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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 131 - Nr. 140 (9. Juni - 20. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48727#0169
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o. Jahrgang

Heidelberg, Mittwoch, den 13. Juni 1923
SSSSSSSSmSSSSSSMSSSSSWWWSWSWWSSSSSSSSSWSWSSSSS

Nr. 134

IklkWWMlMWW
^dgen französische Unerbittlichkeit. — Deutschlands
Angebot unannehmbar.
Parts, 12. Juni.
Die ossiziöse Havas-Agentur glaubt die gestrigen
Beschlüsse des englischen Kabinetts-
ös wie folgt resümieren zu können:
.Die englische Regierung sei zu der Ueberzeugung
°ekonunen, daß es für England unmöglich sei,
i-ch das französische Ersuchen zu eigen zu machen,
Nachdem diese als Vorbedingung der interalliierten
/^Handlungen die Einstellung des Passi-
on Widerstandes durch Deutschland ver-
enge. Die englische Regierung sei dabei von der
'Michi geleitet, daß bei der gegenwärtigen Stim-
mung m Deutschland keine Regierung dort in der
Luge sei, diese Bedingungen zuerfüllen. Es sei
öu befürchten, daß, wenn Herr Cuno sich dem frän-
kischen Verlangen beugen würde, er damit eine
^°Ue Revolution hemufbeschwören und eine
?°mmunistisch e Bewegung provozieren
U>iicde, welche die verhängnisvollsten Folgen haben
'Uiitzie.
»Aus dem Wunsche heraus, einen Bruch mit
Frankreich zu vermeiden, habe die englische Regie-
rung einen anderen Vorschlag ausgcarbeitet,
°er sofort in Paris unterbreitet werden soll. Die
?USlische Regierung ist der Auffassung, daß das neue
Zutsche Angebot unannehmbar sei, insbeson-
dre weil die von der deutschen Regierung angebo-
i>ne Endsumme unzulänglich sei. Die
römische Regierung werde in keinem Falle eine Zff-
gutheitzen, die geringer sei als diejenige, die im
dlanr Bonar Laws genannt gewesen sei. Sie habe
^bcr andererseits die Ueberzeugung, datz Deutschland
da;» gebracht werden könne, diese Ziffer seinerseits
U'izunehmen. Von dieser Feststellung ausgehend,
!ei die englische Regierung der Meinung, daß das
chte deutsche Angebot als Ausgangspunkt für eine
^teralliierte Diskussion angesehen wer-
ten rönne.
Für den Fall, datz Frankreich trotzdem auf seinem
verlangen nach vorheriger Einstellung des passiven
Widerstandes bestehen sollte, regt die englische Ne-
uerung das folgende Kompromiß an:
»Die Alliierten berufen eine Sachverständi-
kenkonferenz zusammen, die mit der Feststel-
des Betrages, den Deutschland zu zahlen in
der Lage sei, mit der Prüfung der Frage der inter-
alliierten Schulden u. des Problems der belgisch-
iranzösischen Sicherheit betraut werden solle. Wenn
Verlaufe dieser Verhandlungen ein Einverneh-
men zwischen den Alliierten erzielt werden sollte,
ssi die englische Regierung bereit, in
Berlin vorstellig zu werden, um Deutschland
^llr Aufgabe des passiven Widerstandes zu bewegen."
Paris, 12. Juni. Die französischen Blätter
h>rd stver den englischen Kabtnettsbeschlutz ungehal-
M». Der »Matt n" schreibt: Wenn England unter
"lesen Bedingungen fortfahre, Deutschland zu er-
mutigen und den Widerstand des Reiches als gesetz-
mäßig anfieht, so solle England sich nicht über die
Dolgen etkres Wtrtschastskampses beschwe-
M», den Frankreich fest entschlossen ist,
durchzusiibren. Der »Petit Parisien"" hält
dS nach Wie vor für möglich, datz Frankreich und
^Ugland demnächst die Besprechungen sortsetzen und
'Mllt mit Befriedigung fest, daß die englische Rcgie-
itlNg dein Wunsch Ausdruck gibt, mit Frankreich
Zll arbeiten, datz der französtsche Botschafter
lletlnl englischen Außenminister geltend machte, daß
Me Ermordung der zwei französischen Unteroffiziere
M Dortmund die gebieterische Notwendigkeit zeige,
Mit dem passiven Widerstand ein Ende
st, machen. Sobald er eingestellt wird, würde sich
die französische Regierung glücklich schätzen, im Ein-
verständnis mit den Verbündeten das Rcparations-
vroblem auf Grundlage des französischen Planes zu
^geln, d. h. es müßten 1. 26 Milliarden
oldmark netto Frankreich auf Grund des Zah-
'"ngsabkonlmens vom Mai 1921 aus den Bonds
und V bewilligt werden; 2. die Bonds C zur Be-
Mhlung der amerikanischen und englischen Schuld
verwandt werden.

Vor langwierigen Verhandlungen.
London, 12. Juni. »Westminster Ga-
zette" und »Daily News" bereiten die Oef-
MNtlichreit auf langwierige Verhandlun-
gen vor, da es nach Ansicht dieser Blätter nicht
Möglich sein werde, ein Kompromiß zwischen
England und Frankreich über die For-
mulierung zu erzielen, die Deutschland Vorsc-
hlägen werden soll, um auf die amtliche Unterstüt-
Mng des passiven Widerstandes verzichten zu kön-

V aris, 12. Juni. Dieofstziöse Presse er-
Avt sich in heftigen Vorwürfen gegen die englische
Legierung, die wieder einmal Deutschland zur Un-
Mchgiebigkeit ermutige und Frankreich, das den
Men Schritt zur Wiederherstellung de, alliierten
, Mheitsfront getan habe, „Zumutungen stelle, die
dem eigenen Lande gegenüber sicherlich nicht wa-
dürfte". Das „Echo de Paris" meint, die
h.Uscheidung der englischen Regierung erinnere an
schlimmsten Tage der Zeit Lloyd Georges. Der
auerlicye Einfluß der h u m a n i t ä r e n Id e o. -

logie und der ltb eralen Finan» beginne zu
triumphieren.
Paris, 12. Juni. Während die Regierungs-
presse sich mit der Londoner Entscheidung nicht ab-
finden will, hüllt sich die Regierung selbst vorläufig
in Stillschweigen. Im übrigen wird erklärt, datz
aus telephonischem Wege die Verhandlungen fortge-
setzt werden.
Eine Rede Lloyd Georges.
London, 12. Juni. In einer Rede erklärte
Lloyd George u. a.: Es sei notwendig, die Herr-
schaft der Gewalt in der ganzen Welt zu be-
seitigen. Die Gewaltmatznahmen hätten binnen
einem Jahr „zwei neue Elsatz-Lothrtn-
g e n" in Europa geschaffen: Polen durch die Be-
setzung Wilnas und Frankreich durch den Einbruch
ins Ruhrgebiet seien bereit gewesen, die Zukunft
der Zivilisation um kleiner vorübergehender Vor-
teile willen zu opfern. Er wisse nicht, wohin die
Welt steuere. Die seelische Erhebung des Krieges sei
geschwunden. Jeder sei ermüdet und ver-
zweifelt. In der Reparationsfrage liege ein
deutsches Angebot vor, die Angelegenheit einem
Schiedsspruch-Sachverständigen zu un-
terwerfen. Er verzweifle an der Zukunft der Zivili-
sation, wenn Frankreich und Belgien diesen Vor-
schlag abermals ablehnten, mit der Begründung:
„Warum sollen wir uns einem Schiedsspruch unter-
werfen, wenn wir die Macht haben; wir haben die
Armeen und die Kanonen. Die Gewalt soll entschei-
den."
Parts, 12. Juni. Hier liegen Meldungen aus
Washington vor, wonach das Staatsdepartement
Neigung zu einer Teilnahme an einer internationa-
len Aussprache über das Reparationsproblem kund-
gegeben habe.
Rom, 12. Juni. Es verlautet, daß die italie-
nische Antwort auf die deutsche Denkschrift bereits
sertiggestellt ist.
London, 12. Juni. Der belgische Botschafter
hatte mit Lord Curzon eine Politische Aussprache.
Danzig, 12. Juni. Der Völkerbundskommis-
sar hat entschieden, datz die Hafenpoltzet dem Hafen-
ausschuß unterstehen soll. Das Poltzeipersonal wird
durch den Hafenausschutz vom Danziger Senat an-
gefordert. Die Polnischen Ansprüche haben damit
eine Schlappe erlitten.

Vom besetzten Gebiet.
Mannheim, 12. Juni. Zwei französtsche Of-
fiziere mit einem Soldaten als Dolmetscher erschie-
nen gestern in der Wohnung von S t adtpfarrer
Lehmann und erkundigten sich nach der Zimmer-
zahl. Sie besichtigten sodann die Wohnung und er-
suchten um Ncberlassnng eines Schlafzimmers für
den Kommandanten der hiesigen französischen Be-
satzung.
Mainz, 12. Juni. Von hier und aus der Um-
gebung sind erneut Eisenbahner ausgewtefen wor-
den. An einem Tage betrug die Zahl der Ausge-
wiesenen allein 56 Personen.
Mainz, 12. Juni. Ein Automobil des Land-
ratsaintes in Montabaur, das zur Auszahlung
von Erwerbslosenunterstützungen zwei
Milliarden Mark mit sich führte, wurde an der
Sperre kurz vor Montabaur von den Franzosen an-
gehalten und die zwei Milliarden Mark vom Kreis-
delegierten des Kreises Montabaur beschlag-
nahmt.
Belagerungszustand in Höchst a. M.
Höchst a. M., 13. Juni. (Letztes Telegr.) In-
folge Weigerung der Stadt Höchst, die offenen Bahn-
übergänge bewachen zu lassen, und für das Herab-
lassen der Schranken auf den militarisierten Bahn-
strecken Sorge zu tragen, ist vom hiesigen französi-
schen Kreisdelegierten über die gesamte Gemeinde
Höchst der verschärfte Belagerungszustand verhängt
worden. Dem Bürgermeister ist angedroht worden,
daß er vor ein Kriegsgericht gestellt Werde.
Die Lage in Dortmund.
Dortmund, 12. Juni. Gestern wurde ein
ehemaliger Schutzpolizist, der sich zu kurzem
Aufenthalt bei seinen Verwandten aufhirlt, von den
Franzosen aufgespürt, aus der Wohnung geholt und
gegen 9 Uhr abends ohne weiteres erschossen.
Außer den bereits gemeldeten Personen ist noch
Stadtrat Krömer verhaftet worden.
In Recklinghausen blieb die Bitte der
Stadtverwaltung, die angeordnete Verkehrssperre in
der ersten Nacht nicht durchzuführen, erfolglos. Ein
junger Mann, Karl Müller aus Dortmund, der ge-
schäftlich nach Recklinghausen gekommen war, wurde
gegen 9 Uhr ohne Anruf beschossen und mit
schweren Verletzungen nach dem Krankenhaus ver-
bracht, wo er gleich darauf verstarb. Auch auf
Personen, die sich auf Ballonen zeigten, wurde ge-
schossen, ebenso nach den nach der Straße gelegenen
Zimmern, deren Fenster erleuchtet waren.
Dortmund, 12. Juni. Bet der gestrigen Be-
setzung der Reichsbank durch die Franzosen sind
ungefähr 1 Milliarde Mark beschlagnahmt
worden. Die Beamten dürfen das Gebäude nicht
betreten.

Dortmund, 13. Juni. Ueber den Tod der
beiden ermordeten französischen Adjutanten taucht
jetzt dem „Berl. Lok.-Anz." zufolge etne neue Ver-
sion auf, wonach sie sich, nachdem sie wegen eine-
Frauenzimmers in Streit geraten waren, gegen-
seitig erschossen haben.
Der Wahnsinn der Sabotage.
Essen, 11. Juni. Es vergeht kaum ein Tag im
RUHrgebiet, wo nicht gesprengt wird oder
wo nicht versucht wird zu sprengen. Man Weitz
nicht, in Wie vielen Fällen es sich um französtsche
Provokation handelt. Jedenfalls proklamiert der
französische Militarismus die Attentate für sich, um
der Welt die Berechtigung der Armee im
Ruhrgebiet nachzuweisen und der strengen Maßnah-
men, die der französtsche Militarismus an der Ruhr
vertritt. Vielfach werden diese Attentate noch be-
nutzt, um die besonderen Ziele der Besatzungstrup-
pen im Ruhrgebiet durchzuführen. So haben die
Franzosen z. B. infolge der bereits gemeldeten
Sprengung bei Lintorf den Verkehr zwischen
Duisburg und Düsseldorf für Motorräder, Fuhr-
werke aller Art sowie Mr Fußgänger von abends 9
bis morgens 5 Uhr gesperrt. Der Erfolg ist die
Tatsache, datz die Regieeisenbahn zwischen Düffeldorf
und Duisburg stark benutzt wird. Sie soll, wie man
hört, jeden Tag ungefähr 7000 Personen beför-
dern. Der ganze Wahnsinn der Attentate geht aus
eine» Warnung der bayerischen Kreisregie-
rung Mr die Pfalz in Speyer hervor. Sie lautet:
„Die Regierung der Pfalz sieht sich veranlasst, aufs
neue vor Anschlägen auf die Etsenbahnanlagen drin-
gen- zu warnen. Wenn die Täter derartiger Hand-
lungen vom vaterländischen Gesichtspunkte zu han-
deln vermeinen, so zeigt dies von einer unbegreif-
lichen Kurzsichtigkeit und entschuldigt nicht den ver-
brecherischen Leichtsinn. Mit jenen Handlungen
Wird gar nichts erreicht, was dem Vaterland irgend-
wie nützen könnte. Also Besonnenheit und Ueber-
legungl"

Die Lage im Reich.
Gegen die Frankenwährrmg im
Saargebiet.
Berlin, 13. Juni. Halbamtlich wird mitge-
tetlt, daß die Retchsregierung an die Regierungs-
kommission des Saargebtetes eine Protestnote gegen
die dortige Einführung der Frankenwährrmg ge-
richtet hat.
Das endgültige Wahlergebnis in
Oldenburg.
Bremen, 12. Juni. Das endgültige Ergebnis
der Oldenburger Wahlen ergibt folgende Zusam-
mensetzung des Landtags: Deutschnattonale 3, Deut-
sche VollSpartei 12, Zentrum 11, Demokraten 9, So-
zialdemokraten 11, Kommunisten 2.
Die Deutsche Liberale Volkspartet hat stark ver-
loren. Di« Ver. Soz. Partei Deutschlands hat einen
Sitz gewonnen Die Koalition Tantzen geht
gestärkt aus dieser Wahl hervor. Die Kom-
muntstrsche Partei Deutschlands und die Deutsch»«-
ttonalen, sowie die Demokraten gewannen je zwei
Sitze.
Der Münchener Hochverratsprozeh.
München, 12. Juni.
In der heutigen Verhandlung des Hochverrats-
Prozesses wurde als dritter Hauptzeuge Kapitänleut-
nant Kaut ter vernommen. Er berichtet, daß er
zuerst im Herbst 1922 durch den Hauptmann Brendel
vom Blücherbund Gerüchte von einem bevorstehen-
den Putsch vernommen habe. Nach diesen Gerüchten
sollte Poehner Diktator werden. General Möhl
habe zwar zuerst gesagt, er sei monarchisch und
mache nichts ohne Genehmigung des Königs; später
habe er jedoch erklärt, er werde auch ohne Genehmi-
gung des Königs den Putsch mitmachen. Poehner
habe vor diesen Gerüchten gewarnt; diese könnten
nur von französischer Sette stammen. Auch General
Möhl habe erklärt, datz nichts an der Sache sei.
Ueber seine erste Unterhaltung mit Machhaus be-
richtet der Zeuge, seine Kreise hätten Garantien, datz
bet einem selbständigen Vorgehen Bayerns zur
Schaffung einer nationalen Diktatur Frankreich Un-
terstützung geben werde. MachhauS habe gesagt,
sein Kreis habe Geldmittel gesammelt und sie durch
glückliche Spekulationen erheblich vermehrt. Nach
den Plänen des Fuchs sollten hervorragende Per-
sönlichkeiten wie Kahr, Poehner, EPP zur Unter-
stützung des Putsches gezwungen werden. Ministe-
rium und Banken würden besetzt, die Minister ver-
haftet werden und den General Möhl würde man
vor Sie WM"stellen, entweder eine Kugel zu bekom-
men oder sich mit der Reichswehr der Bewegung
anzuschlietzen. Dem Regentschaftsrat sollten Ver-
treter der Freikorps beigegeben werden. Ein- Prä-
torianergarde sollte geschaffen werden, um jeden
Widerstand zu brechen. MachhauS habe erklärt, datz
bald eine Liste der zu beseitigenden Personen auf-
zustellen sei. In einer weiteren Besprechung habe
MachhauS mitgeteilt, er habe Leute bet der Eisen-
bahn «nd bei den Telephonämtern gewonnen und
verfüge über eine Reihe ausgezeichneter Unterführer.
Verschiedene weitere Zeugen bezeichnen den Fuchs
M Phantasten.

In der Nachmittagssitzung gab Major Mayr
unter Eid die Erklärung ab, datz die vom Grafen
BothmerP«n«chren und vom Grafen Pestalozza vor-
gebrachten Angaben über Diebstahl eines Briefe-
dom Tisch des Generals Möhl unwahr seien.
Das Hakenkreuz am Totenrvagen.
In unserem Freiburger Parteiblatt lesen wir
unter obiger Ueberschrift:
Mit etwa zweistündiger Verspätung traf am
Samstag mittag nach 12 Uhr der Zug, der in einem
Sonderwagen die Leiche Schlageters nach
Schönau überführte, im Freiburger Hauptbahnhof
ein. Die Korpsstudentenschaft, an deren
Spitze der Senat der Universität in Amts-
tracht marschierte, war, wie angekündigt, im bunten
Paradekostüm und dem sonstigen Drum und Dran
erschienen. Sie nahm neben einer kleineren Zahl
Mittelschüler auf der Verladerampe Stellung,
die Fahnenträger im vordersten Glied. Senat und
die schwarzbefrackte Professorenschaft, soweit
sie tetlgenommen hat, ebenso die Kranzdeputationen
der Offiztersbündler, stellten sich auf dem
Bahnsteig auf. Auch zwei uniformierte und mit
einem grotzenBand Kriegsauszeichnungen behangen»
Retchswehrofftziere waren unter ihnen.
Ein Vertreter der badischen Regierung soll
ebenfalls anwesend gewesen sein.
Ein außerordentlich starkes Polizeiaufgebot war
zum Schutz der nationalistischen Demon-
stration aufgeboten worden. Zu einer solchen
hat sich die ganze Kundgebung gestaltet und wir be-
dauern nachträglich, datz nicht die organisierte Ar-
beiterschaft eine Gegenkundgebung veranstaltet hat.
Nicht gegen die Ehrung eines unter französischen
Kugeln gefallenen Menschen, sondern gegen den
Unfug, den mit seiner Leiche die Hakenkreuzler
und der Obmann der Ehrenwache getrieben haben.
Zur Ehre der Kranzdeputationen sei cs gesagt, datz
deren Redner, von kleineren Entgleisungen abge-
sehen, sich im großen und ganzen frei hielten von
hetzerischen nationalistischen Phrasen. Was sich aber
der Obmann der Begleitleute, offenbar echle Haken-
kreuzjünglinge, in seiner Rede an die Studenten-
schaft und die Anwesenden leistete, war ein derartig
frivoles und verantwortungsloses Geschwätz, datz
wir uns verpflichtet fühlen, vor der Oefsentltchkett
mit aller Bestimmtheit zu erklären, daß die organi-
sierte Arbeiterschaft eS weit von sich weist, mit diesen
Leuten und deren geistigen, sittlichen und staats-
politischen Auffassungen sich irgendwie zu identifi-
zieren. Diese Hakenkreuzleuchte — es soll sich uM
den Verteidiger des Schlageter, den Rechtsanwalt
Sengftock gehandelt haben — schmetterte wie etne
mitztöntge Trompete an der Bahre des Toten abge-
hackte deutschvölkische Prasen in die Jugend hinein
und um den Eindruck einer widerlichen Komödie
noch zu verstärken, streckte er andauernd drei Finger
in die Höhe, sandte einen Schwur nach dem andern
gen Himmel und lieb schließlich die Jugend mit-
schwören: Heil, Steg und Rache! Ein paar
Dutzend mögen eS gewesen sein, die laut den Schwur
wiederholten, den anderen scheint das Schamgefühl
über etne solche Art der Ehrung eines Toten den
Ton in der Kehle erstickt zu haben. Noch toller un-
geradezu verbrecherisch war der Ausspruch des Ha-
kenkreuzritters: »Ehe Deutschland zu Grunde geht,
wird ganz Europa in Fl a m men ausgehen."
Und solchen Schwatz ließen die Nntversttätsprofeffo-
ren und Studenten über sich ergehen, allerdings mit
eisiger Kälte. Wie mag eS den Herren Theolo -
gen, die auch dabei waren, zu Mute gewesen sein?
Was müssen aber erst die jüdischen Studen-
ten, deren Verbindung offiziell beteiligt war und die
jüdischen Professoren empfunden haben, als sie am
Totenwagen die Hakenkreuze erblickten. Ja, wirk-
lich, als einziger äußerer Schmuck war an der Sei-
tenwand des Wagens ein rundes Papier im Durch-
messer von etwa 35 Zentimeter ausgeklebt, auf das
je zwei Hakenkreuze oben und unten aufgenralt
waren. In der Mitte aber prangte die Inschrift:
Dem Helden der N. S. P. (Nationalsozialisti-
schen Partei.) So fuhr der Wagen auf Kosten der
deutschen Republik durch die Gaue Deutschlands,
in denen die Nationalsozialistische und Deutschvöl-
kische Partei durch Gesetz verboten ist. So wurde
mit der Leiche eines Toten von den „Erneuerern
Deutschlands" deutschvölkische Propaganda getrie-
ben. Und Ausländer standen am Bahnhof un-
schauten zu. Freilich werden sie auch beobachtet
haben, datz auf dem 2. Bahnsteig eine grobe Anzahl
Männer tm Arbeitskittel standen, die ein
anderes Deutschland repräsentieren als die
befrackten und in buntem Firlefanz eingezwängten
Herren, die auf dem 1. Bahnsteig und der Verlade-
rampe standen. Dort wo die EisenLahnwerkstätten-
arbeiter standen, da stand das Deutschland der
Arbeit, der aufbauenden Kraft und des zähen
Kampfes gegen innere und äußere Bedrücker, in -en
Kostümen der Studenten widerspiegelte sich da-
vergangene Deutschland der schillernden Wehr, de»
bunt bemalten Kulisse und des Kastengeistes. Dä-
nen- Deutschland wird leben durch seine Arbeiter,
nicht durch deutschvölkische Abenteurerpolittk und
nationalistische Sprüche.
Von den 3000 Studenten der Freiburger Univer- '
sttät haben 800 tetlgenommen. Nach etwa viertel- '
stündigem Aufenthalt fuhr der Zug weiter. ,,
 
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