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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 191 - Nr. 200 (19. August - 30. August)
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6. Jahrgang

Heidelberg, Samstag, den 25. August 1923

Nr.LW

Stresemanns Antwort an Poincare.
Eine „Frühstücksrede".

§r. Heidelberg, 25. August.
Als wir bei der Bildung des Koalitionskabinetts
Stresemann unseren Bedenken gegen die Beteiligung
de» Sozialdemokratie au dieser Regierung Ausdruck
verliehen, so deshalb, weil wir befürchteten, haft cs
der Sozialdemokratie nicht gelingen werd., im Ka-
binett gegenüber den bürgerlichen Bremsern jenes

Die Rede Stresemanns.
Berlin, 24. Ang. Reichskanzler Dr. Sire-
semann hat heute bei einem Frühstück des Deut»
schen Industrie» und Handelstages Wer
die innen« und äußere Lage gesprochen. Er
knüpfte an das Wort au, daß er in seiner letzten
Rede als Abgeordneter im Reichstag geprägt hatte,
daß die eigene

Maß von Forderungen durchzudrücken, das wir als
unumgängliche Voraussetzung einer
Wiederkehr normaler, Zustände ansehen.
Wie recht wir hatten, beweist die mit großem Pomp
nngekündigte Rede des Reichskanzlers
S t r e s e m a n n.
Schon die Tatsache, daß Herr Stresemann die van
Mer Welt mit Spannung erwartete Kundgabe seines
außenpolitischen Programms als Frühstücks--
rede zu hallen beliebt«, berührt seltsam. Sie fin-
det jedoch rasch ihre Rechtfertigung in dem Ergeb-
nis, daß die nachstehend veröffentlichte Rede wahr-
lich nichts anderes als eine Frühstücksredc ist. Ein-
gebettet zivischer, auserlesenen Delikatessen und köst-
lichen Weinen mögen sich, die Ausführungen des
Reichskanzlers für die Herren vom Industr te-
il nd Handels tag gang adrett ausgenommen
haben. Als politische Kundgebung in der
geusicsten Stunde deutscher Geschichte vor e nun von
h 'nd zermürbten Volke und vor der waründcn
" Menschheit gehalten, ist diese Rede sehr irrilde gesagt
l - ein Fehlgriffzu bezeichnen, wie er in dicken
äugenden Stunden kaum schlimmer drnkbar ist.
Erst heute wieder kommt aus England eine
. ichrms, der zufolge die englische Regierung post-
li o e Vorschläge von Deutschland erwartet, nm

Sanierung im Innern
zugleich die wirksamste außenpolitische Betätigung
sür Deutschland sei und wies auf die einschneiden-
den Maßnahmen hin, die die jetzige Regierung zur
Schaffung eines Devisenfonds und zur
Sanierung der Reichsfinanzcn eingelertet habe. Er
wies eingehend den Vorwurf zurück, daß Deutsch-
land selbst den Währungsverfall b-öibeigesühri habe.
Der französische Ministerpräsident habe die Ruhr-
besetzung damit begründet, daß sie notwendig ge-
wesen sei, nm Deutschland dazu zu zwingen, Ver-
pflichtungen zu erfüllen, denen es sich bisher ab-
sichtlich entzogen habe. Er versage es sich, an dieser
Stelle auf die Vergangenheit tm Einzelnen cinzn-
gehcn. Der Kanzler ging dann eingehend auf die
Untersuchungen des Institut of Oeconomie in Was-
hington ein, das sich auf den Standpunkt gestellt
hat, daß Deutschland seit dem Waffenstillstand bis
zum 30. September 1922 miirdestens 25—26 Mil-
liarden Goldmark geleistet hat. Die deutsche
Regierung hat wirksa m e Garantien für die
deutschen Leistunigen bereits mit ihrem
Memorandum voin 7. Juni
zum Ausdruck gebracht, die die Inanspruchnahme
deutschen Reichsbesitzes und deutscher Wirtschaft
enthält. Jene Vorschläge haben jedoch bts heute
zu unserem Bedauern keine Antwort seitens
der Alliierten oder seitens einer alliierten Macht ge-
fnntden. Wir sind uns bewußt, mit diesem Memo-
randum eine grundsätzliche Entscheidung getroffen
zu haben, die deshalb als eine

mm für Deutschland — nicht für d,e anderen
Staaten, wie deutschnationale Lügensungen unserem
^Us.euipölitisch rmunterttzchteten Volke wetsmachl-n
woben — das Chaos bringenden Ruhrkrteg utzmll-
üens zu beendigen. Was tut jedoch Herr Strese-
wanu? Er greift auf das von Frankreich mit kei-
ner Antwort gewürdigte Memorandum der Re-
gelung Cuno vom 7- Juni über die kaum aus-
reichenden Garantien von Wirtschaft und Eisenbahn
KiwUck, macht eiilige stark Volksparteil', ch stili-
sierte Bemerkungen über Bölkersolidarftät und spricht
i'ch gegen eine Differenzierung von Rhein und Ruhr
einerseits und dem Deutschen Reiche anderseits aus,
Gestützt auf die Tatsache, daß das deutsche Volk
SestUofsen eine L o s r e i ßu n g d e s R h c i n l a n -
des vom Reiche ablchn t.

äußerste Krastanstrengung
des deutschen Volkes bezeichnet werden muh, weil
sic Mer die Pfandnahnie des Versailler Vertrages
htnausgehcnd, di« uns verbliebenen Krastquellcn,
auch die private deutsche Wirtschaft un-
mittelbar in den Dienst der Garantien der deutschen
künftigen Leistungen hineinzieht. Wenn in dieser
deutschen Bereitschaft Möglichkeiten einer Zulunits-
emwicklung liegen, so bedarf es für die Alliiericn
nur des Eingehens auf die Grundsätze des Memo-
randums der deui sehen Regierung, um mit uns ge-
meinsam einen Weg zu finden, der die letzten uns
verbliebenen Kraftquellen zum Träger der deutschen
Neparationsverpflichtungen macht. Die jetzige
Regierung hält an dem Angebot der voll gen
Regierung fest. Wenn die französische Regierung
aufrichtig von dein Gedanken ausgeht, positiv«
Pfänder für die deutschen Lieferungen nach Ablauf
eines Moratoriums zu erhalten, so könnte sie Wohl

Von neuen positiven Vorschlägen in
einer Art. daß sie auch Ans sicht au f Annabme
und zwar auf rasche Annahme hätten, w>e lvir sie
Angesichts unserer zerrütteten Verhältnisse unbedingt
^rauchen, ist keine Rede. Di« brennendste
^rage in unserer Anset,mnderfetzung mit Frank-
^>ch, der passive Widerstand, wird nicht e!n-
"wl gestreift. Die ganze Rede ist auf das Schema
ewer akademischen Erörterung aufg'bant,
^ber nicht auf die Wirklichkeit, die — wie die
^"nze Welt weiß und 99 Prozent des deut-
eu Volkes au seiner Unterernährung spürt,
rascheste Lösung des Konfliktes erheischt.
Das Echo dieser Kanzlerrede im Aus-
hwlld wird uns rasch lehren, wie sehr der von der
ärgerlichen Presse gewoyntermaßen schnell
'"t Weihrauch überflutete Herr Stresemann indie
rre gegangen ist. Reichsfinauzmlnister Genosse
. r. Hilferding hat vorgestern in einer meister-
ten Rede uns das Chaos enthüllt, das die „R e -
rrungher Fachmänner" des Herrn Cuno
N Zerlassen, indem er gleichzeitig WegezurSa -
. erung der Finanzwirtschaft wies. Di-Same-
/""g der Finanzwirtfchäst setzt aber die Vetle-
ü g 'des bald Trillionen verschlingenden Nuhr-
reicd^s dir Verständigung mit Frank-
die ^"raus. Diese Verständigung ist jedoch durch
^^Rede des Reichskanzlers Stresemann um kein
Nvii>? näher gebracht werden. Die Dissonanz
dtzn den sozialdemokratischen Forderungen und
Auffassungen hat damit eine Stärke
Ekcfen die ziemlich bald offen in Erscheinung

einen Weg der Verständigung mit uns finden. Aber
dieser Weg darf nicht über die Differen-
zierung zwischen Rheinland und Ruhr
einerseits und Deutschem Reich anderseits gehen.
Die wenn auch nur vorübergehende
Verpfändung des Ruhr gebiete- selbst,
die Uebereignung der rheinländischen Bahnen, die
Ncbereignung einzelner Bergwerke und Besitztümer
an Rhein und Ruhr, wie sie in den Dokumenten 23
und 25 des französischen Gelbbuches in die Debatte
geworfen sind, kann von uns ntchtals Grund-
lage der Lösung der Repara-tionSfrage betrachtet
werden. Für nns in Deutschland gibt es
keine Rheinlandfrage,
die international zu lösen wäre. Wir akzeptieren
mit Genugtuung die Erklärung des französischen
Ministerpräsidenten in den Dokumenten der fran-
zösischen Regierung, daß er weder politische Ziele
verfolgt, noch annektionistischc Gedanken hrgt. Mit
dieser Erklärung sind aber die in Vorschlag gebrach-
ten Lösungen nicht vereinbar. Erst wenn
die politischen Gesichtspunkte, die diesen Vorschlägen
innewohnen, zurückgetreten siird, gegenüber den
wirtschaftlichen Lösungsmöglichkeiten, an denen das
Reich mit -er Gesamtheit seiner Wirtschaft tetlneh-
men kann, wird der Weg für eine praktischeLö -
f u n g, von der der französische Ministerpräsident in
Charleville sprach, offen sein. Deutschland kann nur
hoffen, daß innerhalb einer gemeinsamen Verständi-
gung der Alliierten unter sich und mit Deutschland
ein Weg gesunden wird, der die berechtigten An-
sprüche der Gläubigerstaaten mit der Gewährung
deutscher CntivicklnngsmSglichkeiten vereinbart, die
auch den, deutschen Volke das Recht auf Leben
sichern, das der französische Ministerpräsident sür
Frankreich in Anspruch nimmt.
Der Reichskanzler schloß dann mit einem Hin-
weis auf die notwendige Solidarität der
Völker. Denn die Lösung der -ringenden

Verhältnisse gleichen denen von, Oktober
k warnen vor dem 9. November,

Fragen, nm die cs sich jetzt handelt, geht schließlich
nicht nur uns an, sie schließt nicht mehr und
»nicht weniger in sich, als die Aufrechterhaltung der

Kulturgemeinschaft -er Völker. Sie endet
sür Europa in der Entscheidung zwischen Frieden,
Wohlfahrt, Gesittung oder Untergang und Chaos!

Internationale Lage.
England und die französische Note.
London, 24. Au«. Baldwin hat zur Zeit
Besprechungen über die französische Note. An den
Besprechungen nahmen gestern der „Daily Mail zu-
folge teil Lord Derby, Lor- Robert Cecil, Sir Bar-
low und Sir William Hicks.
War erwartet England?
London, 24. Aug. Die „Times" setzt noch-
mals die Punkte der französischen Note auseinander,
die nach ihrer Meinung eine Grundlage für neue
Besprechungen abgeben könntenz fügt jedoch hinzu,
daß die Z ei r dr ä n ge und das drohende Chaos
nur durch die deutsche Regierung abgewehrt
werden könne. Was das Blatt von dieser erwartet,
sagt es nicht, doch ist nach der „Frkf. Ztg." unschwer
zu erraten, daß es die Anbahnung direkter Ver-
handlungen mit Frankreich erhofft.
Mehr Klarheit.
Berlin, 23. Aug. Der „SPD." schreibt zur
französischen Note an England:
Warum spielt der französische Ministerpräsident
nicht mit ganz offenen Karten, warum sagt er nicht,
welcher Art die geplanten Ae-nderringen in der Be-
satzungstechnik sein sollen, sobald Deutschland den
Passive» Widerstand aufgibt?
Keinen Tag länger, als es die nationale Selbst-
erhaltung befielt, beabsichtigt die Mehrheit des deut-
schen Volles, den passiven Widerstand fortzusetzen.
Lieber heute als morgen ist sie bereit, die Hand zur
Erledigung der schwierigen, die Welt erschütternden
Probleme zu bieten und Opfer zu bringen, wenn es
-le Zweckmäßigkeit gebietet. Aber glaubt man in
Paris, daß der deutschen Bevölkerung das Schick-
sal der politischen Gefangenen und der von Haus
und Hof Vertriebenen so gleichgültig ist, wie
man es scheinbar in Paris annimmt? Poincare
verlangt die Wiederaufnahme der Produktion, weil
er will, -aß Deutschland zahlt! Sein Wunsch muß
unerfüllbar bleiben, solange Frankreich nicht die
politischen Gefangene», Die maßgebenden Führer -er
Wirtschaft und der Arbeiterbewegung auf freien Fuß
setzt und solange nicht die auSgewiesene» Persön-
l'chkeiten wieder in ihre Heimat zurückgelassen sind.
Wie soll z. B. der Eisenbahnbetrieb wieder seinen
geregelten Gang nehme», ohne die Rückkehr der ver-
triebenen Eisenbahner? Frankreich eNoeist sich also
selbst nur einen Dienst, wenn es die deutschen Be-
amtete, wie di« Arbeitgeber und Arbettnestmer wie-
der in das Ruhrgebiet zurücklätzt. Sobald man sich
in Paris hierzu bereit erklärt, dürfte auch der Weg
zu Verhandlungen geebnet sein!
Wiederaufnahme der Sachleistungen
Belgrad, 24. Aug. Der deutsche Geschäfts-
träger erschien gestern beim Gehilfen des Ministers
des Aeutzern und stellte schon sür die nächste Zeit die
Wiederaufnahme der Sachlieserungen in Aussicht.
In Betracht kommen zunächst Lokomotive» und
Waggons.
Amerika und der Völkerbund.
Newyork, 24 Aug. Der Einladung des Völ-
kerbundes folgend wird die Regierung der Ver-
einigten Staaten Teilnehmer zu den Beratun-
gen der Fünferkommission über Humanitätsfragen
entsenden.

Vom besetzten Gebiet.
Fransurt a. M., 24. Aug. Heute vormittag
acht Uhr haben die Franzose» die Zollgrenze
über die EtseNbahnstrecke Camberg-Eschenhos hin-
ausgeschoben.
Dortmund, 24. Aug. Die Franzosen be-
schlagnahmten neuerdings in der Buchdruckerei von
Wilhelm Crüwell ISO Milliarden Mark.

Zur Situation.
Elberfeld, 22. Aug. (Eig. Bericht.) Am
Dienstag tagte in Essen eine Konferenz der
Betriebsräte aus den neu besetzten Ge-
bt eten> Vie sich sür die sofortige Wieder-
ausnahme der Arbeit anssprach. Infolge-
dessen wurde im Lause des Mittwoch in einem Teil
der seit Wochen bestreikten Betriebe die Arbeit wie-
der ausgenommen. Alt vielen Stelle» konnte dem
Beschluß noch keine Folge geleistet werden, da er
noch nicht bekannt war. Im Stadtgebiet Reckling-
hausen wurde trotz Bekanntmachung -es Ergeb-

nisses der Konferenz weiter-»« passive ««<,
fisten; geübt. §
Auch in Bottrop setzte die überwiegende Zahf
der Zechenbelegschaften den Streik fort, weil berech-
tigte Lohnforderungen Echt erfüllt wurden.
In Gelsenkirchen sind die Zechen „Ht-
bernia" und „Wilhelmine Viktoria" wegen fortge-
setzter Passiver Reststenß ausgefperrt worden.
In Buer wurde in der Nacht vom 21. zum
22. August ein französischer Poften von einem un-
bekannten Täter durch einen Overarmschutz
verletzt. Bisher sind Vergeltungsmaßnahmen von
der Besatzung nicht ergriffen worden. In der Nacht
vom 18. zum 19. August wurde in einem Walde in
der Nähe von Osterfeld von unbekannten Personen
auf ein belgisches Laswuto etwa 20 Schüsse ab-
gegeben. Aus diesem Anlatz wurde als Sank-
tion angeordnet, daß 1. alle Wirtschaften und öf-
fentlichen Lokale in Osterfeld vis zum 5. September
geschloffen bleiben, 2. bis zum 31. August der Wald
zu je 50 Meter beiderseits der Straßen abgeholzt
wird und 3. das Betreten der Wälder im ganzen
besetzten Gebiet von 7 Uhr abends vis 6 Uhr mor-
gens verboten ist.

Die Lage im Reich.
Die Aufnahme der Rede Hilferdingr
Berlin, 24. Äug. Die gestrige Rede des
Reichsfinanz,ninisters Dr. Hilfferding findet
tu Berlin eine gute Presse. Die „Voss. Ztg."
schreibt, daß es diesmal statt der üblichen Aneinber-
rethung von Zahlen scharf umriffene Gedanken gebe,
statt langfristiger Projekte die Ankündigung
vonTaten, statt guter Vorsätze ein Wille.
London, 24. Aug. Hilfferdings Rede tm
Hauptausschutz des Reichstags hat hier einen
außerordentlich guten Eindruck gemacht.
Deutschland und der Völkerbund.
Berlin, 24. Aug. Das FviedenKkartell Hai an
Reichskanzler Dr. Stresemann «in Schreiben
gerichtet, worin es für den Eintritt Deutschlands in
den Völkerbund plaidiort.
Die Deutschvölkischen rüsten.
Berlin, 24. Ang. Die Nationalsozialisten mache»,
keinen Hehl daraus, daß st« Me Vorbereitungen für
eine nationale Diktatur in Deutschland treff-.,,. Erst
vor wenigen Tagen gab E s ser-München im Auf-
trage Hitlers auf dem Kongreß der österreichischen
Hakcnkreuzler in Salzburg eine entsprechende Er-
klärung ab. In der Tat ist Hitler gegenwärtig
auch in Mitteldeutschland und in den nördlichen
Teilen des Reiches sehr aktiv. Im Verlaus der letz-
ten Tage weilte er in Berlin als Gast des Herr»,
Wulle, mit dem er eingeh eirde Besprechungen über
die konrmenden Aktionen geführt hat. Man ver»
stäivdigte sich dahin, daß Hitler bei Errichtung der
„nationalen Diktatur" Vorsitzender eines zu bilden-
den Triumphrats wird und bereits jetzt keinen An-
ordnungen über die notwendigen Vorbereitungen,
auch von den Deutschvölkischen, Folge geleistet wer»
den soll
Gewitterspannung in Bayern.
München, 23. Aug. (Eig. Bev.) Die bayerische
Politik scheint vor bedeutenden Ereignissen zu stehen.
Die rechtsradikalen außerparlameniarischen Kreise
üben «inen immer schärferen Druck ans die Regierung
Kn.lltng aus, uv, sie -sm Wille,! der Volksvertretung
völlig zu entziehen und dem eigenen gefügig zu
machen. Das Merkwürdige dabei ist, daß promt-
neitte Persönlichkeiten des Landtages selbst, die matz-
gebenden Einffttß auch ans die Regierung Haden,
mit diesen Bestrebungen Wohl vertraut sind,
sodaß inan versucht ist, an eine Rückversicherung die-
ser Parlamentarier im Hinblick aus drohende Ereig-
nisse zu glauben.
Es ist bezeichnend, daß trotz der Verschiedenheit
ihrer Ziele alle Gruppen unserer „Vaterländischen"
einig ströd Mer Vie erste Etappe des Kampfes: Besei-
tigung deS Parlamentarismus und Aufrichtung einer
nationalen Diktatur. Seit dem Wechsel der Reichs-
regierung vergeht kaum ein Tag, an dem dieses Ziel
nicht in einem der mannigfaltigen Mitlcilungs-
blättchm Vieser Organisationen offen gesprochen
wirb und von denen es dann als letzte politische
Weisheit in die bürgerliche Presse Münchens über-
geht. Außerdem sind vielfach die politischen Infor-
rnatown dieser Blätter die gleichen Persönlichkeiten,
die in irgend einer aktiven nationalen Organisation
eine führende Rolle spielen. Hier ist in erster Linie
«er hinter von Kulissen besonders tätige frühere Ju-
stizmittister Dr. Roth zu nennen, dev als deutsch-
nationaler Landtagsabgeordneter sowohl Hitler als
auch Kahr sehr nahe steht.
Ov die bayerische Negierung von den gesteiger-
ten Umtriebe» und den hochgespannten Hoffnungen
der „Vaterländischen" Kenntnis hak, ist unbekannt;
immerhin ist in maßgebenden Kreisen ein Gefühl d»-
 
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