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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 191 - Nr. 200 (19. August - 30. August)
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rages-Zeitung für Sie weMWeVeMerung vn Amlsbezitte Seidelberg. WiesloS. Mtzeim. Kvvingev. LbervaS, Mosbach, Buche», Abelshelm, Borberg. TauberbWossbei« o. NertWw

5. Jahrgang

Heidelberg, Dienstag, den 21. August 1923

Nr. 192

M MM M RkiWNl
Von Rudolf Hilf erding.

Kurz vor seinem Eintritt tn das
Kabinett veröffentlichte der jetzige
Neichssmnn.zminister Gen. Dr. Hil-
fe r d i n g folgenden aktuellen Finanz-
Plan, der in Verbindung mit einer sei-
ner Durchführung vorausgehen-
den Beilegungdcs Rn hrkon-
flikts für die Währungssanierung
größte Beachtung verdient.

Wir sind — das ist hier bereits gezeigt worden
-- im letzten Stadium der Inflation. Jetzt gibt es
nur eine Alternative: entweder die Katastrophe
der Staatswirtschast und als ihre unmittelbare
Folge die Katastrophe der gesamten Wirtschaft, oder
die Rettung durch Einstellung der Inflation. Die
Fortdauer des bisherigen Zustandes ist unmöglich.
Das Reich muß fortan seine Einnahmen aus
Steuern und Anleihen zu decken suchen.
Die Dollarcuiwicklnug hat die außerordentlich
starke Vervielfachung der Einkommen- und Körper-
ichaftssteuervorauszahlung zur harten Notwendig-
keit gemacht. Die Steuerpflichtigen können sich bei
Herrn Havenstein bedanken. Welch gräßliche
Planlosigkeit, welcher Mangel an jeder Voraus-
sicht! Zuerst Einführung des Einheitskurses ohne
dtc nötige Vorbereitung einer Stützungs- und Fn-
rerventionspoliW. Dann plötzlich wieder Beseiti-
üung des Einhettskurscs in der kritischsten Situation,
iv°eder ohne jede Vorbereitung einer Intervention,
um wenigstens dem ersten Ansturm der Deviseunach-
srnge halbwegs Stand halten zu können. Resultat:
die sinnlosen, wirtschaftlich unbegründeten Dollar-
sprüwge, die Panik rmd das Entsetzen in jeden Haus-
kurlt nagen und die gefährlichste soziale Erregung
ichasfen; die die Steuervorlagen der Regierung um
Tag auf den andern entwerten, täglich neue
npassung möglich machen. Hätte eine vernünftige
ttiebsbankpolitik den Dollar auf einer Million sest-
chattsu, so wären wir mit der lOOfachen Erhöhung
u'r Eii tommensteuer ausgekommen, während wir
etzt die bOOfache brauchen. Es wäre wirklich billiger
und vernünftiger gewesen. Herr Havenstein kommt
ledrm Steuerzahler verdammt teuer zu stehen und
mu unglücklichen Konsumenten erst recht!
Von der Steuer feite her wird diesmal
unmerhin das Nötige geschehen. Aber die Steuer-
' u ittk muß ergänzt werde« durch eine planmäßige
" energische Ern!thr«ngSpolt1ir. Die
'icmsb^ntk darf nicht mchr da« Hindernis, sie muß
Instrument einer die mmwHattsame Entwick-
ung fördernden, z»r chesttndn«« führenden W8H-
'"ns?porittk werde«.
Dazu ist ekne «enden»«» der «eichsbankleitung
- läßlich. Herr Havenstein ist den Anforderungen
.-p schwierigen Zett nicht gewachsen, er mutz
' ' sichern und einsichtiger« Kräften den Platz
'">uuen.

Als wir im Reichswirtschastsntt das von Ha-
' s» i>r ausgearbettete und vertretene Autono-
"^'gesctz bekämpften, als wir davor warnten,
Verfügung über den Goldschatz der Nation, über
' "s wichtigste wirtschaftliche Machtinstrument in die
"ttmschrünkle und unverantwortliche Verfügung
c - Re: chsban>kdtrektoriums zu legen und einen
"wat im Staate zu schaffen, als wir voraus-
^agten, daß Reibungen und Konflikte zwischen
Verantwortlichen Regierung und der autonomen
-"landen verantwortlichen, völlig souveränen
^eicysbankleitung entstehen müßten, da versicherte
'-/rr Havenstein, das sei alles unmöglich, es seien
"btt theoretische Befürchtungen. Nie
Atze sich die Rcichsbankleitung berechtigten For-
-,""ngen der Regierung, dem Urteil der Sachver-
"digen, dem Druck der öffentlichen Meinung ent-
- ">en können; nie dürfe man ihr solches zumuten.
dluu wohl! Herr Have-nstein ist im stärksten
^ -dersprgch zur Politik der Regierung, zum Urteil
A . meisten Sachverständigen und der öffentlichen
^-mnung geraten. Er genießt nicht mehr das nötige
, rauen; es ist notwendig, daß er die Konsequen-
s» ^eht. Die Rücksicht auf einen Mann, der per-
sti-s "ill-r Achtung wert ist, darf nickst der Rücksicht
-l das Reich vorangehen.
Mn -ienderung der Neichsbaukleitung ist erste,
''"Dingliche Voraussetzung für die neue Reichs-
lpolttit. Was sind nun ihre nächsten Ausgaben?
Uebergang der privaten Wirtschaft zur
Ti . r^c ch u n n g ist fm wesentlichen vollzogen,
ist ^isache muß die Reichsbauk ihre Poli-
fassen. Sie muß den vergeblichen Widerstand
ister^'/n "iid die nötigen Maßnahmen schnell und
§iihrn» durchführen. Dazu gehört die Durch-
G o!"ig des Uebcrgangs vom Papierkredit zum
d"» rtb dit. Das Vorhaben der Reichsbank,
d>cn '^""dige Wechsellombardierungen vorzuneh-
'"ck>' m unzulänglicher und untauglicher Ver-
/'"iwendig ist die Diskontierung von Gold-
dror?„s" ^bgen einen angemessenen, vielleicht steben-
Diskont. Da es sich um Goldkredite
'chäft---,' wesenlichen nur zu legitimen Ge-
ei>,x ^ ^cken genommen werden dürften, ist dann
^"biern, ^^b^iiche Kredilresttiktton, wie sie bei
doiwcnr,! erfolglos versucht wurde, nicht
^"aszei," Vielmehr werden während der Ueber-
b^wreri-,. Kredite zur Ucberwindung der
dein gewährt werden müssen, die aus
"Ngel an Betriebskapital herrühren, der durch

eine salsche, während der Inflation aber sehr lukra-
tive Kapitalbeschaffungspolittk entstanden ist. Die
Goldkredite ermöglichen dte Annahme von Gold-
konten, auf die sich dann ein Goldrechnungsver-
kehr der Wirkschaft aufbauen kann.
Zugleich kann die Reichsbauk Devisen als
Depositen annehmen und sie, um einen Anreiz zu
schaffen, verzinsen. Der Devisenzuslutz kann gesteigert
werden, indem den Exporteuren die Verpflichtung
auferlegt wird, der Reichsbank den größten Teil
der Exportdeviscn gegen Gutschrift auf Gold-
konto abzuliesern. Einem solchen Plan, der im
Neichswirtschaftsminifterium ausgearbettet Wird,
bat die bisherige Reichsbankleitung Schwierigkeiten
bereitet und ihn trotz seiner Dringlichkeit bis jetzt
verhindert.
Diese Maßnahmen würden einerseits der Reichs-

stärkere Verfügung Wer Devisen geben, ander-
seits für dm Geldverkehr den Beginn eines Gold-
zahlungsverkehrs schaffen, auf dem sich dann auch die
Goldbalanzierung und Goldbuchführung der Privat-
wirtschaft aufbauen würde — die Voraussetzung für
die Einführung echter Goldsteuern.
Bet der jetzt erreichten Entwicklung aber, bei
dcM Beginn einer Nichtannahme der Mark kommen
wir mit diesen Maßnahmen nicht mehr aus. Wir
brauchen Goldzahlungsmittel für einen größeren
Umfang der Wirtschaft. Dafür dient zunächst die
neue Goldanleihe in ihren kleinen Abschnitten. Aber
dieses Zahlungsmittel ist einmal durch'dte Höhe deS
gezeichneten Bettages beschränkt; ein Teil wird fer-
ner nicht als Zahlungsmittel, sondern zum Sparen
als Anlage verwandt werden. Zudem macht ein
Zahlungsmittel, das Zinsen trügt, unnütze Volks-

Der drohende Zusammenbruch im
deutschen Zeitungsgewerbe.

* Heidelberg, 21. August
Im deutschen Zeitungsgewerbe droht in un-
mittelbarer Gefahr der Zusammenbru ch. Ab-
gesehen von wenigen ganz groben Zeitungen, die
eine verhältnismäßig zahlungsfähige Leserschaft
nebst regelmäßigen und hoch bezahlten Inseraten
Haven, sind nur dte Zeitungen außer Gefahr, die
eniweder von der Schwerindustrie oder vom
Agrariertum ausgehalten werden. Die wirk-
lich politische Presse ist am schärfsten be-
droht. Die ehemals an Zahl noch ansehnliche
demokratische Presse ist bis auf wenige Aus-
nahmen verschwunden; dte Z entru mspre f f e,
die vorwiegend tn vielen kleinen Pretzorganen sich
präsentiert, kämpft den härtesten Verzweiflungs-
kamps, den selbst die lebhafte Preßpropaganda der
mobilisierten katholischen Geistlichkeit nicht zu mil-
dern vermochte.
Die sozialdemokratische Presse hat sich
bisher im allgemeinen zu halten vermocht, aber, Man
täusche sich nicht, die Gefahr des Erliegens
ist für sie nun auch da.
Dte Ursachen. Dem grenzenlosen Holz-
wucher ist der nicht minder grenzenlose Wucher
der Zellstoff- und Papiersyndikate gefolgt. Vor-
läufig ist der Preis für einen Waggon Papier aus
2x- Milliarden diktiert worden — wer weiß, wie er
in einigen Tagen sein wird. Und wie die gesamte
Industrie unter der Führung der Schwerindustrie
und der Textilvarone phantastische Wucherorgien
gefeiert hat und noch feiert, so auch die Unternehmer,
die die übrigen Rohmaterialien zur Herstellung einer
Zeitung liefern.
Die Groß- nnd Kleinhändler konnten der Wucher-
epidemie insofern folgen, als sie täglich und
stündlich ebenfalls die Preise zu steigern ver-
mochte, und von dieser Gelegenheit denn auch gründ-
lich Gebrauch gemacht haben. Die Zeitungen
können das nicht. In Deutschland ist man das
auf einen Monat oder auf ein Vierteljahr abge-
schlossene Abonnement gewöhnt. Diese konnten
die wilden Preissprünge mitmachen. Auch das
Halbmonatsabonnement genügt der ein-
fach tollen Situation nicht. So humpeln die
Zettungen wenigstens einen halben Monat
hinter den Preissprüngen her. Resuliatr
das Zeit nngsge werbe ist in lebensge-
fährlicher Bedrängnis.
Kein Wunder, daß tn dem Augenblick, als die
Teuerungswelle über das Land hercinbrach, als die
Wucherei eine der hervorragendsten deutschen Er-
scheinungen geworden ist, als die Preise kletterten,
die Zeitungen einen sehr schweren Stand bekamen.
Die Löhne im Buchdrucke rgewerbe sind
seit etwa anderthalb Jahren wesentlich hinter
den übrigen Löhnen zurückgeblieben. Der gelernte
Buchdrucker war noch vor wenigen Wochen erheblich
schlechter bezahlt als der nächste beste ungelernte
Arbeiter, ja schlechter sogar, als selbst oft 16- bis
l8jährige Arbettsburschen. Die materielle Lage so-
wohl der Buchdrucker wie der Angestellten und der
Redakteure war noch ungünstiger, als sie
gemeinhin für die Arbeitnehmer geworden ist.
Sicher ist, daß der Bezugspreis der Zeitungen
keineswegs im Verhältnissen zu allen ande-
ren Preissteigerungen gestiegen ist. In der Preis-
steigerung etwa Schritt halten zu wollen, das konn-
ten sich die Zeitungsverlage, besonders die der Ar-
beiterpresse, einfach nicht erlauben. Bisher wurde
durch energisch, ja oft rücksichtslos durchgeführte Er-
sparnisse der Ausgleich gesucht, wobei allerdings die
Grenze erreicht sein dürfte.
Was es für -die Arbeiter bedeuten würde,
wenn ihre Presse zum größten Teile zum Erlie-
gen kommen sollte, wird — dann aber zum größten
eigenen Schaden, also zu spät — dem Arbeitern
zum Bewußtsein kommen, wenn der Untergang
der Arbeiterpresse nur einige Monate ge-
dauert hat. Wir sind bisher nicht müde geworden,
darauf zu verweisen;
wir yabcn unsere Pflicht erfüllt.
Die dem Zusammenbruch eines Teils der deut-
schen Zeitungen vorarbeitenden Tatsachen werden,
um das hier ganz offen zu sagen, systematisch
gefördert. Und wir sind überzeugt^ daß die G r ö -

benimdeutschenBuchdruckgewer'oemit
daran arbeiten. Schwerindustrielle Konzerne,
Syndikate und sonstige kapitalistische Organisationen
und JNteressrntenvereinigungLN, die nicht nur ma-
teriellen, sondern auch politischen Zielen zu-
streben, arbeiten bewußt und zäh am
Untergangder Arbeiterpresse, schließlich
auch der kleineren und mittleren Provinzvrcsse. Und
dte Regierung Cuno, die wirtschaftlich nach
drM Diktat des Herrn Heisse rich schaltete und
waltete, und die in dem Wirtschaftsminister Dr.
Becker einen freudigen Mitarbeiter im Sinne der
Förderung großkapitalistischer Pläne hatte, siehat
kräftig mttge helfen, das große Zeitungs-
sterben einzuletten. Inzwischen breitet Herr Sttn -
nes und breiten unsere kapitalistischen Vereinigun-
gen die Polypenarme ans, um auch die deutsche
Presse ihrer ungezügelten Profitgier, ihrem reaktio-
nären Machthunger opfern zu können. Das deut-
sche Großkapital ist dabei, die unabhängige
Presse zu erwürgen.
Vor allem ist eS auf die Arbeiterpresse
abgesehen. Ist sie erledigt, dann wird auch die
gesamte Arbeiterbewegung tödlich getroffen.
Lassen sich die deutschen Arbeiter ihre Presse er-
würgen, so ist das für das Großkapital der Veste
Beweis, daß die Arbeiterschaft die Grundbe-
dingungen des mit aller Kraft begonnenen ge-
waltigen Ringens zwischen Kapital und Arbeiter-
schaft, zwischen Demokratie und Reaktion nichter -
faßt HM.
Als in Oesterreich vor reichlich zwei Jahren
ähnliche Zustände hereinbrachen, wie wir sie jetzt tn
Deutschland erleVen, hat dte W t en er Arbeiter-
schaft in glänzendem und vorbildlichem Opfer-
mut und Kampfesentschlosfenheit die
Katastrophe von ihrer Presse abzuwenden ver-
standen. Aus diesem mit Erfolg geführten Kampfe
hat die österreichische Sozialdemokratie eine poli-
tische Kraft geschöpft, die sich für die Arbeiter-
schaft ungemein nützbar gemacht hat.
Wie werden sich die deutschen Arbeiter
verhallen?
Wie die Arbeiterschaft Heidelbergs und
Unterbadens?
In wenigen Tagen wird die Antwort auf diese
Frage gegeben werden können,
*
Wie wir bereits berichteten, haben die Zei-
tungsv erle g er von ganz Mitteldeutsch-
land beschlossen, allen Buchdruckergehtlfen zu kün-
digen und die Betriebe zu schließen. Die Voll-
versammlung des Vereins Berliner Buch-
druüereivesitzer sieht keine Möglichkeit, die neuen
Buchdruckerlöhne aufzubrtngem Sie ernpfichlt, die
Arbeitszeitverkürzung zu veranlassen.
Wenn die Arbeitszeitverkürzung nicht den notwen-
digen Ausgleich ergeben würde, muß die Sch lie-
st ungderBetriebe den gesetzlichen Vorschriften
entsprechend vorbereitet werden. Die im Verbände
der o b e r s ch w ä b i sch e n Zeitungsverlcger tn
Friedrichshafen zusammengeschlossenen 2 0 Zei-
tungen sowie die im Verlage der „Oberschwäbi-
schen Volkszeitung" tn Ravensburg erscheinenden
Zettungen konnten nicht herauskommen. Die ge-
nannten Verlagsfirmcn sehen sich außerstande, die
Lohnerhöhung aufzubringen.
Schwerste Not n. Zerfall droht so dem Zeitungs-
gewerbe. Selbstverständlich sollen nun die Arbeiter
mit den Lohnerhöhungen schuld sein. An den
Wucher der Papier- bzw. Holz liefe -
ranten denkt niemand. Der „Vorwärts" be-
merkt deshalb mit Recht: „Es ist irreführend,
dcn Tariflohn der Buchdrucker als Ursache dafür
anzugeben, und gar als einzige Ursache. Die Zei-
tungsverleger müßten schon mit mindestens dersel-
ben Energie, Mit der sie sich gegen eine Halbwegs
auskömmliche Entlohnung der Gehilfenschaft wen-
den, sich gegen den maßlosen Papierwucher
wenden, der die wirkliche Ursache der mangelnden
Prosperität des Gewerbes darstellt. Diese Ursache
kann auch durch keinen „Regionaltarif" behoben
werden, der unter der Drohung der Brotlosmachung
erzwungen werden soll "

wirtschaftliche Kosten. Wir müssen deshalb alsbald
einen weiteren Schritt ins Auge fassen: wir
müssen der Wirtschaft eine Goldwährung geben.
Deshalb schlagen wir dorr
Die Reichsbank wird in zwei Abteilungen zer-
legt, in eine Goldmark- nnd eine Papiermarkavtet-
lung.
Die Goldabteilung erhält die Verfügung
über 300 Millionen Gold aus dem Goldbestand der
Reichsbank. Sie hat das Recht, auf Goldmark lau-
tende Banknoten auszugeben. Diese müssen zur
Herstellung des Vertrauens — theoretisch ist di«
Golddeckungsfrage umstritten — zur Hälfte durch
auf Goldmark lautende Handelswechsel gedeckt sein.
Die Papiermark« Steilung behält sich zu-
nächst die technische Abwicklung des Papier-
notenumlaufs. Sie diskontiert die Schatzanwei-
sungen des Reiches, solange nicht die Deckung durch
Steuern und Anleihen gelungen ist. Die bereits
vorhandene schwebende Schuld des Reiches gilt da-
bei als das ungedeckte Notcnkontmgent. Dieses ist
noch um eine bestimmte gesetzlich festzu-
legende Summe zu vermehren, die nötig ist, nm
das noch verbleibende Defizit zu decken. Papier-
markkredite an die private Wirtschaft werden abge-
wickelt, neue nicht ausgegeben. Der Bedarf
der Wirtschaft in Papiermark wird von der Goldab-
teilung in Form von Goldmarkkrediten be-
friedigt. Die Goldmarkableilnng erhält die dazu
nötigen Papiermarknoten gegen Hinterlegung ihrer
Schuldverschreibung von der Papiermarkabteilung.
Es ist klar, daß mit der Schaffung der Gold-
währung das Grundproblem nicht gelöst wird: daß
auch dte hier vorgeschlagenen Maßnahmen wäh-
rnngs technische Maßnahmen bleiben. Notwen-
dig ist imch wie vor die Stabilisierung der Papier-
mark, denn sonst würde die Tendenz zur Repudia-
tion, zur Nichtannahme der Papiermark, sich ver-
allgemeinern, der Staat dadurch zahlungsunfähig
werden. Da zudem eine Unsumme von Fordeungen
und Verpflichtungen in Papiermark in der Privat-
wirtschaft Vorbanden sind (man denke nur an alle
Kreditoren und Debiioren der Banken, alle Wechsel-
verpflichtungen usw.), die alle bei einer allgemeinen
Repudiation wertlos werden, so kommt alles daraus
an, die Papiermark zur Goldmark in ein festes Ver-
hältnis zu bringen, das heißt eben dte Mark zu stabi-
lisieren.
Das hat aber zwei unerläßliche Voraus-
setzungen: einnial die steuerpolitische, die Deckung
der Retchsetnnahme durch Steuern und Anleihe;
dann die w äh ru n gs po litis che der Stützungs-
aktion. Dazu bedarf sie eines Devisenfonds,
den ihr die Wirtschaft aus ihren Devisenbeständen
zur Verfügung stellen muß. Werden diese Maß-
nahmen unterlassen, unvollständig oder zu spät ge-
troffen, damr würde gerade durch die Ausdehnung
des Goldrcchnungs- nnd Goldzahlungsverkehrs die
Repudiation der Papiermark außerordenilich be-
schleunigt u. die Katastrophe, die vermieden werden
soll, erst recht HerSeigesührt.
Einfacher und sicherer wäre der Weg der Sta-
bilisierung tn früherer Zeit gewesen, als die
Papiermark in ihrer Funktion als Zahlungsmittel
noch nicht so arg gefährdet war. Eine besonnene
Neichsbankpolitik in Verbtttdung rnit einer ener-
gischen Finanzpolitik hätte weniger Opfer gekostet,
Weniger Gefahren HerSeigesührt. Heute gibt es kei-
nen andern Weg, als die Gesamtheit der Maß-
nahmen gleichzeitig durchzufuhren.
Zur Ausführung dieses Planes gehört eine ihrer
Aufgabe bewußte Reichsbankleitung, die auch mit
dcr nötigen Autorität einem Rückfall der Finauzver-
waltung in neue Jnflationspolittk entgegcnzutreten
wissen wird.
Ein Attentat ans
Stresemann?
Berlin, 20. Slug. Die Mordhetze del
Teutschvölkischen gegen das Kabinett Stre -
iemann beginnt ihre Wirkung auszuüben, wie
nachstehende Meldung trotz ihrer Verklausulierung
zeigt. Die „T.U." meldet nämlich:
Berlin, 20. Aug. Die Gerüchte von einem
Aitentat auf dm Reichskanzler am Sonntag abend
sind unzutreffend. Es sind lediglich gestern
abend gegen 8 und 10 Uhr von der Wache zwei un-
bekannte Personen iM Garten des Reichskanzler-
palais gesehen worden, die auf Anruf die Flucht
ergriffen. Ihnen nachgesandte Schüsse haben ihr
Ziel verfehlt. Die Polizei hat Nachforschun-
gen eingelcitet. Mit Rücksicht aus die Zeit des
Vorfalles ist der Verdacht nicht unbegründet, daß es
sich möglicherweise um den Versuch eines
Diebstahls in das Reichskanzlcrpalais handelte
zwecks Entwendung diplomatischer Aktenstücke. An-
gesichts des Vorfalles ist dafür gesorgt, daß die
ständige Wache tm Reichskanglerpalats Verstärkung
Inhalten hat.
Die Mordhetze gegen Stresemann.
Berlin, 20. Aug. Wie die „Nationalliberale
Korrespondenz" berichtet, Hai der völkische Literatttt-
prosessor Bartels öffentlich der Hoffnung Aus-
 
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