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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Mai - August)

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Nr. 141 - Nr. 150 (21. Juni - 2. Juli)
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lkszeiiung

Nr. 146

Heidelberg, Mittwoch, den 27. Juni 1923

Monatlich elnschll.ßl.
Ml. 8788.—. Anzeigen-
drr.n einsvalt. Petit,eile oder
siir sr., "uw (38mm breit) Mr. 1000,
vi,,A'öwärtige Mk. ILM. Rellame-
-°ni breit) Mk. MM, für
bnn, "ige Mk.400V. Bei Wieder-
Zungen Nachlaß nach Taris.
Tages-Zeitung für die werMige Bevölkerung der Amtsbezirke öeidelberg. Wiesloch, Sivsbeim, Kvvingeu. Sbervach, Mosbach, Nachen, Adelsheim, Vorberg, rauberbischofsheim u. Wertheim
Jahrgang

stunden der Redaktion: II—tLUHr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr.2LL77.
Tel. Adr.: Volkszeitung Heidelberg.
Druck u. Verlag der llnterbadischest
Verlaasanstalt iS. m. b. H., Heidel,
berg. Geschäftsstelle: Schröderstr.-W
Tel.: Expedition 2873 u. Redak.267S>

Skepsis.
* H eid elb e r g, 27. Juni.
Wir haben gestern in unserem Leit-
artikel unsere kritischen Vorbehalte zu
den neuesten „S t ii tz u n g s ma tz-
nah m e n der R ei ch s r e g t er u n g"
dargelegt, indem wir Bedenken äußer-
ten, ob angesichts der Steuersabo-
tage der Besitzenden unter still-
ichweigender höherer Duldung und an-
gesichts unserer gesamten: außen und
Ämenpolttischen sowie wirtschaftlichen
Lage die neueste Verordnung durch-
greifende und dauernde Besserung brin-
gen kann.
Diesen kritischen Bedenken schließt
sich auch Genosse Dr. Ludwig Ques-
sel - Darmstadt an, der im Darmstädter
„Bolksfreurtd" wie folgt schreibt:
. Bei Besprechung der sozialdemokratischen Jnler-
Ellation über die Teuerungsmaßnahmen infolge der
' wrkentwertung bat der demokratische Redner Dr.
q/rnk>urg, der frühere Direktor der Darmstädter
sich lustig gemacht Wer die Redner, die die
^"rkeruwcrtung aufhalten wollen, ohne die
° tenpresse sttllzulegen. In der Tat ist eine
>.^btltsierung der inneren und äußeren Kaufkraft
. Papier-Valuta nurmöglich bei Einstellung
Notendrucks. Das hatten die französischen
A/n a n z p 0 l i t iker schon vor drei Jahren klar
griffen, als sie, um die weitere Entwertung des
Wulm zu verhüten, im dritten Quartal des Jah-
»^920 die Notenpressen still legten.
H Deutschland liegen die Dinge nun so, daß der
b^eirdruH während des Ruhrkriegs geradezu
" >r t ast i > ch e n Umfang angenommen hat.
kur ^webende Schuld, das beißt die Masse der zir-
wlerenden Banknoten und Schatzanweisungen, be-
' ägt zur Zeit 12 Billionen Mark. Allein in der Zett
1. bis 10. Juni ist eine Vermehrung um 1,5
. Mionen eingetreten. Man darf nach den neuesten,
, "Wh die Teuerung notwendig gewordenen Lohn?
«rb Gehaliserhöhungcn der Beamten und Staats-
dle Ecr annehmen, daß in den nächsten Wochen sich
<1^ Zunahme der schwebenden Schuld Pro Dekade
Tage) auf fünfBtllionenerhöhen wird,
ätz bei einer solch forcierten Fabrikation von Zah-
mgsnritteln — man fängt jetzt an, die Milliouen-
lNtte in solchen Mengen hevzustellen, wie man vor
zi-, ^'chlkrieg die Zehntausendmarkscheine produ-
,/we — von einer Stabilisierung der Mark kein«
b°e sein kann, ist selbstverständlich. Selbst wenn
der Reichsbank gelingen sollte, den äußeren Wert
.'Närk für etrttge Wochen stabil zu hatten, wird
sclni " "br e Markentwertung trotzdem rasende Fort-
machon. Einen Vorgeschmack von dem, was
bevorstcht, gibt eine Meldung aus Berlin, daß
au,- ^Eratzenhahn ihren Tarif am Montag von 600
äs lOvo und ächt Tage Mer von 1000 auf 1500
'Nark erhöhen wird.
Nei./ Wiederaufnahme der Stützungsaktion der
ri 'mWank, so notwendig und begrüßenswert sie
dai niemand zu der Annahme verleiten,
kr»?aul>t eine erhebliche Festigung der Kauf-
Es" , der Mark tm Innern zu erreichen sein wird,
low i dws für die Lohn- und Gehaltsempfänger in-
»en. don größter Wichtigkeit, als sie durch die
do, ° Markstützungsaktton der Reichsbank sich nicht
Sl„ dem Kmnpf um die Wertstcherung deS
Sl, ° ^itscinkommens abhalten lassen dürfen.
2>vu der äußere Wert der Mark, gemessen am
et^ar, durch die Aktion der Reichsbank sich wieder
N;. 7 heben sollte, wird die innere Kaufkraft der
htzke» wfolge der fortschreitenden Inflation weiter
w«n> Der Judexlohn behält feinen Wert auch,
khrs »S der Reichsbank gelingen sollte, den Dollar-
h'ech d"Ebergehend auf ivoovo zu senken. Eine
N„A^8ehende Senkung scheint überhaupt nicht in
aksio» genommen zu sein. Da die letzte Stützungs-
dill, der Reichsbank 80 Millionen Dollars (376
ges».°'wn Goldmark) gekostet hat, so scheint es aus-
' daß die neue Aktion von langer Dauer
"str kr"d, weil die Reichsbank mehr als 400 Millio-
ivir'd "idmark >ür die neue Stützungsaktton kaum
"'"st .""^wenden können. Wie die erste Markstühung,
»lz ^?"tllrlich auch die zweite, die jetzt einfetzen soll,
l"std i reine Kriegs Maßnahme angesehen
tun» * und nicht als ein erster Schritt zur Sante-
Akeh» ""serer Währung. Solange der ungeheure
selbst "Laiben erfordernde Ruhrkrieg währt, ist
ttistg Ländlich an eine Sanierung unserer Währ-
kehx ^^t zu denken. Alle Maßnahmen — auch
d'^hrkai»»."^ — können, solange der deutsche Ab-
ßircyH "dwanhält, immer nur bewirken, daß solche
ist dex Zusammenbrüche des Mamvertes, wie sie
d'aren » und dritten Juniwoche zu verzeichnen
Im ^"?eden werden.
"""ge'l ist zu befürchten, daß die zweite
eer zu>- m "" der Mark genau wie die erste wie-
^retse °rung kapitalistischer
Rhein "reu wird. Während die Arbeiterschaft
'"risnrus „ "-"der Ruhr dem französischen Mili-
^estand .em!? schweren Opfern entschlossenen Wi-
alt- unn »» betrachten die kapitalisttschen Kreise
^l>rka,nm , d°setzten Gebiet den deutschen Ab-
^schäftes ch^wutltch aus dem Gesichtswinkel des
^densalls spricht aus dem Verhalten
" de,, Si/a andere als der Glaube
a Deutschlands im Ruhrkrieg.

Im ganzeit werden die Lohn- und Gehaltsemp-
fänger gui tun, sich von der zweiten Stützungsaktion
der Mark nicht zuviel zuversprechen. Ins-
besondere falsch wäre es aber, wenn sie sich durch
das Geschrei der kapitalistischen Presse, die Wertsiche-
rung des Arbettseinkoimnens gefährde dteSttitzungs-
aktion der Mark, von ihrem Kamps um eine w e r t -
beständige Entlohnung ablewken ließen.
Solange der Ruhrkampf währt, ist an eine Stabitt-

Berltn, 27. Juni.
Es siitd im» Laufe der letzten Monate wieder-
holt Femenmorde innerhalb der rechtsradi-
kalen G sh-e nno lganisa-t i o nei r vorgeno Minen wor-
den. Wir erinnern au den Studenten Bauer, der
in München ermordet wurde, und an die in der
Ostsee „verunglückten" Engelbrecht und Otto. Aus
Grund der gestern von uns gebrachten Mitteilungen
über den Mord von Parchim (Mecklenburg)
scheint man endlich mal einem solchen Fememord
auf die Spur gekommen zu sein. Die «Vorgänge,
die zur Aufdeckung geführt Haven, sind fol-
gende:
Am Abend des vergangenen Freitag (22. Juni)
erschienen in der Redaktton des „Vorwärts"
zwei junge Leute, welche Angaben über die Roß-
adchorgantsationen in Mecklenburg machten, und
zugleich über einem politischem Mord berichteten,
der in der Nacht vom 31. Mal zum i. Juni d. I.
in der Nähe von Parchim (Mecklenburg) von
Roßbachlleuten begangen fein sollte. Nach dem Be-
richt war der Ermordete ein gewisser Walter Ka-
tz o w, der bis Vor kurzem ebenfalls einer Roßbach-
ovgamisätion in Mecklenburg, dem sogen. „Verein
für landwirtschaftliche Berufsausbildung qugehörte.
Er sei der Feme verfallen, weil seine Kameraden
ihn im Verdacht der „Spitzelet" gehabt hätten.
Die Redaktion des „Vorwärts" fetzte sich um-
gehend mit Abteilung la des Berliner Poli-
zeipräsidiums in Verbindung. Diese stellte
fest, daß die von den Anzeigenden Wer die Roß-
dachorganisattoneu gemachten allgemeinen Angaben
der Wahrheit entsprächen. Sie trug daher auch
keine Bedenken, dem Bericht über dm Mord Glau-
ben zu schenken, zumal dieser Bericht genaue An-
gäbest über die einzelnen Täter, über die Ausfüh-
rung des Mordes und Wer die Mordstelle ent-
hielt. Noch in derselben Nacht wurde ein Beamter
der Abteilung la nach Mecklenburg entsandt.
Die dann in Parchim und Umgegend einsetzen-
den Ermittlungen bestätigten die Angaben der bei-
den Gewährsmänner. Man fand an angegebener
Stelle die in einer Waldschonung in der Nähe von
Parchim vergrabene Leiche des Kadow, und
nahm vier am Mord Beteiligte fest. Ge-
gen drei iveitere, bisher noch nicht erWtfferre Per-
sonen, ist Haftbefehl erlassen. Bei allen sie-
ben straftrechtlich «Verfolgten, handelt es sich um
Mitglieder der in Mecklenburg noch nicht ausgelösten
„Deutschvölkischen Fretheitspartei"
sowie um Angehörige der obengenannten Rotzbach-
orWittfation „Verein für landwirtschaftlicher Be-
rufsmisbiwumg". Mit der wetteren Verfolgung
der Angelegenheit besaßt sich die mecklenburg schwe-
rinsche Staatsanwaltschaft. Nach dem Ergebnis
der bisherigen Vernehmung, handelt es sich tatsäch-
lich um einen Es politischen Gründen began-
genen Mord. Man beseitigte Kadow, weit man
ihn des Doppelspiels mit der kommunistischen
Partei für verdächtig hielt. Die Ermordung er-
folgte in geradezu viehischer Weise. Rollkomman-
dos verschiedener mecklenburgischer Roßbachtrupps,
die in einer Gastwirtschaft zu Parchim zufmnmeu-
berufeu waren, machten Kadow zunächst betrunken.
Nach Schluß der Polizeistunde führen sie in einem
Wagen aus Parchim hinaus, zerrten ihn tm Wald
vom Wagen herunter, schlugen mit Baumstämmen
Mf Kadow ein, bis er bewußtlos war und traten
ihn mit Stiefelabsätzen ins Gesicht. Der besinnungs-
los und stark blutende Kadow wurde bann erneut
auf den Wagen geladen, und in einer Waldschonung
wieder vom Wagen heruntergeschleift. Hier schnitt
ihm einer der Täter die Kehle durch, zwei andere
jagten Win aus Armeercvolvern drei Kugeln in den
Kopf. Mim ließ die Leiche an der Mordstelle bis
zum nächsten Morgen liegen und scharrte sie dann
ein.
Merkwürdige Krirninaljustiz.
Berlin, 27. Juni. (Letztes Telegr.) Die Unter-
suchung über den Fehmemord der Roßbachleule in
Parchim liegt zur Zeit in den Händen der mecklen-
burgischen Justizbehörden. Indessen sprechen An-
zeichen dafür, daß die Angelegenheit dem Staats-
gerichtshof in Leipzig übertragen wird, da sie
mit der Roßbachangelegenheit in engem Zusammen-
hang« zu stehen scheint. Freilich, der mecklenburgi-
sche Staatsanwalt scheint für die politische Seite der
Affäre wenig Verständnis und noch weniger Inter-
esse an den Tag zu legen. Indessen hat die Berliner
politische Polizei wichtige Zusammenhänge zwischen
Roßbachorgantsation und Fehmemord festgesteM.

sierung der Kaufkraft der Mark überhaupt nicht zu
denken. Der Wert der Mark wird infolge der In-
flation weiter sinken, auch wenn ihr äußerer
Wert einige Zeit stabil bleiben sollte. Die Arbeiter,
Angestellten und Beamten müssen daher mit der
Waffe des Jndexlohnes dagegen ankämpsen,
daß die von hinten sie überfallende Teuerung ihnen
nicht jede Lebensmöglichkett raubt.

Daß die leitenden Stellen der Roßbachorgarttfation
nach geschehener Tat von den Vorgängen genau un-
terrichtet wurden und aktiv an der systematischen
Verdunkelung der Tai mitwirkten, indem sie z. B.
bewußt die Zerstreuung der unmittelbar Beteiligten
über ganz Deutschland besorgten, konnte bereits ein-
wandfrei fcstgestellt werden. Bereits sind auch einige
Verhaftungen vorgenommen.
Für all das zeigen jedoch der Staats an w a lt
und der Un t e r s uch un gsr i ch t er in Schwerin
so wenig Interesse, daß sie unbegreiflicherweise die
beiden Ortsgrößen der D e u t sch v ö l ki s ch en
Fretheitsparlei in Parchim, den Kaufmann
Massolle und den Fabrikanten von Hardt nach weni-
gen Stunden aus freien Fuß setzten, obwohl diese
nach der ganzen Sachlage als belastet zu bezeichnen
sind. Wenn em Staatsanwalt, wenn ein Unter-
suchungsrichter in einer Affäre nach einer bestimm-
ten Richtung hin hinctnleuchten will, dann gelingt
rs ihm unschwer, allerhand aufzudecken. So wäre
es unschwer festzustellen gewesen, welche Leiter der
Deutschvölkischen von dein grauenhaften Mord
Kenntttts erhielten und welche Schritte sie zur Ver-
dunkelung unternahmen. In dieser Richtung scheint
nichts geschehen zu sein. Dagegen scheinen die Ju-
stizbehörden eine umso größere Energie gegen die-
jenigen Beteiligten und Mitwisser zu entfalten, de-
nen die Aufdeckung der ganzen Angelegenheit zu
verdanken ist. Nach denen wird rücksichtslos ge-
fahndet. Die politische Mordangelegenheit mutz da-
her dem Reichsgericht überwiesen werden.
Berlin, 26. Juni. Im Zusammenhang mit
dem Mord in Parchim sind zwei Personen unter
dem Verdacht der Begünstigung verhaftet worden.
Es handelt sich um Mitglieder der Roßbach-Zentrale
Wannsce. Das Netz der Mitwisser ist wesentlich
größer, als bisher angenommen wurde, so daß neue
Verhaftungen bevorstehen. Die Verhafteten gehör-
ten der aufgelösten DeutfchvöMschen Fwihettspartei
an.
Zum Dynamit-Attentat.
Aus Münster wird uns gemeldet: Zwei Tage sind
verstrichen, seit die Druckerei des „Volkswille" einem
Dynamitattentat zum Opfer fiel, ohire daß die Po-
lizei bisher den Tätern auf die Spur kam oder Ver-
haftungen vornahm. Das wundert niemand. Denn
als in der Nacht vom 17. zum 18. Januar das erste
Attentat auf den „Volkswillen" erfolgte, wurde
nichts ermittelt. Dabei Weitz jedermann, das; -als
Attentäter nur die deutschvölkischen Heldenjüngltnge
in Frage kommen können, die sich feit dem Ruhr-
einbruch hier in großer Zahl ein Stelldichein gegeben
haben und unter der Oberleitung verrückt geworde-
ner Universitätsprofessoren ihr Handwerk treiben.
Damals fand man in der Druckerei einen Zettel:
„Für Lützendorfs!" Und als vor kurzem eine große
Scheibe des Parteibetriebs zertrümmert wurde, wies
ein Zettel: „Für Schlageter, Ihr Säuel" die Spur.
Anhaltspunkte hätte also die Polizei genug. Es ist
jedoch bezeichnend, daß als daraufhin die Geschäfts-
leitung die Polizei um künftigen polizeilichen Schutz
ersuchte, ihr erklärt wurde, die Zerstörung im Setzer-
saal sei ein schlechter Scherz. Man darf sich danach
um die Verwahrlosung des moralischen Empfindens
nicht verwundern. Sttdamerikanische Staaten und
Negerrepubliken werden bald Musterländer gegen
uns sein.
Münchener Gewaltakte.
München, 26. Juni. Ueber eine nationalistische
Fahnenweihe in Passau berichtet die Regensburger
„Volkswacht", datz die Httlerleute Mit Seitengeweh-
ren und Pistolen ausgerüstet die Zugänge ;um
Bahnhof besetzten, die Leute mit republikanischen
Abzeichen überfielen und diese vom Leibe ris-
sen. Bet einem Festzuge am Tage darauf wurden
Passanten und Zuschauer ebenfalls der republikani-
schen Abzeichen beraubt und obendrein mit Gum-
miknüppeln bearbeitet; mehrere Arbeiter wur-
dest zu Boden geschlagen. Der Slaatskommissar
lehnte ein Eingreifen der Landespolizej ab, da <s
Sache der städtischen Polizei sei, bet Ausschreilun-
gcn einizugretfen.

München, 26. Juni. In der Nacht zum Sonn
tag lauerten Hakenkrcuzler sozialdemokratischen Ar-
beitern auf und verwundeten eitlen Mann durch
einen Schutz. Daraufhin haben die Hafenarbeiter
die Arbeit niedergelegt.
Rechtsstaat oder Despotie?
München, 26. Juni. Die Münchener „Post"
hat die Münchener Poltzeidirektion entlarvt. Trotz
der bayerischen Notverordnung hat die Münchener
Polizeidirektion die Hetzplakate des Nationalsozia
ttsttschen „Völkischen Beobachter" unbeanstandet an-
schlagen lassen. Als das erste dieser Plakate ange-
schlagen war, verfertigte einige Tage später der
Verlag der Münchener „Post" einen Plakateurwurs,
der sich in Form und Sprache eng an das national-
sozialistische Plakat anschlotz, aber zum Abonnenten«
der „Münchener Post" aussorderte. Die Polizel-
direktion verbot nun das Plakat der „Münchener
Post", genehmigte aber wenige Tagedarauf wieder
e>n neues Hetzplakat des „Vöik'ichen Beobachter".
Die Einseitigkeit der Mitnehmer Polizctdftcktion
steht damit notorisch fest.
Drunter und drüber.
Dramburg (Pommern), 26. Juni. Zwischen
Arbeitern und uationalistilchen Jung st u : in -
leuten kam es zu einem Zusammenstoß, nachdem
die Nationalisten provozierend aufgetrrten waren.
Im Verlauf des Zusammenstoßes gaben die Jung-
smrmlcute eine Anzahl von Pistol m.chüssen ab, mit
denen sie einen Arbeiter tötetm, einen weiteren durch
Bauchschuß lebensgefährlich verletze n und drei wet-
tere verwundeten. Darauf gingen auch die Arbetter
auf die Juugsturmleute los, wöbet cs auch bei diesen
einige Verletzte gab.
In der Bevölkerung herrscht große Empö-
rung über das durch die Jungsturmlenie ungerich-
tete Blutvergießen. Allgemein wird die Auf öftma
der militärischen Jungsturmorgantsatton gefordert-
Unbedingt ist Klärung darüber erforderlich, wer den
unetfen Burschen Waffenscheine aushändtgt.
Ein Aufruf.
Kiel, 27. Juni. (Eigener Bericht.) Der Vt-
zirksvorstand Schleswig-Hol st ein der SPD.
evlätzt folgenden Aufruf: „Parteigenossen! Organi-
siert die ALwshr! Die Republik ist tin Ge-
fahr. Rationalistische Führer schrecken vor offe-
nen Mordandrohungen nicht zurück. Roß-
Mch-Femen sind in Wirksamkeit. Alles wartet aus
den großen Schlag, der kommen soll, um die Milt-
tärdtktätur an die Stelle der Weimarer -Verfassung
zu setzen. Das darf nicht sein. Einig und
entschlossen wird die Arbeiterschaft jeden
Stretch der Leute abzuwehren wissen, die Meuchel-
morde und Dprengattentate zu politischen Prtnzi.
pien erhoben haben. Die Vertrauensleute der So-
zialdemokratischen Partei in Schleswig-Holstein ha-
ben sich tm Verein „Republik" zusammenge-
fchlossen. Ziel der Vereinigung, der nur Ver-
tvauemspersonen der SPD. ««gehören dürfen, ist
der Schutz der deutschen Reichsversassung gegen je-
den hochverräterischen Angriff, von wo er auch koin-
men mag. Vertrauensleute, tut eure Pflicht!"
Internationale Lage.
Frankreich hat keine Eile.
Paris, 26. Jnnt. Frankreich hat keine Eile
Herrn» Cuno die Antwort auf seine letzte Note zu
geben. In diesem Stmre erklärt das „Journal":
Auf französischer Seit« fei mast keineswegs
eilig. Man warte die Lösung der belgischen
Krise mit größerer Ruhe ab, als die Zeit für
Frankreich arbeite. Die neuen und immer schär-
feren Presstonsmittel würden die Katastrophe in
Deutschland beschleunigen und so die Frucht recht-
zeitig zur Reffe bringen. Die Meldungen von einer
Nähe bevorstehenden Zusammenkunft zwischen
Poincarö und Baldwin, die die Aussprache
in das entscheioeibde Stadium bringen sollte, seien
verfrüht, solange Lord Curzon die Legilintttät
der französischen Aktion an der Ruhr nicht aner-
kenne.
Die Enthüllungen des „Observer".
London, 26. Juni. Ein Teil der Presse be-
faßt sich weiterhin mit dem vom „Observer"
veröffentlichten französischen Geheimbe-
richt. Eine Reuter-Meldung besagt, ein nachdrück-
liches französisches Dement i besage, datz das
vorn „Observer" veröffentlichte Dokument nicht
existiere. Dennoch wird es von den englischen
Blättern Ms sicher angesehen, daß Frankreich vcr-
sucht, das Rheinland von Deutschland zu tren-
nen. Die Kommentare -er Pariser Presse werden
viel beachtet. Die Behauptung des „Matin", daß
der Ches des britischen Nachrichtendienstes in Köln
zur Zeil des Kapp-Putsches mitgewirkt habe, nm
eine Rheinland-Republik ins Leben zu rufen, wird
in London von amtlicher Seite prompt dementier!;
Reuter erfährt, es handle sich bei dieser Behauptung
des „Matin" nur Nm eine Wiederholung einer tm
letzten April in London veröffentlichten Mitteilung,
'die schon damals kategorisch in Avrde gestellt wurde.

Rotzbachs Feme
Leben wir im Bürgerkrieg?
 
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