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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 48.1932-1933

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Friedrich, Paul: Musikalische Griffelkunst: zu Max Klingers "Brahms-Phantasie"
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Busch, Harald: Über Paul Baum
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https://doi.org/10.11588/diglit.16480#0283

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dem Urmusiker Brahms die Dankworte aus „Ich
sehe die Musik, die schönen Worte dazu und nun
tragen mich ganz unvermerkt Ihre herrlichen Zeich-
nungen weiter; indem ich sie ansehe, ist es, als ob
die Musik ins Unendliche weitertöne und alles aus-
spräche, was ich hätte sagen mögen, deutlicher, als
Musik es vermag, und dennoch ebenso geheimnis-
reich und ahnungsvoll.'" Und an Eduard Hanslick
schrieb Brahms 1894 ,.die neue Brahms-Phantasie
nur anzuschauen ist mehr Genuß, als die zehn letz-
ten zu hören". Mit diesen Worten ist im Grunde
alles gesagt. Hier erklärte ein Meister der Töne, daß
ein Meister des Griffels mit seiner Kunst die geheim-
nisvollsten Wirkungen der bis dahin hierin einzig
dastehenden Musik erreicht hatte.
Man kann vielleicht im Zweifel sein, ob es nicht
einem Künstler wie Max Slevogt in seinen rausch-
haften Arabesken und Rahmenspielen zu Mozarts
,,Zauberflöte"' gelungen ist, noch über Klinger hin-
aus den Geist der Griffelkunst in die A'Iusik zu ver-
wandeln. Doch kann man dazu bemerken, daß es
für Slevogt relativ leichter war, aus den bereits
durchgestalteten Erscheinungen der Mozartschen
Meisteroper radierte Phantasien herauszuvariieren,
als aus einer viel unsinnlicheren und spröderen
nordisch-herben Gefühlslyrik eines Brahms eine
derartige Fülle von symbolischen, realen und traum-
haften Visionen herauszuzaubern, um sie in der

Glorie der Prometheusblätter zum Schicksalslied
in der Brahms-Phantasie gipfeln zu lassen. Ja, viel-
leicht führte Klingers Bewunderung für den Geist
der Musik in den V\ erken des Johannes Brahms ihn
noch über Brahms hinaus.

Jedenfalls hat sich in Klingers Brahms-Phantasie eine
einmalige unio mystica der bildenden Kunst und
der musikalischen Seelenwelt vollzogen.
Für dieses unsterbliche Geschenk konnte der Be-
schenkte nur durch eine gleichwertige Gabe danken.
Dazu bedurfte es einer besonderen Gelegenheit. Sie
bot sich über 2 Jahre später, als Brahms aus einer
inneren Todesvorahnung heraus am 8. Mai 1896
seine vier ernsten Gesänge zu Texten des Predigers
Salomo, des Jesus Sirach und der berühmten Stelle
über die Liebe aus dem Korintherbrief schrieb.
Kurz vorher war der Vater Max Klingers, den dieser
über alles liebte, gestorben. Brahms empfand sehr
feinfühlend, daß er in dieser Situation dem er-
schütterten Maler ein seiner traurigen Stimmung
entsprechendes passendes Geschenk mit einer per-
sönlichen Widmung der vier Gesänge machen
würde. Und das war es auch. Die vier ernsten Ge-
sänge sind in ihrer düster gewaltigen Stimmung
Brahms' wahrhaftiger Schwanengesang. So stattete
er mit ihnen in gleichwertiger Form Klinger den
tiefsten Dank seiner Seele für dessen größtes gra-
phisches Werk ab. Paul Friedrich

Über Paul Baum*)

Als am 18. Mai 1932 Paul Baum von uns ging, hat
außer den paar Freunden, die noch mit ihm in
Verbindung standen, kaum einer aufgehorcht.
,, Pointiiiist 1 Längst überholte Angelegenheit"' würde
man auf die Frage nach ihm von den meisten ge-
hört haben! Daß der Landschafter Baum, der auf
seiner Suche nach der Möglichkeit einer erschöpfen-
den Darstellung des Atmosphärischen, des Lichtes die
damals vorbildlichen Errungenschaften der fran-
zösischen Impressionisten aufgriff wie eine Offen-
barung, aber eben auch nur als sein Rüstzeug, daß
jedoch das, was er dann aus den Anregungen und
mit dem von ihm selbst weiterverfeinerten Mittel
schuf, etwas zutiefst anderes war, etwas ganz Be-
sonderes, das hatten sie nicht begriffen. Für Baum
ist Landschaft niemals nur optischer Anlaß zu
elegant festlichen Farbenräuschen gewesen. Als er
auffiel, wegen seiner für damalige Verhältnisse
unerhört hellen und starken Farbigkeit, war es die
Zeit lange vor dem Kriege. Dann sah und hörte man

*) Eben fand in der Nationalgalerie in Berlin die erste umfassende
vom Kampfbund für deutsche Kultur veranstaltete Ausstellung von
Werken Baums statt.

nichts mehr von ihm. Zehn Jahre lang malte er
nur Aquarell. Das schlechte Kriegsmaterial mag dazu
beigetragen haben, zu diesem Entschluß; der Hand-
werker, der Paul Baum war, wollte nicht unbestän-
dige Ware liefern. In Böhmen, Hessen, an der Jagst
entstanden die zarten kleinen Werke, wie vordem
die kräftig großen in Südfrankreich, Italien, Kon-
stantinopel und in Holland. Manches auch davon ist
vonganz sonderbarer Kraft und Vollendung. Nach der
Festigung der Mark zog es den Meister wieder zu-
rück nach dem sonnigeren Süden mit seinen reinen
lichten Farben. Ein Gönner hatte inzwischen die
materielle Sorge ihm abgenommen. Von nun an
lebte er seiner Kunst wie einem Gottesdienste. In
San Gimignano, mitten im Silberton derumbrischen
Hügellandschaft, lebte der Maler, persönlich bis
zum Äußersten bedürfnislos. Den ganzen Reichtum
seiner Persönlichkeit, alle Tiefe und Empfindung,
verschwendete erlediglich an seine Werke. Um 1927
erst begann Paul Baum wieder Öl zu malen. Aber
nun zeigte es sich, daß die Zeit seines Aquarellierens
nicht vergeblich gewesen war (ganz abgesehen von
den wundervollen Stücken, die sie uns bescherte;
man denke nur an den Frühlingsmorgen bei Alom-

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