschen Wirtschaft
zum AuSdruä kamen. Mr verlangen zur Rettung
des Reiches wirkliche Opfer des Kapitals
durch Erfassung der Sachwerte ohne Gegenleistungen
zugunsten des Kapitals. Jede irgendwie geartet«
Antastung der deutschen Souveränität in den be>
drohte,» westlichen Gebieten werden »vir, die Arbei-
terklasse »nit Ausdauer entschiede»» bekämpfen. Wir
werden uns auch mit einer internationalen Gendar-
merie niemals abftudeu. Alle Kräfte für die deutsche
Republik! Aller Widerstand gegen die imperialisti-
sche und nv litaristischc Diktatur!

Hitler-Schrtttma cher.
Aus München wird uns geschrieben:
Die inneren Schwierigkeiten der bayerischen Re-
gierung liegen in ihrs»! Verhältnis zu den Vater-

Kurze Meldungen.
Der auswärtige Ausschuß des Reichstags trat
vorgestern nachmittag unter dem Vorsitz des Reichs-
kanzlers zu einer Sitzung zusammen, an der neben
den Mitgliedern des Reichskabiinetts auch die M i -
nist erpr äsidenten der Länder ieilnahmen.
Die Verltzmdlung war streng vertraulich.
Pbncarö ist vorgestern abend nach Straß-
burg abgereist, um an den Pasteur-Feierlichkeiten
teilzunehmen.
Krupp von Bohlen und Halbach soll einer fran-
zösischen Meldung zufolge »nit den gleichzeitig ver-
urteilten »drei Kruppdirektoren in das französische
Gefängnis in Zweibrücken in der besetzte«
Rheinpfalz gebracht worden sein.

Vom besetzten Gebiet.
Mannheim, 31. Mai. W egen angebli-
cher Sabotageakte in der Pfalz haben die
Frarigasen gestern abentd jeden Verkehr über die
Brücke zwischen Mannheim und Ludwigshafen
auf die Dauer vor» acht Tage»» verboten. Frn Be-
zirk von Ludwigshafen haben sie eine Reihe weite-
rer Verkehrsbcschräukuilgcu crSassen, »vic z. B. das
Verbot zur Benutzung von Automobilen, Fahv-
rädern usw.
H ö chst a. M., 31. Mai. Gestern sind 14 leitende
Peinlichkeiten, Direktoren und Ressortchefs der
Höchster Farbwerke von den Franzosen ausge-
wiesen worden. Infolge dieser Ausweisung sind
die Farbwerke in eine sehr schmierige Lage geraten.
Die Fortführung des Betriebs ist in Frage gestellt.
Roxheim, 31. Mai. 11 Personen aus Rox-
heim, die in der Nacht vom 30. Mai Ware»» aus
der Pfalz in das rechtsrheinische Gebiet mit Käh-
nen Mer den Rhein bringen wollten, wurde hier-
bei von einer franizösifchen Patrouille überrascht.
Da der Transport von Waren aus den» besetzte»»
in das unbssetzte Gebiet ohne vorherige Zahlung
einer lOProzentigen Wertabgabe verboten ist, ergrif-
fen die Leute die Flucht, worauf die französische Pa-
trouille sofort das Feuer auf sie eröffnete. Zwei
Personen wurden durch Schüsse schwer verletzt.
Eine Person erhielt 5 Schüsse in Brust und Unter-
lew. Der Verletzte ist seinen Verwundungen er-
legen.
Berli n, 31. Mai. Wie die Tclegraphen-Union
einer amtlichen Aufstellung entnimmt, sind seit dem
Einfall der Franzose»» in das Ruhrgebiet von den
Bcsatzuugstvuppen insges. 127 386 750 000 Mk. öffent-
liche Gelder beschlagnahmt und gewaltsam fortgc-
führt worden.

„Nicht glücklich".
B e rl»n, 31. Mai. Selbst der „H anfabun d"
ist genötigt, die angeblichen Mitarbeitsvorschläge zu
kritisieren. Wenn er sie mich als „gute Grundlage"
bezeichnet, so muß er doch einschränkend erklären»,
daß die Verhandlungen über wichtige Fragen nicht
z u e incr M achifrage der Wirtschaft gegenüber
dein Staat werden dürfen. Der Hansabuud schließt
fein Rundschreiben, das die Form des Industrie-
angebots als nichtglücklich bezeichnet, mit einer
dringenden Aufforderung an seine Unterverbände,
in der jetzigen schwere»» Notlage jede Polemik zurück-
zustellen.

ländischen Verbänden und zu den Kainpfveübänden,
die heute zwar in gewissen Gegensätzen zueinander
stehen, in sogenannten Ernstfällen sich aber zwei-
fellos aufs beste ergänze»» würden. Ueber diese
Verbände ist bekanntlich die Regierung Lerchenfeld
gcstürgt, nud trotz der Rechtsschwenkung der Regie-
rung Knilling entspricht auch sie noch keineswegs
den Wünschen dieser Verbände. Da der Minister
des Innern, Schweyer, di« Staatsautoriiät ge-
gen diese Rechtsultras nach Möglichkeit aufrccht-
zuell halten hat, ist es natürlich seine Person, gegen
die sich die Abneigung der vaterländischen Aktivistei»
ji» erster Linie wendet. Es ist darum nur ein« Frage
der »»eiteren Kräfteentwicklung und damit eine
Frage der Z«it, wann die Regierung Knilling oder
zum mindesten ihr Mitglied Schweyer — und das
ist bas »vachvscheinlichere — einem» „geeigneteren"
Nachfolger Platz machen mutz. Won diesen» Nach-
folger Mrd honte schon geredet. Es ist dies der
Einzige Abgeordnete des bayerischen Landtages, der
schon vor Jahresfrist bei Versammlungen unter
srei'AN Himmel den demagogischen Sprüchen eine»
Hitler öffentlichen Beifall zollte, wenn er es an-
dererseits nicht versäumte, auch im „parlamentari-
schen Sümpf" recht kräftig mitzuschwiimnen, soweit
ihm seine Fraktion die Massen freigab.
Dieser Herr hat seit seinen unvergeßliche«
Malzscksiebungs- und anderen Fliirktiunen im Mün-
chener! Generalkommando UI während des Krieges
scho.n einen ziemlich dickleibigen politischen Personal-
akt. Erst jüngst Kal»» ein neues Blatt hinzu, und
zwar ans einer Schrift, in der der literarische Hof-
lakei der Wittelslbacher, der Herr Hofrat Achleit-
ner, mehreren revolutionäre»» bayerischen Royalisten
byzÄntifche Kränge goMmden hat. Zu diesen Herr-
schaftei» gehört vor allem auch der „schneidige Be-
zirksdmtmann von Dachau" seligen Angedenkens,
Herr Dr. Roth, von dem in der erwähnten
Schrift u. a. erzählt wird, wie er dem fliehenden
König Ludwig III bis an die öfterveichifche Grenze
folgte und beim Hinüberschaffe»» der königlichen
Habseligkeiten, den wenigen Kleidern und dem bissel
Wäsche, bchilslich war. Bor allem aber damr, wie
er im nahen Kufstein im Hotel Egger das Haupt-
quartier aufschlug mild dasselbe auf ein törichtes
Weibergersde hin in einer stürmischen November-
nacht in schweren Verteidigungszustand versetzte:
Karmbine» und Munition wurden Herbetgeschleppt,
Ma!ratzen in den Speisesaal gebracht und die Fen-
ster so besetzt, daß der ober« Siadtplatz mit Gewehr-
sauer bestrichen werden konnte. Alles stand zum
DchnelSfcinev bereit . . . derweilen der ahnungslose
König hinter den armierten Manern schlief und sich
weit und breit keiner der Rosenheimer Entlausungs-
gardisten zeigte
Diese königstrsue Betätigung wäre uns an sich
gleich, weit» der nmUliche Herr Dr. Roth nicht bald
danach das- Bedürfnis gefühlt hätte, die „Novcm-
belberbrechcr" — wie er ste heute nennt — auzubet-
töln, damit ste ihm als Staatsbeamte»» das Ueber-
spiiugen der bürokratischen Stufenleiter ermögli-
chen. Dävei entwickelte sich die Anpassung des kö-
ntgslrMen Mannes an die Republik tu sprunghaf-
ter Weife. War es zuerst der Wunsch nach einen»
leitenden Posten bei der Staatsvraucrei Weihen-
step ha»», so steigerte sich dieser schließlich zu dem di-
rekten Be»l5angen nach dem Stuhl eines Regierungs-
präsidenten im Freistaat Bayern. Der damalige
Minister des Innern, Gen. Endres, teilte jedoch
die allzu hohe SelbsteinschätzuM der Fähigkeit des
BezirksanrtnMimes nicht, so datz Herr Dr. Roth es
dann vorzog, von jenen „Errungenschaften" zu pro-
siiieren, die der .Kapp-Putsch in Bayer»» im Gefolge
hätte! Sollte die bayerische „Eigenart" wirklich so
weit gehen, diesen» ehrgeizigen Herrn zum zweiten
Mal ein Ministerportefeuille auszuhättdigen, und
zwar diesmal das noch bedeutsamere des Innern,
so könnte von vornherein niemand einen Zweifel
darüber haben, daß der eigentliche Ministerpräsi-
dent in Bayer»» Adolf Hilter aus Brannan in»
Salzvu»gischen heißt.
Münchener Justiz.
München, 31. Mai. Vor dern Schöffenfuricht
Mmrchen hatte sich aus Anklage dos Oberreichs-
anwalt ein Strident zu- verantworten) der in eine»»»
öffentlichen Lokal damit geprunkt hatte, beim feiner-
zeitigen Empfang des Reichspräsidenten in München
mit der Badehose gewinkt zu haben. Das Gericht
erblickte in dieser Aeutzerung weder eine Roheit, noch
eine BeräckMichiuachuug, was nach der Auffassung
des Reichsgerichts nötig sei, um eine Verurteilung
nach dem Gesetze zum Schutze der Republik auszu-
sprechen. Derngemätz wurde der AugeWagte frei-
gesprochen. _

Die Lags im Reich.
Das Kesseltreiben gegen Severing.
Seitdem der preußische Minister des Innern,
Gen. Severing, gewagt hat, die Deutschvöl -
kische Frei h e i t-s Partei im Einverständnis
»nit dem preußischen StaatslUinisterun» auf.zulös'eu,
führen die DeuischuaiionwLcn eilten wütenden Kampf
gegen ihn. Jeden Tag Wersen sie die Frage auf, wie
lange Severing noch bleibt. Die „Deutsche Tages-
zeitung" schrieb erst iu diesen Tagen unter Bezug-
nahme aus die Ruhnkonflikte, die Dinge seien „sach-
lich wie Persönlich" schon so weit gediehen, „daß auch
die Deutsche Volksparlei Herrn Severing nicht mehr
gut als Minister des Innern ertragen kann". Nach
unserer» Informationen liegen die Dinge doch ein
wenig anders. Erst kürzlich hat sich das preußi-
sche Staatsministerium eingehend mit den Maßnah-
men des preußischen Ministers des Innern im Ruht
gebiet befaßt und den Eindruck gewonnen-, daß der
Minister das Menschenmögliche getan UM
darüber hinaus nichts unternehmen konnte. Wenn
trotzdem die Deutschnationaken eine große Anfrage
über die Konflikte im Ruhrgebiet eingebracht haben,
daun beweisen sie damit erneut ihren Mangel an
Verantwortuitgsgefühl. Sie dürften wissen, daß im
Ruhrgebiet Maßnahmen ergriffen wurden, die,
wenn sie den Franzosen bekannt wären, in ähnlichen
Fällen künftighin unterbunden werden würden. Das
liefe dann darauf hinaus, die Bevölkerung
Wehrlos dem Verbrechertum preiszngeben.
schert jedoch die Deutschna-tionalen nicht.

Wen die MWMM.
Ablehnung durch die Sozial-
demokratie.
Berlin, 31. Mai. Der sozialdemokra-
tische Frankiionsvorftand befaßte sich weiter mit
dem verössenilichten Angebot der deutschen Indu-
strie. Er nahm Kenntnis, daß die Wirtschaftskrise
endlich für eine endgültige Lösung der Reparations-
srage grundsätzlich bestimmte Leistungen anbieten
und eine Haftung der Sachwerte dafür erforderlich
halten. Der Vorstand lehnt es aber auf das ent-
schiedenste ab, die selbstverständliche Erfül-
lung der Staatsbürgerpflichten von irgendwelchen
Voraussetzuugei» oder Bedingungen abhängig zu
machen. Darüber und Wer die Höhe der Jnan-
spnuhnahMe der Wirtschaft hat die Gesetzge-
bung zu entscheiden. Der Fraktionsvor-stand weist
insbesondere die Proklaoierung des reinen Mmr-
chestertuans durch die Industrie zurück und wendet
sich ebenso gegen den Vorstoß der Industrie zwecks
Abbau der sozialpolitischen Errungenschaften
Arbeiterklasse. Er weis; sich in diesem Punkte
den Gewerkschaften vollkommen einer Meinung.

„Erpresserisch".
N-e wyork, 30. Mai. Das Angebot Der deut-
schen Industriellen wird hier ungünstig beurteilt.
„Evening Post" sagt, es sei Weder patriotisch, noch
geschäftsmäßig, eher erpresserisch.
Eine Entschließung der freien
Gewerkschaften.
Essen, 1. Juni. (Letztes Telegr.) Ein Kon-
ferenz von Führern der freien Gewerkschaften und
Beztrksleitungen nahm nach Vorträgen des Berg-
arbeiterführers Martmütter und des Reichstagsab-
gemdneten Sottmann folgende Entschließung et«
stimmig an:

Gegen die Privatisierung
der Eisenbahnen.
B « rlil», 31. Mai. Der erweiterte Vorstand der
Reichsgewerkschast deutscher Eisen-
bahn b e a m 1 e r» hat folgende Entschließu-itgien ge-
faßt: 1. Der erweilcrte Vorstand der Reichsgewerk-
schäft entnimmt aus einem Schreiben des Präsi-
diums des Rcichsvcrbandes der deutschen Industrie
ai» den Reichskanzler von» 25. Mti, daß als P fa n d-
objekt für die Sicherungen der Reparationszah-
lungen die Reichs- und Staatsbetriebe »rach privat-
wirischaMchen Grundsätze»» regcniert, d. h. daß aus
die Privatisierung der Staats« iscu-
b ah neu hiugewirkl werden soll. Er ist Willens,
einem solchen Vorhaben mit alle»» Mitteln und unier
Aufbietung aller gewerkschaftliche»» Kräfte zu be-
gegnen. Er wird auch eine Ze/rreitzung des
deutschen Reichseifenbahnnetzes niemals zu-
lassen. Anderseits ist er bereit, an der Hebung
der Wirtschaftlichkeit der Reichseisenbahn »nit zu-
arbeiten, soweit dadurch nicht die Wohlerworbc-
nen Rocht« der ReichseisenSahnerWast gefährde!
werden.
2. Der erweiterte Vorstand der Reichsqewcrlschaft
stellt die heldenhafie Haltung der EisenbahUbeamteu
im RuWgeviei fest. Er sprich» die Erwartung aus,
daß die Negierung alles tut, um die Fürforgemaß-
nahmeu für diese Bedrängten auszubauen und alles
unterläßt, was geeignet ist, durch innere Maß-
nahmen die Lage der Eisenbahner noch weiter zu
erschweren.
3. Der erweiterte Vorstand der Reichsgewerkschaft
lehni nach wie vor die Entlassung von Beamten,
Hilfsbeainien und Diätaren trotz der bereits gefaßten
Anträge des Reichstags ab.

gebot" der Industrie an die Reichsregicrung und
lehnte es auf das entschiedenste ab, die selbstver-
ständliche Erfüllung der staatsbürgerlichen Pflichten
voa, irgendwelche»» Voraussetzungen oder Bedingun-
gen abhängig machen zu lassen. Sowohl über die
Notiveudigkciten des Augenblicks, als auch über die
Bewertung deS Angebots der beuifchen Industrie
stimmen Reichsiagsfraktibn und A.D.G.B. vollkom-
men überein. Schon am Donnerstag dürften unsere
Gewerkschaften durch eine schriftlich formulierte
Stellungnah »ne diese Uebereinstimnmng zum Aus-
druck bringen. Sir denken nicht daran, einer Kaste
zuliebe den Achtstundentag antasten zu lassen
oder in einem Augenblick Zugeständnisse zu machen,
die auf größere Berdie nftabsichten hinauskaufen, wo
das ganze Volk Opfer brnrgen »nutz, und ste sind
anderseits der Meinung, daß die Mcchöde der In-
dustrie, sich arm zu stellen und das staatliche Ver-
mögen vor dem In- und Auslände zu überschätzen,
einer entschiedenen Klarstellung bedarf.
Erfreulich ist die Entschiedenheit, mit der
unser Fraktionsvorstand die Bedingungen der In-
dustrie ab lehnt. Wir dürfen versichern, das; er
seine Vertreter beauftragt hat, mit -der gleichen Ent-
schiedenheit die Auffassung der Partei gegenüber
der Negierung zu vertreten und datz die Persönlich-
keiten des FrakiionSvorstandes, die die Berhand-
luugen Wit Herrn Cuno Wer bei» Inhalt der neuen
deutfchen Note führen werden, bisher nichts an
Entschlossenheit fehlen Keßen und weiter fehlen las-
ser» werden. Für die Haltung der Sozialdemokrati-
schen Partei sind in erster Linie die innen- und
außeMolitflchen Verhältnisse nmßgebend. Die Zu-
stände im Ruhrgebiet wirken sich langsam zum
Chaos aus. Kein Opfer erscheint uns deshalb
M grob, um dieses LhaoS zu verhindern und gleich-
zeitig das Ruhrgebiet vom der fremden Besatzung
so schnell als möglich wieder frei zu machen.
Leider besteht dieser Wille, durch Opfer zur Freiheit
zu gelangen, nicht in allen Schichten der Bevölke-
rung, und auch die Regierung versagt cs sich, »nit
der notwendigen Eile und Tatkraft die Zeit ver-
kürzen zu helfen, die deutsche Arbeiter in» Ruhr-
gebiet noch unter Bajonetten verbringen sollen. Eine
Rückfrage jagt die andere, eine Verhandlung folgt
der anderen. So geht endlose Zeit verlö-
t' e n, die zi» Besserein ausgenützt werden lönnte.
Unter diese»» Umständen ist zu viel Ent-
schlossenheit besser als zu wenig. Das gilt
hauptsächlich in bezug auf die Behandlung des An-
gebots der Industrie und auf die Garanlie-
teistungen der Landwirtschaft. Genau wie
der industrielle Reichsverbaud, knüpfen auch die
Agrarier an die notwendigen Opfer Bedingungen
innen- und außcnpMtiscber Art und betonen »nit
besonderem Nachdruck, daß sie nur Opfer bringen,
tve-nn ihre Bedingungen Anerkennung finden und
erfüllt werden. Die Behauptung, daß die Land-
svirtschaft bereit sei, ebenfalls 200 Millionen Gold-
Wark zur Erledigung der ReparationSlasten jährlich
zur Verfügung zu stellen, wird bestriiion. Die Land-
svinjchaft scheint noch nicht einmal bereit,
diese Summe auszubringen, vielmehr erwartet sie,
das; ihr ii» bezug auf die Verteilung der Lasten
Unter Industrie, Handel und Banken ein Vorzug
-sukcil wird, das; sie von allen den geringsten
A >» teil zu zahlen hat. So suchen die finanzkräf-
tigen Kreise sich gegenseitig die Lasten auszubürden,
bud es dürfte »ms nicht Wundern, wem» sich in den
Ochsten Tagen in dieser Hinsicht ein öffentlicher
streit entwickelt. Dafür haben unsere Sachwert-
Hsitzer kein Verständnis, daß die Zeit drängt und
?fue Rote abgeschickt Werden muß, die einwandfrei
dber diese Garantieleisttrugei» der deutschen Wirt-
'">aft Aufklärung schafft.
. Hier kam» nur entschlossenes Vorgehen, ges -etz -
'cher Zwang helfen. Zwar denkt Herr Cuno
Tage kieber dreimal an seine,» Rücktritt, den er
ej jeder Gelegenheit androht, als einmal an die
"tweudige Talkraft zum Entschluß. Er handelt
in hem Bewußtsein, das; niemand Nci-
. " u g zeigt, seine Erbschaft anzutreten. Dennoch
«üben wir, datz durch Entschlossenheit der Mehr-
et des Parlaments — hierzu braucht man die
^Utschnationalen »richt — auch dem gegenwärtigen
. ^chskanzler klar gemacht werden kann, daß ein kom-
?"es deutsches Angebot schnell ab geschickt
h rden muß. Soweit Wir unterrichtet sind, ist die
h. ^tische ArbeitsgenreiuWaft »nit der Sozialdemo-
d 'E einer Meinung darüber, daß es möglich ist, in
b " neuen Angebot einen Gegenwariswert
y v zg Milliarden Goldmark vorzuschla-
!esj,' durch Jahresleistungen, deren Höhe noch
^wetzen ist, abbezahlt werden können. Nie war
, , -uzialDemokratie der Auffassung, daß die Re-
uug die Höhe ihres letzten Angebots nicht !
musgehen kann, wenn sie auch Verständnis dafür i
. daß ^8 dem „ehrbare»» Kaufmann" »»ich: ganz i
mllt. Immerhin aber steht uns über die Ehre '

M KUWW.
Berli,», 31. Mat.
Der BorstaW der So zi aldemo krati s ch en
Reichstagsfraktion hat sich am Mittwoch
in einer mehrstündigen Sitzung Mit der gegenwär-
tigen poetischen Lage befaßt und die Schritte be-
sprochen, de im Augenblick im Interesse der Reichs-
einheit und des Volkes notwendig sind. Gleich- .. _
»eilig beschäftigte er sich mit dem sogenannten „An- allem K r a ftz um Ent"schlutz gegenüber den
 
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