und Engel — einem Bild irdischer YV egfindung
und himmlischen Gerichtetseins — durch Einzel-
heiten an Barlach erinnert werden. Das beweist
nur, wie das Materialgesetz auch bei den verschie-
densten Temperaturen zu gleichen, notwendigen
Lösungen führt. Von „Abhängigkeit" kann hier
nicht die Bede sein. Im übrigen zeigt eine Gegen-
überstellung dieses Bochus mit dem innerlich ver-
wandten „schreitenden Paare" (Abb. S. 274), daß
das Holzwerk die selbständigere, von akademischen
Bindungen freiere Leistung ist, wenn auch gewisse
Kompositionsprobleme nicht restlos gelöst erschei-
nen. Holz — je härter um so ausgesprochener —
ist das dem Geiste der Künstlerin am tiefsten ent-
sprechende Material.
Das in Ton modellierte Porträt des toten Dichters
Henri v. Heiseler (Abb. S. 275) scheint nur für den
oberflächlich urteilenden Betrachter durch seine
fast erschreckende Bealistik aus dem Bahmen der
Lampeschen Kunst herauszufallen. Der tiefer
Schauende sieht: hier hat die Künstlerin die Gewalt
der Schönheit und Größe des Antlitzes am Toten-
bette so gepackt, daß es wiederum nur demütiger
Gehorsam war, der ihr jede Abweichung vom Ur-
bild versagte; es hatte bereits durch die Hand des
Todes die Verwandlung und Beinigung der Form
erfahren, die sonst die Arbeit des Künstlers schafft.
Was die Kunst Silvie Lampes über den Durchschnitt
der zeitgenössischen Produktion hinaushebt, ist ihr
prophetischer Sinn. Bildhaft-symbolisch verkünden
ihre W erke etwas von schöpferischer Lebensgestal-
1ung, die im selbstlosen Empfangen und schweigen-
den Dienen wurzelt. „Da alle Dinge in tiefem
Schweigen lagen, kam von oben hernieder von dem
königlichen Stuhle in mich ein verborgenes Wort"
(Meister Eckehardt). Die Kunst Silvie Lampes ist
formgewordenes Horchen auf diese Stimme.
Hans -Vlöhle
Unbekannte Werke von Philipp Otto Runge
Im Verlauf meiner Forschung über Bunge ist es
mir gelungen, nicht weniger als zwanzig Werke im
Privatbesitz zu entdecken, von denen ich hier vier
in historischer Folge veröffentliche.
Aus Bunges reger Entfaltung während der Studien-
zeit an der Kopenhagener Akademie stammt das
abgebildete Selbstbildnis. In diesem Werk vom Ende
des Jahres 1799 fassen wir eine Typenlinie, die bis
in das 17. Jahrhundert zurückreicht. Schon van
Dycks Ikonographie zeigt im Bildnis des Paulus du
Pont den Typus, der dann wieder in einem Bildnis
des D. Andreae (Hamburger Kunsthaile) und in dem
Tochterporträt der Vigee-Lebrun (Uffizien) hervor-
tritt.
Das Bungische Bildnis offenbart in der Kopfhaltung,
in dem barocken Kontrapost, in der Lichtführung,
im Verhältnis des Kopfes zum Bildgrund und in der
malerischen Behandlung des Künstlers Bindung
an die Porträtauffassung des 18. Jahrhunderts, d. h.
an die französische, die damals Europa beherrscht.
Erst durch die Auseinandersetzung der Nationen
mit der französischen Porträtkunst entsteht das neue
Bildnis um 1800. Die weiß gehöhten Lichter der
auf gelbbraunem Papier mit schwarzer Kreide aus-
geführten Zeichnung sind für die Zeit typisch und
kehren auf den Bildnissen der Franzosen (Greuze,
Vigee-Lebrun) wieder. Die Linie hat in dem Bild-
nis keinen Eigenwert, der Kontur ist weich und
gelockert. Das Porträt zeigt feinste Modellierung in
Tonstufungen von helleren Strichlagen bis in die
tiefsclrwarzen am Bücken, eine Technik, die dem
Zopfstil abgelauscht ist, der Bunge so überaus
typisch in seinem Lehrer Juel entgegentritt, der
seine französische Schulung nicht verleugnet. Indi-
viduell ist in der Zeichnung die Haarbehandlung
und der unverfälschte Ausdruck; Bunge ist schon
hier der Mensch ohne Etikette.
In Bestrebungen, sich vom Pathos, der eitlen Pose,
von der überspitzten Empfindsamkeit und der Affek-
tiertheit zu befreien, wird Bunge von A. Graff in Dres-
den wesentlich unterstützt (S. J25, 4. IV. 1802)1).
Die abgebildeten Studien (zum Elternbildnis), der
Vater und die Mutter des Künstlers, zeigen uns
Bunges neues Porträtideal. Die Kreidetechnik hat
er trotz des malerischen Charakters beibehalten,
doch ist jetzt das Malerische in den Umriß ein ge-
fangen, der trotz der schlechten Erhaltung der
Blätter überall hervortritt.
Der Künstler erstrebt in diesen Zeichnungen die
einfache Wiedergabe der Eltern. Sie wrerden nicht
zurechtgestutzt, sondern erhalten gerade durch die
schlichte Darstellung, durch den Ausdruck einen
Zug zur Monumentalität. Die plastische Formung
ist besonders beim Vater zu fassen, aber dennoch
werden die plastischen Einzelheiten durch ein male-
risches Spiel von Licht und Schatten zur Einheit
verbunden. Schon in diesen Studien begegnet uns
die Entschlossenheit des plastischen Formgedankens
in malerischer Innenmodellierung, nicht auf Kosten
des Malerischen. Eine unerbittliche Strenge der
Linienführung und der Verkürzung tritt uns im
Bildnis des Vaters entgegen.
Auf dem Spitzenrand der Haube im Porträt der
Mutter bricht sich Bunges Sinn für das Ornamen-
*) Hinterlassene Schriften PUmges, 1840.
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und himmlischen Gerichtetseins — durch Einzel-
heiten an Barlach erinnert werden. Das beweist
nur, wie das Materialgesetz auch bei den verschie-
densten Temperaturen zu gleichen, notwendigen
Lösungen führt. Von „Abhängigkeit" kann hier
nicht die Bede sein. Im übrigen zeigt eine Gegen-
überstellung dieses Bochus mit dem innerlich ver-
wandten „schreitenden Paare" (Abb. S. 274), daß
das Holzwerk die selbständigere, von akademischen
Bindungen freiere Leistung ist, wenn auch gewisse
Kompositionsprobleme nicht restlos gelöst erschei-
nen. Holz — je härter um so ausgesprochener —
ist das dem Geiste der Künstlerin am tiefsten ent-
sprechende Material.
Das in Ton modellierte Porträt des toten Dichters
Henri v. Heiseler (Abb. S. 275) scheint nur für den
oberflächlich urteilenden Betrachter durch seine
fast erschreckende Bealistik aus dem Bahmen der
Lampeschen Kunst herauszufallen. Der tiefer
Schauende sieht: hier hat die Künstlerin die Gewalt
der Schönheit und Größe des Antlitzes am Toten-
bette so gepackt, daß es wiederum nur demütiger
Gehorsam war, der ihr jede Abweichung vom Ur-
bild versagte; es hatte bereits durch die Hand des
Todes die Verwandlung und Beinigung der Form
erfahren, die sonst die Arbeit des Künstlers schafft.
Was die Kunst Silvie Lampes über den Durchschnitt
der zeitgenössischen Produktion hinaushebt, ist ihr
prophetischer Sinn. Bildhaft-symbolisch verkünden
ihre W erke etwas von schöpferischer Lebensgestal-
1ung, die im selbstlosen Empfangen und schweigen-
den Dienen wurzelt. „Da alle Dinge in tiefem
Schweigen lagen, kam von oben hernieder von dem
königlichen Stuhle in mich ein verborgenes Wort"
(Meister Eckehardt). Die Kunst Silvie Lampes ist
formgewordenes Horchen auf diese Stimme.
Hans -Vlöhle
Unbekannte Werke von Philipp Otto Runge
Im Verlauf meiner Forschung über Bunge ist es
mir gelungen, nicht weniger als zwanzig Werke im
Privatbesitz zu entdecken, von denen ich hier vier
in historischer Folge veröffentliche.
Aus Bunges reger Entfaltung während der Studien-
zeit an der Kopenhagener Akademie stammt das
abgebildete Selbstbildnis. In diesem Werk vom Ende
des Jahres 1799 fassen wir eine Typenlinie, die bis
in das 17. Jahrhundert zurückreicht. Schon van
Dycks Ikonographie zeigt im Bildnis des Paulus du
Pont den Typus, der dann wieder in einem Bildnis
des D. Andreae (Hamburger Kunsthaile) und in dem
Tochterporträt der Vigee-Lebrun (Uffizien) hervor-
tritt.
Das Bungische Bildnis offenbart in der Kopfhaltung,
in dem barocken Kontrapost, in der Lichtführung,
im Verhältnis des Kopfes zum Bildgrund und in der
malerischen Behandlung des Künstlers Bindung
an die Porträtauffassung des 18. Jahrhunderts, d. h.
an die französische, die damals Europa beherrscht.
Erst durch die Auseinandersetzung der Nationen
mit der französischen Porträtkunst entsteht das neue
Bildnis um 1800. Die weiß gehöhten Lichter der
auf gelbbraunem Papier mit schwarzer Kreide aus-
geführten Zeichnung sind für die Zeit typisch und
kehren auf den Bildnissen der Franzosen (Greuze,
Vigee-Lebrun) wieder. Die Linie hat in dem Bild-
nis keinen Eigenwert, der Kontur ist weich und
gelockert. Das Porträt zeigt feinste Modellierung in
Tonstufungen von helleren Strichlagen bis in die
tiefsclrwarzen am Bücken, eine Technik, die dem
Zopfstil abgelauscht ist, der Bunge so überaus
typisch in seinem Lehrer Juel entgegentritt, der
seine französische Schulung nicht verleugnet. Indi-
viduell ist in der Zeichnung die Haarbehandlung
und der unverfälschte Ausdruck; Bunge ist schon
hier der Mensch ohne Etikette.
In Bestrebungen, sich vom Pathos, der eitlen Pose,
von der überspitzten Empfindsamkeit und der Affek-
tiertheit zu befreien, wird Bunge von A. Graff in Dres-
den wesentlich unterstützt (S. J25, 4. IV. 1802)1).
Die abgebildeten Studien (zum Elternbildnis), der
Vater und die Mutter des Künstlers, zeigen uns
Bunges neues Porträtideal. Die Kreidetechnik hat
er trotz des malerischen Charakters beibehalten,
doch ist jetzt das Malerische in den Umriß ein ge-
fangen, der trotz der schlechten Erhaltung der
Blätter überall hervortritt.
Der Künstler erstrebt in diesen Zeichnungen die
einfache Wiedergabe der Eltern. Sie wrerden nicht
zurechtgestutzt, sondern erhalten gerade durch die
schlichte Darstellung, durch den Ausdruck einen
Zug zur Monumentalität. Die plastische Formung
ist besonders beim Vater zu fassen, aber dennoch
werden die plastischen Einzelheiten durch ein male-
risches Spiel von Licht und Schatten zur Einheit
verbunden. Schon in diesen Studien begegnet uns
die Entschlossenheit des plastischen Formgedankens
in malerischer Innenmodellierung, nicht auf Kosten
des Malerischen. Eine unerbittliche Strenge der
Linienführung und der Verkürzung tritt uns im
Bildnis des Vaters entgegen.
Auf dem Spitzenrand der Haube im Porträt der
Mutter bricht sich Bunges Sinn für das Ornamen-
*) Hinterlassene Schriften PUmges, 1840.
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