Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur (48.1932-1933)

Hans Thoma. Die Näherin

Frauenbildnisse aus 75 Jahren

Wir haben sichere Anhaltspunkte für die Zeit der
Entdeckung der Persönlichkeit hei den abendlän-
dischen Völkern und einen sicheren Gradmesser
ihrer steigenden VYertschätzung: das ist das Aufkom-
men des Bildnisses. Nach der großen und reifen
Zeit des 15. Jahrhunderts — man denke an die
Naumburger Stifterfiguren — wird das Porträt im
15. Jahrhundert auch in Deutschland allgemeiner,
zunächst in der bescheidensten Form der kleinen

Stifterbildnisse auf heiligen Bildern. Im 16. wird
es selbständig: zunächst ist es nur das Antlitz, das
wertgehalten wird, dargestellt zu werden, dann
wächst es in die Höhe und in die Breite: das Brust-
bild kommt, dann das Kniestück, und schließlich
die feierliche Steh- und Sitzfigur. Und auch die
Maße des Bildes wachsen. Und immer ist das Porträt
ein Spiegel der geistigen Haltung der Zeit.
Und im ig. Jahrhundert nimmt das Porträt teil an

Kunst f. Alle, Jahrg. 48, Heft 2, Nov. 1932

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