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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 101 - Nr. 110 (2. Mai - 14. Mai)
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Druck u. Verlag der Nntcrbadischen
Verlagsanstalt iS. in. b. H., Heidel«
berg. Geschäftsstelle: Schröderstr.8-.
Tel.: Expedition 2673 u. Redak.S67S

5. Jahrgang

Heidelberg, Dienstag, den 8. Mai 1923

Nr. 106

Reichsregierung und
Großkapital.
o Berlin, 6. Mai. Man braucht nur die
augenblicklichen Verhältnisse, die kapitalistische Fi-
nanz- und Wirtschaftspolitik des Herrn Becker zu
betrachten, nm zu erkennen, daß diese Regierung der
deutschen Arbeitnehmerschaft das Gegenteil aller
Versprechungen gebracht hat. Kaum übernahm Herr
Cuno die Leitung der Regierungsgeschäfte, als In-
dustrie und Handel ihre längst gehegten Pläne durch-
setzten, die vordem an dem Widerstand der Sozial-
demokratie im Kabinett Wirth scheiterten. In der
Steuergesetzgebung wurde das B an k g e h et m n i s
wieder gesichert, die Finanzämter erteilen jetzt
keine Auskunft mehr über die in ihren Tressorts nie-
dcrgelegten Wertpapiere und Geldbeträge der Kun-
den. Die Folge ist, daß der Steuerzahler bei
der Einschätzung nicht mehr allzu ängstlich das Bank-
üuihaben anzugeben braucht, u. da ferner nicht mehr
der Zwang besteht, Wertpapiere in Verwahrung der
Banken anzngeben, ist auch vier eine der Industrie
und dem Handel längst verhaßte Kontrollc auf-
Sehoben. Die kapitalistische Jnteressenwirlschast
der Regierung erfuhr eine weitere Steigerung durch
die erheblich: Milderung der Tarife für die Vermö-
Senssteuer, ZwangLanleihe, Erbschaftssteuer usw.
Aber die Sachverwalter kapitalistischer Int-ressen
'm Kabinett Euno haben ihren Auftraggebern wav-
tcnd ihrer kurzen Regenisclmft außerdem noch an-
dere Vorteile zugeschanzt. Als es der Regierung
Mehrere Wochen gccang, den Dollar auf 20 009 zu
hallen, heult-n Herr Sttnnes und der ganze Chor
kapitalistischer Geschäftsmacher, wir können nicht
Mehr exportieren, unsere Preis« sind über die der
ausländischen Konkurrenz htnausgegangen. Dieses
Treiben war nicht erfolglos! Bald führte Herr Bek-
kcr, der gegenwärtige Reichswirtschaftsminister. eine
erhebliche Herabsetzung der Ausfuhrabgabe durch,
la, er hob sie teilweise sogar ganz auf. Im März
ist noch eine Aussuhrabgabe im Betrage von »6,8
Milliarden eingegangen. Diese Einnahme Wird sich
ietzt, gering gerechnet, durch die Maßnahmen des
Herrn Becker um mindestens dieHälfte verringern.
Inzwischen ist der Dollar wieder wesentlich gestie-
gen. Das Geschäft macht der Export. Bei einem
Dollarstand von 35 WO erhält er für die Ware in
Dewtermark heute fast das Doppelte von dem,
ivas er vor zwei Wochen noch berechnete. Die Gc-
ivtnne steigen wieder; denn die Produktionskosten
staben keine neue Erhöhung erfahren, Löhne und
Gehälter haben sich nur ganz gering verändert. v:e
Preise für Rohstoffe und Kohlen sind die glei-
chen, wie bei einem Dollarsland von 20 000. Damit
aber außer Handel und Industrie auch die Land-
st'irtschast nicht zu kurz kommt, wird im Herbst die
Getreidewirtschaft aufgehoben. Zwar
beabsichtigt die gegenwärtige Regierung, eine be-
stimmte Menge Brotgetreide zu sichern. Aber trotz
der Neuauflage der Zwangsanteihe, pte zur Ver-
billigung dieses Brotgetreides benutzt werden ioll,
Wird die Tonne des in Reserve gehaltenen Getreides,
"ach dem gegenwärtigen Stand der Mark geschätzt,
>>m mindestens 10 000 Mk. höher im Preise stehn;
als es bei einer Tonne Umlagegetreide der Fall sein
Mürbe. Der Landwirtschaft entsteht dadurch eine
Mehreinnahme, die mit 25 Milliarden eher zu nied-
l'ig als zu hoch geschätzt ist.
So haben alle ihre Gabe von Herrn Cuno crhal-
stn, nur die Arbeitnehmer nicht. Ihr Lohn ist mit
stem Dollar nicht gestiegen, wohl aber diePreisc
'ür alle notwendigen Bedarssmittel. Die Stüt-
zungsaktion der Mark, die »ins den Abbau der
Preise bringen sollte, hat ihr Ende erreicht, daran
Meiden auch die letzten Versicherungen des Reichs-
stüanzmimsters Dr. Hermes nichts ändern.
Di« deutsche Arbeitnehmerschaft kann nach dem
Verlauf der letzten fünf Monate von dieser Regie-
rung, die für spezielle bayerische monarchistische Be-
dürfnisse und für deutschnateonales Empfinden im-
Mer mehr Verständnis hatte als für eine notwendige
Miive Politik, nichts, rein gar nichts zu cr-
Martcn. Wohin die Herren Cuno und Roscn-
mrg uns in polnischer Hinsicht gebracht haben, v-r-
"'M die nächsten Tage zeige». Es dürfte seil der
Devolution wohl kaum eine Regierung gegeben Ha-
den, die in jeder Beziehung so glänzend vcr-
! u g r hat wie das Kabinett Cuno, das „Kabinett der
Verlegenheit". Die ihm beute noch zuteil werdenden
Sympathien verdankt es nicht seiner Energie und
Geisteskraft, sondern der Situation.

Internationale Lage.
Eindruck der Ablehnungrnote.
Berlin, 7. Mai. Die Retchsrcgterung
'M sich noch «ein abschließendes Urteil über die durch
französische Note geschaffene Lage gebildet, zu-
Hy auch Reichskanzler Dr. Cuno noch nicht aus
. Mdenstabt zurückgekehrt ist. Er wirb erst Dlens-
ist ^tch wisder in Berkin einireffen. Der Eindruck
daß auch die Gegenseite eine Fortsetzung der
n,?kufsion nicht verhindern wird.; eine solche also
^Rich ist.

London, 7. Mai. Die ervgilischen Kommentare
zn Pokncares Antwort ignorieren den materiellen
Inhalt völlig; sie beschränken sich lediglich auf das
für London unerfreuliche diplomatische Verhalten
der französischen Regierung. Die führende konser-
vative Presse verschweigt nicht, daß die englische
Regierung peinlich berührt ist. Die Blätter
verstehen nicht, warum Podncare nicht einige Tage
verstreichen lassen konnte, um gemeinsam »u be-
raten, zumal da, wie der „Daily Telegraph" betont,
der Friedensvertrag von Versailles in der Repara-
tionsfrage Frankreich kein Recht zu einer allei-
nigen Entscheidung gibt. Italien teile das
englische Urteil, daß die Note der Regierung Cuno
zwar keine Basis bilde, daß sie jedoch alS
Ausgangspunkt für das Finden einer Basis
verwendbar fei. ,
Das Kabinett befaßte sich heute mit der
deutschen Note. Man erwartet eine gedrängte
Antwort Mts die deutschen Vorschläge, worin diese
zwar als ungenügend bezeichnet werden, die
Türe zur Wiedereröffnung von Verhandlungen
jedoch offen gelassen wird.
Englische Mißstimmung.
Paris, 8. Mat. (Etg. Meldung.) Der Londoner
Korrespondent der „Courier della Sera" meldet sei-
nem Blatte: Es sei kein Geheimnis mehr, daß Lord
Curzon den Botschafter Frankreichs und Belgiens
offen und mit allem Nachdruck die Mißstimmung über
das eigene Vorgehen Frankreichs und Belgiens in
der Beantwortung der deutschen Note ausgedrückt
habe, da dies eine Angelegenheit aller Alliierten und
aller Unterzeichner des Versailler Friedensvertrags
sei. Bei dein Empfang der beiden Botschafter sei es
infolge der Gegensätze zu einer lebhaften Diskussion
gekommen.
Offenburg.
Offenburg, 7. Mai. Vor einigen Tagen
wurde die Besatzung verstärkt durch sine Mascht-
n e n g eweh rab t eiiu ng mit 40 Pferden, die
zu dem in Straßburg stehenden Husarenregiment
gehört.
Ruhr.
E s s em, 7. Mai. Am gestrigen Sonntag wurde
in Welper ein Mädchen von französischen Soldaten
in ihrer Wohnung überfallen und vergewaltigt.
Dortmund, 7. Mat. Bürgermeister Fischer
und Bäumt Ulrich aus Dortmund sind wegen Ver-
übung angeblicher Sabotageakte an der französischen
TelogMphenleitung zu einer Geldstrafe von IW Mil-
lionen Mlark verurteilt worden. Im Falle der
Nichtzahlung soll die Summe aus dom Vermögen
der Stadt beigetvicben werden.
Der Krupp-Prozeß.
Werden, 7. Mai. Heute vormittag wurde die
Zeugenvernehmung fortgesetzt. Es sind noch 17 Zeu-
gen zu vernehmen, zuerst der Privaisekrelär des
Herrn Krupp v. Bohlen und Halbach, Schuppmr. Es
kommt dabei zu einer Auseinandersetzung darüber,
daß Krupp gesagt habe, die Sirenen würden gezogen
werden auf Grund einer Verordnung mit dem
Betriebsrat, während Direktor Hartwig gesagt habe,
in ög kicher Weise würden di« Sirenen gezogen.
Hartwig erklärte, daß er damit habe sagen wollen,
daß er über die Vereinbarung nicht genau Bescheid
wußte. Auf die Frage, ob er bezeigen könne, daß
Herr Krupp sich nicht in die Angelegenheiten der
Direktoren einmische, erklärte der Zeuge, Herr Krupp
habe wiederholt daran erinnert, daß er den Direk-
toren tn ihrer Selbständigkeit nicht vorgreife.
Zeuge Hast, Sekretär von Direktor Oesterletn: AlS
die Sirenen ertönten, ist Oesterlein vom Zeugen dar-
auf aufmerksam gemacht worden. Vorsitzender zu
Oesterletn: War es nötig, daß St« darauf aufmerk-
sam gemacht wurden.
Oesterletn erklärte: Jawohl, das Geräusch war
kaum zubören.
Der Vorsitzende richtete an Hast die Frage, ob
die Arbeiter auf das Sirenefignal die Arbeitsstellen
verlassen mutzten.
Zeuge: Von müssen kann kerne Rede sein.
Der Vorsitzende fragt, ob es den Arbeitern allge-
mein bekannt war, daß das Sirencnfignal die Bedeu-
tung habe, zur Arbeitseinstellung aufzufordern.
Zeuge: Absolut. Er legt dar, daß dieser Zeichen
im Ruhrgebiet Sitte sei.
Zeuge Lokomotivführer Zimmermann wird einem
französischen General gegenübergestellt, der an 1cm
Karsamstag-Kommando teilnahm und der behaupt:t,
es sei eine Lokomotive absichtlich hinter die Auto-
halle geführt worden, um den Dampf durch das
zerbrochene Fenster hereinzulassen. Der Zeuge - e-
streitet die Absichtlichkeit des Vorgehens.
Zeuge Wtgmann, der Photograph von Krupp
hat vor den Vorgängen vor und nach der Schießerei
am Karsamstag Aufnahmen gemacht, die dem
Gericht vorgelegt werden. Zeuge hat die Vorgänge
vom 2. Stockwerk des Kruppschen Feuerwehrgebäu-
des aus beobachtet und gesehen, wie aus dem Tunnel
der Autohalle geschossen worden ist und daß beim
ersten Schub bereits ein Verwundeter stürzte.
Einige Zeugen werden zu der Angelegenheit veS
Abhandekommens eines Motorrades vernommen.
Werden, 8. Mai. (Letztes Telegr.) Aus der
Nachmitlagssitzung ist noch die Vernehmung
Krupps interessant. Krupp wird gefragt »zach den

Richtlinien, die die Firma Krupp von Berlin erhielt
und erklärt, die Firma erhielt keinerlei Nachrichten
und besondere Weisungen von Berlin. Vorsitzender:
„Haben Sie Beziehungen zu der Persönlichkeit, die
die Regierung in Berlin leitet?" Krupp: Gewiß.
Ich habe mich nicht nach Berlin begeben, nm Wei-
sungen zu holen, sondern um meine Ansicht zu
äußern über wirtschaftliche Fragen. „Vorsitzender:
„Wie stimmt dieser Erklärung überein mit Ihrer
Aeußernng vom 1. Mai, daß die Richtlinien von
Berlin gegeben werden. „Krupp: „Ich habe damals
nicht gesagt, daß von Berlin Richtlinien für die Fir-
ma Krupp gegeben würden, sondern für ganz
Deutschland und nicht nur für einzelne Werke.
Werden, 8. Mai. (Telegr.) Als ein Zeuge bei
der Aufzählung der Besucher Krupps auch erzählt,
daß der Chef der Personalabteilung, Klöpfer,
zweimal am Vormittag bei Krupp war, drückt der
Staatsanwalt sein Erstaunen darüber ans, daß diese
Tatsache bisher von Krupp verschwiegen wurde.
Krupp gab dann Auskunft über die Ursache dieser
Besuche und berichtet, das; Klöpfer beauftragt war,
eine Besprechung zwischen Krupp und dem Dele-
gaten des Vatikans, Monsignore Testa, zu vermit
teln. — Am Mittwoch früh erfolgen die Anklagereden
und dte Plaidoyers.

Die Lage im Reich.
Ein kommunistisches Spektakelstück.
-s- Im preußischen Landtag kam es durch das
Verhalten der Kommunisten erneut zn Skandalize-
nen, in deren Verlauf eine Anzahl Kommunisten
gewaltsam auS dem Sitzungssaal entfernt wurden.
B e r l in, 8. Mai. (Privattelegr.) Der 7. Mai
ist nicht nur ein s ch w a r z e r T a g in der Geschichte
des deutschen Parlaments, sondern in ebenso hohem
Maße der deutschen Arbetterbewcgung.
Was sich die Kommunisten an diesem Tage im
Preußischen Landtage erlaubten, war eine
bewußte Provokation. Nicht im schweren Ringen
mit dem Bürgertum um eine Lebensfrage des Prole-
letariats sind 16 Kommunisten durch die Kri
minalpolizei gewaltsam aus dem Parlament entfern:
Worden. Daher ist auch schon der Vergleich mit dein
Ausschluß Leinerts im Jahre 1912 nickt zutreffend.
Weil die Kommunisten nickt mehr wissen, wie sie ver-
hindern sollen, daß der Glarcke ihrer letzten Anhän-
ger an den inneren Parteikämpsen zerschellt, dann»
wollten st« im Preußischen Landtag Ocl in das ver-
löschende Feuer gießen. Ein Spektakelstück
übelster Sorte, das nicht einen Helden aufweist,
wurde aufgeführt, um die Sozialdemokratie zn „ent-
larven". Der Versuch ist mißglückt!
Die «roße Mehrheit der Bevölkerung wird mit
uns der Meinung sein, daß das vom ganzen Volke
gewählte Parlament nicht durch eine Handvoll
Schreier in seiner Arbeit tagelang behindert werd:n
darf. Es würde sich selbst das Urteil sprechen, wenn
eS das zulietze.

X Der württcmbergische Innenminister Gros-,
der dem rechten Flügel des Zentrums angeyörte,
ist im 50. Lebensjahre gestorben.
Entschädigung der Fürstenhäuser. Die sozial-
demskmttschc Fraktion des Reichstags hat den
Entwurf eines Gesetzes über die vermögensrccht-
liche Auseinandersetzung mit den früher regieren-
den Fürstenhäuser emgebracht, dessen einziger Ar-
tikel lauten soll:'
Die Länder werden ermächtigt, die vermö-
gensrcctMche Auseinandersetztmg mit den früher
regierenden Fürstenhäusern, soweit sie noch nicht
stattgesundem hat, durch ein Landesgesetz vorzu-
nehmen. Im Falle der Entoignung erfolgt die
Entschädigung unter Berücksichtigung der vom
Staate zn übernehtmenden Lasten und der Un-
ierhaltsbedürfnisse der ehemals regierenden Fa-
milie, unterliegt oder dem freien Ermessen des
Gesetzgebers unter Ausschluß des Rechtsweges.
Der Antrag zielt ans die Vermeidung der Pro-
zesse ab, die in mehreren Einzelstaaten von den
ehemals regierenden Fürstenhäusern angestrengt
worden sind.

Reichstag.
Berlin, 7. Mai.
Der Reichstag beschäftigte sich zunächst mit dem
Antrag der Dlutschvölktschen Frciheiispartei
daß die Abgeordneten der Dentschvölkischen
Fretheitspartei durch die Maßnahmen der Berliner
Polizei tn ihren Rechten und in der Ausübung ihres
Berufes als Parlamentarier aufs Schwerste be-
elNjtrSchtigt worden seien, und der vom
Reichstag Ab Hilfse dagegen verlangt.. Dieser
Antrag war zuerst mit der deutschimttonalen Inter-
pellation über das Verbot der Dentschvölkischen
Freiheitspa riet verbunden worden, ist nun aber
wieder von ihr getrennt worden, da man di« Be-
sprechung dieser Interpellation zurackgestellt har.
NamenS des Ausschusses beantragt Abg.
Br ad auf (Dem.), die deutschvölktsche Frage zu
verneinen und den Antrag der Abgg. v. Gräfe
und Genossen, die Verfügung des Polizeipräsidenten
aufzuheben, durch diese Beschlußfassung siir erle-
digt zu erklären

Abg. Wust le (Doutschvölk.) bezeichnet da-
Verhalten gegenüber den Deutschvölkischen für un-
erhört.
Mg. Ditimann (Soz.): Es ist eigentüm-
lich, daß gerade die Rechtsparteien eine Er-
örterung der Immunität der Abgeordneten ver-
langen', die sie früher entschieden verhindert haben.
Die Herren tun, als ob cs noch nie eine Aufhebung
einer Parteizentrale gegeben habe. Sie scheinen die
Zett des Herrn v. Köller aus dem Jahr« 1895
nicht zn kennen, der das Zentralbüro der Sozial-
demokratischen Partei auf Grund des Ver-
einSgesetzes einfach schloß, indem er Parteivorstand
und Kontrollkommission' für eineu poMischen Ver-
ein und also ihr Ntiteniattder-tn-Velbindnug-treren
als verboten erklärte. Betroffen wurden von dieser
Maßnahme lauter Rrtchstagsabgeordnete, und die
Konservativen haben dann dieses Vorgehen nicht
nur gut-geheitzsn, sondern haben die Leute auch noch
vor Gericht gestellt, aber erst im Jahre 1897 freige-
sprochen. Und wie W die Polizei unter dem So-
zialistengesetz gegen den Mg. Hassslmann
vorgegangen? Er Wurde in Berlin gewählt, aber
nicht in Berlin zugslassen und iht-n die Verbindung
mit seinen Wählern unmöglich gemacht. Demgegen-
über erfreuen sich die Abgeordneten der Deutschvöl-
kischen Freiheitspartei im Reichstag einer unge-
minderten Bewegungsfreiheit, und es find ihm»
von neun Geschäftszimmern fiinf überlassen wor-
den. Würde die PoKzei bei einer Schließung der
Zentrale der Kommunistischen Partei
auch solche Nachsicht geübt haben? Von Beein-
trächtigungen der persönlichen Freiheit der Abgg.
Wulle und Genossen Ivar keine Rede, und wenn
die .Herren so beschränk! sind, so liegt dis nicht an
der Polizei. Aber ivas sie wollen, das ist, daß sie
die Immunität auf alles ausgedehnt wissen wollen,
was sie tun und lassen. Das ist echt deutschvöl-
lisch.
Abg. Bell (Ztr.) erklärt, daß seine Freunde
dem V Muß des Ausschusses bcilrcten. Von ver-
fassungswidrigen Beschränkungen der persönlichen
Freiheit und der Tätigkeit der völkischen Abgeord-
neten rönne keine Rede sein. Tas weitere werde
sich ergeben, »venu der Staalsgerichlshof entschie-
den habe.
Abg. Kahl (Lib. VPt.) erklärt, seit dem So-
zialistengesetz haben sich di« Verhältnisse gründlich
geändert.. Die Altkonservativeu waren in Kons:-
guonz ihrer Grundsätze solgericknig Gegner einer
zu weilgohenden Immunität. Ansehen und Würde
des Reichstages würden gesteigert, wenn der Ans-
sclmßantrag abgelehnt würde.
Abg. Rem »ne le (K.) stimmt dem Abgeord-
neten Wulle in allem zu, was er über Vas Ber
palten der Berliner Polizei ausgcführt Hal; nur
haben die Herren bei anderen Gelegenheiten
kein Verständnis für die Wickkigkett dieser Frage.
Als cs daun zur Abstimmung kommen
sollte, beantragten die Kommunisten Ausset-
zung der Abstimmung und statt dessen eine sofor-
tige Stellungnahme des Reichstags zu dcu
Vorkommnissen im Landtag. Der Antrag wurde
jedoch abgelehnt und es wurde beschlossen, die na-
mentliche Abstimmung am Schluß der Sitzung vor-
znnehmcn.
Inzwischen wurde der Etat des Arbeitsministe-
riums » eiter beraten Hieraus wird dann dä zu-
rückgestellte namentliche Abstimmung vorgenommen
über beit Beschluß des GcsckiSfisordnuugsaiuSschus-
ses, wonach im Vorgehen des Berlin r Polizewrii
stventen gegen das Büro der Dcutschvölkifchen Frei
heitspartei eine Verletzung der Immunität Z-o»
Abgeordneten nicht zu erblicken ist. Der Anstauung
des GcschästsorditUNgsUnsschnsses wir- mit 203
gegen 116 Stimmen bei 3 Stinftnenthalttingen
zugesttmmt,
und zwar mit den Stimmen des Zentrums, der
Bayrischen V-olkspartei, der Demokraten und der
Sozialdemokraten gegen Doutschnatioamle, Deutsche
Volksparkci, Kommunisten und die drei Mitglieder
der Dsutschvölkifchen Freiheitspartci.
Die deutschvölkische Beschwerde ist sonach abge»
lehnt.
Bei der Weiterberatung des
Haushalts des Reichsarbeftsminiswrtums
erklärt Abg. Frau Sender (Soz.): Die deutsche»
Löhne sind niedriger als die ausländischen.
Die deutsche JndusMe kann also nicht behaupten,
sie sei wegen hoher Löhne nicht konkurrenzfähig.
Die Industrie kann auch nicht verlangen,, daß sie ihre
Krise auf Kosten der Arbeiter überwinde. Eine
richtige Lohnpolitik muß dafür sorgen, daß die Ar-
beitskraft, das höchste Gut unseres Volkes, erhalten
bleibt. Die Lohnpotilttk ist der ständigen Teuerung
nicht schnell genug und nicht weit genug gefoigt.
Wir haben beantragt, daß die Erwerbslosenuntcr-
stützung automatisch sich der Teuerung anpaßt. LS
muß jetzt eine Verdoppelung der Unterstüt-
zungssätze erfolgen, denn die letzte Festsetzung ist
bei eiuem Dowarstand von 20 WO erfolgt. Die Groß-
handelspreise sind seitdem um ein Drittel gestiegen.
Das Reich hat beträchtliche Geldsummen ausbezahlt,
um Betriebe ausrecht zu erhalten; dann müssen
auch Reichsmittel für die Arbeiter zur Verfü-
gung stehen, und die entlassenen Rubrarbeiter »küs-
sen das Recht auf WiederSinstellnng .und Weiter-
beschäftigung erhalten. Wir beantragen, darüber
umgehend dem Reichstag einen Gesetzentwurf vor-
z-ulegen.
 
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