Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 48.1932-1933

DOI Artikel:
Gebhart, Hans: Heinrich Moshage
DOI Artikel:
Tietze, Hans: Dürers "Rosenkranzfest": anläßlich seines Übergangs in den Besitz des tschechoslowakischen Staats
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16480#0326

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
lichkeiten erschöpfenden, über die „Wirklichkeit"
hinaus eindringlichen Modellierung.
Mit diesem Plakettenbildnis des Kanzlers, das von
den bisherigen Arbeiten Moshages im Kleinrelief
abgerückt und in ein besonderes Licht gesetzt wer-

den muß, stehen wir wieder mitten im ernsten
Schaffen des Künstlers, von dem wir ausgegangen
sind. An ihr wird deutlich, was in dieser fast ver-
gessenen ,. Klein"-Kunst Großes und Echtes gestaltet
werden kann. Hans Gebhart

Dürers „Rosenkranzfest"

Anläßlich seines Übergangs in den Besitz des tchechoslowakischen Staats

Der tschechoslowakische Staat hat Dürers ..Rosen-
kranzfest" erworben: nach dreieindrittel Jahrhun-
derten, die es in kaiserlichem, privatem und klöster-
lichem Besitz eingeschlossen war, wird es wieder
der Öffentlichkeit übergeben. Bei seiner Gastrolle
auf der Dürerausstellung 1928 in Nürnberg war
offenbar geworden, daß es Dürers Meisterleistung
der großfigurigen Malerei darstellt. Kein anderes
Bild ist unter gleich anspornenden Umständen ent-
standen; bot doch der bedeutende Auftrag der deut-
schen Kaufmannschaft in Venedig Dürer, der auf
der Höhe seines Lebens stand, die Gelegenheit, mit
den bewunderten Meislern der Malerstadt in Wett-
kampf zu treten. Sorgfältig bereitete er die Arbeit
vor; von den Kompositionsentwürfen, die von einem
traditionellen Schema ausgehen, ist nichts erhalten,
wohl aber zahlreiche zeichnerische Studien zu den
Einzelfiguren und ihren Händen, auch eine Farb-
studie zum Papstmantel, die Dürers Arbeitsmethode
auch nach dieser Richtung belegt. Erst als jede
Einzelheit feststand, ging er — am 7. II. 1506 —
an die Tafel heran und malte sie, wie die Aufschrift
besagt, in 5 Monaten fertig. Stolz schrieb er an
Pirckheimer: ,,. . . Ich hab groß Lob dordurch über-
kommen . . . ich hab auch die Moller all geschtillt,
die do sagten, im Stechen war ich gut, aber im
Molen west ich nit mit Farben umzugehen. Itzt
spricht idermann, sie haben schöner Farben nie ge-
sehen ". In der Tat ist Dürers „Rosenkranzfest' auch
vom malerischen Standpunkt für das Venedig von
1506 eine erstaunliche Leistung, die über alles
hinausgeht, was die venezianische Renaissance bis
dahin geschaffen hatte. Daß es in Venedig verstan-
den und geschätzt werden konnte, erleichtern ein-
zelne äußerliche Übernahmen, mit denen Dürer
sich an die gewohnte Ausdruckssprache der Umge-
bung anpaßte. Die auffälligsten sind das charakteri-
stische venezianische Motiv des musizierenden
Engels zu Füßen der thronenden Maria und der
Vorhang hinter ihr; auch die kleinen Engel über
den Wölkchen, die alle Oberkörper und Armchen
haben, gehen auf Mantegna zurück. Das sind äußer-
liche Dinge; tiefer als diese geht das übernommene
charakteristische Breitformat der venezianischen
Altartafel. Dürer nahm es als Rahmen für die
wohlige Fülle des Figurenaufbaus, vor allem aber
für das monumentale Dreieck, das die Hauptgruppe
— Maria, Kaiser und Papst — umschließt. Es ist
ein neues Kompositionsprinzip, das sich mit Leo-
nardos „Anbetung der Könige" in den Uffizien be-

rührt, in dieser Folgerichtigkeit aber in Venedig
vor dem „Rosenkranzfest'' nicht nachweisbar ist.
Es ist gesteigerter Italianismus; als ob Dürer die
Frucht dieses fremden, aber immer ersehnten Bo-
dens mit allen Kräften an sich reißen wollte. Daher
auch diese strotzende Lebendigkeit der heiligen
Figuren, diese drängende Unmittelbarkeit in jedem
einzelnen Stifterkopf, die immer wieder zu neuen
Identifizierungsversuchen verlockte. Es ist kein
stilles Bild, das Dürer für Venedig geschaffen hat,
mit den verhaltenen Gebärden, die entlang den ge-
raden Mauern oder hinaus in die überhohen Rund-
bogennischen verklingen, wie sie die anderen malten.
Das Rauschen von Marias Faltenwurf hat die Zeit-
genossen aufhorchen lassen; Vasari erkannte seinen
Einfluß in Giovanni Bellims Bacchanal von 1514.
Sansovino rühmte das Bild noch 1581. Bald darauf
aber verließ es Venedig; Kaiser Rudolf, der leiden-
schaftliche Dürersammler, erwarb es am 10. III.
1606 um 900 Dukaten, die der Kirche San Bartolo-
meo, auf deren Hochaltar es bis dahin gestanden
hatte, zugutekommen sollten.

Das Bild, das anfangs über Augsburg reisen sollte,
konnte im letzten Augenblick geradewegs nach Prag
instradiert werden. Vielleicht hat es schon bei die-
sem Transport gelitten, vielleicht hat ihm auch die
Versetzung in ein andres Klima nicht gut getan;
wahrscheinlich hat auch die Bergung vor den Schwe-
den Spuren an der Tafel hinterlassen, die in den
späteren Inventaren der Prager Burg — bis 1765 —
als „ganz ruiniert bezeichnet wird. Wie sie aus
kaiserlichem Besitz kam. ist unbekannt. 1 782 tauchte
sie im Besitz des Oberpostdirektors Filibaum auf,
dessen Erben sie 1793 für 22 Dukaten dem Abt von
Strahow in Prag verkauften. Bei ihrer gründlichen
Restaurierung 1839/41 wurden noch zwei frühere
Restaurierungen festgestellt. Wie eingreifend diese
gewesen waren, läßt sich schon aus den erhaltenen
rudolfinischen Bildkopien, die in wesentlichen Mo-
tiven abweichen, ersehen. Bedeutende Teile des
Bildes fehlen bis auf den Holzgrund herunter. Die
museale Darbietung der Tafel stellt daher ein
schwieriges Problem dar. Dennoch liegt hier ein
so großartiger Wurf vor, daß wie der oder jene
barocke Anbau oder sogar eine historisierende
Purifizierung einem gotischen Dom diese späteren
Eingriffe dem urspünglichen hinreißenden Schwung
nicht Abbruch tun können. Als Ruine, ja als restau-
rierte Ruine bleibt es das Hauptwerk Dürerscher

Malerei. Hans Tietze

306
 
Annotationen