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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 48.1932-1933

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Lang, Oskar: Matthias May
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Herzberg, Günther: Abstrakte Malerei?
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https://doi.org/10.11588/diglit.16480#0374

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springend, bedrängen ihn und lassen ihn nicht mehr
los; das Seelisch-Expressive erhebt sich zu visionärer
Schau, das Stadium des wertesetzenden Schöpfer-
tums ist erreicht. Eine eigentümliche Transzendenz
ist es, die die Bilder dieser letzten Jahre kennzeich-
net. Y\ ie seine Entwicklung weiter verlaufen wäre?
Wer will es sagen? Wir können es nur ahnen aus
zwei Bildern, die er kurz vor seinem Tode gemalt
hat, einem „Sebastian" und „Moses", die noch eine
erstaunliche Steigerung über alles Bisherige hinaus
darstellen.

May strebte nach dem Höchsten: entscheidend ist in
seinem gesamten Schaffen die strenge Gesetzmäßig-
keit der Bildgestaltung, in der sich ein elementarer
Sinn für formrhythmische Zusammenhänge äußert:

sie bewirkt zugleich gegenüber den strömenden Ge-
walten der Bewegungsrythmen die notwendige Bin-
dung und Verfestigung. Daneben stand ihm ein
malerisches Empfinden von äußerster Differenziert-
heit und eine unerschöpfliche Phamasie zu Gebot.
Ein Pieifender und doch schon ein innerlich Beifer,
so steht May mit seinem Werk vor uns; war es ihm
auch nicht vergönnt, es zu vollenden, so bedeutet es
doch einen höchst gewichtigen, in seinen Auswir-
kungen noch nicht abzuschätzenden Vorstoß in künst-
lerisches Neuland. Es dürfte keine Überschätzung
sein, wenn man die Meinung vertritt, daß ihm in
der Beihe der richtunggebenden Künstler seiner Zeit
auch ein entsprechender Platz eingeräumt werden
müßte.

Abstrakte Malerei? Von Günther Herzberg

Die Idee von der abstrakten Malerei ist wildes
Fleisch in dem kulturellen Wachstum der Mensch-
heit. Sie ist der Endpunkt intellektueller Weiter-
führung künstlerischer Errungenschaften unserer
Zeit.

Das unbedingte Werten des geistigen und seelischen
Ausdruckes gegenüber äußerer Gestalt, die Zusam-
menballung des Wesentlichen unter Fortlassung
verwirrender Einzelheiten, beides die wertvollsten
Produkte künstlerischen Bingens der Neuzeit, ver-
leiteten zu starrer Weiterführung in die Begionen
abstrakter Theoretik.

Die Ausdruckskraft der ungemischten Farbe ist
nach langer Entwicklung über den Impressionis-
mus und den Neoimpressionismus im Expressionis-
mus zu elementarer Wirkung gekommen. Ihre ur-
wüchsige Beinheit und der völlige Verzicht auf
naturalistische Formung steigert die Ausdruckskraft
ihrer Objekte auf das Höchste. Im Erkennen dieses
Entwicklungsvorganges glaubt die gegenstandslose
Malerei organisch weiterzuschreiten, indem sie die
Farbe von dem Gegenstande ihrer Gestaltung völlig
löst. In abstrakten Kompositionen soll die Farbe
ihre Wirkung auf das künstlerische Empfinden des
Menschen ausüben, soll der Mensch den bildlichen

Ausdruck seiner inneren Spannungen und Empfin-
dungen darstellen. Diese logische Folgerung mag
gedanklich reizvoll sein, kann jedoch nie dem Willen
künstlerischer Schöpferkraft entspringen.
Der Maler erlebt sein Dasein mit bebenden Sinnen.
Er erschaut um sich das Weben der Natur, die Lei-
denschaften und Schicksale seiner Mitmenschen.
Er erfühlt Schönheit und Tragik des menschlichen
Lebens, Spannungen und Schwankungen der
menschlichen Seele am empfindlichsten. Alles dieses
formt in ihm das Kunstwerk. Sein Wollen und sein
Werk würden zu sich selbst in Gegensatz treten,
würden sie in der bildlichen Gestaltung die Aus-
drucksformen der Natur und des Menschseins ver-
schmähen. Es hieße einen Umwegmachen, der weit
ab vom Ziele führt, wollte er dieses alles in abstrak-
ten Formen zum Ausdruck bringen. An diesem
Punkt zeigt sich deutlich das rein intellektuelle
Weitergehen der gegenstandslosen Malerei. Sie glaubt
sich über die Aus drucksformen der anderen maleri-
schen Gestaltungsarten zu erheben und entfernt sich
dabei von Sinn und Art der Kunst. Der ewige Quell
des Werdens, Wachsens und Vergehens reicht nicht
mehr bis zu ihr, sie wird zur trockenen, abstrakten
Bechnung.

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