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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 48.1932-1933

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Roh, ...: Edgar Ende: ein "surrealistischer" Maler in München?
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Kunst der Sudetendeutschen
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https://doi.org/10.11588/diglit.16480#0138

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seltsam agierende Gruppen auf betonierter, unend- Regung und absoluter Stille über uns kommt. Und
licher Verkürzungsfläche warten. Wo auf weithin wo das alles mit visuellen Mitteln erreicht ist. Daß
verkürzter Tragfläche seltsame Fremdwesen (wie gelegentlich auch Bilder vorkommen, bei denen die
auf erkaltetem Gestirn) abgestellt erscheinen. Wo Phantastik keinen optisch tieferen Gehalt ausstrahlt,
Lebewesen in einer sanften, aber niemals zu über- dann literarisch oder dekorativ anmutet, muß zu-
windenden Entfremdung hausen. Bilder, wo der ein- gestanden werden. Jedenfalls ist dieser Maler ein
ebnende, melancholische Grundakkord der Farbe bereichernder Zuwachs für München und seine
sich friedsam über die Tiefenkeile der Verkürzungen geruhsame, nur selten neue Wege versuchende
legt und nun eine merkwürdige Verschränkung von Malerei. Roh

Kunst der Sudetendeutschen

Mit der Kunst steht's heute überall schlecht. Am
schlimmsten dort, wo zur aktuellen Not der gesell-
schaftlichen und wirtschaftlichen Krise der Mangel
einer natürlichen volklichen Verbundenheit hinzu-
tritt. So muß man die Lage bei den Sudetendeutschen
doch wohl bezeichnen. Sie wohnen in langgezogenen
Streifen an den Grenzen deutschen Sprachgebiets.
Aber politische Grenzen scheiden sie vom deutschen
Stammvolk ab. Die Verbindung untereinander will
nicht recht gedeihen. Allzutiefe Stammesunterschiede
verstärken noch die geographischen Distanzen. Die
..Bayern" im Böhmerwald und im Egergebiet wis-
sen wenig von den „Schlesien!" um Troppau herum.
Die zum sächsischen Kulturkreis gehörigen Nord-
westböhmen haben außer der Sprache nichts gemein
mit den Deutschen in der Zips und weiter östlich
in der Slowakei. Große soziale Unterschiede — Ge-
birgsbevölkerung gegen Industriebevölkerung usw.
— treten hinzu, um die regional trennenden Ten-
denzen zu verschärfen. Und kein einheitlicher gro-
ßer Zustrom übernimmt die hier so notwendige
Funktion der Sammlung und Einigung. Gewiß: in
Prag sitzen Landesverbände und Spitzenorganisatio-
nen auch der deutschen Kulturvereinigungen. Aber
Prag ist weit weg. Und Prag ist bei den Deutschen
des Landes nicht eben beliebt. Es kommt kaum zur
Wirkung. Viel eher ziehen die alten Stammeszusam-
menhänge über die Grenzen hinüber an. Schlesische,
sächsische, neuerdings auch oberpfälzisch-egerische
Kulturwochen schaffen in sich neue Bindungen. Für
das Gesamt-Sudetendeutschtum bedeuten sie doch
wieder nur weitere Trennung, wenn auch dies erste
Regen eines stammlichen Selbstgefühls die Grund-
lage für spätere innersudetendeutsche Zusammen-
schlüsse abgeben mag.

W7ie soll in solch zerklüfteten volklichen Verhält-
nissen eine imponierende Kunst sich regen können.
Kunst braucht Volksbewußtsein hinter sich, um gül-
tige Aussagen hervorbringen zu können. Die indi-
viduelle Äußerung erlischt, wo sie nicht von solch
Uberpersönlichem getragen wird. Das spüren die
Künstler im Land. Und darum flüchten sie hinaus,
meist ins Reich, wo ein breiter, gesicherter Volks-

grund das natürliche W7achstum auch der Kunst
sichert. Wer zurückbleibt, müht sich in der Einsam-
keit ab. Die Kleinstadt, das Dorf bringt kein Ver-
ständnis für modernere Regungen auf. Der Brotbe-
ruf — meist des Zeichenlehrers — fesselt an den
Ort. Die wenigen Akademiejahre in Prag haben ein
kleines Kapital an Selbstvertrauen und künstleri-
schem Auftrieb angesammelt. Es ist bald aufgezehrt.
Nun heißt's, sich an die Scholle klammern, dem
Alltag Motiv und Stimmung zu entlocken, sie ganz
allein zu bewältigen zur künstlerischen Form.
Ja, in Prag auf der Akademie — da gibt's allerhand
Anregung. Im Wettstreit mit den Tschechen wird
da in drei Klassen — mehr sind den Deutschen nicht
zugestanden — wacker gearbeitet. Namentlich Willy
Nowak, der lang in Paris und Berlin lebte, formt
das junge Welterleben der Kunstschüler aus den
Sudetenländern. Nach vier, fünf Jahren heißt's dann
hinaus. Wem die Reisen gen Westen versagt sind,
den erwartet die „Provinz", den erwartet viel Un-
verständnis und viel Einsamkeit. Man übt in den
Freizeiten der Schule, man quält sich um das Bild.
Die Leinwände stapeln sich im engen „Atelier". Die
..Ausstellungen" werden von Vereinsvorständen „be-
sorgt". Es ist höllisch schwer, da draußen zu einer
eigenen Sprache heranzuwachsen. WTer ist schon ein
Cezanne, der im spießigen Aix-les-Bains die Kunst-
revolution vollbringt! Nein, nicht die Cezannes sind
die Sorge einer volklichen Kunstpflege, sondern die
frohen Temperamente, die das Niveau halten und
langsam höher steigern, die die Kunst immer tiefer
einpflanzen in die breiten Schichten des Volkes, die
die ..Form" einprägen ins breite Bewußtsein der
Zeit. Wo tut es dringender not als dort, wo ein
Volk in seiner Form bedroht ist! Aber wie schwer
wird es dem Künstler gerade dort gemacht! Mit
materiellen Gaben können wir da nicht helfen. Aber
unsere Teilnahme kann helfen. Gedanken, die wir
hinüberschicken zu solch einsam schaffenden Künst-
lern in der Diaspora. Und unsere Aufnahmebereit-
schaft, wenn sie uns — wie im vorigen Frühjahr in
Nürnberg — die Früchte ihrer Mühen zeigen.

Dr.O.S.

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