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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 161 - Nr. 170 (14. Juli - 25. Juli)
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Heidelberg, Samstag, de« 21. Juli 1923

Nr. 167

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b- Jahrgang

fsrshelfer Ehrhardts allgemein sich als Mitglieder
der Dsutschnationalen Partei Herausstellen und das
zur Flucht benutzte Auto inzwischen in München
beschlagnahmt werden konnte. Es handelt sich also
wieder um Anhänger der Partei, die bei Herrn Cuno
regelmäßig Gehör findet und um das München, das
bet ihm mehr Zutrauen genießt als alle deutschen
Landesregierungen zusammen.
Einen Beweis hierfür hat der gegenwärtige
Reichskanzler, ein Mann, der jeden Tag mehr zeigt,
daß er auf den Posten, auf dem er steht, nicht ge-
hört, inzwischen durch seine Erklärung gegen den
Bürgerkrieg erbracht. Er verweist u. a. darauf, daß
seine Regierung mit den Landesregierungen von
Sachsen und Thüringen „im Interesse der ruhi-
gen Entwicklung" unserer inneren Verhältnisse ein
Einvernehmen zu pflegen bereit ist. Also ausschließ-
lich mit zwei Landesregierungen, die sozialistische
Parlaments-Mehrheiten aufweisen. Mit Bayern
iibcr eine ruhige Entwicklung unserer Verhältnisse
ein Einvernehmen zu pflegen, hält Herr Cuno schein-
bar nicht für notwendig, weil das Bayern von heute
in den letzten zwei Fahren sämtliche Verbrecher gegen
die Republik grotzzog. Zweifellos hat er zu seiner
Haltung allen Anlaß, denn das Bayern von heute
entspricht feiner Gesinnung, weil es dem Empfin-
den der Deutschnationalen entspricht. — Und das
nennt sich Reichskanzler der deutschen Republik!
Staatspräsident Hieber über die
Staatsmacht.
Reben der Staatsmacht darf cs keine militärisch
organisierte Macht gebest.
So führte der württembergische Staatspräsident
Hieber im Landtag bei der Beratung eines Nach-
trags zum Haushattplan 1923 aus. Hieber fährt
dann fort: Er verstehe es sehr Wohl, daß Parteien
oder Parteirichtungen, welche unsere männliche Ju-
gend in besonderen Organisationen durch militärische
Spiele und Ausziehen mit Fahnen nud Trommel-
schlag anziehen, einen lebhaften Zugang gewinnen-
Aber gerade darum sei es erst recht ein Verbre-
chen, wenn politische Parteien sich diese Neigung
der deutschen Jugend zunutze machen, sich Werkzeuge
schaffen und eine Saat säen, welche die Gefahr eines
Bürgerkrieges uns nahebringe. Auf der anderen
Seite dürfen wir aber im Bewußtsein der Stärke
und Zuverlässigkeit der eigenen Machtmittel von
Reich und Staat in Reichswehr und Polizei nicht
gleich nervös werden über jede Alarmnachrtcht und
Uebertreibung in der Presse. Es sei überhaupt
ein Fehler unserer Zeit, daß die Jugend schon früh
in politische Bestrebungen hineingezogen werde. Es
wäre ein Mißbrauch und ein Verbrechen, wenn schul-
pflichtige und unerwachsene Jugend in Verbänden
parteipolitischer Färbung gesammelt würde.
Will der Herr Staatspräsident mit diesen Wor-
ten die Umtriebe der Nationalsozialisten in Würt-
temberg bekämpfe»? Wir glauben nicht, daß sich
diese Abenteurer au diese Worte stören, sondern
denen muß ihr staatsverbrecherisches Unwesen auf
andere Weise klargemacht werden.
Die Abgabe zur Sicherung der
Brotversorgung.
Berlin, 20. IM. Der Reichsminister der Fi-
nanzen gibt bekannt, das; für den erston Teilbetrag
der AbMbe Zur Sicherung der Brotversorgung im
Wirtschaftsjahr 1923/24, der a!m 1. August 1923 fäl-
lig wird, das Mache des endgültig festgesetzten Be-
trages der Zwangsanleihe maßgebend ist.

Die Lage im Reich.
Ehrhardt bereits im Ausland?
Wien, 20. Juli. Das „Nene Wiener Tagblatt"
berichtet, in Wiener rechtsradikalen Kreisen ver-
laute, daß Ehrhardt beim Ausbruch in einer
der Seitengassen in der Nähe des Gefängnisses von
eimrm Auto ausgenommen wurde, das ihn außer-
halb des Weichbildes der Stabt brachte. Dort
wurde er in ein zweites Auto gebracht, das ihn in
südlicher Richtung schleunigst über die -Grenze
schaffte.
Der -Grenzübertritt sei nur dadurch -möglich ge-
wesen, daß es gelang, Ehrhardt in ein für diesen
Zweck vorbereitetes Mito unter dem Sitz zu ver-
stecken, so daß er von den Kontrollorgane» nicht
erblickt werden konnte. Zur Stunde befindet sich
Ehrhardt bereits außerhalb der Grenze des Deut-
schen Reiches. — Man will offenbar durch diese
Meidun-g die Spur Ehrhardts verwischen. D. Red.
Ein Vetter Ehrhardts wieder
entlassen.
Hamburg, 20. Juli. Der in Hamburg ver-
Wftete Kaufmann Ehrhardt, ein Vetter des flüchti-
gen Kapitäns Ehrhardt, der nach dem Amtsgericht
gebracht Word«» war, ist bereits wieder entlassen
worden.
Und das nennt sich Reichskanzler
der deutschen Republik.
Der Anstifter und Hauptbeteiugre veS im Herbst
vorigen Jahres auf Harden begangenen Attentats,
ein früherer Oberleutnant Ankermann, ist am Mitt-
woch in Wien verhaftet worden und dürfte bald
nach Berlin überführt werden. Mit Unterstützung
der Gcheimorganisationen, die in Deutschland ins-
besondere nach dem Verbot der Deutschvölkischen
Froiheitspartei wie Pilze aus dem Erdboden schie-
ßen, konnte ex sich der Ermittlung der Behörden ein
Jahr lang entziehen, während seine beiden Mittäter
Weichardt und Grenz bekanntlich schon vor mehre-
ren Monaten zu längeren Gefängnisstrafen verur-
teilt wurden. Selbstverständlich war auch Anker-
mann Mitglied der Deutschnationalen Partei, wie
bisher alle Verbrecher gegen die Republik diesem
Parteiverbande angehört Haven und im allgemeinen
aus München stammten oder hier nach vollbrachter
Tat und geglückter Flucht Unterschlupf fanden. Ver-
wunderlich ist es darum nicht, wenn auch die Hel-

Internationale Lage.
Die Beschlüsse des Londoner
Kabinettes.
London, 20. Juli. In der gestrigen Sitzung
des Kabinetts ist beschlossen worden, die englische
Reparationspolitik in drei Schriftstücken den Alli-
ierten und Neutralen mitzuteilen. Sie bestehen aus:
1. Dem Entwurf einer Note an Deutschland, in
dem die englische Regierung zu den deutschen Vor-
schlägen Stellung nimmt, Deutschlands Zahlungs-
fähigkeit durch Sachverständige abschätzen zu lassen.
Nach den Meldungen einiger Blätter sollen in der
Note auch Ratschläge über den Abbau des passiven
Widerstandes Aufnahme finden, eine Behauptung,
die von konservativen Blättern bestritten Wird.
2. Einer englischen Denkschrift, in der den Alli-
ierten und den Vereinigten Staaten auseinander-
gesetzt wird, nach welchen allgemeinen Gesichtspunk-
ten England eine Lösung des Reparationsproblems
für möglich hält.
3. Den Begleitschreiben an die Alliierten, in de-
nen die Regierungen der Entente aufgesordert wer-
den, möglichst bald ihre Bemerkungen zum englischen
Entwurf der Antwort zu geben und mit größter Be-
schleunigung zu erkennen zu geben, ob sie bereit seien,
die englische Note zu unterzeichnen.
London, 20. Juli. Heute mittag wird im
englischen Unterhause wahrscheinlich noch einmal ein
Kabinettsrat abgehalten werden, um festzustellen, ob
der endgültige Text der englischen Schriftstücke mög-
lichst vollständig mit den zahlreichen Anregungen
übcreinstimmt, die seitens der einzelnen Minister im
gestrigen Kabinettsrat bolgetragen wurden.
Um das Schicksal der englischen
Antwort.
Paris, 20. Juli. Londoner Meldungen zu-
folge soll der cnglische Antwortentwurf spätestens
in 3—4 Tag-vn und frühestens morgen Amerika und
den Verbündeten zugestellt werden. Der -letzte Fall
dürfte eiittreteu, wenn der für heute mittag ein-
berufene Miitistcrriat sich über den eN-dgü'lti-gen Wort-
laut des Entwurfes schlüssig wird.
Die schwierige Lage in Polen.
Warschau, 20. Juli. Die polnische Regie-
rung befindet sich in äußerst schwieriger Läge. Durch
die ungeheure Teuerung sind im ganzen Lande
Streiks- EsMürocheu. Ministerpräsident Witos
ist bedroht, weil die Rechtsparteien wichtige Stel-
len im Außenministerium und das Heer an sich
reißen. Außenpolitisch ist -ein kompletter Mißerfolg
des AttßemniiOsters Seyda zu verzeichnen, der aus
Wunsch Frankreichs Polens Zutritt z-strn Batten-
bund und der Kleinen Entente a>,strebt.

Deimling über den Völkerbund.
General von Deimling sprach in Berlin in einer
Versammlung, die von der Liga für Menschenrechte
einberufen war, über den Völkerbund. Er machte
hierbei folgende Ausführungen: Aus tiefster, innerer
Ueberzeugung trete ich als deutscher General für den
Völkerbund ein. Die Erlebnisse des Krieges weisen
uns zwingend diesen Weg und jeder, der unser
Vaterland liebt, muß ihn beschreiten. Und wenn
heute Maurenbrecher in der „Deutschen Zeitung" zur
Volkserhebung aufruft, so sind das alles verrückte
Ideen. Womit sollen wir Krieg führen? Wir haben
keine Rüstungsindustrie. Auf der einen Seite stehen
die Millionen Frankreichs, auf der anderen die Po-
lens uM der Tschechoslowakei. Der Krieg der Zu-
kunst Wird in der Lust entschieden. Es ist ein Gift-
gas erfunden, gegen das es kein Mittel gibt. Luft-
schiffe sind konstruiert, die dreimal so weit fliegen,
als von Paris nach Berlin. Wer sein Volk liebt,
muß gegen einen Krieg sein, auch wenn er General
ist. Auch der passive Widerstand allein kann keine
Lösung bringen. Wir müssen den aktiven Weg der
Verständigung beschreiten, und dieser Weg ist der
Völkerbund. Auch eine Aenderung und Verbesse-
rung des Versailler Vertrags kann nur
durch den Völkerbund erreicht werden. Wenn auch
der Völkerbund noch nicht das ist, was wir wün-
schen, so heißt es für uns erst recht: Hinein in den
Völkerbund! Der September ist der letzte Termin,
Verpassen wir ihn nicht.
Schwere Teuerungsunruhen in
Breslau.
Berlin, 20. IM. (Franks. ZtgZ In Bres-
lau kam es heute zu schwere» Tcnerungsuurüheu.
Organisierte Stoßtrupps plünderte» systematiscy
hunderte von Geschäfte». Die Schutzpolizei griff

Nkllkll MM MM!
Berlin, 21. Juli.
Ramsay Macdonald, der Vorsitzende der
^ugltschen Labour Party, schilderte einige Tage vor
englischen Regierungserklärung zur Ruhrfrage
herannahende Gefahr des neuen Weltkrieges.
"Zurück zum Krieg" ist der Titel seiner Bettachtun--
^>1 „Kriege beginnen immer einige Jahre vor der
"egsxrkljjimttg. Werden die Völker die Kriegs-
borbereituugen ruhig zulassen, während sie schlafen
°der au andere Dinge denken? Wer steht denn
-'ttite, daß Europa für einen neuen Weltkrieg
'"»gepflügt UM beackert wird? Und trotzdem
oereitct sich nichts Geringeres vor. In einigen Jah-
tt» werden alle Herden wieder gesammelt sein, jede
«stier ihrem eigenen Hirt; die Hirten werden nnter-
ttnander ihre Vereinbarungen treffen. Dann wer-
Z» einige Hunde bellen und es wird alles in Anf-
ststtt sei». Ein neuer Weltkrieg wird entstehen, neue
-ttächte werden ihm entsteigen, und derselbe Vorgang
"ttd dann von neuem beginnen."
Auch außer der Ruhrfrage und teilweise in
^"Windung mit ihr ist der -außenpolitische Horizont
Mvcr umwölkt. Besonders sind cs die e n g l i s ch -
rauzö fischen Gegensätze, die auch außer-
aib der Ruhrpolilik die Möglichkeit eines franzö-
'''b-cngljschen Konfliktes nahelcgen. Die europäische
cvölkerung sitzt wieder aus einem Pulverfaß,
ikben der Ruhrstage können Wir den französisch-
/mlischen weltpolitischen Gegensatz in den letzten
Wochen in der Valkanfrage und in dem Streit
^Tanger beobachten.
W-as würde es für Mitteleuropa bedeuten, wenn
? Bruch zwischen Frankreich und En g -
' "d endgültig wäre? Heute vor allem, wo der
lgarische Nati 0 nalismus neu auflodert,
a» der mazedonischen Stur mecke sich
"" Wolken sammeln, wo das Türkische Reich
»arkt seinen Platz am Balkan wieder eimrimmt
»d die G r i e ch e n Lausanne mit Hatz und Erbitte-
^"9 fir ihrer Seele verlasse»; wo zwischen den bei-
vst„ Rivalen auf der Adria das Verhällnis immer
stbaonler wird, wo Rum allsten gegen zwei
r.onkcu Bündnisse abschlietzenHU mit den Ju-
,'^'0e» gegen Ungarn und mit den Polen
Uiim- Die Reise Les tschechischen Außen-
Benesch nach Paris und London dürfte
sZm ^oeck dienen, die beiden Großmächte über die
-ge» eines Brnches aufzuklären.
itoi? ) T a n ger - F ra g e ist ein weiterer Konslikt-
der französischen und der englischen
de»,Politik. Neben den Dardanellen und
vvi, ? zkanal gehörte der Besitz der Meerenge
> braltar zum wichtigsten Bestandteil der
Mrig'^n Weltpolitik. Diese sollte» ibr de» Seeweg
Hg. -st'ch-en und die Seeücrrschast sichern. Die kleine
bvn Tanger liegt gegenüber der Meerenge
dem ^^raltar auf marokkanischem Gebiet. Ihre Be-
bo-, >r>ar bisher eine sehr geringe. Die Kanonen
^braltar beherrschten das Gebiet. In der
!e?b ."^tgen Phase der Seerüstungen, wo Unter-
und die Luftflotte die Rolle der Kriegsschiffe
nunen haben, sichert der Besitz des Felsen-
di^Han Gibraltar nicht mehr die Herrschaft über
d,-° Meerenge. Mit Kanonen kann man weder unter
Äusser noch in die Lust schießen. Tanger jedoch
Ttgi n der Grotzmacht, welche es besitzt, zum
s>e,>" unkt für ihre Unterseeflotte gemacht wer-
Klcü.-^h ist Tanger, diese schmutzige, verfallene
bü,x h^dt mit ihrer maurischen und jüdischen Be-
tzew^!»^' unter der Herrschaft einiger hundert aus-
-st g harter Europäer in der englischen Presse zum
Dess, hantin 0 pel Ostafrikas" geworden,
die drängt nun die englische Regierung darauf,
? e i Ewe Lage Tangers klarznstelten. Frank-
hc»Ud uwchw ;mn die Verwaltung Tangers in die
'Mer Sultans von Marokko legen, der unter
^iihr "stbtmützigkeit steht und in Fez seinen Sitz hat,
Hst "h England einen besonderen VtzeKnig
wünscht, Spanien dagegen dem für sei-
^>!ch ..«^streifen zuständigen Vizekönig die Macht
- langer übertragen möchte. Die gegen-
-^Urr 'h. London geführten Verhandlungen werden
Hst 'folg haben; die Tanger-Frage wird noch
ue ZE aE der Tagesordnung bleiben.
' l g die au tz e n p 0 l i ti s ch en S chw i e -
? e n, welche die Keime neuer Kriege in sich
or "' i't ^/'ochtet, so darf man freilich die innere
stbge des betreffenden Landes nie aus dem
ch , !^st- Die auswärtige Politik eines Lan-
d ^ium» ^iner inneren Politik eng verwachsen.
'M einem Lande Soldaten, Faszi-
,.""d, w Rüstungskapitalisten die Ober-
lw t w "s'eu die vorhandenen politischen Gcgcn-
?jihrend ^hssläufig zu Kriegen führen,
H " tisH Erstarkung der volkstümlichen dem 0 -
t, 'iegzg h Kräfte die so naheliegende
>ia^ 'hkssen '"hv zu bannen vermöchte. Des-
s>, s ch h O" um mit den Worten Ramsay Macdo- 1
„alle «eingangs erwähnten Aussatz zu schlie-
Hj.h »Uf d "'«fie aufgeboten werden, in der Presse 1
Sn»stu Hrj. Rednertribüne, »m die Völker gegen 1
s "h wer,. Ehrenden Geschehnisse aufzurütteln. !
ch? r ü cs, ?'"eu Gewehre in die Hand <
idchw/ sthrenv sie schlafen, und Ge- !
h"d sie aufwecken". i

ein, blieb aber machtlos. Der Grund der Unruhen
ist in der wachsenden Teuerung und drei bis vier
großen Streiks zu suchen; die gegenwärtig in- Bres-
lau geführt werden-. Jedoch hatten die Unruhen!
keinen politischen linksradikalen Charakter, während
sie zum Teil antisemitische Färbung annahmen. Noch
asm Abend wurde in vielen- Teilen der Stadt ge-
schossen. Es gab mehrere Verwundete, aber nach
den bisher Vorliegemden Meldung» kkinen Toten.
Die Unruhen dauern fort. Der Schaden- beträgt
schon jetzt viel« Milliarden.

E!»k WA AiM.
Die Hetze der Nationalsozialisten und'
Deutschnationalen bringt die Gefahr
des Bürgerkriegs immer näher.
Umsomehr gewinnen die folgenden
Mahnungen der „Frans. Zig." an
Bedeutung. Im Anschluß an die fiumcr
bedenklicher werdende innenpolitische
Lage — von der außenpolitischen ganz
abgesehen — schreibt das demokratikche
Blatt wie folgt:
„Die Deut sch nationalen verschärfen die
Gefahr, indem sie wie im Kriege nichts als die
Politik der unp 0 littk predigen. Kein Ver-
handeln, schreibt auch jetzt »och Graf Westarp; cs
führe doch nur in eine Sackgasse; „nur wenn es dem
deutschen Volke gelingt, Rhein und Ruhr aus eige-
ner Kraft zu befreien, können Verhandlungen weiter
führen" — wie das gemacht werden soll, wird nicht
gesagt. Was aber tut demgegenüber die Mitte vor«
der Volkspartci bis zur Sozialdemokratie, was tut
die Regierung? Sie, auf denen die Riesenlast der
Aufgabe läge, Deutschland vor dem Bürgerkriege zu
bewahren, hätten nur einen klaren Weg vor sich:
politisch zu handeln! Sie müßten im Innern lan-
dein, um die wirtschaftliche Not nicht ins Unerträg-
liche anwachsen zu lassen. Und dazu gehörte eine
Finanz- und Wirtschaftspolitik, die dem Zusammen-
bruche der Währung entgegcnwirkte, statt sie zt för-
dern. Sie müßte nach außen tmunterbrocheu mit
Anpassung aller Kräfte und -aller Mittel handeln, um
das Letzte zu erreichen, was für eine Rettung noch
erreicht werde» kann. Und dazu gehörte auch im
Innern eins Aufklärung des Volkes über die tat-
sächliche furchtbare Größe der Gefahr, in der wir
stehen. An alledem aber fehlt es ganz. Unser Volk
führt den Passiven Widerstand mit ungebroch'nem
Willen, und es mutz ihn führen, muß sich diesen
Willen erhalten, bis ein Ausweg sich zeigt. Aber
auch dieser Kampf des Widerstandes mit allen seinen
Leiden und Opfern kann nur wirken, wenn die
politische Führung imstande ist, ihn politisch nuybar
zu machen. Sie muß das Volk begreifen lehren, daß
die Besetzung des Ruhrreviers eine Politische Kata-
strophe gewesen ist, und daß wir eine Rettung aus
dieser Katastrophe, wenn überhaupt, nur erlange»
werden mit schwersten Opfern, die wir auf uns
nehmen müssen, um der Zukunft unseres Staates
und unseres Volkes »Villen. Dafür müßte die Re-
gierung, müßten die Parteien, die hinter ihr stehen,
sich stark Machen durch politische Führung des Vol-
kes, denn nur, wenn sie stark sind, werde» sie gegen
die Extremen von rechts und von links die Politik
machen können, die allein möglich ist. Aber an alle-
dem fohlt es. Wir treiben keine Finanzpolitik, wir
treibe» keine auswärtige, wir treiben keine innere
Politik. Die Regierung Cuno ist, als wäre sie
nicht vorhanden. Darf sich irgend jemand
dann wundern, Wenn das Reden über den drohen-
de» Bürgerkrieg dann immer, immer größeren Um-
fang anni-mmt?"

Vom besetzten Gebiet.
Die Gefährdung der Lebensmittel-
versorgung.
Gel s e -n kirche n, 20. Juki. In der gestrigen
Stadtverordnetensitzuirg gab die Versammlung Er-
klärungen über -den Stand der Lebensmittelversor-
gung der Stadt ab, die ein trübes Bild über
dieses Gebiet enthüllten. Der Oberbürgermeister
wies darauf hin, daß -gerade in jüngster Zett ein
gefahrdrohender Schwund i» allen Tei-
len der Lebensmittelversorgung eingetr-etcn sei, ohne
daß trotz aller Anstrengungen die Möglichkeit be-
stehe, bet der völligen Desorganisation der Ver-
kehrsmittel die Bestände aufzusüllen.
Geldraub in noch größerem Mahstab
A us d em Ruh rh ez ir k, 20. Juli. Nachdem
cs den Franzosen noch immer nicht gelungen, die
Tresors der Essener Reichsbank, die sie nun scholl
ungefähr zwei Wachs» besetzt halten zu öffnen, ge-
hen sie in erhöhtem Maße dazu über, größere Geld-
beträge bei anderen Banken zu beschlagnahmen.
Weitere Ausweisungen.
Aus dem Ruhrbeztrr, ig. Juli. Aus We-
dau sind wieder 12S Eisenbahner mit ihren Fami-
lien;, insgesamt 595 Personen, auSgewtesen wordell.
Paris, 20. Juli. Nach einer Havas-Meldung
a»is Düsseldorf ist es bei der Ausweisung- von 28
Eisenbahnern in Trier zu einer Kundgebung zu
Gunsten -der Ausgowiessnen gekommen. Die Menge
habe Mseinander-getrisben werde»,- müssen
 
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