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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 161 - Nr. 170 (14. Juli - 25. Juli)
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5« Jahrgang

Heidelberg, Dienstag, den 24. Juli 1923

Nr. 16g

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ci>>>4I!,»I^ WW E^s W^N Gesck>äitsftundk>l8—SUHr. Sprech.
Ml ,tvoo.—. si„>k,gkn. WD stunden der Redaktion: U—ILUHr.
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s,l"" Nl>nm iik mm breit'Mk !7^, MM WW ^DsM M3« WA WW MM MM T«l.-Adr.: Volkszeitung Hetdetber«.
a», "^"^uge Ml.Reklame- M^ WM. «W WW^ DW^ Z^N. ßWN 8^«A, WWix K8sN Druck u. Verlag der Unterbadtsche»
^ietgen^, ^^d^t^Mk.t^sur M VMM MW WWKV W» WM WM ZM» UWkLWH Verlagsanstalt G. M.H.H.. Heidel.
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»vlungcn Nachlaß nach Tarif. Mr U HM Tel.; Expedition S87S u. Redak.SS7«.
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Schuld und Schulden.

Von Robert Schmidt, Reichswirtschasts-
mtnister a. D.

Wohin soll das führen? So fragt mit
^ngem Gefühl jeder, der den Kurszettel und unsere
Finanzlage betrachtet. Wäre die Lache nicht so
heraus trairrig für unser Volk, dann könnten wir
^e Entwicklung der Dinge mit einer gewissen Scha-
denfreude betrachten. Auch der Fehler des Kabinetts
?Arth war, daß es ost die notwendige Initiative
iehlen ließ, gegen kapitalistische Inter-
öle „kreise Finanz- und Währungsreform zu
betreiben. Als 1921 im Frühjahr zur Lösung der
^evaraiionssrage von der Partei die Erfassung
"er Sachwerte gefordert wurde, wäre es viel-
echt «och Zeit gewesen, den schweren Konflikt im
^ulugebiet zu vermeiden, den wir kommen sahen,
"en aber Herr Stinnes zur jener Zeit noch
ichs für das größte Uebel hielt. Damals wagten
einige Blätter schüchtern unserer Forderung zu-
^stimmen; die Not hat mittlerweile die Erkenntnis
^ifen lassen. Aber das Lehrgeld ist sehr hart, das
d'ir zahlen.

Aehnlich geht es uns in der Währungs-
lage. Die sozialdemokratische Partei übersteht
'i'cht den zerstörenden Einfluß des französischen
zergehens, unter dem die Mark zusammcngebrochen
Aber Industrie, Handel und Land-
wirtschaft haben im Lande eifrig nachgehol-
"" und die Regierung hat sich nicht zur Wehr ge-
'vt. als es noch Zeit war. Mit dem Sinken der
^>ark begann die Flucht ans der Mark in einem
steigenden Tempo. Ausländische Noten und
Avisen wurden nicht allein aufgekaust, um die
^anz gewaltige Wareneinkäuse im Ausland
begleichen — ein sonst normaler Vorgang —,
»dcrn es drängte das Anlage- und Sparkapital,
weit es nicht in der Anlage von Warenbeständen
- lvuiiden war, in die fremde hochvalutarische Wäh-
' wg. Die Gewerbetreibenden erklären, wir müssen
k <.W gegen den Verfall unseres beweglichen Kapitals
' °'- rn, eine andere Anlage und Sicherung gibt es
'Der Einwand ist berechtigt und wird zur all-
n netnen Uebung in Zeiten eines so enorm schnellen
""'alls der Mark.

hiergegen gab e« nm zwei Mittel: Heraus-
.wertbeständiger Anleihen und
.^"trolle des Devtsenhandels. Mit
-.".Kontrolle des Devtsenhandels fang man an, ob-
m der umgekehrte Weg, erst wertbeständige Pa-
>p,"b" der richtige gewesen wäre. Ader die Etnsichts-
, "gkeit gegen die Herausgabe wertbeständigcr An-
oder Schatzanweisungen ist bei der Neichs-
< t,, '^'d dem Reichsfinanzminister in so holder
ist Kachi beieinander, daß man geradezu entsetzt

Cuno vor dem Bankrott.
« Heidelberg, L4. Juli.
Immer klarer tritt l» den Kennern der deutschen
Wirtschaft die Einsicht zutage, daß die Regierung
Cuno das Reich nicht nur außen- und innenpoli-
tisch, sondern vor allem auch wirtschaftspolitisch
einem Bankerott von ungeheurem Ausmaße ent-
gegengcsührt hat. In diesem Sinne äußert sich die
wirtschaftspolitisch Weitschauende „Franks. Z t g."
wie jolgi über die derzeitige „Reichsregterung der
Fachmivmn":
„Soviel man hört, dürste sich die schwe-
bende Schuld des Reiches bis zum heutigen
Tage auf rund 40 Billionen erhöht haben.
Der tägliche Zuwachs wird von einer Billion nicht
mehr weit entfernt sein. Man kann sich auS-
rechnen, wie rasch unter solchen Verhältnissen
die fünfzig st eodcrhundert st eBillion
erreicht sein und welche Verwilderung in der Wäh-
rung die Folge dieser Entwicklung sein wird,
wenn die Reichsftnanzverwaltung nicht alle An-
strengungen macht, den laufenden Geldbedarf deS
Reiches aus eigenen unmittelbaren Einnahmen
zu bestreiten.
Für den gegenwärtigen Zustand gibt es über-
haupt keine Entschuldigung. Kein Land, auch
nicht das mit der schlechtesten Währung, darf sich
auf die Dauer die Finanzierung seines laufenden
Haushaltes durch die Notenpresse erlauben. Es
war schon ein nicht wieder gutzumachender Fehler,
daß rnan zu Anfang dieses Jahres glaubte, die
Kosten der Ruhr - Abwehr mit der Notenpresse
bestreiten zu können, und jeden ernsthaften Ver-
such, diesen Kampf auf dem Steuerwege zu
finanzieren, von vornherein unterließ. Inzwischen
hat, in allererster Linie unter dem Druck der fabel-
haft anwachsenden Inflation, die deutsche Mark
ihren Wert bis auf ein Siebzig- oder gar ein
Achtzigtausendstel eingebüßt und daran haben alle
Stützungsversuche der Reichsbank nichts ändern
können, weil man eben nicht die Wurzel des
Uebels, das Defizit des Reichshaushalls, zu
kurieren versucht hat."
Ob sich Herr Cuno endlich zu einer vernünftigen
Außen- und Innenpolitik entschließt, ob er endlich
Manus genug ist, den Besitzenden jenes Maß
von Steuern aufzuerlegen, das allein ein Damm
gegen die Papierstutflut ist?

Internationale Lage.
Frankreichs Verschleppurigrversuche
Parts, 23. Juli. Der „Petit Paristen" deutet
die Einleitung eines neuen französischen
V e r s ch l c p p n n g sman ö v ers an. Die Abend-
blätter sind darin deutlicher, wenn sie erklären, die

"a»^ höchste Zeit zur Umkehr; der jetzige Zu-
r ist unerträglich! Wir müssen die Kavital-
" Ki der Mark erhalten und der fremden Wüh-
"Utztehen. Wo bleiben die wertbeständige
d ' "we "der Schatzanweisungen? Es ist nicht wahr,
Dj. Risiko bei fallender Mark unerträglich ist.
>p.?.^wckung mutz in der beweglichen Steuer gesucht
"in, aber selbst wenn daneben die Reichsbank
"blin° Millionen opfert, so wäre cs keilt Grund, sich
"wend zu Verhalten. Nehmen wir an, die Re-
etst Es wäre im März 1923 dazu übergcgangen,
Million wertbeständiger Anleihe in Papiermark
egen. Die Verzinsung zu fünf Prozent er-
^vrr " jährlich 50 Milliarden Paptcrmark bei einem
>b»a urs ^on 20 000 bis 21000 Mark. In Gold
ti^^echuet 10 Millionen Mark. Diese 10 Millio-
bleiben unerschüttert auch bei dem gegen-
ißlq *^n um das Mache erhöhten Kurs des Dol-
sch'E Wir hätten sogar 1922 unsere ganze
kj„o, öende Schuld mit einem lächerlich ge-
riste'E. Risiko in eine wertbeständige Anleihe von
ei,,Million umändern können. Sieht man diese
d q^K>en Borgänge am Geldmarkt nicht oder gehört
Hluj Börsenspiel zu den heiligen Gütern der
die Oder ist der Jntercffcnkrcis derjenigen,
berx^Kn Sturz der Mark ihre Profite Heimbringen,
^"wrn §roß und mächtig, daß sich keine gesunde
m mehr Babu brechen kann?
bh'eE Reichsbank nicht bekannt, daß der De-
' ej,i'Edcl der Banken sich zu 60 Prozent im
derr" Kettenhandel betätigt? Die Bank
^>it tz Este oiuori Posten Devisen an die Bank B
^Men"' inzwischen cingetretcnen Kursgewinn. Der
Sehr au C, von da an D und langt wieder
ei,, Während der Zeit windet sich der Knrs
> Sex y.Schräke in die Höbe. Jeder gewinnt und
ch. mll auf dieses einträgliche Geschäft verzich-
^-Sen Reichsbank wirklich nicht die Mittel,
Ehls Erzugehen? Weshalb unternimmt sic
Tr» ivesftalb gewährt sie für diese und ähn-
Er tz,,""sakttonen noch billige Kredite?
Eh? der ^skurs — gut, aber dann scharfe Kon-
Tch ^vifenablieferung sus dem Export.
a^'bun wedelt die Kräfte mobil gemacht, um jede
kapilallstischen Getriebe zu beseitigen.
in'°k svu,» bekommt die Mark einen weiteren
? Ee» b" Umkehr zur Gesundung wird
Heiken ton« uns nur ein
> in »,. Lugrrlken, E Halbheiten ver-
das Ucbei.

Frist bis zum 3. August, dem Tage, an dem die
englische Regierung wegen der Vertagung des Par-
laments im Besitz der Antwort der alliierten Regie-
rungen sein möchte, sei zu kurz, zumal da der
Wunsch der französischen und der belgischen Regie-
rung, die englischen Schriftstücke gemeinsam zu be-
antworten, einen sehr gründlichen Mei-
nungstausch zwischen Paris und Brüssel er-
fordere.
Sollen wir in den Völkerbund?
Diese Frage beantwortet Gen. Herrn. Müller-
Franken wie folgt:
Aus Gründen der inneren und äußeren Politik
sollte Deutschlands Ausnahme in den Völkerbund
nach einer schleunigst durchgeführlen Vorfühlung
noch vor der Herbsttagung rechtzeitig
beantragt werden. Es scheint ausnahmsweise
diesmal für die deutsche Politik noch nicht zu spät
zu sein. Gewiß ist mit der Ausnahme Deutschlands
der Völkerbund noch nicht weltumspannend. Von
großen Mächten würden die Vereinigten Staaten
von Amerika und auch Rußland noch sehlen. Würde
Deutschland im Völkerbund gleichberechtigt behan-
delt werden, so würde das die Agitation der An-
hänger des Völkerbundes stark sördcrn und Ame-
rika e i n 1 r i t t s r c i f machen. Und selbst die
Russen werden eines Tages einsehen müssen, daß
sie ihre Isolierung nicht gerade vorwärts bringt.
Nachdenkliches.
In seiner Sonntagsrede führte Poincare »-
a. weiter aus:
Man kann in der furchtbaren Organisa-
tion d e r d e u t s ch e n I n d u st r i e einen ernst-
haften Grund zur Beunruhigung und zum Nach-
denken finden. Jeden Tag nimmt sie mehr den
Platz des Staates ein, den sie uMklammert,
beherrscht, vernichtet; sie ist die Herrin der
Presse des Reiches und erteilt der Berliner
Regierung Befehle. Die deutsche Republik
unterwirst sich immer mehr einer neuen, nicht
weniger hochmütigen Kaste wie do» der Funker,
die der Freiheit des Volkes ebenso Ȋstig ent-
gegengesetzt ist.
So sehr wir sonst PoincarLs Hetzereien verur-
teilen — diese Worte über diedentschenJndu-
st r i e ko n z e r n e sollten auch uns zum Nacktdenken
Simsest, .

M NON Ül MM.
Berlin, 23. Juli. Der Amtliche Preußische
Pressedienst teilt mit: Seit der Nacht vom Freitag
zum SamStag herrscht in Breslau vollkommene
Ruhe. Es ist seitdem auch kein Versuch einer
neuen Bewegung unternommen worden. Dir Zahl
der Festgenommenen beträgt 250, die Zahl der Ver-
letzten hat sich aus,43 erhöht, wovon 20 auf jugend-
liche Arbeiter entfallen. Ein antisemitischer Ein-
schlag war nicht festzustellen. Es sind 129 Geschäfte
in Mitleidenschaft gezogen. Ueber die Lebensmittel-
unruhen in Gleiwitz sind Vielfach stark übertrie-
bene Meldungen ausgegeben worden. Es sammel-
ten sich »tngefähr 1500 Personen aus den Straßen an,
die sich jedoch durch das Eingreifen des Polizeipräsi-
denten beruhigen ließen. Einsatz von Schupo war
nicht notwendig.
Sozialdemokratische Forderungen.
Breslau, 23. Juli. Auf einer Konferenz der
mittels chlefischen Sozialdemokratie
»rächte der Vorsitzende, Landtagsabgeordneter Scho-
lich, vor allem die Reichsregierung mit ihrer Wirt-
schafts- und Finanzpolitik für die Unruhen verant-
wortlich, die dte Massen zur Verzweiflung
ireibe. Eine Entschließung verlangt stärkere
Opposition der sozialdemokratischen Retchs-
tagsftaktion gegen dte Cuno-Regterung, um die
Verantwortung der bürgerlichen Parteien für die
gegenwärtige Lage klarzustellcn. Ferner wird dte
Anwendung jedes gesetzlichen, parlamentarischen und

außerparlamentarischen Mittels zur Durchsetzung
von Mindestforderungen verlangt, zu denen u. a
die sofortige Eintragung von Goldhypo-
theken zugunsten des Reiches auf den landiöirt-
schaftltchen Grund und Boden über hundert Morgen
gehört, die zur Sicherheitsleistung für die Repara-
tionsforderungen zu verwenden sind, ferner unver-
äußerliche Beteiligung des Reiches an
alle« Jndustrieunternehmungen.
*
Diese Forderungen werden sicherlich von allen
Parteigenossen im ganzen Reiche gebilligt- Hoffent-
lich werden die entsprechenden Schlüsse gezogen.

Drei Berliner Urteile an einem
Tage!
1. Tatbestand:
Aufforderung zur Ermordung solcher Leut«,
die Geschäfte mit Frankreich machen — angeklagt
ein Rechtsradikaler.
Urteil: 3 000 000 Papiermark.
2. Tatbestand:
Versuch, in Polizeiuniform Schwerverurteilft'
aus dem Gefängnis zu entführen — angeklagt
ein R e ch t s r a d t k a l e r.
Urteil: 1 Monat Gefängnis,
3. Tatbestand:
Angriff auf eine Monarchtsten-VersanrmlunL
Schlägerei, angeklagt Kommunisten und
Obdachlose.
Urteil: 6—12 Monate Gefängnis.

Zer KWWM Hie WWl.
Die „naive" Prinzessin. — Noske über den Kapp-Putsch.

Leipzig, 23. Juli.
Vor dem 1. Senat des Staatsgerichtshofes zum
Schutze der Republik begann der Prozeß gegen die
Prinzessin Margarete zu Hohenlohe-Oeriuge» wegen
Meineides und Beihilfe im Fall Ehrhardt.
Ms Zeugen sind u. a. geladen Oberpräsident
Noske, Netchsgerichtsrat Dr. Metz, General-
leutnant a. D. von Oldershausen, General-
leutnant Bernhard von Hülsen ans Pots-
dam. Als Richter fungieren Senalspräsident Dr.
Schmidt (Vorsitzender), zwei weitere Berufsrich-
ter und als Laienrichter u. a. Reichsminister a. D.
Wtssell. Dte Anklage wird vom Oberreichsan-
walt Dr. Ebermayer und Reichsanwalt Neu-
mann vertreten. Verteidiger sind Rechts-
anwalt Schneelei n-Münchsn und Dr. Krake-
Leipzig.
Die Prinzessin hatte im November letzten Jahres
dein Untersuchungsrichter tn Müitchen erklärt, daß
sie Ehrhardt nur oberflächlich kenne,
daß sie einigemale mit ihm in Gesellschaft zufam-
mcngetroffen fei, weil er sich für sie um eine kauf-
männische Stellung bemühen wollte, daß sic aber
sonst keine Berührung Mit ihm habe. Nach zwei
Tagen Bedenkzeit beschwor sie auch diese Aus-
sage. Dabet wohnte zur selben Zeit
Ehrhardt in ihrem Hause in München-
Pasing. Allerdings nicht als Ehrhardt, sondern als
„H err v. Eschweg e", der damals selbst vom Un-
tersuchungsrichter über Ehrhardts Beteiligung am
Kapp-Putsch vernommen worden. Dabei stellte der
Untersuchungsrichter seine Identität mit Ehrhardt
fest, verhaftete ihn bekanntlich auf der Stelle und
ließ ihn nach Leipzig überführen. Zivei Stunden
nach ihrem Eid, als zwei weitere Zeugen vor dem
Münchener Untersuchungsrichter Ehrhardt entlarvt
hatten, stellte sich die Prinzessin Hohenlohe freiwil-
lig beim Untersuchungsrichter ein und gab jetzt
zu, daß sie Ehrhardt genau kenne und ihn
auchbeherbergt habe. Nunmehr wird die An-
klage auf Meineid behandelt.
Die Vernehmung der Prinzessin v.
Hohenlohe zeigt, daß sie vollständig unter dem
Einfluß Ehrhardts gestanden bat, dem sie blindlings
vertraute.
Die Zeugenvernehmung.
Als erster Zeuge wird der Rechtsanwalt
Schneelein (München) vernommen, der gleich-
zeitig Verteidiger der Prinzessin ist.
Ans dessen Aussagen geht hervor, daß Leutnant
Liedig, als die Prinzessin noch Bedenken hatte,
den Meineid zu leisten, weitere Beeinflussungen in
dieser Richtung vornahm.
Scnatsprästdent Dr. Schmidt erklärt, es sei
ein Skandal, in welch schänd! icherWeise dte
Prinzessin von diesen Männern ins Verderben ge-
führt worden sei.
Als zweiter Zeuge wird der Untersuchungs-
richter. Reichsgerichtsrat Dr. Metz vernommen, der
darlegt, wie naiv die Prinzessin den rechtlichen
Dingen gegenüberstand. Erst wollte sie „als Prin-
zessin" überhaupt reinen Eid leisten; dann aber den
„weltlichen Eid" (Wohl aus „Gewissensgründen",
womit sie zeigte, daß sie doch nicht so naiv war.
Auf die Zwischen? rage des Präsidenten,
wober sie überhaupt wisse, daß es zwei Eidesfor-
>NM gehe, gibt die Minzessin jetz, in der Verhand-

lung zu, daß ihr das Ehrhardt angeraten
habe.
Nachdem der Untersuchungsrichter feftgestellt
batte, daß v. E s ch Wege und Konsul E i ch ni a n n
mit Ehrhardt identisch seien, rief Ehrhardt bet
seiner seinerzeitigen Festnahme: „Prinzessin, das
Spiel ist aus. Die Schufte draußen haben mich ver-
raten!" Die Prinzessin widerrief darauf jedoch
erst uach langen Vorhaltungen des Unter-
suchungsrichters und nach langem Zögern ihre Aus-
sage und Ehrhardt wurde verhaftet.
Dr. Metz stellte schließlich fest, daß Ehrhardt zu
der Prinzessin in einem abs.oluten Autorl-
tätsverhältnis stand.
Unter allgemeiner Spannung wird nach der Mit-
tagspause der frühere Reichswehrmiuister und jetzige
Oberpräsident
Noske
vernommen. Die Freikorps waren nach seiner Schil-
derung ein Notbehelf, um den bedrohten Bestand
des Reiches zn schützen. Verhältnismäßig früh hab«
man schlimme Erfahrungen mit den Freikorvsfüh-
rern gemacht. Eigenmächtigkeiten lagen ja in der
Natu» der Sache. Ein Teil der früheren Offiziere
hatte sich zweifellos aus rein materiellen Erwägun-
gen zur Verfügung gestellt. Am Tage nach Zustim-
mung zum Versailler Vertrag zeigte sich schon, daß
eine Anzahl Offiziere der Meinung war, es genüge
nur Courage, um die Welt zu regieren. Zu den
unangenehm aufsalleirden Offizieren gehörte auch
Ehrhardt. Ich trat ihm entschieden entgegen, trug
ihm aber sein ausschäumendes Wesen nicht nach, da
ich ihn verstehen konnte. Obwoül-die Methode» der
Frcikorpsführer sehr bedenklich erschienen, mußten
Wir überlegen, ob es gefährlicher sei, die Führer
der Marinebrigaden Ebrbardt und Löwenfeld wcg-
zuschicken oder an ihren Stellen zu belassen: denn
es war der Negierung klar, daß die Mannlchaften
dieser Brigaden eine Rasselbande darstellten, die
einer starken Führung bedurften. Außerdem Gifte
man das Heer der Arbeitslosen vermehrt. In Osfi-
zierskreisen glaubte man damals fest, mit cinem
H »schleppen die Auflöftn, des Heeres verhindern
zu können. Auch General Lüttwitz glaubte nicht an
die Notwendigkeit des Abbaues. Wer sich irgend-
wie als Vaterlandsretter fühlte, ia-zie mir damals,
das; ich dranfgehcn und mich
alS Diktator
einsetzen sollte. Derartige Pläne wurden mir von
rechts und von links angetragcn. Auch ein General
kam zu mir und sagte: „Für Sie lassen wir uns in
Fetzen bauen, wenn sie nur Courage haben und sich
an die Spitze stellen!" Nachdem sich dte Herren über-
zeugt hatten, daß ich nicht der Mann für eine Aben-
teurerpolitik sei, ließen sie von mir ab. Beim Kapp-
Putsch kam General Lüttwitz zu mir, um mit mir
die Frage der Diktatur zu besprechen, was ich aber
ablehnte. General MerÄer war ein Gegner der
Lüttwitz-Pläne. Der Einmarsch Ehrhardts in Ber-
lin war eine militärische Meuterei und Hochverrat.
Zeuge General v. Oldershausen erklärt auf
die Frage des Präsidenten, warum er Ehrhardt beim
Kapp.Putsch nicht habe arrestieren lassen, daß nicht
er. sondern General v. Oven sein Vorgesetzter war
und Ebrbardt auch diesem Befehl nicht Folge ge-
leistet hätte.
Nächste Sitzung: Dienstag vormittag
 
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